In Bezug auf Gemeinschaftsflächen keine Besitzschutzansprüche gegenüber dem Vermieter
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
20. 08. 2012
Aktenzeichen
8 U 168/12
Ein Mieter, der nicht mitvermietete Gemeinschaftsflächen nutzt, erlangt durch den Gebrauch dieser Flächen keinen Mitbesitz und kann damit in Bezug auf diese Gemeinschaftsflächen auch keine Besitzschutzansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen.
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das am 31. Mai 2012 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die Berufung der Verfügungsklägerin ist unbegründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
I.
Der Antrag zu 2. auf Rückgängigmachung der Baumaßnahmen und Wiederherstellung des früheren Zustands ist unzulässig.
Die Verfügungsklägerin begehrt insoweit die Erfüllung des von ihr geltend gemachten Anspruchs, d.h. eine sog. Leistungs- oder Befriedigungsverfügung. Voraussetzung dafür ist, dass der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist, z.B. weil er sich in einer Not- oder Zwangslage befindet. Die Leistungsverfügung ist ferner in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 940, Rn. 6). Anerkannt ist, dass durch eine einstweilige Verfügung die Herausgabe von Gegenständen im Rahmen des Besitzschutzes gemäß §§ 858 und 861 BGB verlangt werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 940, Rn. 8, Stichwort: “Herausgabe und Sequestration, Räumung und Besitzschutz”). Die Voraussetzungen eines Herausgabeanspruchs wegen Besitzentziehung i.S.d. § 861 BGB liegen hier jedoch nicht vor.
1)
Bei Raummietverhältnissen umfasst die Leistungspflicht des Vermieters die Mitüberlassung derjenigen Teile des Gebäudes und des Grundstücks, die zum ungestörten Mietgebrauch erforderlich sind. Auf ausdrückliche Vereinbarungen kommt es insoweit nicht an. Die Rechtsprechung erkennt ein Recht auf Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen an (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2006, V ZR 46/06 = NJW 2007, 146, Rn. 9, zitiert nach Juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.05.2009, I-24 U 153/08 und 24 U 153/08 = Grundeigentum 2009, 1187, Rn. 36, zitiert nach Juris). Erfasst sind Zugangswege, Eingangstüren, Aufzüge, das Treppenhaus und Flure (vgl. MüKo-Häublein, BGB, Band 3, 6. Auflage 2012, § 535, Rn. 70; Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Auflage 2012, § 535, Rn. 16; Schmidt-Futterer/Eisenschmidt, Mietrecht, 10. Auflage 2011, § 535 BGB, Rn. 25). Diese Flächen und Räume, die der Mieter nur mitbenutzen darf, sind jedoch nicht mitvermietet (vgl. KG, Urteil vom 03.12.1998, 8 U 3716/98 = Grundeigentum 1999, 252, Rn. 41, zitiert nach Juris).
Dabei ist strittig, ob der Mieter durch den Gebrauch Mitbesitz erlangt und damit Besitzschutzansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen kann (ablehnend Bub/Treier/Krämer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummieter, 3. Auflage 1999, Kap. III, Rn. 1171; zustimmend MüKo/Joost, Band 6, 5. Auflage 2009, § 866, Rn. 3).
Nach Auffassung des erkennenden Senates scheiden Besitzschutzansprüche bereits mangels Mitbesitz aus. Der Münchener Kommentar stützt seine Auffassung, dass Mieter an Gemeinschaftsflächen Mitbesitz hätten, u.a. auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 26.3.1974 - VI ZR 103/72 (BGHZ 62, 243). Diese Entscheidung spricht aber gerade gegen die Annahme von Mitbesitz an Gemeinschaftsflächen bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden. In dem vom BGH entschiedenen Fall stand ein Aufzug abgesehen von gelegentlicher Mitbenutzung durch den Vermieter nur den beiden Mietern zur Verfügung. Zudem war seine Überlassung Gegenstand einer besonderen mietrechtlichen Vereinbarung. Anders liegt der Fall hier. Der Eingangsbereich wird von einer Vielzahl von Mietern genutzt, ohne dass der Nutzung eine besondere mietrechtliche Vereinbarung zugrunde liegen würde. Die Mieter haben hier ein Recht zur Mitbenutzung, aber keinen Mitbesitz. Mit dem BGH ist davon auszugehen, die Annahme von Mitbesitz aller Mieter an Aufzug und ähnlichen Einrichtungen regelmäßig nicht der tatsächlichen Gestaltung entspricht.
2)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Verfügungsklägerin zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Wolgast vom 12.11.1993 - 544/93 - (WuM 1994, 265). Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der Vermieter bauliche Maßnahmen an den gemieteten Wohnräumen gegen den Willen des Mieters durchführte. Dabei wurde der Eingangsvorbau entfernt, so dass die Wohnung nicht mehr abgeschlossen war. Wenn der Mieter aus den Wohnräumen kommend Küche und Bad benutzen wollte, musste er ins Freie treten. Das Urteil des Amtsgerichts Wolgast betrifft somit nicht Gemeinschaftsanlagen, sondern die konkrete Mietsache selbst, an welcher der Mieter unmittelbaren Besitz gemäß § 854 Abs. 1 BGB hat.
3)
Schließlich kann sich die Verfügungsklägerin nicht auf das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache berufen. Dieses Verbot bezieht sich nur auf die Anordnung des Gerichts und nicht auf die vom Antragsgegner durchgeführten Maßnahmen. Die Anordnung des Gerichts nach § 938 ZPO darf die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht vorwegnehmen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 938, Rn. 3).
II.
Der Antrag zu 1. lit. a) auf Unterlassung der Schließung und Verlegung des Eingangs Nr. 2 gegen die Verfügungsbeklagte zu 2) ist unbegründet. Die Verfügungsklägerin hat weder einen vertraglichen noch einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch. Sie ist vielmehr zur Duldung verpflichtet.
1)
Die Verfügungsklägerin hat keinen Unterlassungs- bzw. Wiederherstellungsanspruch aus dem Mietvertrag.
Wie bereits erläutert, umfasst die Leistungspflicht des Vermieters die Mitüberlassung derjenigen Teile des Gebäudes und des Grundstücks, die zum ungestörten Mietgebrauch erforderlich sind. Der Vermieter schuldet daher in jedem Fall den Zugang zu den vermieteten Räumen in Form eines Hauseingangs. Dies ist hier durch den Eingang Nr. 3 gewährleistet. Flächen und Räume, die der Mieter nur mitbenutzen darf, sind nicht mitvermietet (vgl. KG, Urteil vom 03.12.1998, 8 U 3716/98 = Grundeigentum 1999, 252, Rn. 41, zitiert nach Juris). Darüber hinaus steht der Verfügungsklägerin kein vertraglicher Anspruch auf Nutzung des Eingangs Nr. 2 zu.
a)
Gemäß Ziffer 1.2 des Mietvertrages sind nur die Räume im 2. Obergeschoss rechts und im 3. Obergeschoss rechts und links des Hauses J... ... mit dazugehörigen Räumen und Keller Gegenstand des Mietvertrages. Der Eingang Nr. 2 wird nicht erwähnt. Auch aus Ziffer 23.7 des Mietvertrages ergibt sich nichts anderes. Ziffer 23.7 des Mietvertrages regelt die besonderen Sicherheitsanforderungen beim Betrieb einer Botschaft. Demnach hat der Vermieter die bauliche Sicherung des äußeren Eingangsbereiches zur J... bis zum Eingang zu den Mieträumen zu übernehmen. Aus dem Verweis “auf den Eingang zur J... ” ergibt sich nicht, dass damit ausdrücklich der Eingang Nr. 2 gemeint ist. Die Regelung dient vielmehr der Verteilung der Sicherheitsmaßnahmen zwischen Mieter und Vermieter. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung lässt sich ein Anspruch der Verfügungsklägerin auf Nutzung des Eingangs Nr. 2 entnehmen. Auch in den Nachträgen zum Mietvertrag befindet sich keine Regelung über die konkrete Eingangssituation.
b)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem mit der Anmietung verbundenen Zweck und die Aufgaben einer diplomatischen Vertretung nach Art. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen.
Gemäß Ziffer 1.3 des Mietvertrages werden die Räume zum Zwecke der Nutzung und des Betriebs einer Botschaft vermietet. Durch die Aufnahme des Nutzungszwecks in den Mietvertrag wird das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen jedoch nicht Vertragsbestandteil. Bei diesem Übereinkommen handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag zwischen mehreren Staaten als Völkerrechtssubjekten. Ein völkerrechtlicher Vertrag bindet grundsätzlich nur die teilnehmenden Staaten und begründet keine Rechte und Pflichten Einzelner (vgl. Herdegen, Völkerecht, 10. Auflage 2011, § 12, Rn. 1f.). Völkerrechtliche Pflichten des Individuums lassen sich nur vereinzelt ausmachen, z.B. das Verbot der Mitwirkung am Genozid (vgl. Herdegen, Völkerrecht, 10. Auflage 2011, § 12, Rn. 3).
Darüber hinaus hätte es zur Inkorporation des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen einer ausdrücklichen Bezugnahme im Mietvertrag bedurft.
Des Weiteren hat die Verfügungsklägerin nicht dargetan, dass sie aufgrund der veränderten Eingangssituation nicht mehr in der Lage ist, die ihr zukommenden Aufgaben nach Art. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen zu erfüllen. Auch bei einem Eingang über die Toreinfahrt ist es der ... Botschaft möglich, die Interessen von ... zu vertreten, mit der deutschen Regierung zu verhandeln, sie über die Entwicklungen in ... zu unterrichten und die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu fördern.
c)
Ein Anspruch der Verfügungsklägerin folgt auch nicht aus einer Individualabrede zum Mietvertrag. Die Klägerin konnte nicht darlegen und beweisen, dass über den Mietvertrag hinaus im Zuge der Umbaumaßnahmen 2007 eine mündliche bzw. konkludente Vereinbarung geschlossen worden ist, wonach ihr ein Recht auf die Nutzung des Eingangs Nr. 2 zustehe.
Die Verfügungsklägerin hat die konkreten Umstände und den konkreten Inhalt einer Vereinbarung über die Nutzung von Eingang Nr. 2 nicht dargetan. Gegen eine solche Vereinbarung spricht bereits der Inhalt des von der Verfügungsbeklagten zu 1) an die Verfügungsklägerin gerichteten Schreibens vom 19. Dezember 2006 (Anlage Ast 2), wonach die Verfügungsbeklagte zu 1) einseitig die Verlegung des Eingangs festlegte. Davon abgesehen ist die Verfügungsklägerin für die behauptete Vereinbarung beweisfällig geblieben.
d)
Damit verbleibt es dabei, dass es sich bei dem Eingang Nr. 2 um eine bloße Gemeinschaftseinrichtung handelt, auf deren Nutzung die Verfügungsklägerin keinen vertraglichen Anspruch hat. Es ist umstritten, ob der Vermieter berechtigt ist, Gemeinschaftsanlagen oder -einrichtungen einzuziehen oder umzugestalten. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um die Nutzung eines Teils der Gemeinschaftsfläche handelt, die die Nutzung Dritter ausschließt, oder um die bloße Teilhabe am gemeinschaftlichen Gebrauch (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage 2009, Kap. VI, Rn. 140). Der Senat hat bereits 2008 entschieden, dass die Gestattung der Nutzung einer Gemeinschaftsfläche frei widerruflich ist, unabhängig davon, ob die Nutzung ausdrücklich oder stillschweigend durch bloße Duldung erteilt worden ist (vgl. KG, Urteil vom 01.12.2008, 8 U 121/08 = WuM 2009, 654, Rn. 8, zitiert nach Juris). Dabei handelte es sich um eine Dachterrasse, zu der nur einige Mieter des Hauses Zugang hatten.
Hier geht es um die Teilhabe am gemeinschaftlichen Gebrauch, da unstreitig alle Mieter des Hauses und deren Besucher den Eingang Nr. 2 benutzt haben. In diesem Fall hat der Vermieter einen größeren Dispositionsspielraum. Er kann eine andere Fläche oder eine Ersatzeinrichtung zur Verfügung stellen. Voraussetzung dafür ist, dass diese vergleichbare Ausstattungsmerkmale aufweisen und für die vorgesehene Nutzung geeignet sind (vgl. LG Berlin, Urteil vom 28.02.1997, 64 S 503/96 = Grundeigentum 1997, 1401, für einen Spielplatz; AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 23.02.2000, 508 C 551/99 = ZMR 2000, 307, für einen Wäschetrockenplatz; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage 2009, Kap. VI, Rn. 140). Insoweit ist von Bedeutung, dass den Verfügungsbeklagten der Zweck der Anmietung durch die Verfügungsklägerin, nämlich der Betrieb einer Botschaft, bekannt war. Die Verfügungsklägerin verband mit der Anmietung die stillschweigende Vorstellung, dass die Botschaft nach außen einen repräsentablen Eindruck zu vermitteln hat.
Der Eingang Nr. 3 erfüllt als Ersatzeinrichtung für den Eingang Nr. 2 die oben dargestellten Voraussetzungen. Er ist für die vorgesehene Nutzung der Mietsache geeignet. Über diesen Eingang können die Botschaftsräume der Verfügungsklägerin problemlos betreten werden. Die Verfügungsklägerin hat nicht dargetan, dass Besucher der Botschaft den neuen Eingang nicht finden können und dadurch von einem Besuch der Botschaft abgehalten werden. Am Eingang Nr. 2 ist ein deutlich sichtbarer Hinweis angebracht, dass sich der Eingang zur ... Botschaft nunmehr um die Ecke in der Toreinfahrt befindet.
Zwar beeinträchtigt das derzeit an dem Eingang Nr.2 angebrachte provisorische Hinweisschild den im Übrigen repräsentablen Eindruck des neuen Eingangsbereiches. Insoweit hätte die Verfügungsklägerin einen einklagbaren Anspruch auf Anbringung eines dem alten, ehemals über dem Eingang Nr.2 entsprechenden Botschaftsschildes. Ein derartiger Anspruch ist aber nicht Gegenstand dieses Rechtsstreites und steht der grundsätzlichen Berechtigung der Verfügungsbeklagten zu 2), den Eingang – wie beabsichtigt - zu verlegen, nicht entgegen.
Der Eingang Nr. 3 weist im Verhältnis zu dem Eingang Nr.2 vergleichbare Ausstattungsmerkmale auf.
Der Eingang Nr. 2 befindet sich direkt an der Straßenfront und verfügt über eine schlichte Glasfassade. Dahinter liegt ein leerer Raum, der als Eingangsbereich genutzt wird; von dort tritt man ins Treppenhaus. Der Eingang Nr. 3 befindet sich hingegen in einer Toreinfahrt. Diese Toreinfahrt ist mit einem geschmackvoll gestalteten Rundbogen, kunstvoll verziertem Stuck und einem gusseisernen, ebenfalls kunstvoll verziertem Tor versehen. Der leere Raum hinter dem Eingang Nr. 2 als Teil des Repräsentationscharakters der Botschaft wird aufgewogen durch die kunstvollen Verzierungen rund um den Eingang Nr. 3. Über beiden Eingängen lassen sich Beschilderungen mit dem Hinweis auf die ... Botschaft und dem Landeswappen anbringen, so dass diese von Außenstehenden ohne weiteres als solche erkannt werden kann.
Der Repräsentationscharakter des Eingangs Nr. 3 wird auch nicht dadurch geschmälert, dass sich gegenüber der Eingang zum Restaurant “... ” befindet. Auch der Eingang zum Restaurant ist niveauvoll und gepflegt gestaltet. Überdies handelt es sich um ein viel beachtetes Sternerestaurant in Berlin. Dass der Innenhof von den Restaurantgästen als Raucherbereich genutzt wird, wurde von den Verfügungsbeklagten bestritten. Die Verfügungsklägerin hat insoweit keinen Beweis angeboten. Darauf kommt es auch nicht entscheidend an, da heutzutage aufgrund des Rauchverbots in den meisten Gebäuden vor nahezu jedem Gebäude geraucht wird. Es ist nicht ersichtlich, dass dadurch der Repräsentationscharakter des Eingangs Nr. 3 herabgesetzt wird.
Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Eingängen ist, dass der Eingang Nr. 2 direkt zur Straße zeigt. Damit ist nach Auffassung des Senats jedoch kein markanter Repräsentationsverlust verbunden. Der Senat teilt nicht die Ansicht der Verfügungsklägerin, dem Eingang Nr. 3 hafte der “Eindruck eines untergeordneten Hauszugangs an, weil er eben nicht Teil der repräsentativen Straßenfassade des Gebäudes ist.” Es ist nicht ersichtlich, dass ein Eingang nur dann repräsentativ ist, wenn er direkt zur Straße zeigt. Entscheidend ist vielmehr die konkrete Ausgestaltung des Eingangs. Insoweit weist der Eingang Nr. 3 - wie bereits dargelegt - einen ebenso repräsentablen Charakter auf wie der Eingang Nr. 2. Durch das ... Wappen auf der Höhe des zweiten Stockwerks ist auch für jedermann weiterhin auf den ersten Blick erkennbar, dass sich in diesem Gebäude die ... Botschaft befindet.
