Überprüfung der Fahrtkostenabrechnung mit „Google Maps“ durch den Arbeitgeber ohne Mitbestimmung des Betriebsrats zulässig

Gericht

LAG Hamburg


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

02. 05. 2012


Aktenzeichen

H 6 TaBV 103/11


Tenor


Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2011 - 12 BV 30/09 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob es die Arbeitgeberin zu unterlassen hat, im Betrieb "Google Maps" anzuwenden, solange eine Einigung der Betriebsparteien nicht erzielt bzw. durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Logistikunternehmen, welches zum Konzern D. P. D. gehört. Sie bietet Paket- und Kurierdienstleistungen an. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1. ist der für die Standorte Hamburg, Neumünster, Bremen und Hannover gebildete Betriebsrat.

Im Konzern D. P. D. gilt die Konzernbetriebsvereinbarung "Informationstechnologie des Konzerns D. P.A." vom 20. August/22. September 2004 (nachfolgend: KBV 2004). Die KBV 2004 beschreibt und regelt das Verfahren für die IT-mäßige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten. Wegen der Einzelheiten der Regelungen der KBV 2004 wird auf die Anlage 1 der Beteiligten zu 2. (Bl. 31 bis 43 d.A) Bezug genommen. In einer Anlage 1 zur KBV 2004 (Bl. 64 d.A.) ist unter der laufenden Nummer 39 das Arbeitsplatzsystem APS 2002 genannt und unter der Spalte "KBR-Beschluss" hierzu eingetragen "6.12.2005". Bei APS 2002 handelt es sich ebenso wie bei dem Nachfolgesystem APS 2009 um ein System, welches dem Benutzer auf der Basis des Betriebssystems Microsoft Windows XP ein Arbeitsplatzsystem mit anwendungsübergreifenden Programmen zur Verfügung stellt (u.a. den Microsoft Internet Explorer, vgl. die angegebenen Grundleistungen in der Anlage 3 der Arbeitgeberin, Bl. 43 d.A.). Mittlerweile verwendet die Arbeitgeberin das vergleichbare Arbeitsplatzsystem "Global Core Build", welches nicht in der Anlage 1 der KBV 2004 aufgelistet ist. Die Arbeitsplatzsysteme APS 2009 und "Global Core Build" sind derzeit die beiden Standards für die Beschäftigten im Konzern im Hinblick auf die IT-Ausrüstung des Arbeitsplatzes.

Die Bürosoftware "Microsoft Office XP" ist in der laufenden Nummer 41 zur Anlage 1 zur KBV 2004 erwähnt. In einem "Informationsdokument" ist unter 11.3 in Bezug auf die Anwender/Nutzer von APS 2002 und Microsoft Office XP unter "Angabe der nutzenden Konzerngesellschaften" die Arbeitgeberin unter ihrer vorherigen Firma "D. E. B. GmbH" genannt.

Als Anlage 31 zur KBV 2004 wurde vereinbart eine Regelung "Corporate Intranet" (auszugsweise Anlage 6 der Arbeitgeberin, Bl. 69 ff d.A.). Gemäß Nr. 6.2 des Informationsdokumentes (Anlage 7 der Arbeitgeberin, Bl. 72 d.A.) wird für den Betrieb des Corporate Intranet u.a. die Suchsoftware "Google Search Apppliance" eingesetzt.

Software wird im Konzern zentral verwaltet. Daten z.B. betreffend Gehaltsabrechnungen und andere personelle Angelegenheiten werden zwischen den einzelnen Konzernunternehmen ausgetauscht.

Bei der Fa. E.-K. GmbH, einer Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 2., besteht eine zwischen dem Gesamtbetriebsrat und dem Unternehmen abgeschlossene "Betriebsvereinbarung über die Einführung und den Betrieb EDV-gestützter Systeme" (nachfolgend GBV 1997) vom 29. April 1997. Wegen der Regelungen GBV 1997 wird Bezug genommen auf die Anlage ASt 1, Blatt 7 bis 10 d.A.. Die GBV 1997 wurde im Jahr 2005 durch den Gesamtbetriebsrat gekündigt. Regelungsgegenstand der GBV 1997 war die Einführung und Nutzung moderner EDV bei der E.-K. GmbH, um Aufgaben aus der Buchhaltung, Materialwirtschaft, Produktionssteuerung und Kostenrechnung sowie der Personalverwaltung und Personalwirtschaft wahrzunehmen.

Im Juni 2009 legte ein Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2. eine Reisekostenabrechnung vor. Als zurückgelegte Strecke für die Hin- und Rückfahrt gab er 60 Kilometer an. Da diese Entfernungsangabe der Arbeitgeberin überhöht erschien, überprüfte der Niederlassungsleiter Herr K. L. die angegebene Entfernung mit dem Internetdienst und Routenplaner "Google Maps". Der betroffene Arbeitnehmer wurde daraufhin auf die nach Auffassung der Arbeitgeberin festgestellte Diskrepanz zwischen der tatsächlichen - mit Hilfe von "Google Maps" errechneten - und der auf der Reisekostenabrechnung angegebenen Entfernung mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 (Anlage ASt 2, Bl. 11 d.A.) hingewiesen und nachfolgend mit Schreiben vom 16. November 2009 (Anlage ASt 4, Bl. 14 d.A.) abgemahnt.

Dieser Vorgang veranlasste den Betriebsrat dazu, den Niederlassungsleiter Herrn L. mit einer E-Mail vom 23. November 2009 aufzufordern, die Anwendung von "Google Maps" im Betrieb zu unterlassen. Zugleich forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin auf, Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zum Thema "Google Maps" aufzunehmen. Dieses Begehren lehnte die Arbeitgeberin mit E-Mail vom 27. November 2009 ab, woraufhin der Betriebsrat das vorliegende Verfahren einleitete.

"Google Maps" wird vom Internetdienstleister Google zur Verfügung gestellt. Dessen Startseite ist von einem internetfähigen Arbeitsplatzrechner einfach etwa mit dem "Internet Explorer" von Microsoft oder einem anderen Browser erreichbar und bietet schon auf dieser Startseite "Google Maps" an (Link: http://maps.google.de/maps). Sodann werden nach Drücken des Befehls "Route berechnen" über zwei Felder die gewünschten Adressen eingegeben und es werden die Entfernung dieser beiden Orte voneinander und die berechnete Fahrzeit nebst einer auf der Karte eingezeichneten Route ausgeworfen. Es lassen sich ohne weiteren großen Aufwand alternative Fahrstecken berechnen und anzeigen.

Der Betriebsrat hat vorgetragen, die Arbeitgeberin habe die Anwendung von "Google Maps" zu unterlassen, da der Einsatz dieses Programms gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig, jedoch weder auf Betriebs-, Unternehmens- noch Konzernebene geregelt sei. Die Anwendung "Google Maps" sei dazu bestimmt, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Die Arbeitgeberin verarbeite personenbezogene Daten, da die eingegebene Adresse der Arbeitnehmer zur Kontrolle einer Reisekostenabrechnung Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulasse. Dass es sich um eine über das Internet zugängliche Anwendung handele, ändere an dieser Einschätzung nichts. Eine Regelungszuständigkeit des Konzernbetriebsrates sei nicht erkennbar. Der Konzernbetriebsrat habe sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG durch die KBV 2004 auch nicht abschließend ausgeübt. Die KBV betreffe das vorliegende System "Google Maps" nicht, da es ersichtlich nicht unter das beschriebene Arbeitsplatzsystem APS 2009 bzw. "Global Core Build" falle. Es sei nicht ersichtlich, dass "Google Maps" im vorliegenden Fall über den Internet Explorer genutzt worden sei. Auch bei Anwendbarkeit der KBV 2004 habe die Arbeitgeberin "Google Maps" im vorliegenden Fall nicht nutzen dürfen, denn § 4 Abs. 2 KBV 2004 schreibe vor, dass Auswertungen auch bei dem begründeten Verdacht einer strafbaren Handlung nur nach einer vorherigen Information des Betriebsrats zulässig seien. Die Nutzung von "Google Maps" sei auch nicht von dem Arbeitsplatzsystem "Global Core Build" gedeckt und dadurch mitbestimmt. Über dieses neue System sei der Konzernbetriebsrat nicht informiert worden. Auch die Anlage 31 zur KBV 2004 zum "Corporate Intranet" regele "Google Maps" nicht, "Google Search Appliance" sei lediglich eine Suchsoftware auf der Ebene des Intranets. Ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates ergebe sich ferner aus der durchzuführenden GBV 1997 (insbesondere Nr. 5.1. und Nr. 6.4 GBV), die nachwirke. Wegen des Vorbringens des Betriebsrates wird ergänzend auf die Schriftsätze vom 26. Oktober 2010, 29. März 2010 sowie die Antragsschrift Bezug genommen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. ...

  2. der Beteiligten zu 2) für jede Zuwiderhandlung gegen die unter 1. genannte Verpflichtung ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu EUR 10.000,00 anzudrohen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, mit Abschluss der KBV 2004 habe der Konzernbetriebsrat auch im Hinblick auf "Google Maps" sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ausgeübt. Der Konzernbetriebsrat sei - wie sich aus der KBV und den begleitenden Anlagen und dem Informationsdokument ergebe - mit dem genutzten Arbeitsplatzsystem und damit auch mit der Nutzung des Internets allgemein und mit der Anwendung einer Internetanwendung wie "Google Maps" einverstanden. Dass das Arbeitsplatzsystem "Global Core Build" in der Anlage 1 der KBV 2004 nicht geregelt sei, liege an der Ähnlichkeit der Arbeitsplatzsysteme und der allgemeinen Nutzung, weshalb von den Konzernbetriebsparteien kein Handlungsbedarf gesehen werde. Im Übrigen habe im streitauslösenden Fall nur der Niederlassungsleiter Herr L., der leitender Angestellter sei, "Google Maps" genutzt. Aus der KBV 2004 folge kein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates, dieser stehe allenfalls dem Konzernbetriebsrat zu. Ein Unterlassungsanspruch aus der GBV 1997 könne ebenfalls nicht bestehen, anspruchsberechtigt sei allenfalls der Gesamtbetriebsrat.

Durch den dem Antragsteller am 1. Februar 2011 zugestellten Beschluss vom 26. Januar 2011, auf den zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Anträge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch die Anwendung von "Google Maps" würden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht verletzt, unabhängig davon, ob dieses Mitbestimmungsrecht im Streitfall dem Einzelbetriebsrat oder dem Konzern- oder Gesamtbetriebsrat zustehe. Mit der Anwendung von "Google Maps" allein - ohne Betrachtung der EDV-Anlage und der aufgespielten Software im Übrigen - würden zunächst keine Daten oder Informationen über das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern durch Aufzeichnung erhoben. Insofern wäre es zwar ausreichend für das Mitbestimmungsrecht, dass aufgrund einer bestehenden Programmierung (Software) verhaltens- oder leistungsrelevante Daten des Bildschirmbenutzers (zum Beispiel Beginn und Ende der Arbeit, Menge der bearbeiteten Daten und ihre Verbindungsdauer, Art und Anzahl der Fehlerkorrekturen) ermittelt oder aufgezeichnet würden, so dass aus dieser Statistik im Falle ihrer maschinellen oder manuellen Auswertung Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung der am Bildschirm tätigen Arbeitnehmer möglich seien. Dies erfolge im Streitfall ggfs. bei Nutzung von Google Maps - wie bei Nutzung jeder anderen Internetanwendung auch - aber jedenfalls nicht durch "Google Maps". Nutzte ein Anwender "Google Maps" und tätige er dabei Eingaben zur Routenplanung, Ortung oder Ermittlung von Entfernungen, könne dieser Vorgang durch die Einbettung in das EDV-System nutzungsrelevante Daten und deren Erhebung nach sich ziehen, dies aber eben durch das EDV-System und nicht durch "Google Maps".

Zwar unterliege auch die alleinige Datenauswertung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach Nr. 6. Dies bedeute, dass Daten, die auf nicht technischem Wege gewonnen und erst im Anschluss daran in eine Datenverarbeitungsanlage zur weiteren Verarbeitung eingespeist werden, der Mitbestimmung unterworfen sein könnten. Danach könne eine mitbestimmungsrelevante technische Datenauswertung vorliegen, wenn verhaltens- oder leistungsbezogene Daten gegebenenfalls mit anderen Daten programmgemäß gesichtet, sortiert, zusammengestellt oder miteinander in Beziehung gesetzt und damit zu Aussagen über Verhalten oder Leistung von Arbeitnehmern verarbeitet würden. Dies sei vorliegend jedoch nicht gegeben. Bei der Abfrage einer Entfernung in der Anwendung "Google Maps" würden keine verhaltens- oder leistungsbezogenen Daten programmgemäß gesichtet, sortiert, zusammengestellt oder miteinander in Beziehung gesetzt und damit zu Aussagen über Verhalten oder Leistung von Arbeitnehmern verarbeitet. Gegenstand des technisch unterstützten Vorganges sei lediglich die Beantwortung einer abstrakten Frage ("Wie weit ist die Entfernung zwischen A und B ?"). Dieser Vorgang sei vergleichbar etwa mit der Ermittlung einer Summe mehrerer in Abrechnungen angegebenen Zahlen durch einen Taschenrechner. Auch dies dürfte allein nicht als verhaltens- oder leistungsrelevant angesehen werden. Bei der Zuhilfenahme von "Google Maps" zur Überprüfung von Reisekostenabrechnungen finde keine technische Auswertung statt. Die ermittelten Entfernungsdaten erhielten allenfalls durch die Zwischenschaltung mehrerer nicht technischer Prüfungsschritte Verhaltens- und Leistungsrelevanz: zunächst müsse (manuell oder gedanklich) die ermittelte Entfernung einer in einer Reiskostenabrechnung angegebenen Fahrtstrecke zugeordnet werden, dann müsse (manuell oder gedanklich) überprüft werden, ob die angegebene Entfernung mit der ermittelten Entfernung übereinstimme und schließlich müsse (manuell oder gedanklich) überprüft werden, ob die Diskrepanz zwischen ermittelter und angegebener Entfernung so gravierend sei, dass von einer Falschangabe ausgegangen werden könne, denn erst dann bestehe eine Relevanz des Vorganges für das Verhalten des Arbeitnehmers, oder ob ggfs. auch eine andere (längere) Strecke genutzt hätte werden können.

Hiergegen richtet sich die am 9. Februar 2011 eingelegte und mit am 1. April 2011 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz begründete Beschwerde des Antragstellers.

Der Antragsteller trägt vor, es sei bereits die technische Leistungs- und Verhaltenskontrolle verboten, nicht erst die tatsächliche Nutzung der Daten. Dies ergebe sich auch aus der Konzernbetriebsvereinbarung, die auf den Informationsanspruch des zuständigen Betriebsrates abstelle. "Google Maps" sei kein unselbständiges Hilfsmittel, sondern ein Programm, das zur Überwachung der Leistung und des Verhaltens der Arbeitnehmer geeignet sei. Eine manuelle Überprüfung von Entfernungen anhand von Kartenmaterial sei bedeutend aufwändiger und ungenauer. "Google Maps" schaffe einen Überwachungsdruck ähnlich wie ein Fahrtenschreiber. Es würden auch persönliche Angaben des Arbeitnehmers - nämlich seine Wohn- und Arbeitsanschrift miteinander und mit anderen Daten in Beziehung gesetzt. Auf diese leichte Art und Weise könne das Verhalten des Arbeitnehmers - Durchführung einer Fahrt und Angaben zur aufgewendeten Kilometerleistung - auf seine Sinnhaftigkeit und Korrektheit überprüft werden. Aus diesem Automatismus würden - wie vorliegend - unmittelbare arbeitsrechtliche Konsequenzen abgeleitet.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2011 - 12 BV 30/09 -

  1. ...

  2. der Beteiligten zu 2) für jede Zuwiderhandlung gegen die unter 1. genannte Verpflichtung ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu EUR 10.000,00 anzudrohen.

Die Antragsgegnerin stimmt der Antragserweiterung zu und beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass die Konzern- und auch die Gesamtbetriebsvereinbarung keinen Anspruch darauf begründeten, die Anwendung eines EDV-Systems zu untersagen, sondern allenfalls die Voraussetzungen regeln, unter denen eine derartige Kontrolle stattfinde. "Google Maps" fehle als technische Einrichtung die Fähigkeit unmittelbar zu überwachen und diene - wie ein Taschenrechner - nur zur Verarbeitung von Eingaben, mit denen die Entfernung zwischen zwei Punkten ermittelt werde. Die Zuordnung zu einem konkreten Mitarbeiter bedürfe exakter Zusatzinformationen, die außerhalb des Systems blieben.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten, der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.


II.

1.
Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 87 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und im Übrigen form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2.
Mit dem Arbeitsgericht geht die Kammer von der Zulässigkeit des Hauptantrages, insbesondere von seiner hinreichenden Bestimmtheit i.S.d.. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO aus. Auf die entsprechenden Ausführungen des Arbeitsgerichts wird verwiesen. Dies gilt auch für die Hilfsanträge. Soweit in ihnen eine Antragserweiterung liegt, konnte über diese gemäß § 533 ZPO mitentschieden werden.

3.
Allerdings besteht nach Auffassung der Kammer bei vorliegender Konstellation - unterstellt es gibt ein Mitbestimmungsrecht bei der Verwendung von "Google Maps" gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG - bereits kein Unterlassungsanspruch des örtlichen Betriebsrates, also des Antragstellers. Schließt der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat in originärer Zuständigkeit(§ 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG) mit dem Arbeitgeber Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen, hat der nicht beteiligte örtliche Betriebsrat aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung der Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung (BAG 18.05.2010 - 1 ABR 6/09 - AP Nr. 51 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung, [...]).

Für die Abgrenzung der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates gemäß § 58 BetrVG gelten die Kriterien wie für die Abgrenzung der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates gemäß § 50 BetrVG (BAG 20.12.1995 - 7 ABR 8/95 - AP Nr. 1 zu § 58 BetrVG 1972, [...]). Ausreichend, aber auch für eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates zu verlangen ist, dass ein zwingendes Erfordernis für eine konzerneinheitliche oder zumindest unternehmensübergreifende Regelung besteht, wobei auf die Verhältnisse des jeweiligen Konzerns, seiner konkreten Unternehmen und der konkreten Betriebe abzustellen ist. Reine Zweckmäßigkeitsgründe oder das Koordinierungsinteresse des Arbeitgebers allein genügen nicht. Dementsprechend kann es auch nicht darauf ankommen, auf welcher betriebsverfassungsrechtlichen Ebene der Arbeitgeber eine Regelung treffen möchte. Entscheidend sind vielmehr der Inhalt der geplanten Regelung sowie das Ziel, das durch diese Regelung erreicht werden soll. Lässt sich dieses Ziel nur durch eine einheitliche Regelung auf der Konzernebene erreichen, so ist der Konzernbetriebsrat zuständig. Ob und wie die vom Arbeitgeber angestrebte Zielsetzung verwirklicht werden soll, ist dann auf der Ebene des Konzernbetriebsrats zu regeln.

Die Konzernbetriebsvereinbarung "Informationstechnologie des Konzerns D. P.A." ist in dieser originären Zuständigkeit mit dem Konzernbetriebsrat abgeschlossen worden und enthält etwa in § 4 umfangreiche Regelungen zu Verhaltens- und Leistungskontrollen. So dürfen gemäß § 4 Abs. 2 KBV arbeitsrechtliche Maßnahmen nur unter engen Voraussetzungen auf Daten bzw. Auswertungen eines IT-Systems gestützt werden. Soweit ein Mitbestimmungsrecht bei der Verwendung von "Google Maps" bestünde, müssten demnach insoweit die gleichen Konzernregelungen wie für andere durch im Konzern genutzte IT-Systeme erhobene oder verwertete Daten bei der Verhaltens- und Leistungskontrolle gelten, denn es findet unstreitig ein Austausch personenbezogener Daten zwischen den Konzernunternehmen und ihren Betrieben statt. Ist aber der Konzernbetriebsrat danach für die Angelegenheit originär zuständig, so ist er auch dann nicht auf die Regelung der konzerneinheitlichen Rahmenbedingungen beschränkt, wenn Detailfragen für einzelne Betriebe oder Unternehmen unterschiedlich geregelt werden könnten (BAG 14.11.2006 - 1 ABR 4/06 - AP Nr. 43 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, [...]), wie dies hier vorstellbar ist. Eine einheitliche mitbestimmungspflichtige Angelegenheit kann nicht nach Regelungsangelegenheiten aufgespalten werden in Teile, die in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates fallen, und in Teile, die in die Zuständigkeit der Gesamt- oder Einzelbetriebsräte fallen. Die Regelungszuständigkeit verbleibt selbst dann beim Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrat, wenn er keine abschließende Regelung getroffen hat (Richardi, BetrVG, 13. Aufl. 2012, Nr. 47 zu § 50 m.w.N..). Damit läge ein Unterlassungsanspruch in der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates, nicht des Antragstellers, wenn es denn ein Mitbestimmungsrecht gäbe.

4.
Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Verletzung des Mitbestimmungsrechtes aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei der Nutzung von "Google Maps" verneint. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen. Lediglich ergänzend wird zu den Rechtsgrundlagen ausgeführt:

a.
Zweck der Mitbestimmungsnorm des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist der Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer. Sinn der Vorschrift ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen (BAG 27.01.2004 - 1 ABR 7/03 - AP Nr. 40 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, [...]). Bezugsgröße des Mitbestimmungsrechts ist deshalb das vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil entwickelte Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" (BVerfG 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 - BVerfGE 65, 1-71, [...]). "Überwachung" im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers erhoben und - jedenfalls in der Regel - irgendwie aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen (vgl. BAG 6. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 7). Zur Überwachung "bestimmt" (objektiv-finales Kriterium) sind technische Einrichtungen dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht (subjektiv-finales Kriterium) des Arbeitgebers kommt es nicht an (BAG 6. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - a.a.O.). Eine EDV-Anlage muss daher mit einem Programm ausgestattet sein, durch das der Rechner festhält, welche Leistung der Arbeitnehmer in einer bestimmten Zeit erbringt und wie viele Fehler er macht oder jedenfalls wegen der Gestaltung der Arbeit am Datensichtgerät die automatische Aufzeichnung des Arbeitsergebnisses unmittelbar Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zulässt (BAG 6.12.1983 - 1 ABR 43/81 - AP Nr. 7 zu § BetrVG 1972 Überwachung, [...]). Durch das Merkmal der Bestimmung zur Überwachung wird zugleich abgegrenzt, dass die Benutzung technischer Hilfsmittel bei der Überwachung durch einen Menschen wie Brille, Stechuhr oder herkömmliche Schreibgeräte, nicht unter den Mitbestimmungstatbestand fällt. Das Unmittelbarkeitserfordernis verhindert, dass die menschliche Überwachung einer technischen Überwachung nur deshalb gleichgestellt wird, weil der Mensch zur Kontrolle technische Hilfsmittel einsetzt (Richardi, a.a.O.., Nr. 503 m.w.N..).

b.
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich mit dem Arbeitsgericht, dass die Verwendung von "Google Maps" im Rahmen der Kontrolle von Fahrgeldabrechnungen eines Arbeitnehmers nicht unter den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fällt. Es handelt sich zwar um eine technische Einrichtung im Sinne der vorgenannten Rechtsgrundsätze, es fehlt aber insoweit an einer Bestimmung zur Überwachung und am Unmittelbarkeitserfordernis. Bereits die Datenerhebung betrifft nicht das Sammeln von Verhaltens- oder Leistungsdaten der Arbeitnehmer. Eingegeben wird zwar auch der Wohn- oder Arbeitsort, jedoch sind diese Daten an sich nicht aussagekräftig, um mit ihnen auf ein Verhalten oder eine Leistung zu schließen. Auch die Verarbeitung dieser Daten in ihrer Verknüpfung sagt nichts dergleichen aus, vielmehr ergibt sich eine schlichte Entfernungsangabe zwischen den eingegebenen Orten. "Google Maps" ist damit ein technisches Hilfsmittel, um Fakten zu sammeln, die völlig unabhängig von einem Verhalten oder einer Leistung des betroffenen Arbeitnehmers bestehen. Erst durch den Abgleich dieser so gefundenen Ergebnisse - die noch nicht einmal zuverlässig sein müssen (vgl. zum Routenplaner BAG 18.11.2010 - 6 AZR 273/10 - n.v., [...]) - mit den Angaben des Arbeitnehmers über seine Fahrleistungen ergibt sich durch menschliches Zutun der Überwachungserfolg. Insoweit gleicht "Google Maps" dem zitierten Taschenrechner, mit dem etwa Angaben eines Arbeitnehmers zu aufgeschriebenen Stunden nachgerechnet werden. Ähnliches gilt für andere Internetanwendungen, bspw. Wikipedia, mit der Angaben eines Arbeitnehmers zu Maßeinheiten o.ä. überprüft werden können, Übersetzungsprogramme, Zinsrechner, Währungsrechner usw. Es handelt sich um technische Hilfsmittel, die nicht zur Überwachung bestimmt sind und erst im Rahmen von Kontrollmaßnahmen zum Abgleich von Fakten durch menschliches Tun genutzt werden. Auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsschutzes und des Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung bedarf es keines betriebsverfassungsrechtlichen Schutzes der Arbeitnehmer bei deren Verwendung.

Die Beschwerde des Antragstellers war daher auch in der Fassung der Hilfsanträge mangels Mitbestimmungsrechtes zurückzuweisen.


III.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen wegen grundsätzlicher Bedeutung vor, §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.


Lesmeister
Behncke
Flammiger

Verkündet am: 02. Mai 2012

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht