Wärmedämmung an Grenzwand

Gericht

OLG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

26. 09. 2012


Aktenzeichen

19 U 110/12


Leitsatz des Gerichts

Zu den Voraussetzungen für eine Verpflichtung des Grundstückseigentümers, eine vom Nachbargrundstück auf sein Grundstück übergreifende Wärmedämmung zu dulden.

Tenor


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 07.03.2012 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten zu dulden, dass an ihrem - der Klägerin - Wohnhaus eine auf das Grundstück der Beklagten übergreifende Wärmedämmung angebracht wird.

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn und jeweils Eigentümer eines Reihenhauses. Die Reihenhäuser sind versetzt gebaut. Die Klägerin brachte an ihrem Reihenhaus - dem Eckhaus der Häuserzeile - an den von ihrem Grundstück umgebenen Außenwänden eine Wärmedämmung an, mit der sie nun auch die Grenzwand zu dem Grundstück der Beklagten, deren Reihenhaus um 1,10 m zurückversetzt gebaut ist, versehen möchte.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagten gemäß § 10a Hessisches Nachbarrechtsgesetz zur Duldung der auf ihr Grundstück übergreifenden Wärmedämmung verpflichtet. Die von dem Malermeister M angebotene und im Klageantrag näher bezeichnete Wärmedämmung gehe nicht über die Bauteilsanforderungen der Energieeinsparverordnung vom 24.07.2007 hinaus. Auch könne eine vergleichbare Wärmedämmung nicht auf andere Weise - insbesondere nicht als Innendämmung - mit vertretbarem Aufwand vorgenommen werden. Die mit den geplanten Arbeiten einhergehende Verkleinerung des Grundstückes der Beklagten sei unwesentlich.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweiserhebung durch Einholung eines schriftlich und mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens durch am 07.03.2012 verkündetes Urteil abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der durch die vorgesehene Wärmedämmung erreichte Wärmedurchgangskoeffizient geringer und damit besser sei als der in der Energieeinsparverordnung genannte Grenzwert von 0,24 W/m2K. Auch habe die Klägerin nicht bewiesen, dass sie eine vergleichbare Wärmedämmung nicht mit vertretbarem Aufwand als Innendämmung ausführen könne.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge unter teilweiser Ergänzung der im Einzelnen zu duldenden Arbeiten weiterverfolgt. Die Klägerin greift die Beweiswürdigung des Landgerichts an und macht geltend, dass die geplante Wärmedämmung allenfalls ganz unwesentlich besser als der von der Energieeinsparverordnung geforderte U-Wert sei. Bei einer - wenn überhaupt - ganz geringen Unterschreitung der U-Werte müsse eine Toleranzgrenze eingeräumt werden, wenn die Beschaffung des Dämmstoffes auf dem Markt nicht exakt den Wert erreichen lasse, den die Anlage 3 zu § 9 EnEV vorgebe. Entsprechend dem Zweck des § 10a Hessisches Nachbarrechtsgesetz, dass ein Grundstückseigentümer eine auf sein Grundstück übergreifende Wärmedämmungsmaßnahme des Nachbarn, die sich an den Vorschriften der Energieeinsparverordnung orientiere, hinnehmen müsse und nur eine übermäßige Beeinträchtigung des betroffenen Grundstückseigentümers verhindert werden solle, könne es nicht sachgerecht sein, nur darauf abzustellen, ob der nach Anlage 3 zu § 9 EnEV feststellbare Wert überschritten sei. Im Übrigen werde der in dieser Norm genannte Wert von 0,24 W/m2K genannte Wert exakt erreicht werden, wenn die Klägerin an Stelle des vorgesehenen Materials nunmehr Hartfaserplatten WLG 045 auf das Mauerwerk aufbringen würde. Dann aber müssten die Beklagten das Anbringen von Material mit einer Dämmstärke von 14 cm an Stelle - wie jetzt verlangt - von 8 cm dulden. Fehlerhaft sei auch die Annahme des Landgerichts, dass eine vergleichbare Wärmedämmung mit vertretbarem Aufwand als Innendämmung vorgenommen werden könne. Eine Innendämmung sei zwar technisch möglich. Sie wäre aber keine gleichwertige Wärmedämmung, weil Wärmebrücken erhalten blieben und umfangreiche Umbaumaßnahmen in der von der Wärmedämmung betroffenen Küche erforderlich würden.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten zu verurteilen,

1. der Klägerin zu genehmigen, das Grundstück der Beklagten in Stadt1, Straße1A, zu betreten, um an dem Gebäude der Klägerin, gelegen im Straße1, Stadt1 Wärme isolieren zu können,

2. der Klägerin zu gestatten, an der zum Grundstück der Beklagten gelegenen Seite eine Wärmedämmung, bestehend aus Resol-Hartschaumplatten WLG 022 mit Glasfließ kaschiert nach DIN13166 und den Anforderungen des Fachverbandes WDV-Systeme e.V. in einer Stärke von 8 cm anzubringen, wobei die Dämmplatten mit Armierungsmörtel entsprechend den Hersteller-Verarbeitungshinweisen im Verbund verklebt und in größeren Abständen verdübelt werden sollen und auf den nach den anerkannten Regeln der Technik aufzubringenden Armierung einschließlich Putz in einer Stärke von maximal 13 mm sodann ein einmaliger Egalisationsanstrich mit Silikonharz-Fassadenfarbe erfolgen und die vollständige Bedachung wieder hergestellt werden soll.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.


II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Beklagten zur Duldung der vorgesehenen und auf ihr Grundstück übergreifenden Wärmedämmung an der 1,10 m breiten Grenzwand nach § 10a Abs. 1 Hessisches Nachbarrechtsgesetz liegen nicht vor.

In tatsächlicher Hinsicht ist zugrunde zu legen, dass die geplante Wärmedämmung einen U-Wert der Außenwand von 0,22 W/m2K ergibt und somit die Bauteilanforderung der EnEV von 0,24 W/m2K übersteigt. Die entsprechende Tatsachenfeststellung des Landgerichts ist der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde zu legen, weil konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellung des Landgerichts nicht vorliegen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin selbst hat diesen U-Wert unter Vorlage der von ihr eingeholten sachverständigen Beratung der Energieberatung A vorgetragen. Der vom Landgericht beauftrage Sachverständige hat diesen Wert bestätigt, da die angenommene Wärmeleitfähigkeit den üblichen Baustoffwerten des hier verwendeten innenseitigen Kalkgipsputzes, Dicke 1,5 cm, der aus Bimssteinen bestehenden Mauerwerkswand, Dicke 24 cm, und des außenseitigen Kalkzementputzes, Dicke 2 cm, entspreche und die Wärmeleitfähigkeit der vorgesehenen Hartschaumplatte berücksichtige.

