Keine Steuerberater-Werbung mit dem Zusatz „Vorsitzender Richter a.D.“

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

22. 08. 2012


Aktenzeichen

4 U 90/12


Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg, 8. Zivilkammer - 8 O 202/11 - vom 19.03.2012 im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im beruflichen Verkehr neben seiner Berufsbezeichnung „Steuerberater“ den Zusatz „Vorsitzender Richter a.D.“ zu führen.

    2. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer 1 Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

    3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 859,80 € zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz seit 17.07.2011 zu bezahlen.

  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt die Klägerin 1/5, der Beklagte 4/5.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe


I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, einem Rechtsanwalt und Steuerberater, die Unterlassung der Führung des Zusatzes „Vorsitzender Richter a. D.“ im geschäftlichen Verkehr.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Verstoß gegen § 43 Abs. 2 StBerG liege nicht vor. Der Zusatz „Vorsitzender Richter“ sei eine amtlich verliehene Berufsbezeichnung und führe auch nicht zu einer Irreführung der Allgemeinheit, da mit dem bloßen Hinweis auf die allgemeine Richtertätigkeit keine besondere Qualifikation in einem bestimmten Bereich dargestellt werde. Es liege auch kein Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 2 StBerG vor, da diese Vorschrift unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grundsätze anzuwenden und auszulegen sei.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren in überwiegendem Umfang weiter und wiederholt dabei ihre bereits dort vorgetragene Rechtsansicht, der vom Beklagten gemachte Zusatz „Vorsitzender Richter a. D.“ zur vom Beklagten im beruflichen Verkehr geführten Berufsbezeichnung „Steuerberater“ sei gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 StBerG unzulässig. Da die frühere Tätigkeit des Beklagten als Vorsitzender Richter keine amtlich verliehene Berufsbezeichnung sei, handele es sich um einen „anderen Zusatz“ im Sinne von Absatz 2 Satz 2 des § 43 StBerG. Mit der Verwendung des Zusatzes werde zudem sehr wohl auf eine zusätzliche Kompetenz verwiesen, die gerade nicht jeder Steuerberater habe. Dies stelle einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung gegenüber anderen, herkömmlichen Steuerberatern dar.

Die Klägerin beantragt:

  1. Das Urteil des Landgerichts Freiburg - 8 O 202/11 - vom 19.03.2012 wird aufgehoben.

  2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr neben seiner Berufsbezeichnung „Steuerberater“ den Zusatz „Vorsitzender Richter a. D.“ zu führen.

  3. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziffer 2 Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

  4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 859,80 € zzgl. 5 Prozentpunkten Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Für das weitere Vorbringen der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze verwiesen.


II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 43 Abs. 2 StBerG zu.

a) § 43 StBerG, der die Berufsbezeichnung „Steuerberater“ und die Zulässigkeit von Zusätzen regelt, stellt eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar, denn die Vorschrift ist zumindest auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 26.05.2011, - 6 U 6/10 -). Mit „Marktverhalten“ ist dabei jede Tätigkeit gemeint, durch die ein Unternehmer auf die Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer einwirkt (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 4 Rdnr. 11.34). Der Auftritt mit einer bestimmten Berufsbezeichnung und zu dieser geführten Zusätzen stellt ein Verhalten am Markt dar, mit dem auf die Kunden eingewirkt wird. Durch die Regelung des § 43 StBerG soll dabei das Vertrauen in eine bestimmte Qualifikation des am Markt Auftretenden geschützt werden.

Mit dem Führen nach § 43 Abs. 2 StBerG unzulässiger weiterer Bezeichnungen wird gegen § 4 Nr. 11 UWG verstoßen, so dass von Mitbewerbern Unterlassung verlangt werden kann. Auf eine Irreführung gemäß § 5 UWG kommt es nicht an.

b) Entgegen dem Landgericht stellt der vom Beklagten neben der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ geführte Zusatz „Vorsitzender Richter a. D.“ keine weitere Berufsbezeichnung im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1 StBerG dar, sondern ein Teil der ihm nach §§ 17, 19a DRiG verliehenen Amtsbezeichnung.

Die Berufsbezeichnung für die frühere Tätigkeit des Beklagten ist vielmehr „Richter“ (vergleichbar mit „Rechtsanwalt“, „Wirtschaftsprüfer“ und auch „Steuerberater“). Nicht als besonderer Beruf anzusehen ist dagegen eine Tätigkeit, die nur eine Erscheinungsform eines Berufes darstellt. So wählt der Steuerberater, der eine Steuerberatungsgesellschaft gründet und deren Leitung übernimmt, keinen neuen Beruf, sondern nur eine neue Ausübungsform seines Berufs (NWB-Steuer-Kommentare, Steuerberatungsgesetz, 2. Auflage, § 43 Rdnr. 24 m. w. N.).

c) Entgegen dem Landgericht ist der vom Beklagten neben der Berufsbezeichnung „Steuerberater“ geführte Zusatz „Vorsitzender Richter a. D.“ gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 StBerG nicht zulässig.

Nach Absatz 2 Satz 2 des § 43 StBerG sind andere als die in Satz 1 des Absatz 2 genannte Zusätze und der Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft als weitere Bezeichnungen zur Berufsbezeichnung „Steuerberater“ im beruflichen Verkehr unzulässig. Dabei wird der Hinweis in Absatz 2 Satz 2 auf eine ehemalige Beamteneigenschaft nur als Beispiel genannt (Gehre/Koslowski, Steuerberatungsgesetz, 6. Auflage 2009, § 43 Rdnr. 22).

Zum Beispiel führt der Zusatz „Regierungsdirektor a. D.“ zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung gegenüber anderen Steuerberatern und ist daher unzulässig (Gehre/Koslowski, a. a. O., § 43 Rdnr. 23, NWB-Steuer-Kommentare, a. a. O., § 43 Rdnr. 46). Unzulässig sind auch Hinweise auf andere ehemalige Tätigkeiten, wie z. B. die Bezeichnung „zertifizierter Rating-Analyst“ (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.06.2012, - StO 1/11 -) „Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV)“ (BFH, wistra 2010, 275 ff.), „zertifizierter Finanzplaner (FH)“ (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.05.2009, - StO 1/08 -) „Steuersyndikus a. D.“ oder „Bankdirektor i. R.“ (Gehre/Koslowski, a. a. O., § 43 Rdnr. 24 m. w. N.).

Der vorliegend vom Beklagten benutzte Zusatz „Vorsitzender Richter a. D.“ im beruflichen Verkehr ist - unabhängig davon, ob diese Bezeichnung gemäß § 19a DRiG mit einem das Gericht bezeichnenden Zusatz verwendet wird oder nicht - mit dem ausdrücklich untersagten Hinweis auf eine ehemalige Beamteneigenschaft, z. B. „Regierungsdirektor a. D.“, vergleichbar und nach dem Normzweck des § 43 Abs. 2 S. 2 StBerG als entsprechender Hinweis unzulässig.

2. Der Anwendung des § 43 Abs. 2 StBerG steht vorliegend auch nicht die grundrechtlich gewährte Berufsausübungsfreiheit des Beklagten sowie das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit entgegen.

Die Vorschrift des § 43 Abs. 2 StBerG ist sowohl geeignet als auch erforderlich, insbesondere eine Irreführung steuerrechtsratsuchender Personen zu vermeiden und Klarheit darüber zu schaffen, welche Bezeichnungen und Auszeichnungen auf einer amtlichen Verleihung beruhen. Sie ist überdies verhältnismäßig im engeren Sinne (BVerfG, DStR 2010, 1694 ff.; siehe zur Verfassungsgemäßheit von § 43 Abs. 2 StBerG auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.06.2012 a. a. O. und Urteil vom 15.05.2009 a. a. O.).

3. Der Klägerin steht zudem gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ein Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die nach § 12 Abs. 1 S. 1 UWG vorzunehmende Abmahnung zu.

Dieser ist auch der Höhe nach gerechtfertigt. Er beruht auf einem von der Klägerin gemäß ihrem Schreiben vom 03.05.2011 (Anlage K 2) zugrunde gelegten Gegenstandswert von 20.000,00 € zzgl. Kostenpauschale.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.

Vorinstanzen

LG Freiburg, 8 O 202/11, 19.03.2012

Rechtsgebiete

Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht