Widerruf von Weihnachtsgeld und Vorbehalt der Freiwilligkeit

Gericht

LAG Rheinland-Pfalz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 08. 2012


Aktenzeichen

5 Sa 54/12


Tenor


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Koblenz vom 23.11.2011 - 4 Ca 516/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob dem Kläger noch restliches Weihnachtsgeld aus dem Jahr 2010 gegenüber der Beklagten zusteht.

Der Kläger ist seit dem 21.10.1991 bei der Beklagten als Mitarbeiter der Anzeigenabteilung beschäftigt. Sein Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 2.735,41 €. Im Arbeitsvertrag vom 17. Oktober 1991, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 3 d. A. Bezug genommen wird, heißt es u. a.:

"2. Allgemeine Arbeitsbedingungen
Für das Arbeitsverhältnis gelten die allgemeinen Arbeitsbedingungen, die als Anlage beigefügt und Bestandteil dieses Arbeitsvertrages sind.
[...]
6. Alle übrigen Arbeitsbedingungen richten sich nach den allgemeinen Arbeitsbedingungen in Anlage zu diesem Vertrag."

Zur Zeit gelten im Betrieb der Beklagten für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis die allgemeinen Arbeitsbedingungen in der Fassung der zweiten Änderung zum 01.01.2002 mit Stand vom 01.09.2003. Hinsichtlich deren Inhalt wird auf Bl. 4 ff. d. A. Bezug genommen; dort heißt es u. a.:

"9. Freiwillige Sonderzahlungen
9.1. Weihnachtsgeld
9.1.1. Mitarbeiter/innen, die am 1. November der Firma mindestens 12 Monate ununterbrochen angehört haben und in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, erhalten ein Weihnachtsgeld als Anerkennung für die in der Vergangenheit erbrachte Leistung und in Erwartung künftiger Betriebstreue. […]
9.1.2. Das Weihnachtsgeld beträgt ab dem 01.01.1989 75 % des zuletzt gewährten regelmäßigen monatlichen Grundentgeltes.
9.1.3. Bei Angestellten und im Monatslohn entlohnten Mitarbeiter/innen entspricht das Grundentgelt dem zuletzt gewährten regelmäßigen monatlichen Grundgehalt.
[...]
9.1.7. Mitarbeiter/innen, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht oder die aufgrund der Schutzfristen vor und nach der Entbindung, Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub, einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit auf Zeit, im Falle einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, bei der kein Anspruch auf Lohn- oder Gehaltsfortzahlung besteht oder aufgrund sonstiger unbezahlter Freistellung im Kalenderjahr teilweise nicht beschäftigt werden konnten, erhalten ein ihrer tatsächlichen Beschäftigungszeit entsprechendes anteiliges Weihnachtsgeld.
9.1.8. Das Weihnachtsgeld wird zusammen mit dem Arbeitsentgelt für den Monat November abgerechnet und ausgezahlt.
[...]
9.6. Vorbehalt der Freiwilligkeit
Sämtliche unter 9.1. bis 9.5. aufgeführten Zahlungen sind freiwillige soziale Leistungen und stehen unter dem jederzeitigen Vorbehalt des Widerrufs unabhängig von den sonstigen Arbeitsbedingungen. Auf sie erwächst auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch. Eine betriebliche Übung auf Gewährung kann nicht entstehen.
[...]"

Dem Kläger waren in den Jahren 1998 bis 2008 als "Mitarbeiter-Info" bezeichnete und unten rechts mit einer vorgefertigten Unterschriftszeile "Bestätigung des Mitarbeiters" Schreiben folgenden Inhalts vorgelegt worden, die er bis 2006 jeweils handschriftlich gegenzeichnete:

"Wir weisen nochmals darauf hin, dass es sich bei den Einmalzahlungen wie Oster-, Urlaubs- und Weihnachtsgeld etc. um freiwillige Sonderzahlungen handelt, deren Festsetzung im Ermessen der Geschäftsleitung liegt. Auf sie erwächst auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch in Folgejahren. Eine betriebliche Übung auf Gewährung kann nicht entstehen."

