Keine Verkehrssicherungspflicht der Wohnungseigentümer bei herabfallenden Eicheln auf Parkplatz

Gericht

AG Potsdam


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

22. 07. 2009


Aktenzeichen

20 C 55/09


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger ist seit dem 23. Dezember 2007 Mieter einer Wohnung mit Mieterparkplätzen auf dem Grundstück des Mehrfamilienhauses in der … in … . Der Kläger stellte dort seinen BMW … und das Leasingfahrzeug Golf V ab. In den dem Leasingvertrag zugrunde liegenden Leasingbedingungen hieß es unter anderem:

"X.4. Der Leasing-Nehmer ist, auch über das Vertragsende hinaus - vorbehaltlich eines Widerrufes durch den Leasing-Geber ermächtigt und verpflichtet, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadenfall im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen. Dies gilt nicht, wenn der Leasing-Geber die Ermächtigung widerrufen oder sich vertraglich zur Schadenabwicklung verpflichtet hat. Zum Ausgleich des Fahrzeugschadens erlangte Beträge hat der Leasing-Nehmer im Reparaturfall zur Begleichung der Reparaturrechnung zu verwenden. Ist der Leasing-Nehmer gemäß Ziffer 3 Absatz 1 nicht zur Reparatur des Fahrzeuges verpflichtet, hat er die erlangten Entschädigungsleistungen an den Leasing-Geber abzuführen. Sie werden zur Abdeckung eines Schuldsaldos des Leasing-Nehmers aus einer vorzeitigen Vertragsabrechnung gemäß Abschnitt XV verwendet ..."

Die Beklagten kauften am 19. Dezember 2007 das Nachbargrundstück Nr. …; in § 4 des Kaufvertrages hieß es:

"§ 4 Besitzübergang
Die Übergabe erfolgt am Tag, der der Hinterlegung des in § 3 genannten Kaufpreises auf dem Notarkonto folgt. Am gleichen Tage gehen Gefahr, Nutzung, öffentliche Lasten und Abgaben auf den Käufer über. Der Verkäufer versichert, dass keine Rückstände bestehen. Der Käufer trägt die Erschließungsbeiträge gemäß Bundesbaugesetz und die sonstigen, zur Erschließung des Grundstücks erforderlichen öffentlichen Abgaben und privaten Entgelte, mit Ausnahme der bis zum heutigen Tag angeforderten Beträge, die der Verkäufer trägt.
Der Verkäufer haftet für lastenfreien Eigentumsübergang."

Am 28. Januar 2008 zahlten die Beklagten den Kaufpreis. Die Grundstücke sind ruhig und in grüner Umgebung gelegen; es gibt großzügige Gärten und alten Baumbestand. Auf dem Grundstück der Beklagten befinden sich zwei Stileichen, deren Äste auf das Nachbargrundstück im Bereich der gemieteten Parkplätze des Klägers ragen. Am 15. April 2008 beantragte die Beklagte zu 1. bei dem zuständigen Grünflächenamt der Gemeinde … eine Fäll-/Ausästungsgenehmigung für die Eichen. Durch Bescheid vom 15. August 2008 erteilte die Gemeinde eine Genehmigung für Maßnahmen ab 16. September 2008; wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl. 56/57 d.A. Bezug. Als der Kläger, der an seiner Arbeitsstelle im … in einem Parkhaus parkt, den Golf an den Leasinggeber zurückgeben wollte, wurde eine erhebliche Menge von Dellen im Blech und Lack festgestellt, die der Kläger durch eine … entfernen lassen musste, um den Pkw zurückgeben zu können. Die … stellte dem Kläger, nicht nur für das Beseitigen der Dellen, am 12. August 2008 1.719,90 EUR in Rechnung. Am 14. August 2008 wurden die Beklagten als Eigentümer des Grundstücks Nr. … in das Grundbuch eingetragen. Nach der Rückgabe des Golf erhielt der Kläger einen Leasingwagen vom Typ BMW … einen Neuwagen mit makellosem Blech und Lack, den er auf demselben Parkplatz wie zuvor den VW Golf abstellte. Nach ca. einem Monat fielen dem Kläger, zunächst unerklärlich, kleine Dellen und Beulen im Blech und Lack an den beiden BMW auf. Er ließ durch die Firma … Voranschläge für das Beseitigen von Dellen vom 2. September 2008 über 813,94 EUR und vom 3. September 2008 über 318,90 EUR erstellen. Wegen der Verteilung der Dellen an den Fahrzeugen im Einzelnen nimmt das Gericht auf Bl. 105/106 d.A. Bezug. Mit Schreiben vom 4. September 2008 wandte sich der Kläger wegen der Schäden an ein Immobilienbüro …, das das Nachbargrundstück als Maklerin bewarb und mit Rechtsanwaltsschreiben vom 14. Oktober 2008 an die Beklagte zu 1., die ihm mit Schreiben vom 16. November 2008 mitteilte, sie könne einen Fruchtfall leider nicht verhindern. Die zum Grundstück der Beklagten gerichteten Äste der Eichen wurden nach dem 16. September 2008 abgeschnitten, nicht aber die über die Grenze auf das Grundstück Nr. … ragenden Äste.

