Kostenerstattung für Privatgutachten

Gericht

LG Bremen


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

31. 01. 2013


Aktenzeichen

6 S 23/12


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bremerhaven vom 13.12.11 (Geschäftsnummer 57 C 0268/10) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 61,41 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.2.10 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die durch die Einholung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten tragen die Beklagten als Gesamtschuldner; im Übrigen tragen von den Kosten des Rechtsstreits die Beklagten 8% als Gesamtschuldner und die Klägerin 92%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche aus einem beendeten Wohnraummietverhältnis geltend.

Die Klägerin war seit 1986 Vermieterin und die Beklagten Mieter einer Wohnung im Hause E.er Straße ... in B.. Im Dezember 2009 rügten die Beklagten, dass in der Wohnung Schimmel und Undichtigkeiten vorhanden seien. Die Klägerin ließ die Wohnung durch einen ihrer Mitarbeiter in Augenschein nehmen, der dabei nach ausführlicher Prüfung keinerlei Mängel feststellen konnte. Anschließend minderten die Beklagten die Miete für den Monat Februar 2010 um 20%, das sind € 61,41. Die Klägerin erhob daraufhin die vorliegende Klage, mit der sie die Zahlung der geminderten Miete verlangte.

Am 30.9.10 wurde das Mietverhältnis beendet. Wenige Tage später beauftragte die Klägerin den Sachverständigen W. mit der Begutachtung der Wohnung im Hinblick auf die gerügten Mängel. In seinem Gutachten kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass keine Mängel vorhanden sind. Nachdem das Amtsgericht die Tochter der Beklagten sowie den Mitarbeiter der Klägerin als Zeugin vernommen hatte, erließ es am 30.11.10 einen Beweisbeschluss, wonach ein gerichtliches Sachverständigengutachten über die Frage eingeholt werden sollte, ob die behaupteten Mängel vorhanden sind. Das Gutachten kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass keine Mängel vorliegen.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 2.3.11 zunächst außergerichtlich durch ihre Prozessbevollmächtigten die Zahlung der Kosten für das von ihr eingeholte Privatgutachten in Höhe von € 684,25 von den Beklagten verlangt hatte, erweiterte sie mit Schriftsatz vom 21.3.11 die Klage dahingehend, dass sie nunmehr auch diese Kosten sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Zahlungsaufforderung in Höhe von € 92,82 von den Beklagten verlangte.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie € 61,41 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.2.10 zu zahlen,

  2. die Beklagten weiter gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie € 684,25 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.3.11 zu zahlen,

  3. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 92,82 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.3.11 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 13.12.11 gab das Amtsgericht der Klage in vollem Umfang statt. Es führte aus, der Anspruch auf die rückständige Miete ergebe sich aus § 535 BGB, weil den Beklagten der Beweis, dass die behaupteten Mängel vorhanden waren, nicht gelungen sei. Das Gericht stützte sich dabei insbesondere auf das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten. Die Kosten für das vorgerichtliche Parteigutachten seien ebenfalls von den Beklagten zu tragen, weil es sich dabei um einen Verzugsschaden handele. Dies folge aus der entsprechenden Rechtsprechung des BGH. Es handele sich vorliegend zwar um ein Parteigutachten, dieses habe aber zur Substantiierung des Vortrags gedient. Seine Einholung sei deshalb, auch zur Beweissicherung, notwendig und geboten gewesen und habe nicht gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin verstoßen. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten schließlich stellten ebenfalls einen Verzugsschaden dar.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer am 13.1.12 bei Gericht eingegangenen Berufung. Darin machen sie im Wesentlichen geltend, die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, ein Parteigutachten einzuholen, sondern hätte im Prozess entsprechende Beweisangebote unterbreiten müssen. Da es sich um ein Parteigutachten gehandelt habe, seien die darin enthaltenen Feststellungen zur Beweissicherung ohnehin ungeeignet gewesen. Selbst wenn man die Auffassung vertrete, das Gutachten sei zur Substantiierung notwendig gewesen, führe dies nicht zu einer Schadensersatzpflicht der Beklagten. Das Argument der Schadensminderungspflicht greife nicht durch, weil ein Schaden, der durch eine verspätete Neuvermietung entstanden wäre, ohnehin nicht gegenüber den Beklagten hätte geltend gemacht werden können.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Amtsgerichts Bremerhaven vom 13.12.11 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe das Parteigutachten nur eingeholt, um den Zustand der Wohnung bei Beendigung des Mietverhältnisses festzustellen und so eine zügige Neuvermietung zu ermöglichen. Das Gutachten sei deshalb nicht sinnlos gewesen, sondern habe dazu gedient, dem möglichen Vortrag der Gegenseite entgegenzuwirken, es seien Mängel nachträglich beseitigt worden. Ohne das Gutachten hätte die Wohnung nicht neu vermietet werden können und der dadurch entstehende Schaden wäre weit höher gewesen als die Kosten für das Gutachten. Nach der Rechtsprechung des BGH sei anerkannt, dass Kosten, die dem Vermieter dadurch entstehen, dass er nach dem Auszug des Mieters einen Sachverständigen mit der Feststellung des Zustands beauftragt, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs erstattungsfähig sind. Sie habe auch nicht auf die Kosten des Gutachtens hinweisen müssen, da die Beklagten fortwährend die Einholung eines Sachverständigengutachtens gefordert hätten. Ihnen sei offenbar auch bewusst gewesen, dass die Mietminderung unbegründet gewesen sei, denn weitere von ihnen vorgenommenen Mietminderungen für die Monate März bis September 2010 hätten sie im Jahr 2011 anstandslos und ohne Vorbehalt ausgeglichen. Aufgrund der weiteren Mietminderungen greife auch der Einwand der Unverhältnismäßigkeit nicht durch.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien in beiden Instanzen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist im Wesentlichen begründet.


