Vermieterwechsel in der Insolvenz des Mieters

Gericht

OLG Stuttgart


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

11. 10. 2012


Aktenzeichen

13 U 49/12


Leitsatz des Gerichts

Der durch Vereinbarung mit dem seitherigen Vermieter in einem Mietvertrag eingetretene neue Vermieter ist hinsichtlich des von der mietenden Gesellschaft, die pflichtwidrig zur Zeit der Vereinbarung noch keinen Insolvenzantrag gestellt hat, nicht zu erlangenden Mietausfalls nicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Insolvenzverschleppung gegen die Geschäftsführers berechtigter Neugläubiger.

Tenor


Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 17. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

  3. Dieses und das angefochtene Urteil des Landgerichts Heilbronn sind vorläufig vollstreckbar.

    Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Streitwert der Berufung: 256.576,92 EUR

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten als (ehemalige) Geschäftsführer der … wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch.

Die …, über deren Vermögen am 16.08.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, war Mieterin eines Ladengeschäfts im Einkaufszentrum … in …. Ursprünglich war Vermieterin die …. Durch Vertrag vom 18.12.2006 wurde zum 01.01.2007 das Leasingverhältnis zwischen der Klägerin und der … aufgehoben. Gleichzeitig wurden sämtliche Mietverhältnisse auf die Klägerin übertragen.

Durch Schreiben vom 13.11.2007 kündigte die … wegen Insolvenz ihrer Hauptlieferantin das Mietverhältnis mit der Klägerin zum 31.01.2008. Die Klägerin wies die Kündigung wegen der Befristung des Mietverhältnisses zurück. Ab Dezember 2007 zahlte die … den monatlichen Mietzins nicht mehr regelmäßig.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Rückstände von 227.864,04 EUR, 23.437,18 EUR Verzugszinsen und 5.275,70 EUR Kosten der Rechtsverfolgung gegen die … geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt ihren Antrag aus I. Instanz weiter und beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 256.576,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.


II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht wies das Landgericht die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin ab. Eine Abänderung des Urteils ist - auch aufgrund des Berufungsvorbringens - nicht veranlasst.

Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem gemäß Art. 25 MoMiG seit 01.11.2008 gültigen § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO bzw. dem bis 31.10.2008 gültigen § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. stehen der Klägerin nicht zu, ebenso wenig sonstige Ansprüche. Das Landgericht stellte zu Recht darauf ab, dass die Klägerin hinsichtlich des verlangten Schadens nicht aktivlegitimiert ist. Sie ist sog. Altgläubigerin und kann daher einen Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung nicht geltend machen. Wegen Altschulden kann nur der Ersatz eines Quotenschadens gefordert werden, der in einem eröffneten Insolvenzverfahren als einheitlicher Gesamtgläubigerschaden gemäß § 92 InsO allein vom Insolvenzverwalter gegenüber den Geschäftsführern geltend zu machen ist (BGH, Urteil vom 05.02.2007 - II ZR 234/05, juris Rn. 12 m.w.N.).

1.

Nur Gläubiger, die einen nach dem Zeitpunkt, in dem Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, eingetretenen Schaden erlitten (Neugläubiger), haben bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen die Geschäftsführer aus Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind. Anspruchsberechtigte Neugläubiger sind also alle, die ihre Forderungen gegen die Gesellschaft nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen (BGH, Urteil vom 06.06.1994 - II ZR 292/91). Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen (BGH, Urteil vom 14.05.2012 - II ZR 130/10, juris Rn. 13 m.w.N.).

2.

Bei Dauerschuldverhältnissen, wozu Mietverträge zählen, kann der Vertragspartner sowohl Alt- als auch Neugläubiger sein (Urteil des BGH vom 05.02.2007 - II ZR 234/05). Entscheidend für die Einordnung ist, ob der Gläubiger seine Leistung nach Eintritt der Insolvenzreife noch hätte zurückhalten können (durch Kündigung, aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Lösungsklausel, Zurückbehaltungsrecht etc.), wenn sich der Geschäftsführer ordnungsgemäß verhalten hätte (Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 131; LAG Köln, Urteil vom 26.07.2006, 8 Sa 1660/05; OLG Hamburg, Urteil vom 31.07.2007 - 14 U 71/07).

3.

Die Klägerin ist nicht Neugläubigerin. Sie hatte keine Möglichkeit, die Mieträume ohne freiwilliges Zutun der … zurück zu erhalten.

a)

Gemäß § 535 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Vermieter durch den Mietvertrag verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Hat er dem Mieter die Mieträume überlassen, was üblicherweise - und so auch hier - zu Beginn des Mietverhältnisses geschieht, hat er im Falle ausbleibender Zahlungen jedoch kein Recht, die Mieträume gegen den Willen des Mieters wieder in Besitz zu nehmen. Der Vermieter hat lediglich die Möglichkeit der (außerordentlichen) Kündigung. Daher ist der Fall der Vermietung nicht vergleichbar mit dem der Inanspruchnahme neuen Kredits in einem Kontokorrentverhältnis, wie sie Gegenstand der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des BGH vom 05.02.2007 war, in welcher der BGH für den Fall der Inanspruchnahme neuen Kredits eine Neugläubigerstellung annahm. Der Vermietung vergleichbar ist nur die weitere Inanspruchnahme eines bereits gewährten Kredits, die jedoch keine Neugläubigerstellung begründet.

b)

Die Klägerin macht zu Unrecht geltend, es liege eine Zäsur durch die Inanspruchnahme von Vertrauen vor, die dem Neuabschluss eines Vertrages gleichkomme und die Annahme ihrer Neugläubigerstellung rechtfertige. Der Eintritt der Klägerin als Vermieterin in das Mietverhältnis mit der … anstelle der … steht nicht in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Vertrauen durch die Insolvenzschuldnerin bzw. die Beklagten.

Der Eintritt der Klägerin in das Mietverhältnis war Folge ihrer vertraglichen Vereinbarungen mit der …. Die … und die Beklagten als deren Geschäftsführer hatten hierauf keinen Einfluss. Ihnen ist in diesem Zusammenhang nichts vorzuwerfen. Insbesondere haben sie keine Pflicht, einen an der Übernahme eines Mietverhältnisses Interessierten über die finanzielle Situation der Mieterin aufzuklären. Sie dürfen hierzu zwar keine unwahren Angaben machen. Darum geht es jedoch nicht. Solche bzw. eine Anfrage behauptet die Klägerin nicht.

Alleine der Umstand, dass die … - deren Insolvenzreife zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Klägerin mit der … unterstellt - noch keinen Insolvenzantrag gestellt hatte, genügt nicht zur Begründung der Neugläubigerstellung der Klägerin, weil sie mit der … keinen neuen Vertrag schloss, sondern anstelle der … in ein bestehendes Vertragsverhältnis eintrat, ohne mit der … hierwegen in Kontakt gestanden zu haben.

Ob die Klägerin selbst durch die Vertragsübernahme einen Vertrauenstatbestand schuf, ist völlig unerheblich. Hierauf hebt die Klägerin zu Unrecht ab.

c)

Ebenso wenig kann die Klägerin auf ihre Ablehnung der von der … mit Schreiben vom 13.11.2007 ausgesprochenen Kündigung abstellen. Die … war zum Ausspruch dieser Kündigung aufgrund der Insolvenz ihrer Hauptlieferantin … nicht berechtigt und daher ebenso wenig verpflichtet wie zur Unterrichtung der Klägerin von drohenden finanziellen Problemen. Vor dem Hintergrund des im Kündigungsschreiben zur Begründung genannten Ausfalls des Hauptlieferanten … war die Klägerin jedoch auf drohende finanzielle Probleme hingewiesen worden. Auf in Anspruch genommenes Vertrauen seitens der Beklagten und eine unterlassene Beweisaufnahme des Landgerichts insoweit kann die Klägerin sich nicht berufen.

(1)

Der von der Klägerin erstmals nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 18.01.2012 mit Schriftsatz vom 03.02.2012 gehaltene Vortrag, den die Beklagten in der Berufung im Schriftsatz vom 06.09.2012 bestreiten, ist unbeachtlich. Es handelt sich rechtlich um erstmals in der Berufung gehaltenen neuen Vortrag, wobei weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass er nicht aus Nachlässigkeit in I. Instanz nicht gehalten wurde (§§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO). Der Klägerin war zwar ein Recht zur Erwiderung auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 11.01.2012 eingeräumt worden. Bei dem unter Beweis gestellten, hier relevanten Vorbringen handelt es sich jedoch um von ihr zu haltenden anspruchsbegründenden Vortrag und nicht um eine Erwiderung auf Vortrag der Beklagten.

(2)

Der Vortrag ist zudem nicht ausreichend, um von einem einem Vertragsschluss gleichzustellenden vertrauensbegründenden Verhalten der Beklagten ausgehen zu können.

(a)

Die Klägerin trug vor, der unwirksamen Kündigung der … vom 13.11.2007 sei „eine erhebliche Kommunikation der Parteien voraus“ gegangen und „noch erheblicher Schriftverkehr“ nachgefolgt. Weiter trug die Klägerin vor, die Beklagten hätten sich in diesem Zusammenhang dazu eingelassen, ihr Hauptlieferant sei durch Insolvenz weggebrochen (Bl. 61).

Näher konkretisiert werden die angeführte „erhebliche Kommunikation“ bzw. der „erhebliche Schriftverkehr“ nicht. Aus dem von den Beklagten teilweise vorgelegten Schriftverkehr ist lediglich zu entnehmen, dass die Klägerin die vorzeitige Vertragsbeendigung mehrfach ablehnte (B 1 und B 8).

(b)

Weiter wird von der Klägerin vorgetragen (Bl. 62): „Die Beklagten zerstreuten aber mit ihren wohlfeilen Ausführungen zu den Versuchen, weitere Marken als Zulieferer zu akquirieren die Bedenken der Klägerin und nährten so schließlich auch deren Vertrauen darin, dass die … im Geschäftskern noch genügend Vitalität besaß, um das operative Geschäft auch zukünftig fortzuführen. ... Entscheidend ist, dass die Beklagten mit der Kündigung eine Situation schufen, in der die Beendigung des Mietverhältnisses konkret im Raum stand. Auch wenn die … zu diesem Zeitpunkt mangels eines Kündigungsgrundes die Beendigung des Mietverhältnisses nicht fordern konnte, stand die Entlassung aus dem Mietverhältnis seitens der Klägerin, alleine aus ökonomischen Gesichtspunkten, als mögliches Szenario zur Diskussion.“

Für diesen Vortrag bot die Klägerin Zeugenbeweis an, den das Landgericht jedoch zu Recht nicht einzog, weil er keine erheblichen Handlungen der Beklagten belegt, da sie - insbesondere vor dem Hintergrund der von der Beklagten vorgelegten Schriftstücke (B 2 ff.), welche keine von den Beklagten veranlasste Entstehung von Vertrauen bei der Klägerin belegen oder auch nur andeuten - nicht geeignet sind, einen Schadensersatzanspruch zu begründen.

(c)

Weiter trug die Klägerin - was die Schaffung von Vertrauen anbelangt, entgegen den von den Beklagten vorgelegten Schriftstücken - vor (Bl. 62): „In dieser Situation entschloß sich die Klägerin alleine auf Grund des von den Beklagten geschaffenen Vertrauens, das Mietverhältnis fortzuführen, und das in der unwirksamen Kündigung liegende Angebot auf Aufhebung des Mietvertrages abzulehnen.“

Abgesehen von der nicht belegten Schaffung eines Vertrauenstatbestandes durch die Beklagten ist festzustellen, dass nachdem die … bzw. deren Geschäftsführer zum Ausspruch der Kündigung und zur Information der Klägerin schon nicht verpflichtet waren, aus dem Vortrag ein Vorwurf gegen sie nicht abgeleitet werden kann. Dass die Beklagten betrügerisch gehandelt hätten, ist nicht ausreichend dargetan oder ersichtlich. Dass die Beklagten an eine Chance für die … in der Zukunft glaubten, begründet einen strafrechtlichen Vorwurf oder einen Tatbestand, der einem neuen Vertragsschluss gleichkommt, nicht.

(3)

Unabhängig hiervon ist festzustellen, dass ein solch überwiegendes Mitverschulden der Klägerin vorläge, weil die … gekündigt und der Klägerin den Ausfall ihres Hauptlieferanten mitgeteilt hatte, dass selbst zu optimistische Erwartungen der Beklagten, die sie nach Ablehnung der Kündigung der … geäußert haben dürften, einen Anspruch nicht begründen könnten, denn sie wollten das Mietverhältnis beenden, während die Klägerin dies ablehnte und auf das Angebot, Nachmieter beizubringen, nicht einging. Die Klägerin hätte zudem seit langem die Möglichkeit zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch außerordentliche Kündigung gehabt, nachdem die … ab Dezember 2007 die Miete nicht mehr pünktlich bezahlte.

4.

Daher war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Rechtsgebiete

Mietrecht