1998 war diesem Text ein weiterer Absatz vorangestellt (vgl. Bl. 57 d. A.):

"Wie mit Aushang vom Dezember 1997 angekündigt, wurde im November 1998 das Weihnachtsgeld im Krankheitsfall um 25 % pro Krankheitstag lt. gesetzlicher Regelung gekürzt."

Zwischen 1999 und 2006 war des Weiteren nachfolgender Satz ans Ende angefügt (vgl. Bl. 49-56 d. A.):

"Das Weihnachtsgeld wurde, wie seit 1998 praktiziert, im Krankheitsfall um 25 % pro Krankheitstag laut gesetzlicher Regelung gekürzt."

2004 enthielt das Mitarbeiter-Info-Schreiben den weiteren Hinweis, dass bis zu zehn dienstlich angeordnete Überstunden mit dem monatlichen Bruttolohn abgegolten seien. Weiterhin folgenden Text (vgl. Bl. 51 d. A.): "Im Einzelfall kann dies dazu führen, das bestehende Verträge dahingehend einzelvertraglich geändert werden."

2007 und 2008 unterzeichnete der Kläger das jeweils vorgelegte Schreiben mit dem Zusatz "vorgelegt und gelesen" bzw. "gesehen" (vgl. Bl. 47 f. d. A.).

2005 wurden dem Kläger bei 12 Krankheitstagen 378,72 € brutto vom Weihnachtsgeld abgezogen, 2006 für 17 Krankheitstage 536,52 € brutto, für 2007 bei 17 Krankheitstagen 536,52 € brutto und für 2008 bei 22 Krankheitstagen 694,32 € brutto; dagegen hat sich der Kläger nicht zur Wehr gesetzt.

Nachdem der Kläger im Jahr 2010 an 32 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt war, hat die Beklagte den Weihnachtsgeldanspruch von rechnerisch unstreitig 2.051,55 € brutto auf 1.041,72 € brutto reduziert. Der Kläger hat den fehlenden Restbetrag mit Schreiben vom 25.01.2011 zum 08.02.2011 erfolglos angemahnt.

Der Kläger hat vorgetragen,

er habe nach den allgemeinen Arbeitsbedingungen einen Weihnachtsgeldanspruch in Höhe von 75 % des letzten monatlichen Bruttoentgelts. Der Freiwilligkeitsvorbehalt sei hinfällig. Spätestens seit 2009 sei auch kein Kürzungsvorbehalt wegen Krankheit mehr erkennbar. Insoweit sei ein Schriftformvorbehalt anzuwenden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 1.009,83 EUR brutto nebst Zinsen = 5%-Punkte über dem Basiszinssatz seit dem 09.02.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

der Weihnachtsgeldanspruch stehe nach den allgemeinen Arbeitsbedingungen insgesamt unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt. Im Übrigen bestehe individualvertraglich die Vereinbarung, für jeden Krankheitstag 25 % des auf den Krankheitstag entfallenden Arbeitsentgelts vom Weihnachtsgeld abzuziehen. Diese Kürzungsregelung sei seit 1998 gegenüber allen Mitarbeitern gehandhabt worden und gängige betriebliche Praxis. Auch der Kläger habe sie niemals beanstandet.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Beklagte daraufhin durch Urteil vom 23.11.2011 - 4 Ca 516/11 - verurteilt, an den Kläger 1.009,83 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten seit dem 09.02.2011 zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 76-85 d. A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 30.12.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 27.01.2012 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 13.03.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 22.02.2012 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis 14.03.2012 einschließlich verlängert worden war.