Die Vergleichbarkeit der Eingänge scheitert auch nicht an Sicherheitsaspekten. Die Verfügungsklägerin trägt vor, der Eingang Nr. 3 genüge nicht den Sicherheitsanforderungen. Insbesondere sei der Bereich des Innenhofes durch die Kameras am Eingang Nr. 3 nicht einsehbar. Die Verfügungsbeklagte zu 2) hat dies bestritten. Wiederum hat die Verfügungsklägerin für ihre Behauptung keinen Beweis angeboten. Darauf kommt es jedoch nicht an, da die Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte zu 2) gemäß Ziffer 23.7 des Mietvertrages einen durchsetzbaren Anspruch auf Ergreifung von Sicherheitsmaßnahmen hat, deren Umfang sich aus der Empfehlung des Polizeipräsidenten von Berlin vom 24.3.1999 ergibt. Daraus allein lässt sich jedoch kein Anspruch auf Nutzung des Eingangs Nr. 2 herleiten. Vielmehr ergibt sich daraus, dass je nach Gestaltung der Gemeinschaftsanlagen (Treppenhaus, Eingangsbereich etc.) die Klägerin einen Anspruch auf die Ergreifung von Sicherheitsmaßnahmen hat, die den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten entsprechen. Hier besteht zum Beispiel die Möglichkeit, auch den Innenhof mit Kameras auszustatten. Darüber hinaus hatte die Verfügungsbeklagte zu 2) in ihrem Schriftsatz vom 30.05.2012 der Verfügungsklägerin ausdrücklich angeboten, ggf. zusätzliche Kameras auf ihre Kosten zu installieren (Bl. 62). Die Verfügungsklägerin ist darauf jedoch nicht eingegangen.
2)
Damit ist die Verfügungsklägerin zur Duldung der Verlegung des Eingangsbereiches verpflichtet.
a)
Die Klägerin kann keine Rechte daraus herleiten, dass sie nicht rechtzeitig über den Beginn der Baumaßnahmen informiert worden ist. Ziffer 8.2 des Mietvertrages sieht eine Informationsfrist von vier Wochen vor. Diese Regelung bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf Instandsetzungs-, Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten. Unstreitig liegen hier keine Arbeiten vor, die der Erhaltung oder Verbesserung der Mietsache dienen. Es handelt sich vielmehr um eine schlichte Umgestaltung des Gebäudes.
Damit kommt die Generalklausel der Ziffer 8.1 des Mietvertrages zur Anwendung. Diese Regelung erfasst nach ihrem Wortlaut “bauliche Veränderungen, die (...) zum Ausbau des Gebäudes (...) zweckmäßig sind.” Demnach darf der Vermieter solche baulichen Veränderungen auch ohne Zustimmung des Mieters vornehmen, ohne dass der Betrieb des Mieters gestört wird. Eine solche Störung ist nach Auffassung des Senates hier nicht gegeben. Allerdings wurde die Klägerin nicht rechtzeitig über die Baumaßnahmen informiert. Ziffer 8.1 des Mietvertrages sieht eine Informationsfrist von einem Monat vor. Das Schreiben der Hausverwaltung der Beklagten zu 2) stammt vom 04.04.2012, die Baumaßnahmen begannen am 25.04.2012. Damit liegen - unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugangs dieses Schreibens - weniger als drei Wochen zwischen den genannten Ereignissen.
Dem Mietvertrag selbst ist nicht zu entnehmen, welche Konsequenz eine Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Information hat. Insbesondere ist in Ziffer 8.1 des Mietvertrages nicht geregelt, dass der Vermieter bei verspäteter Ankündigung die Baumaßnahmen überhaupt nicht durchführen darf. In Ziffer 8.3 des Mietvertrages ist geregelt, dass dem Mieter wegen Maßnahmen gemäß Ziffer 8.1 und 8.2 des Mietvertrages Ansprüche nur insofern und insoweit zustehen, als sie mit einer länger als zwei Wochen anhaltenden Beeinträchtigung des Betriebes des Mieters verbunden sind. Hierbei geht es offensichtlich um Ansprüche des Mieters wegen einer Mietminderung oder Schadensersatz infolge der Baumaßnahmen.
Damit verbleibt es bei den allgemeinen gesetzlichen Regelungen. Bei der Informationspflicht des Vermieters handelt es sich um eine nichtleistungsbezogene Nebenpflicht aus dem Mietvertrag gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Die Verfügungsklägerin kann daher wegen ihrer Verletzung Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB geltend machen, wenn und soweit ihr ein Schaden entstanden ist. Ihre Duldungspflicht bleibt davon jedoch unberührt.
Die Verfügungsklägerin belegt ihre Auffassung, wonach aus der Verletzung der Informationspflicht folge, dass sie nicht zur Duldung der Baumaßnahmen verpflichtet sei, mit einem Verweis auf einen Beschluss des Landgerichts Berlin vom 07.09.2004, - 63 T 71/04 - (Grundeigentum 2004, 1233). Diese Entscheidung ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Dort ging es um ein Wohnraummietverhältnis und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 554 BGB. Beides liegt hier nicht vor.
Ferner verweist die Verfügungsklägerin auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13.11.2009, - 311 O 330/09 - (ZMR 2010, 530). Dort ging es um ein Gewerberaummietverhältnis. Allerdings waren die dortigen Baumaßnahmen des Vermieters mit erheblichen Störungen des Mieters im Gebrauch seiner Mietsache verbunden. Das Gebäude sollte mit einem weiteren Stockwerk versehen werden. Die Folge davon waren erhebliche Staub- und Lärmbelästigungen für die Räume des Mieters, die direkt darunter lagen. Ferner war das gesamte Gebäude eingerüstet und die Räume des Mieters für die Bauarbeiter jederzeit einsehbar. Diese Baumaßnahmen sind mit den hiesigen Baumaßnahmen nicht vergleichbar, insbesondere sind keine erheblichen Belästigungen bei der Nutzung der Mietsache vorgetragen oder ersichtlich.
b)
Die Verfügungsklägerin ist auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zur Duldung verpflichtet. Dabei steht der Duldungspflicht der Klägerin nicht entgegen, dass es sich bei der Umgestaltung des Eingangsbereiches Nr. 2 nicht um eine Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme i.S.d. § 554 BGB handelt.
Nicht gesetzlich geregelt sind Maßnahmen des Vermieters, welche die Mieträume oder das Gebäude - ohne neuen Wohnraum zu schaffen - so grundlegend verändern, dass dadurch etwas “Neues” entsteht, z. B. wenn ein Gebäude aufgestockt oder durch einen Anbau verbreitert wird oder wenn das Erdgeschoss eines bisher ausschließlich Wohnzwecken dienenden Gebäudes zu einer Gaststätte umgebaut werden soll. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass der Mieter derartige Maßnahmen und die dadurch bedingten Auswirkungen auf den Mietgebrauch nicht hinnehmen muss, weil Verträge zu halten sind und ihm der vertragliche Anspruch auf ungestörten Mietbesitz bzw. auf Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache eingeräumt ist. Jedoch stehen auch diese Mieterrechte unter der Vorherrschaft von Treu und Glauben nach § 242 BGB, woraus sich im Einzelfall eine Duldungspflicht des Mieters ergeben kann (vgl. Bub/Treier/Krämer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage 1999, Kap. III, Rn. 1125; Schmidt-Futterer/Eisenschmidt, Mietrecht, 10. Auflage 2011, § 554 BGB, Rn. 80).
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes ist Voraussetzung hierfür, dass dem Vermieter die Unterlassung der Baumaßnahme oder deren Verschiebung bis zum Ende des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Zusätzlich kommt es darauf an, ob dem Mieter die ihn störende Umbaumaßnahme zugemutet werden kann, was bei der Gefahr erheblicher geschäftlicher Verluste nicht der Fall ist (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.1972, VIII ZR 91/70 = NJW 1972, 723, Rn. 27f., zitiert nach Juris; ebenso AG Hamburg-Altona, Urteil vom 07.08.2007, 316 C 425/06 = WuM 2008, 27, Rn. 32, zitiert nach Juris, sowie LG Hamburg, Beschluss vom 30.10.2007, 311 S 102/07 = WuM 2008, 27 als Berufungsinstanz). Maßgeblich ist somit eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzellfall.
Die Verfügungsbeklagte zu 2) hat nicht dargetan, dass der Umbau des Eingangsbereiches und dessen Umgestaltung in einen neuen Gewerbebereich wirtschaftlich derart erforderlich ist, dass ein Abwarten bis zum voraussichtlichen Auslaufen des Mietvertrages für sie unzumutbar ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofes auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar übertragen werden kann. Im dortigen Fall planten die Verpächter eine Erweiterung des Anwesens und verlangten von den Pächtern, dass während der Bauarbeiten die verpachteten Schank- und Toilettenräume sowie ein Gastraum geräumt werden müssen, gegen Ende der Bauarbeiten auch zwei kleinere Zimmer (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.1972, VIII ZR 91/70 = NJW 1972, 723, Rn. 7, zitiert nach Juris). Es ging damit um konkrete Umbauarbeiten an der Miet- bzw. Pachtsache selbst (ebenso im Fall des AG Hamburg-Altona, Urteil vom 07.08.2007, 316 C 425/06 = WuM 2008, 27, Rn. 3, zitiert nach Juris, in Bezug auf Loggien an den vermieteten Wohnungen). Das ist hier nicht der Fall. Der Eingangsbereich Nr. 2 gehört nicht zur Mietsache der Verfügungsklägerin. Es handelt sich um eine bloße Gemeinschaftsanlage, die der Vermieter nach seinen Vorstellungen umgestalten darf. Die Baumaßnahmen verursachen keine Auswirkungen auf die Botschaftsräume der Verfügungsklägerin, wie z.B. Lärm- oder Geruchsbelästigungen. Auch wird der Zugang zu den Mieträumen nicht versperrt. Sonstige Störungen für den Botschaftsbetrieb der Verfügungsklägerin sind ebenfalls nicht ersichtlich. Die Verfügungsklägerin trägt lediglich vor, dass der Eingang Nr. 3 nicht so repräsentativ sei. Damit verbunden sind jedoch keine messbaren Einbußen in Bezug auf den Gebrauch der Mietsache.
3)
Die Verfügungsklägerin hat keinen gesetzlichen Anspruch aus § 862 Abs. 1 BGB auf Unterlassung der Verlegung des Hauseingangs, da sie - wie dargelegt - keinen Mitbesitz am Hauseingang hat.
III.
Der klägerische Antrag zu 1. lit. b) auf Unterlassung der Verlegung der Klingelanlage und der Briefkästen gegen die Verfügungsbeklagte zu 2) ist ebenfalls unbegründet.
Der Standort der Klingelanlage und der Briefkästen ist untrennbar verbunden mit dem Eingang zu den Räumlichkeiten der Verfügungsklägerin. Die Verfügungsklägerin hat keinen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruch auf die Nutzung des Eingangs Nr. 2. Demnach hat sie auch keinen Anspruch auf einen bestimmten Standort für die Klingelanlage und die Briefkästen. Der Mieter hat lediglich einen Anspruch darauf, dass eine für ihn zumutbare Zustellmöglichkeit gewährleistet ist. Sache des Vermieters ist es, die Art und Weise zu bestimmen, wie er seiner Verpflichtung nachkommt. Zu einer Änderung der Zustellmöglichkeit ist er auf Grund seines Dispositionsrechts nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 3 BGB befugt, sofern nicht eine besondere Zustellmöglichkeit ausdrücklich vereinbart ist (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage 2009, Kap. VI, Rn. 159).
Mangels einer entsprechenden Vereinbarung durfte die Verfügungsbeklagte zu 2) die Klingelanlage und den Briefkasten der Verfügungsklägerin verlegen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin aufgrund der Umlegung nicht mehr zu erreichen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 a ZPO. Soweit die Verfügungsklägerin und die Verfügungsbeklagte zu 1) den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes aus den dargelegten Gründen der Verfügungsklägerin aufzuerlegen.
Mangels Anfechtbarkeit der Entscheidung erübrigt sich eine Vollstreckbarkeitsentscheidung.
Gemäß § 542 Abs.2 ZPO findet die Revision nicht statt.
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