Der rechtsschutzversicherte Kläger macht gegen die Beklagten folgende Ansprüche geltend:

1. für die Beseitigung von Dellen am VW Golf
anteilig aus der Rechnung der …
532,70 EUR
2. für die Beseitigung von Dellen am BMW …
wie Kostenvoranschlag der Fa. … vom 2. September 2008
813,94 EUR
3. für die Beseitigung von Dellen am BMW …
wie Kostenvoranschlag der Fa. … vom 3. September 2008
318,90 EUR

1.685,12 EUR
abzgl. 19 % Umsatzsteuer 1.416,07 EUR

Weiter macht er die Kosten eines Grundbuchauszuges, um die Miteigentümer des Beklagtengrundstücks zu ermitteln, geltend mit 46,88 EUR sowie Rechtsanwaltskosten wie folgt:

Gegenstandswert: 1.416,07 EUR
1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG 136,50 EUR
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR

156,50 EUR

Der Kläger behauptet, die Dellen und Beulen an den drei Fahrzeugen seien im Spätsommer 2008 durch von den Eichen auf dem Grundstück der Beklagten herabfallende Eicheln entstanden. Die Fahrzeuge habe er nur auf den bei den Mieterparkplätzen unter den Eichen auf dem Grundstück Nr. … und im Parkhaus am … abgestellt. Auf seinem täglichen Fahrweg stünden keine Eichen. Nur Fahrzeuge, auch anderer Mieter, unter den Eichen hätten Dellen aufgewiesen. Im September 2008 hätten um die Fahrzeuge herum jede Menge Eicheln gelegen. Wenn die Beklagten die Gemeinde auf solche Gefahren hingewiesen hätten, hätte sie früher eine Genehmigung erteilt bzw. wegen Gefahr im Verzug Äste zurückschneiden können. Die geltend gemachten Summen seien erforderlich, um gerade die durch die Eicheln entstandenen Schäden zu beseitigen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten hafteten, weil sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hätten bzw. weil ihm ein Ausgleichsanspruch für die Einwirkungen herabfallender Eicheln zustehe. Da es sich hier nicht um öffentliches Straßenland handele, Schäden in erheblichen Umfang entstehen könnten und es für die Beklagten nicht wirtschaftlich unzumutbar sei, die Äste zurückzuschneiden, um die von ihnen geschaffene Gefahrenquelle zu beseitigen, habe ihnen eine Verkehrssicherungspflicht oblegen.
Die Rechtsschutzversicherung des Klägers, die … hat am 2. März 2009 ihre Ansprüche auf Erstattung der durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts … außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 186,24 EUR an den Kläger abgetreten.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.416,07 EUR und weitere 46,88 EUR und 5 Prozentpunkte Verzugszinsen über dem Basiszinssatz pro Jahr seit dem 31. Oktober 2008 zu zahlen sowie weitere 156,50 EUR an die … und 5 Prozentpunkte Verzugszinsen über dem Basiszinssatz pro Jahr seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, Eicheln fielen erst ab Herbst herab, nicht schon bis zum 3. September des Jahres. Erhebliche Schäden seien nicht entstanden.

Die Beklagten meinen, das Herabfallen von Eicheln sei Teil des allgemeinen Lebensrisikos und eine Naturerscheinung, es stelle nur eine unwesentliche Beeinträchtigung dar, die keine Verkehrssicherungspflicht und keinen Ausgleichsanspruch auslöse. Eine Schutzpflicht bestehe nur hinsichtlich herabfallender Äste. Der Kläger könne im Übrigen durch ein Netz oder ein Dach leicht verhindern, dass Eicheln auf Fahrzeuge fielen. Der Baumschutz stehe im Übrigen über der Integrität des Lacks von Automobilen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 1.416,07 EUR und Nebenforderungen zu. Ein Schadenersatzanspruch gemäß § 823 I BGB besteht nicht, weil die Beklagten auch dann, falls durch herabfallende Eicheln von Eichen auf ihrem Grundstück Fahrzeuge des Klägers oder Leasingfahrzeuge beschädigt worden wären, ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hätten. Eine umfassende Pflicht, Gefahren, die von Bäumen ausgehen, abzuwenden, besteht nicht. Anders als im Falle des Herabfallens kranker Äste handelt es sich beim Herabfallen von Früchten von Bäumen wie Eicheln oder Kastanien um Naturerscheinungen der Bäume, die nicht durch menschliches Handeln oder Unterlassen entstehen, sondern auf Gegebenheiten der Natur beruhen und deshalb als unvermeidbar und als Teil des allgemeinen Lebensrisikos hinzunehmen sind (siehe OLG Stuttgart, MDR 2003, 28). Ebenso wie eine Gemeinde nicht verpflichtet ist, Nutzer einer öffentlichen Straße vor den Gefahren nicht verpflichtet, Nachbarn davor zu schützen, dass Früchte herabfallen, um so mehr, als sich Grundstücknutzer durch geeignete Maßnahmen - Carport, Netze - besser gegen Eicheln oder Kastanien schützen können als Fahrer vorbeifahrender Fahrzeuge, die sich nicht darauf einrichten können, dass am Straßenrand Eichen oder Kastanien auftauchen. Eine einzelne Eichel vermag auch keine erheblichen Schäden, leg man einmal die Kriterien, die das OLG Stuttgart anwendet, zugrunde, auszulösen. Im Übrigen hat in die Bewertung einzufließen, dass für Bäume wie Eichen oder Kastanien allgemein bekannt ist, dass sie zu bestimmten Zeiten Früchte abwerfen, so dass Nutzer anliegender Grundstücke sich darauf einstellen können bzw. solche Gefahren hinzunehmen haben (siehe etwa Amtsgericht Heilbronn vom 29. März 1995, 7 C 1161/05; Amtsgericht Frankfurt am Main, NJW-RR 1994, 414).

Ein Ausgleichsanspruch gemäß § 906 II 2 BGB (analog) steht dem Kläger ebenfalls nicht zu. Das Herabfallen von Eicheln ist weder eine wesentliche Beeinträchtigung noch beeinträchtigt es die Nutzung des Grundstücks als Parkplatz über das zumutbare Maß hinaus; der Kläger könnte durch ein Netz oder ein Carport die Gefahr von Schäden sehr einfach und durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen abwenden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I 1,708 Nr. 11, 711 ZPO.



Richter am Amtsgericht

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht; Garten- und Nachbarrecht