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor,

sie habe in ihren Arbeitsbedingungen einen rechtswirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt gesetzt, der sie zu der vorgenommenen Kürzung berechtige. Sie habe zudem mit dem Kläger rechtswirksam ein Kürzungsrecht der Sondervergütung bei unterjähriger Erkrankung nach § 4a EFZG vereinbart. Auch insoweit habe sie die Kürzung des Weihnachtsgeldes vornehmen dürfen. Sie habe dem Kläger gegenüber hinreichend deutlich gemacht, dass ihr Interesse dahin gehe, in Zukunft möglichst flexibel entscheiden zu können und kurzfristig frei in ihrer Entscheidung zu sein, ob und unter welcher Voraussetzung und ggfls. in welcher Höhe sie eine zusätzliche Leistung zu den im Arbeitsvertrag geregelten Leistungen gewähre. Im Übrigen habe auch der Kläger selbst bei Unterzeichnung der Schreiben von 1998 bis 2006 angenommen, es bestehe eine entsprechende arbeitsvertragliche Übereinkunft. Folglich habe er die Kürzung akzeptiert.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 13.03.2012 (Bl. 119-128 d. A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz, Az: 4 Ca 516/11 vom 23.11.2011 wird geändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor,

ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt bestehe nicht. Im Übrigen habe er die Abzüge beim Weihnachtsgeld wegen Krankheit in den Jahren 2005 bis 2008 - wie seine Kollegen - hingenommen, weil er davon ausgegangen sei, dass die Beklagte nach Maßgabe einer gesetzlichen Regelung dazu berechtigt sei. Inzwischen wisse er es aber besser.

Zur weiteren Darstellung der Auffassung des Klägers wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 04.05.2012 (Bl. 143-149 d. A.) nebst Anlage (Bl. 150 d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 27.08.2012.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis und in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Zahlung der streitgegenständlichen Klagesumme von der Beklagten nebst Zinsen als weiteres Weihnachtsgeld für das Jahr 2010 verlangen kann.

Der Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 6 = Bl. 79 d. A.) zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Die Klage ist mit dem Arbeitsgericht auch begründet.

Denn der Kläger hat nach Nr. 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit Nr. 9.1. der Allgemeinen Arbeitsbedingungen einen Anspruch auf eine ungekürzte Weihnachtsgeldzahlung für das Jahr 2010.

Die Allgemeinen Arbeitsbedingungen der Beklagten sind in dynamischer Form wirksamer Vertragsbestandteil geworden; nachdem dies von beiden Parteien im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt wird, wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 7, 8 = Bl. 80, 81 d. A.) Bezug genommen.

Nach Nr. 9.1. in Verbindung mit 9.1.2 der Allgemeinen Arbeitsbedingungen besteht ein unbedingter Anspruch auf jährliche Weihnachtsgeldzahlung in Höhe von 75 % des zuletzt maßgeblichen Bruttoentgelts. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 8 = Bl. 81 d. A.) Bezug genommen.

Das BAG (14.09.2011 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 54; 30.07.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38; LAG Hessen 26.07.2010 - 7 Sa 1881/09, EzA-SD 22/2010 S. 10 LS; krit. Preis NZA 2009, 281 ff.; a. A. LAG Bln. 19.08.2005 NZA-RR 2006, 68) geht bei einer Kombination von Widerrufsvorbehalt und Freiwilligkeitsvorbehalt (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 10 Aufl. 2012, Kap. 1 Rz. 713, Kap. 3 Rz. 771) in vorformulierten Arbeitsbedingungen in einem nach dem 31.12.2001 abgeschlossenen Formulararbeitsvertrag von Folgendem aus:

In der Kombination eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit einem Widerrufsvorbehalt liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. z. 2 BGB; BAG 14.09.2011 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 54). Der Arbeitgeber kann bei laufenden Sonderzahlungen - anders als bei laufendem Arbeitsentgelt - zwar grds. einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung für künftige Bezugszeiträume ausschließen. Er kann sich auch die Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er künftig Sonderzahlungen gewährt. Für die Wirksamkeit eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts kommt es nicht auf den vom Arbeitgeber mit der Sonderzahlung verfolgten Zweck an. Der Vorbehalt ist deshalb auch dann wirksam, wenn der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit zusätzlich honoriert. Der Arbeitgeber muss auch nicht jede einzelne Sonderzahlung mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbinden. Es genügt ein entsprechender Hinweis im Arbeitsvertrag. Ein solcher Hinweis muss in einem Formulararbeitsvertrag allerdings dem Transparenzgebot gerecht werden. Er muss deshalb klar und verständlich sein (BAG 08.12.2010 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 51; s. 01.03.2006 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 48; Jensen NZA-RR 2011, 225 ff.). Daran fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einerseits im Formulararbeitsvertrag eine Sonderzahlung in einer bestimmten Höhe ausdrücklich zusagt und eine andere Vertragsklausel in Widerspruch dazu regelt, dass der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung hat, sondern diese freiwillig, jederzeit widerrufbar erfolgt. Die Kombination eines Freiwilligkeits- mit einem Widerrufsvorbehalt ist widersprüchlich. Die Regelung ist dann insoweit unwirksam, als ein Rechtsanspruch auf die Sonderzahlung ausgeschlossen wird (BAG 30.07.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38 = NZA 2008, 1173; krit. Preis NZA 2009, 281 ff.).

Folgt die Intransparenz einer vertraglichen Regelung und damit ihre Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 BGB gerade aus der Kombination zweier Klauselteile, kommen die Annahme einer Teilbarkeit der Klausel und ihre teilweise Aufrechterhaltung nicht in Betracht. Das ist unabhängig davon, ob die einzelnen Klauselteile isoliert betrachtet wirksam wären (BAG 14.09.2011 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 54).

Weist der Arbeitgeber in einem vorformulierten Arbeitsvertrag, der keine Zusage einer Sonderzahlung enthält, darauf hin, die Gewährung einer solchen begründe keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers, benachteiligt ein klar und verständlich formulierter Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer auch dann unangemessen, wenn der Arbeitgeber diesen Freiwilligkeitsvorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt kombiniert. Denn der Widerrufsvorbehalt dient in diesem Fall nur der Stützung des Freiwilligkeitsvorbehalts mit der Folge, dass eine betriebliche Übung nicht entstehen kann (BAG 08.12.2010 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 51; a. A. LAG Düsseld. 29.07.2009 LAGE § 611 BGB 2002 Gratifikation Nr. 15; s. Jensen NZA-RR 2011, 225 ff.). Es bleibt danach dahingestellt, ob mit der Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt im Arbeitsvertrag stets eine mehrdeutige und damit intransparente Klausel i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB formuliert wird. Jedenfalls führt eine solche Verknüpfung dazu, dass für den Vertragspartner nicht hinreichend deutlich wird, bei einer mehrfachen, ohne weitere Vorbehalte erfolgenden Sonderzahlung solle der Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben. Erklärt der Arbeitgeber in diesem Falle keinen eindeutigen Freiwilligkeitsvorbehalt bei der jährlichen Sonderzahlung, muss der Arbeitnehmer nicht annehmen, die Leistung erfolge nur für das jeweilige Jahr und der Arbeitgeber wolle sich für die Zukunft nicht binden (BAG 08.12.2010 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 51).

Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer zudem regelmäßig unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB und ist deshalb unwirksam (BAG 14.09.2011 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 54).

Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält Nr. 9.1.1. in Verbindung mit 9.6. der Allgemeinen Arbeitsbedingungen keinen rechtswirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt. Dies folgt aus den sich aus §§ 305 ff. BGB ergebenden Regelungsgrenzen für Allgemeine Vertragsbedingungen; denn die allgemeinen Vertragsbedingungen sind von der Beklagten einseitig vorformuliert und für eine Vielzahl von Beschäftigungsverhältnissen gestellt worden. Damit unterliegen sie gemäß § 305 ff. BGB der gerichtlichen Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht dahin, dass in Nr. 9.6. der Allgemeinen Arbeitsbedingungen kein rechtswirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt vorgesehen ist.