I.

Soweit sich die Berufung gegen die Verpflichtung zur Zahlung der einbehaltenen Miete nebst Zinsen richtet, ist sie unbegründet, denn der entsprechende Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB.

Das Amtsgericht hat insoweit vollkommen zutreffend festgestellt, dass der den Beklagten obliegende Beweis, dass die Wohnung mangelhaft war und sie deshalb zur Mietminderung berechtigt waren, von ihnen nicht erbracht wurde. Die entsprechende Würdigung der Zeugenbeweise ist ebenso wenig zu beanstanden, wie Inhalt und Würdigung des gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens.


II.

Im Übrigen, also hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der Kosten des Privatgutachtens sowie der diesbezüglichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, ist die Berufung begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 286, 249 BGB.

1. Zwar trifft es zu, dass nach der Rechtsprechung des BGH (Entscheidung vom 26.5.04, VIII ZR 77/03) „Kosten, die dem Vermieter dadurch entstehen, dass er nach Auszug des Mieters einen Sachverständigen mit der Feststellung des Zustands der Wohnung beauftragt, im Rahmen eines bestehenden Schadensersatzanspruchs als Schadensposten erstattungsfähig sind“. Der BGH hat insoweit entschieden, dass der Vermieter sich „in der Regel“ auch nicht auf andere Möglichkeiten der Beweissicherung, wie z. B. die Inaugenscheinnahme durch Zeugen, verweisen lassen muss. Diesbezüglich führt der BGH aus: „Kosten, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren, sind, soweit eine Anspruchsgrundlage besteht, als Schadensposten erstattungsfähig“.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze besteht im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das von der Klägerin eingeholte Privatgutachten.

a) Wie der BGH in der genannten Entscheidung mehrfach hervorhebt, kann der Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein eingeholtes Privatgutachten nur im Rahmen eines bestehenden Schadensersatzanspruchs gegeben sein. An einem solchen Schadensersatzanspruch fehlt es hier bereits, denn die Klägerin macht gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch geltend, sondern verlangt lediglich die noch ausstehende Mietzinszahlung aus § 535 BGB. Auch sonst ist ein von den Beklagten zu ersetzender Schaden, der der Klägerin entstanden sein könnte, weder ersichtlich noch vorgetragen. Es handelt sich im vorliegenden Fall also bereits um eine grundsätzlich andere Fallkonstellation als in dem vom BGH entschiedenen Fall.

b) Außerdem steht ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für ein vorgerichtlich eingeholtes Privatgutachten nach der genannten Rechtsprechung unter dem Vorbehalt, dass die Kosten zur Wahrnehmung der Rechte des Vermieters erforderlich waren. Diese Voraussetzung liegt hier ebenfalls nicht vor.

aa) Im Schadensersatzrecht fehlt es an der Erforderlichkeit, wenn es lediglich um einen Bagatellschaden geht (der bei Kraftfahrzeugen unterhalb einer Grenze von € 700,00 gegeben ist, vgl. Grüneberg in Palandt, 72. Auflage, § 249 Rn. 58). Im vorliegenden Fall war die Bagatellgrenze bei weitem unterschritten, denn Anlass für die Einholung des Privatgutachtens war ein Mietzinsrückstand von lediglich € 61,41. Diesbezüglich kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagten hätten zunächst auch die Mietzinsen für die folgenden Monate gekürzt, so dass der aufgelaufene Rückstand in Wahrheit € 470,28 betragen habe. Abgesehen davon, dass auch dieser Betrag noch nicht so hoch ist, dass die Einholung eines noch teureren Sachverständigengutachtens gerechtfertigt gewesen wäre, ist der entsprechende Vortrag erstmals in der Berufungsinstanz im Schriftsatz vom 27.6.12 erfolgt. Erstinstanzlich hat die Klägerin hierzu nichts vorgetragen, so dass sich in den in der Berufungsinstanz nach §§ 529, 531 BGB zugrunde zu legenden tatsächlichen Feststellungen des Urteils hierzu nichts findet. Außerdem wäre die Klägerin in entsprechender Anwendung von § 254 Abs. 2 BGB zumindest verpflichtet gewesen, die Beklagten vor Einholung des Gutachtens darauf hinzuweisen, dass die Kosten für das Gutachten voraussichtlich außer Verhältnis zu den noch offen stehenden Mietzinsansprüchen stehen würden. Eine derartige Pflicht besteht nach Auffassung der Kammer auch dann, wenn es zutreffen sollte, dass die Beklagten selbst mehrfach die Einholung eines Sachverständigengutachtens gefordert haben, weil nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass sie sich dabei über die Höhe der anfallenden Kosten ausreichend im Klaren waren. Hierfür spricht nicht zuletzt auch, dass eine derartige Hinweispflicht im gerichtlichen Verfahren sogar den Sachverständigen selber trifft (§ 407a Abs. 3 S. 2 ZPO). Im Umkehrschluss kann daraus gefolgert werden, dass der Vermieter, der mit dem Umfang des Streits in der Regel besser vertraut ist als ein Sachverständiger, erst recht verpflichtet ist, die Gegenseite auf die zu erwartenden Kosten des Gutachtens hinzuweisen, wenn diese außer Verhältnis zu der geltend gemachten Forderung stehen.

bb) Ferner fehlt es unter Berücksichtigung der eingangs dargestellten Rechtsprechung des BGH im vorliegenden Fall auch deshalb an der Erforderlichkeit, weil angesichts der von den Beklagten behaupteten Mängel und der Feststellungen, die die Klägerin vor Einholung des Sachverständigengutachtens getroffen hatte, klar war, dass die Sicherung des Beweises durch einen Zeugen sowie die Anfertigung von Fotos im vorliegenden Fall ausnahmsweise den gleichen Beweiswert haben würde, wie ein Sachverständigengutachten. Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 1.6.10 (Bl. 27 der Akte) sehr ausführlich dargelegt, dass es am 17.12.09 eine Ortsbesichtigung durch ihren Mitarbeiter O. K. gab. Dieser habe die einzelnen gerügten Mängel nacheinander in Augenschein genommen und detailliert überprüft. Dabei habe sich gezeigt, dass keiner der behaupteten Mängel auch nur ansatzweise vorlag und insbesondere weder der behauptete Schimmel aufgefunden werden konnten noch in den betroffenen Zimmern ein ungewöhnlicher Geruch herrschte. Auch die behaupteten Undichtigkeiten der Fenster konnten in keiner Weise festgestellt werden. Angesichts dieses Befundes war es für die Klägerin offensichtlich, dass die von den Beklagten gerügten Mängel sämtlich nicht vorlagen. Es hätte offenkundig gereicht, die angeblich betroffenen Stellen in der Wohnung zu fotografieren und den Mitarbeiter Klinge als Zeugen zu benennen. Insbesondere waren vorliegend sachverständige Feststellungen auch deshalb nicht nötig, weil es nicht darum ging, die Ursache für bestimmte Mängel zu ermitteln. Hiermit wäre ein - nicht sachverständiger - Mitarbeiter der Klägerin sicherlich überfordert gewesen; abgesehen davon hätte dann, wenn der behauptete Schimmel vorhanden gewesen wäre, die Klägerin die Beweislast dafür getroffen, dass der Mangel durch die Beklagten verschuldet wurde. Im vorliegenden Fall lag für die Klägerin nach der Besichtigung durch ihren Mitarbeiter Klinge aber klar zu Tage, dass die behaupteten Mängel in keiner Weise vorhanden waren. Bei einem späteren Streit zwischen der Klägerin und den Beklagten wären deshalb diese für die von ihnen behaupteten Mängel in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig gewesen wären. D. h. es hätte nicht in erster Linie der Klägerin oblegen, den Beweis dafür zu sichern, dass die behaupteten Mängel nicht vorhanden waren. Vielmehr hätten die Beklagten den Beweis für das Vorhandensein der Mängel führen müssen.

3. Da der Anspruch auf Erstattung der Gutachterkosten nicht besteht, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Übernahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die sich allein auf die Geltendmachung der Gutachterkosten beziehen.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 96, 97, 92 ZPO. Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass die von den Beklagten beantragte Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens erfolglos geblieben ist. Die dafür angefallenen Kosten konnten deshalb nach § 96 ZPO in Abweichung von der übrigen Kostenentscheidung den Beklagten auferlegt werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.


IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Rechtsgebiete

Mietrecht