Die Angriffe der Berufung gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts greifen nicht durch. Insbesondere trifft der Vorwurf nicht zu, dass der Sachverständige eingeräumt habe, dass er sich auf dem Gebiet des Wärmeschutzes nicht hinreichend auskenne und auch die verwendeten Materialien nicht so genau kenne. Eine entsprechende Angabe findet sich weder in dem schriftlichen Gutachten noch in dem Protokoll des Landgerichts über die mündliche Anhörung des Sachverständigen. Es ist auch nicht unklar, ob der Sachverständige eine Dämmdicke von 8 cm oder von 9 cm angenommen hat, um auf den U-Wert von 0,22 W/m2K zu kommen. Schon aus dem schriftlichen Gutachten (dort S. 10) ergibt sich, dass der Sachverständige seiner Berechnung eine 8 cm dicke Hartschaumplatte zugrunde gelegt hat und eine 9 cm dicke Hartschaumplatte nur dort anspricht, wo er auf das entsprechende Angebot der Firma M hinweist. Auch hat der Sachverständige in seiner Anhörung vor dem Landgericht am 07.03.2012 bestätigt, dass er bei seiner Berechnung eine Dämmdicke von 8 cm angesetzt hat. Zu Unrecht kritisiert die Klägerin, dass der Sachverständige nicht berücksichtigt habe, dass die vorgesehene Wärmedämmung die Stelle der Torbefestigung aussparen solle, so dass der Differenzwert zwischen dem von der EnEV geforderten U-Wert und dem vom Sachverständigen errechneten Wert vermutlich geringer werde. Das gilt schon deshalb, weil nach dem Klageantrag eine ganzflächige Wärmedämmung der Grenzwand vorgesehen ist. Im Übrigen würde eine derart geringfügige Aussparung bei der Wärmedämmung nichts an dem für den ganz wesentlichen Teil der Wandfläche maßgeblichen U-Wert ändern. Schließlich sind die Ausführungen des Sachverständigen auch nicht deshalb widersprüchlich, weil er im schriftlichen Gutachten bei diffusionsoffenen Konstruktionen zur Vermeidung von Tauwasserbildung den Einbau einer Dampfbremse empfehle, die von ihm in Bezug auf eine Innendämmung vorgeschlagene Dampfsperre durch Verwendung einer Folie aber gerade nicht diffusionsoffen sei.

Der von der Klägerin gesehene Widerspruch besteht deshalb nicht, weil sich das schriftliche Sachverständigengutachten mit generellen Überlegungen zu den Risiken erhöhter Tauwasserbildung einerseits aufgrund von Konvektion und andererseits aufgrund von Diffusionsprozessen äußert und bei Gefahr von Tauwasserbildung infolge von Wasserdampfdiffusion tendenziell eher diffusionsoffene Konstruktionen zur Reduzierung von Tauwasserbildung empfiehlt. Daraus folgt nicht, dass die Verwendung einer Folie als Dampfsperre in dem hier zu beurteilenden Fall entsprechend der Erläuterung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht fachgerecht wäre. Dieser Vorschlag steht im Übrigen im Einklang mit der von der Klägerin vorgelegten sachverständigen Stellungnahme M vom 02.01.2012.

Danach übersteigt die geplante Wärmedämmung, die die Klägerin an der Grenzwand zu dem Nachbargrundstück der Beklagten anbringen will und deren Duldung sie beansprucht, die Bauteilanforderungen der Energieeinsparverordnung. Bereits deshalb ist die Klage nicht begründet. Denn die Duldungspflicht nach § 10a Hessisches Nachbarrechtsgesetz setzt voraus, dass es sich bei den übergreifenden Bauteilen um eine Wärmedämmung handelt, die über die Bauteilanforderungen der Energieeinsparverordnung in der jeweils geltenden Fassung für bestehende Gebäude nicht hinaus geht. Danach beschränkt sich die Duldungspflicht eines Grundstückseigentümers auf eine Außendämmung, die den Höchstwert des Wärmedurchgangskoeffizienten - hier nach Anlage 3 zu § 9 EnEV 0,24 W/m2K - nicht überschreitet, sondern diesen - höchstens - erreicht. Mit anderen Worten besteht keine Duldungspflicht, wenn die Wärmedämmung über die Mindestanforderungen der EuEV hinausgeht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann § 10a Abs. 1 Nr. 1 HNRG nicht dahin ausgelegt werden, dass bei der Beantwortung der Frage, ob eine Wärmedämmung über die einschlägigen Bauteilanforderungen hinaus geht, eine gewisse Toleranzgrenze eingeräumt werden müsse bzw. eine Regelvermutung für eine Duldungspflicht des Grundstücksnachbarn eingreife, wenn sich eine Wärmedämmmaßnahme an den Vorschriften der EnEV orientiere. Einer derartigen Auslegung, die sich maßgeblich am Gesetzeszweck orientiert, die Anbringung von Wärmedämmungen an bestehenden Bauten zur Erhöhung der Energieeffizienz auch dann zu ermöglichen, wenn eine solche Maßnahme auf das Nachbargrundstück übergreift, steht der klare Wortlaut der Norm entgegen.

Dem entsprechend führt die Gesetzesbegründung hierzu aus: „Weitergehende und aufwändigere Dämmmaßnahmen, die über den Mindeststandard der Energieeinsparverordnung in der jeweils geltenden Fassung hinaus gehen und möglicherweise eine stärkere Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks zur Folge hätten, hat der betroffene Nachbar, dessen in Art. 14 des Grundgesetzes geschütztes Eigentumsrecht berührt ist, nicht zu dulden“ (Hessischer Landtag, Drucksache 18/855, S. 6).

Die Klägerin kann sich für ihre Auslegung des § 10a Abs. 1 Nr. 1 HNRG, dass eine den Vorschriften der EnEV entsprechende Wärmedämmmaßnahme eine Regelvermutung im Sinne einer Duldungspflicht des Grundstücksnachbarn begründe, nicht auf die im Gesetzgebungsverfahren bei dem Hessischen Landtag eingegangenen Stellungnahmen des Öko-Institut e.V. und der Stadt Frankfurt/Main berufen. Diese Stellungnahmen enthalten insbesondere Vorschläge zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „unwesentlichen Beeinträchtigung“ des Nachbargrundstückes, die in der Regel dann anzunehmen sei, wenn die Wärmedämmung nicht über den Mindeststandard der Energieeinsparverordnung hinaus gehe bzw. wenn eine Dämmung bis 15 cm dick sei. Derartige Vorschläge sind vom Gesetzgeber gerade nicht übernommen worden. Vielmehr setzt die Duldungspflicht nach § 10a Abs. 1 HNRG voraus, dass sowohl die übergreifenden Bauteile die Anforderungen der Energieeinsparverordnung in der jeweils geltenden Fassung für bestehende Gebäude nicht übersteigen (§ 10a Abs. 1 Nr. HNRG) als auch - neben weiteren Voraussetzungen - die Benutzung des betroffenen Grundstückes nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt wird (§ 10a Abs. 1 Nr. 3b HNRG).

Das von der Klägerin vorgebrachte Argument, dass es widersinnig sei, eine Duldungspflicht in Bezug auf die begehrte 8 cm-dicke Wärmedämmung zu verneinen, obwohl der von der EnEV geforderte Mindestwert mit einer anderen 14 cm dicken Wärmedämmung exakt eingehalten werden könnte, das Anbringen einer solchen dickeren und den Anforderungen des § 10a Abs. 1 Nr. 1 HNRG entsprechenden Wärmedämmung aber den duldungspflichtigen Nachbarn stärker belaste, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Argument verwischt die notwendige Unterscheidung zwischen der Voraussetzung, dass die auf das Nachbargrundstück übergreifende Wärmedämmung nicht über die Bauteilanforderungen der Energieeinsparverordnung vom 24.07.2007 hinausgehen darf (§ 10a Abs. 1 Nr. 1 HNRG), und der zusätzlich erforderlichen Voraussetzung, dass die übergreifenden Bauteile die Benutzung des betroffenen Grundstückes nicht oder nur geringfügig beeinträchtigen dürfen (§ 10a Abs. 1 Nr. 3b HNRG).

Da hier schon die Voraussetzung nach § 10a Abs. 1 Nr. 1 HNRG nicht erfüllt ist, kann offen bleiben, ob die Klägerin eine Innendämmung als vergleichbare Wärmedämmung mit vertretbarem Aufwand vornehmen kann und ob eine Außendämmung nach Maßgabe des Klageantrages die Benutzung des Grundstücks der Beklagten nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO erforderlichen Voraussetzungen liegen nicht vor.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht; Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

§ 10a NachbG HE