Denn wenn es zunächst in den Allgemeinen Arbeitsbedingungen heißt, "sind freiwillige Sozialleistungen", sodann aber "stehen unter dem jeweiligen Vorbehalt des Widerrufs" (Nr. 9.6.), dann ist dies intransparent i. S. v. § 350c Abs. 1 BGB. Denn die gewählten Formulierungen enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, welche Teile der versprochenen Sozialleistungen "freiwillig", d. h. ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Leistung gewährt werden sollen und welche weitergehend zwar unter Anerkennung eines Rechtsanspruchs, aber mit dem ständigen Vorbehalt des Widerrufs, vorgesehen sind.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze macht das nicht abgegrenzte Nebeneinander von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt die Regelung aus sich heraus verständlich und wirft in jedem einzelnen Streitfall die Frage auf, ob Ansprüche nun eigentlich gewährt werden sollen oder aber nicht. Eine solche Unklarheit ist - mit dem Arbeitsgericht - dem Adressaten Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zuzumuten (§ 305c Abs. 1 BGB) und führt auch in den vor 2002 geschlossenen Altverträgen seit dem 01.01.2003 zum ersatzlosen Wegfall der Klausel (Art. 229 § 5 EGBGB; BAG 10.12.2008 - 10 AZR 1/08 NZA-RR 2009, 576).

Die in Nr. 9.6., Satz 2, 3 der Allgemeinen Arbeitsbedingungen aufgeführten Ergänzungen bewirken keinen Erhalt der Klausel; insoweit wird auf Seite 9 der angefochtenen Entscheidung (= 82 d. A.) Bezug genommen.

Zwischen den Parteien ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein generelles Kürzungsrecht der Sondervergütung bei Erkrankungen nach § 4a EFZG vereinbart worden.

Insoweit wird zunächst auf die grundsätzlichen Ausführungen des Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung (S. 9, 10 = Bl. 82, 83 d. A.) Bezug genommen.

Ein Kürzungsrecht war insoweit zwischen den Parteien nicht bindend vereinbart. Davon ist das Arbeitsgericht unter zutreffender Würdigung der Gegenzeichnung der Mitarbeiter-Info ausgegangen; deshalb wird auf Seite 10, 11 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 83, 84 d. A.) Bezug genommen.

Die von der Beklagten in Anspruch genommene Kürzungsbefugnis lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass es sich um einen wirksam ausgeübten teilweisen Widerruf des Weihnachtsgeldes handelt.

Das BAG (12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6; 20.04.2011 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 12; ebenso LAG Hamm 11.05.2004 NZA-RR 2004, 515; a. A. LAG Bln. 30.03.2004 LAGE § 308 BGB 2002 Nr. 1; Hanau/Hromadka NZA 2005, 73 ff.; Kroeschell NZA 2008, 1393 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz, a. a. O., Kap. 1 Rz. 670, Kap. 3 Rz. 559 ff.), hat inzwischen insoweit folgende Grundsätze aufgestellt:

- Eine formularmäßig im Arbeitsvertrag verwendete Klausel, mit der sich der Arbeitgeber den jederzeitigen unbeschränkten Widerruf übertariflicher Lohnbestandteile und anderer Leistungen vorbehält, ist gem. § 307 Abs. 1 S. 2 u. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam;

- Die Vereinbarung ist nur dann wirksam, wenn der widerrufliche Anteil unter 25 (BAG 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6 = NZA 2007, 87) bis 30 % der Gesamtvergütung liegt und der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll;

- Die widerrufliche Leistung muss nach Art und Höhe eindeutig sein. Die Ver- tragsklausel muss zumindest die Richtung angeben, aus der der Widerruf möglich sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers).

Sind Zahlungen des Arbeitgebers widerruflich, die nicht eine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes (BAG 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6 = NZA 2007, 87).

Diese Anforderungen gelten seit dem 01.01.2003 auch für Formulararbeitsverträge, die vor dem 01.01.2002 abgeschlossen worden sind. Fehlt es bei einem solchen Altvertrag an dem geforderten Mindestmaß einer Konkretisierung der Widerrufsgründe, kann die entstandene Lücke im Vertrag durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden. Eine Bindung des Arbeitgebers an die vereinbarte Leistung ohne Widerrufsmöglichkeit würde rückwirkend unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen (BAG 12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 20.04.2011 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 12; a. A. LAG Hamm 11.05.2004 NZA-RR 2004, 515).

Es liegt nahe, dass die Parteien des Arbeitsvertrages bei Kenntnis der neuen gesetzlichen Anforderungen die Widerrufsmöglichkeit zumindest bei wirtschaftlichen Verlusten des Arbeitgebers vorgesehen hätten. Einer ergänzenden Vertragsauslegung steht insoweit nicht entgegen, dass der Arbeitgeber vor dem 01.01.2003 dem Arbeitnehmer keine Anpassung der Klausel an den strengeren Rechtszustand angetragen hat (BAG 20.04.2011 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 12).

Die Anerkennung eines Teilwiderrufs kommt vorliegend folglich zum einen schon deshalb nicht in Betracht, weil der entsprechende Widerrufsvorbehalt unwirksam ist und auch nicht im Wege geltungserhaltender Reduktion, wie dargelegt, aufrechterhalten werden kann. Zum anderen ist vorliegend ein Teilwiderruf - wenn er denn überhaupt anzunehmen wäre - nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung schon deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte sich erkennbar nicht auf wirtschaftliche Umstände stützt und im Übrigen insgesamt Gründe für einen Widerruf in der fraglichen Klausel nicht angegeben sind.

Letztlich ergibt sich die Berechtigung der Vorgehensweise der Beklagten auch nicht aus seiner sogenannten negativen betrieblichen Übung; schon unabhängig davon, ob die Anerkennung einer negativen betrieblichen Übung überhaupt dogmatisch gerechtfertigt war, lässt sich eine derartige Auffassung jedenfalls nach der Schuldrechtsreform nicht weiter aufrecht erhalten (BAG 18.03.2009, NZA § 242 BGB 2002 Betriebliche Übung Nr. 9; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, a. a. O., Kap. 3, Rz 1079). Vorliegend kommt hinzu, dass nach Nr. 9.1.7. in den Allgemeinen Arbeitsbedingungen ausdrücklich ein Kürzungsvorbehalt lediglich für krankheitsbedingte Fehlzeiten vorgesehen ist, für die keine Entgeltfortzahlung geleistet wird. Schon von daher ist für die Anwendung entsprechender Grundsätze zusätzlich vorliegend kein Raum.

Auch die vertragliche Verfallsfrist nach Nr. 21.1.2., Nr. 8.1., 9.1.8. der Allgemeinen Arbeitsbedingungen ist vorliegend eingehalten worden; insoweit wird auf Seiten 11, 12 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 84, 85 d. A.) Bezug genommen.

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.

Denn es enthält zum einen keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten; nichts anderes gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Ohne sich auch nur mit Nr. 9.1.7. der Allgemeinen Arbeitsbedingungen auseinanderzusetzen, macht es lediglich deutlich, dass die Beklagte die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung, der die Kammer voll inhaltlich folgt, aus ihrer Sicht verständlich, nicht teilt. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aber von einem wirksam vereinbarten Freiwilligkeitsvorbehalt nicht ausgegangen werden; auch kommt die Rechtfertigung der vorgenommenen nachträglichen Kürzung weder durch eine negative betriebliche Übung, noch durch einen Teilwiderruf, noch durch eine vertragliche Vereinbarung mit dem Kläger, wie dargelegt, in Betracht.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Vorinstanzen

ArbG Koblenz, 4 Ca 516/11

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht