Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Abstellraums in einen Pferdestall

Gericht

OVG Nordrhein-Westfalen


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

10. 10. 2012


Aktenzeichen

2 A 309/12


Tenor


Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die mit dem Zulassungsbegehren vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwänden (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch ergeben sie einen der Beurteilung des beschließenden Senats unterliegenden Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann (2.).

1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.

Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Antrag,

die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Beklagten vom 18. Oktober 2010 zur Nutzungsänderung eines Abstellraums in einen Pferdestall aufzuheben,

im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die angefochtene Baugenehmigung sei nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt. Die Anzahl der zu haltenden Pferde sei durch die Größe des Pferdestalls von rund 16 m² begrenzt, so dass es einer zusätzlichen Benennung der Zahl der Pferde nicht bedurfte. Das Vorhaben verstoße nicht gegen den Gebietserhaltungsanspruch des Klägers. In dem durch den Bebauungsplan "T. Nr. 6 - R. " ausgewiesenen Dorfgebiet, in welchem sowohl das Vorhabengrundstück als auch die südlich angrenzenden Grundstücke des Klägers lägen, sei die in Rede stehende Pferdehaltung der Beigeladenen als Nebenanlage zulässig. Auch im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans stehe dem Kläger ein Abwehranspruch nicht zu. Die Umgebung sei dann als Gemengelage einzustufen. Dort sei das Vorhaben dem Kläger gegenüber nicht rücksichtslos.

Die hiergegen vorgebrachten Einwände des Klägers bleiben ohne Erfolg. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, die angefochtene Baugenehmigung sei hinreichend bestimmt (1.1) und verletzte weder einen Gebietsgewährleistungsanspruch des Klägers (1.2) noch sei das Vorhaben ihm gegenüber rücksichtslos (1.3).

1.1 Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Baugenehmigung vom 18. Oktober 2010 zu Recht als in nachbarrechtsrelevanter Hinsicht inhaltlich hinreichend bestimmt erachtet.

Das Bestimmtheitserfordernis in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass der Nachbar der Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen kann, dass nur solche Nutzungen bzw. Baumaßnahmen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Aus einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung folgt ein Aufhebungsanspruch des Nachbarn erst dann, wenn sich die Unbestimmtheit auf Merkmale des genehmigten Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften auszuschließen und - abhängig von dem in Rede stehenden Nachbarrecht - die insoweit mangelhafte Baugenehmigung aufgrund dessen ein Vorhaben zulässt, von dem der Nachbar konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hat.

Vgl. insoweit OVG NRW, Beschlüsse vom 10. November 2011 - 2 B 1146/11 -, S. 3 des amtlichen Umdrucks, vom 28. Oktober 2011 - 2 B 1037/11 -, S. 29 f. des amtlichen Umdrucks, vom 6. Juni 2011 - 2 A 299/10 -, S. 3 f. des amtlichen Umdrucks, vom 14. März 2006 - 8 A 3505/05 -, juris Rn. 22, und vom 30. Mai 2005 - 10 A 2017/03 -, BRS 69 Nr. 163 = juris Rn. 3 f., Urteil vom 18. November 2002 - 7 A 2127/00 -, BRS 65 Nr. 182 = juris Rn. 77.

Gemessen an diesem Maßstab zeigt der Zulassungsantrag nicht auf, dass die streitige Baugenehmigung unbestimmt ist und der Kläger infolgedessen eine Verletzung seiner Rechte zu gewärtigen hätte.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund der Stallgröße von nur etwa 16 m² eine Regelung in der Baugenehmigung zur Anzahl der Pferde, die in dem streitigen Pferdestall untergestellt werden dürfen, nicht erforderlich ist. Eine nachbarrechtsrelevante Überbelegung des Stalls ist nicht zu erwarten. Der genehmigte Pferdestall (sog. Offenstall) ermöglicht nach den insoweit als Orientierungshilfe dienenden Empfehlungen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), die für eine Boxenhaltung bzw. für eine Gruppenhaltung eine Fläche von mindestens (2 x Wh [= Stockmaß])² vorsehen,

vgl. die Leitlinien des BMELV zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten, vom 9. Juni 2009, veröffentlicht unter www.bmelv.de, Kapitel 4 "Bauausführung und Maße",

die Haltung eines Großpferdes (evtl. mit Fohlen) oder zweier Kleinpferde, z.B. Islandpferde. Da diese Leitlinien des BMELV zwar unverbindliche, aber sachkundige Vorgaben für eine den tierschutzrechtlichen Anforderungen der §§ 1 und 2 TierSchG entsprechende Pferdehaltung darstellen (vgl. Kapitel 1 "Einführung"), wäre eine darüber hinausgehende Belegung des in Rede stehenden Stalls aus tierschutzrechtlichen Gründen unzulässig. Die Baugenehmigung lässt aber nur eine den tierschutzrechtlichen Anforderungen entsprechende Pferdehaltung zu. Im Übrigen ist zwischen der im Zulassungsantrag angeführten Tierhaltung auf dem Grundstück der Beigeladenen und der Nutzung des genehmigten Pferdestalls zu unterscheiden. Der genehmigte Pferdestall ermöglicht - wie ausgeführt - die Unterbringung von bis zu zwei Pferden; die Baugenehmigung ist insoweit hinreichend bestimmt. Sollten die Beigeladenen darüber hinaus weitere Pferde auf ihrem Grundstück halten, wäre dies keine Folge des genehmigten Pferdestalls, sondern einer sonstigen Nutzung ihres Grundstücks, die nicht vom Regelungsgegenstand der Baugenehmigung erfasst würde. Einen anderen Inhalt der Baugenehmigung nehmen die Beigeladenen, die wiederholt vorgetragen haben, Eigentümer von nur zwei Pferden bzw. Ponys zu sein, auch nicht für sich in Anspruch. Eine weitergehende Nutzung unterläge im Übrigen einer eigenständigen - hier nicht streitgegenständlichen - rechtlichen Prüfung.

Eine baurechtlich relevante Unbestimmtheit der Baugenehmigung ergibt sich auch nicht aus dem Fehlen ausdrücklicher Regelungen zur Be- und Entlüftung. Die hinreichende Belüftung erfolgt erkennbar durch die giebelseitige Tür sowie das rückseitige Fenster. Einer darüber hinausgehenden mechanischen Belüftungsanlage bedarf es angesichts der geringen Größe des Stalls nicht. Weiterhin ist es unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit unschädlich, dass die Baugenehmigung keine Regelungen zum Auslauf der Pferde und zur Lagerung des Dungs enthält. Nachbarrechtsrelevante Zweifel hinsichtlich des Regelungsgehalts der angefochtenen Baugenehmigung ergeben sich insoweit nicht. Diese regelt ausschließlich die Nutzungsänderung (Abstellraum in Pferdestall). Sie genehmigt dagegen weder einen Pferdeauslauf auf dem Grundstück der Beigeladenen noch - mangels Eintragung einer solchen in die Bauvorlagen - die Errichtung einer (grundsätzlich genehmigungsbedürftigen) Dungstätte. Insbesondere ergibt sich die Genehmigung einer Dungstätte nicht aus dem Umstand, dass die Baugenehmigung den Hinweis enthält, die Dungablagerung sei so vorzunehmen, dass keine Sickersäfte oder Jauche im Untergrund versickern könnten. Dies betrifft nämlich (nur) den Pferdestall selbst, in dem ebenfalls Dung anfällt. Im Übrigen ist die Einrichtung einer Dungstätte bei der vorliegend in Rede stehenden Pferdehaltung nicht zwingend erforderlich, sondern kann der im Stall anfallende Dung ohne Weiteres auch unmittelbar entsorgt werden. Entsprechendes haben die Beigeladenen im Genehmigungsverfahren mit Schreiben vom 17. September 2010 (Bl. 99 f. der Bauakte) dargelegt.

Die Pferdehaltung auf den rückwärtigen Freiflächen des Grundstücks der Beigeladenen ist selbst nicht baugenehmigungspflichtig (vgl. auch § 67 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW zur Genehmigungsfreiheit der Einfriedungen für die Weidefläche bzw. den Paddock) und im Übrigen - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch sonst nicht Inhalt der angefochtenen Baugenehmigung geworden. Zwar ist es richtig, dass Pferde aus tierschutzrechtlichen Gründen einen ausreichenden Auslauf benötigen (vgl. Kapitel 4.6 und 4.7 der Leitlinien des BMELV) und mit der Genehmigung des Pferdestalls auch die Haltung von bis zu zwei Pferden auf dem Grundstück der Beigeladenen zugelassen wird. Das führt aber nicht dazu, dass eine Baugenehmigung für einen Pferdestall unter Bestimmtheitsgesichtspunkten in jedem Fall - insbesondere aus Gründen des Nachbarschutzes - die Einzelheiten des Auslaufs regeln müsste. Enthält die Baugenehmigung insoweit keine Regelung, ist der Auslauf auf dem Vorhabengrundstück grundsätzlich ohne Einschränkungen zulässig; Zweifel hinsichtlich des Regelungsumfangs der Baugenehmigung bestehen insoweit nicht. Führt dies für den Nachbarn zu unzumutbaren Beeinträchtigungen, ist dies dann keine Frage der Bestimmtheit der Baugenehmigung, sondern der Rücksichtslosigkeit des Vorhabens.

1.2 Mit dem Zulassungsantrag wird nicht dargelegt, dass durch das Vorhaben der Gebietsgewährleistungsanspruch des Klägers verletzt wird.

Ein Gebietsgewährleistungsanspruch besteht nicht, wenn man die Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 6 zur Art der baulichen Nutzung als Dorfgebiet zugrundelegt (a). Im Übrigen wird mit dem Zulassungsantrag nicht ernstlich in Zweifel gezogen, dass - wenn man von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans ausgeht - kein faktisches Baugebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB, sondern eine sog. Gemengelage vorliegt, in dem ein Gebietsgewährleistungsanspruch nicht bestehen kann (b).

a) Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der in Rede stehende Pferdestall, der von den Beigeladenen für die hobbymäßig betriebene Pferdehaltung genutzt wird, als Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 BauNVO in dem festgesetzten Dorfgebiet zulässig ist.

Der genehmigte Stall ist zwar keine untergeordnete Nebenanlage i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, da er nicht der Kleintierhaltung dient. Allerdings hat dies nicht zur Folge, dass die Unterbringung von Reitpferden oder Ställe für andere Großtiere als Nebenanlagen ausgeschlossen sind. Ihre Zulässigkeit richtet sich vielmehr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO.

Vgl. OVG RP, Urteil vom 30. April 2010 - 1 A 11294/09 -, juris Rn. 36; Nds. OVG, Beschluss vom 19. November 2008 - 1 ME 233/08 -, BRS 73 Nr. 72 = juris Rn. 11; OVG MV, Beschluss vom 1. März 2007 - 3 M 14/07 -, juris Rn. 10 f.

Nach dieser Vorschrift sind in einem Baugebiet außer den in den §§ 2 bis 13 BauNVO genannten Anlagen auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Zu den Wesensmerkmalen einer untergeordneten Nebenanlage gehört, dass die Anlage sowohl in ihrer Funktion als auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder dem Baugebiet selbst sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zu- und untergeordnet ist. An einer solchen Unterordnung fehlt es demgegenüber, wenn die Nebenanlage wegen ihrer Abmessungen als der Hauptanlage gleichwertig erscheint oder diese gar optisch verdrängt, wenn sie also den Eindruck einer dienenden Funktion gegenüber der Hauptanlage gar nicht erst aufkommen lässt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 1976 - 4 C 6.75 -, BRS 30 Nr. 117 = juris Rn. 28, und vom 18. Februar 1983 - 4 C 18.81 -, BRS 40 Nr. 64 = juris Rn. 18; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Loseblatt, Band 5, Stand: April 2012, § 14 BauNVO Rn. 16.

Nach diesen Maßstäben ist es in einem Dorfgebiet - anders als etwa in einem (reinen) Wohngebiet - nicht ausgeschlossen, als Nebennutzung zur Wohnnutzung auch hobbymäßige Tierhaltung zu betreiben. Dies schließt auch die Haltung größerer Tiere wie Pferde mit ein. Eine solche Tierhaltung - mag sie aus Erwerbsgründen im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs oder zu Hobbyzwecken betrieben werden - ist durch die Festsetzung als Dorfgebiet grundsätzlich mit umfasst.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 1999 - 7 B 712/99, S. 2 des amtlichen Umdrucks.

Bei einer hobbymäßigen Pferdehaltung im Dorfgebiet zieht diese ihre Daseinsberechtigung auch gerade aus dem Umstand, dass es sich um eine zu Freizeitzwecken betriebene Annexnutzung zur Wohnnutzung handelt. Von daher unterscheidet sich diese Form der Pferdehaltung nicht von anderen freizeitmäßigen Nebennutzungen auf einem Wohnhausgrundstück, etwa der Nutzung einer Schwimmhalle als Nebenanlage.

Dem Zulassungsvorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, dass die von den Beigeladenen betriebene Pferdehaltung auf ihrem Grundstück im Verhältnis zur Wohnnutzung - als Hauptnutzung - nicht mehr untergeordnet ist. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass der knapp 16 m² große Pferdestall in Anbetracht der Gesamtgröße des Grundstücks von rund 1.400 m² und der dort vorhandenen Bebauung eine untergeordnete Nebenanlage darstelle. Etwas anderes ergibt sich selbst dann nicht, wenn man - wie der Kläger - die Auslaufflächen im rückwärtigen Grundstücksbereich mit in den Blick nimmt. Zwar nimmt diese Auslauffläche (incl. Paddock) etwa 650 m² und damit etwas weniger als die Hälfte der gesamten Grundstücksfläche ein. Andererseits hat eine Nutzung als Weide bzw. Auslauffläche aus städtebaulicher Sicht nur eine relativ geringe Intensität. Auch von daher tritt die Nutzung als Pferdestall mit Auslauffläche nach wie vor gegenüber der sonstigen (baulichen) Nutzung des Grundstücks mit Wohngebäude und verschiedenen Nebenanlagen - von denen der Pferdestall nur einen sehr geringen Teil ausmacht - sowohl optisch wie auch funktional deutlich zurück.

b) Der Kläger legt - für den unterstellten Fall einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 6 - nicht dar, dass die von dem Verwaltungsgericht vorgenommene Bewertung der näheren Umgebung als Gemengelage im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB - in dem ein Gebietsgewährleistungsanspruch nicht zum Tragen kommt - ernstlichen Zweifeln unterliegt.

Das Verwaltungsgericht hat bei der Bewertung der Umgebungsbebauung zum einen die Wohnbebauung im Bereich der L.-----straße , des E. und des N.-------wegs in den Blick genommen, andererseits aber auch den nicht wohngebietsverträglichen Schlossereibetrieb des Klägers auf dem Grundstück L.-----straße 3 sowie die weiter vorhandenen Gewerbebauten auf Nachbargrundstücken berücksichtigt und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks - einschließlich der südlich angrenzenden Grundstücke des Klägers - nicht einem (allgemeinen) Wohngebiet entspreche. Diese Bewertung wird mit dem Zulassungsantrag nicht ernstlich in Zweifel gezogen.

Die für die Beurteilung des Gebietscharakters nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB in Verbindung mit § 2 ff. BauNVO maßgebliche nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Bei der Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren "Grundzüge der Planung" durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Die Grenzen der näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Es darf aber nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch "prägend" auf dasselbe einwirkt. Wie weit die wechselseitige Prägung - und damit die "nähere Umgebung" - reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Februar 2000 - 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 34 und 44, vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 -, BRS 60 Nr. 176 = juris Rn. 7 f., und vom 11. November 1980 - 4 B 207.80 -, BRS 36 Nr. 54 = juris Rn. 2, Urteile vom 26. Mai 1978 - IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 = NJW 1978, 2564 = juris Rn. 33, und vom 18. Oktober 1974 - IV C 77.73 -, BRS 28 Nr. 27 = juris Rn. 15; OVG NRW, Urteile vom 9. September 2010 - 2 A 508/09 -, juris Rn. 35, und vom 19. April 2010 - 7 A 2362/07 -, juris Rn. 56.

Gemessen an diesen Maßstäben ist dem Zulassungsantrag nicht zu entnehmen, warum das hier maßgebliche Gebiet ein allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO sein sollte. Insbesondere zeigt das Zulassungsvorbringen in Verbindung mit dem vorliegenden Karten- und Fotomaterial nicht auf, dass es sich vorliegend um einen gegliederte Abfolge (faktischer) Baugebiete handelte und dass ein prägender Einfluss des klägerischen Schlossereibetriebs sowie des landwirtschaftlichen Betriebs am N1.-------weg auf das Vorhabengrundstück nicht gegeben ist. Zu berücksichtigen ist nämlich zunächst, dass der Ortsteil R. , der sich im Wesentlichen auf einer Länge von knapp 900 m nordöstlich der L1. Straße (B 51) erstreckt und in Höhe des Vorhabengrundstücks nur etwa 250 m breit ist, insgesamt recht locker bebaut und die maßgebliche Umgebung daher eher weiter zu ziehen ist. Hinzu kommt, dass der hier relevante südliche Teil von R. zwischen N1.-------weg im Osten und L1. Straße im Westen zwar im Kern durch Wohnbebauung geprägt ist. Andererseits wird diese Wohnbebauung "eingerahmt" durch den landwirtschaftlichen Betrieb am N1.-------weg sowie den Schlossereibetrieb des Klägers am L2.-----weg 3, die sämtlich nicht wohngebietsverträglich sind. Hinzu kommen weitere gewerbliche Nutzungen, wie etwa der Polstermöbelhandel D. N2. -weg 46). Insoweit grenzen auch nicht verschiedene Baugebiete aneinander. Vielmehr handelt es sich um ein Aufeinandertreffen von Gewerbe, Landwirtschaft und Wohnen, welches für ländliche Gebiete - wie hier - typisch und in der Regel historisch gewachsen ist. In ländlichen Ortschaften - wie es R. mit ca. 1.000 Einwohnern ist - sind diese "eingestreuten" gewerblichen und landwirtschaftlichen Nutzungen in städtebaulicher Hinsicht für den Charakter der (gesamten) Ortschaft regelmäßig (mit-)prägend, auch wenn die (reine) Wohnbebauung zahlenmäßig mehr und mehr zunimmt. Dieser Befund gilt aufgrund der dargestellten Gegebenheiten jedenfalls auch für den südlichen Teil von R. - und damit auch das Vorhabengrundstück sowie die südlich angrenzenden Grundstücke des Klägers -, der damit faktisch als Gemengelage einzustufen ist. Dass dort nicht an jeder Stelle eine Sichtbeziehung zu dem landwirtschaftlichen Betrieb besteht, ist dabei rechtlich unerheblich.

Soweit der Kläger einwendet, die Einstufung als Gemengelage führe dazu, dass sich inmitten der Wohnbebauung an der N1.-------weg und am L.-----straße Gewerbebetriebe ansiedeln könnten, ist dies im Ansatz richtig. Allerdings ist dies nicht gleichzusetzen mit der Entstehung unzumutbarer Wohnverhältnisse, da Gewerbetriebe, die zu solchen Zuständen in der (wohnbaulich genutzten) Nachbarschaft führen würden, sich wegen eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot nicht im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die nähere Umgebung einfügen würden und deshalb nicht genehmigt werden dürften.

1.3 Schließlich wird mit dem Zulassungsantrag die Bewertung des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben sei dem Kläger gegenüber nicht rücksichtslos, nicht ernstlich in Zweifel gezogen.

a) Soweit von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 6 und der Festsetzung Dorfgebiet auszugehen ist, ergibt sich bereits aus den Ausführungen zu 1.2 a), dass der streitige Pferdestall als Nebenanlage zur Wohnnutzung zulässig und deren Auswirkungen daher von den Nachbarn in einem Dorfgebiet grundsätzlich hinzunehmen sind und es sich regelmäßig nicht um unzumutbare Störungen oder Belästigungen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO handelt. Der Kläger wendet hiergegen ohne Erfolg en, das Verwaltungsgericht habe zur Beurteilung der Zumutbarkeit zu Unrecht die in § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO normierte Vorrangklausel herangezogen, weil diese die Hobbytierhaltung nicht einschließe. Denn mit diesem Verweis auf die Vorrangklausel wollte das Verwaltungsgericht erkennbar nur zum Ausdruck bringen, dass ein Dorfgebiet (auch) durch Großtierhaltung geprägt ist, wobei es für die hierdurch verursachten Emissionen Im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob die Tierhaltung im Rahmen einer Landwirtschaft oder hobbymäßig erfolgt. Die hobbymäßige Pferdehaltung ist - wie bereits ausgeführt - durch die Festsetzung als Dorfgebiet mit umfasst.

Vgl. nochmals OVG NRW, Beschluss vom 16. April 1999 - 7 B 712/99 -, S. 2 des amtlichen Umdrucks.

Ausgehend hiervon legt der Kläger auch nicht dar, warum das streitige Vorhaben der Eigenart des Dorfgebiets im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO widersprechen soll. Insoweit ist es auch unerheblich, ob in der näheren Umgebung bereits eine solche private - oder auch landwirtschaftliche - Pferdehaltung bzw. sonstige Großtierhaltung betrieben wird. Die in einem Dorfgebiet angesiedelte Wohnbebauung muss nämlich grundsätzlich jederzeit damit rechnen, dass eine dort zulässige Tierhaltung - im Rahmen der Zumutbarkeit - wieder aufgenommen wird. Dass die in einem Dorfgebiet für eine Tierhaltung geltende Zumutbarkeitsschwelle des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO durch das Vorhaben der Beigeladenen überschritten wird, legt der Kläger aber wiederum nicht dar.

b) Der Annahme des Verwaltungsgerichts, das streitige Vorhaben führe auch in einer faktischen Gemengelage nicht zu unzumutbaren Immissionen und verletze daher nicht zu Lasten des Klägers das in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot, setzt der Zulassungsantrag ebenfalls nichts Erhebliches entgegen.

Der Kläger macht insoweit geltend, in der Umgebung befinde sich keinerlei Tierhaltung, so dass es sich bei den durch die Pferde der Beigeladenen verursachten Immissionen um eine völlig ungewöhnliche und nicht ortsübliche Umgebungsbelastung handele. Aufgrund der in der weiteren Umgebung vorhandenen Gewerbebetriebe hätte er allenfalls mit Gewerbelärm rechnen müssen.

Mit diesem Vorbringen wird die Unzumutbarkeit der mit einer Haltung von Pferden verbundenen Immissionen (Gerüche, Fliegen) aber nicht dargelegt. Es handelt sich vorliegend - wie ausgeführt - nicht um ein faktisches Wohngebiet. Vielmehr ist die maßgebliche Bebauung auch durch einen landwirtschaftlichen Betrieb (am N1.-------weg ) geprägt, so dass es sich jedenfalls um eine dörflich geprägte Gemengelage handelt, in der auch von Tieren herrührende Immissionen im Grundsatz hinzunehmen sind. Zum anderen führt der Umstand, dass Immissionen von ihrer Art her den Umgebungsrahmen überschreiten, nicht zwangsläufig zu deren Unzumutbarkeit. Auch insoweit ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, also die Umstände der genehmigten Tierhaltung - insbesondere auch auf Art und Anzahl der Tiere - abzustellen. Dass die Haltung von zwei Pferden auf dem Grundstück der Beigeladenen für den Kläger danach mit unzumutbaren Immissionen verbunden wäre, legt er aber nicht dar. Dies gilt insbesondere für die behauptete "Ausscheidungsproblematik" und den Zustand des Paddock, wo eine "faulige Brühe aus Kot, Urin und Regenwasser" entstehe, die auf dem klägerischen Grundstück zu einer erheblichen Geruchsbelästigung führe und sogar auf dieses hinüberlaufe. Der Paddock ist nicht Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung und der von dem Kläger beschriebene Zustand auch nicht zwangsläufige Folge der durch die Baugenehmigung erlaubten Pferdehaltung. Zudem hat der Kläger bislang nicht substantiiert dargelegt, dass es durch die Nutzung des Paddock tatsächlich zu unzumutbaren Immissionen kommt. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus den mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2011 vorgelegten Fotos, auf die im Zulassungsantrag verwiesen wird. Auf diesen sind zwar (teils größere) Wasserpfützen im Bereich des Paddock sowie dort ausgeschiedener Pferdedung zu erkennen. Damit allein sind unzumutbare Belästigungen jedoch nicht belegt.

2. Es liegt auch kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor, auf dem das angegriffene erstinstanzliche Urteil beruhen kann.

Soweit der Kläger geltend macht, zur Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung hätte das Verwaltungsgericht einen Ortstermin durchführen müssen, legt er einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO nicht dar.

Zur Darlegung eines solchen Verstoßes muss der Rechtsmittelführer substantiiert ausführen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 = juris Rn. 4.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass das Verwaltungsgericht von einer unzutreffenden oder unvollständigen Tatsachengrundlage - insbesondere hinsichtlich der im südlichen Teil von R. tatsächlich vorhandenen Bebauung - ausgegangen ist und deshalb eine Beweisaufnahme durch Einnahme eines Augenscheins erforderlich gewesen wäre. Bei der im Zulassungsantrag angesprochenen Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung handelt es sich aber nicht um eine Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage, die auf einer Wertung der tatsächlich vorhandenen Bebauung beruht.

Zudem hat das Verwaltungsgericht die Bewertung in zulässiger Weise anhand der vorliegenden Karten und Lichtbilder vorgenommen. Derartige Lichtbilder und Lagepläne sind im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, so bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Dezember 2008 - 4 BN 26.08 -, BRS 73 Nr. 91 = juris Rn. 3, und vom 4. Juni 2008 - 4 B 35.08 -, juris Rn. 6.

Da der Kläger auch nicht geltend macht, dass die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Fotos und Lichtbilder nicht mehr aktuell sind und daher keine Aussagekraft besessen haben, ist eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes nicht gegeben.

Dies gilt auch für die geltend gemachte Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. § 96 Abs. 1 VwGO schließt das Absehen von der Einnahme eines Augenscheins jedenfalls dann nicht aus, wenn durch die vorgelegten oder - wie hier - vom Verwaltungsgericht ins Verfahren eingeführten Fotos und Pläne die Örtlichkeiten in ihren für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen hinreichend ausgewiesen werden und die Beteiligten - wie hier - keine davon abweichenden Merkmale behaupten.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 1994 - 8 B 162.94 -, juris Rn. 2; Bay. VGH, Beschluss vom 16. September 2005 - 4 ZB 05.411 -, juris Rn. 6.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Vorinstanzen

VG Düsseldorf, 11 K 8052/10

Rechtsgebiete

Garten- und Nachbarrecht; Nachbarrecht