Defekter Sitz in der "Comfort Class" eines Flugzeuges

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

30. 07. 2012


Aktenzeichen

2-24 O 31/12


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kläger machen gegen die Beklagte als Reiseveranstalterin reisevertragliche Gewährleistungsrechte geltend.

Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Mauritius für die Zeit vom 20.8.2011 - 4.9.2011 zu einem Gesamtpreis von 10.856,- EUR.

Im Rahmen dessen buchten die Kläger für den Hin- und Rückflug jeweils Sitzplätze in der Comfort Class. Der Aufpreis hierfür betrug für Hin- und Rückflug 1.500,- EUR pro Person. …

Bei dem Hinflug DE 6314 ließ sich der Sitz (Nr. 3 A) der Klägerin nicht ausfahren. Sie meldete dies umgehend bei einer Stewardess, die ebenfalls vergeblich versuchte, den Sitz auszufahren. Die Stewardess gab an, den Defekt zu melden.

Der Rückflug DE 6315 erfolgte mit derselben Maschine, wobei die Klägerin wieder auf dem gleichen Sitzplatz saß. Der Defekt an dem Sitzplatz wurde nicht behoben, so dass sich der Sitz der Klägerin auch auf dem Rückflug nicht ausfahren ließ.

Auf dem Hotelgelände fanden Bauarbeiten statt. Die konkreten Zustände und Ausmaße der Bauarbeiten sind zwischen den Parteien streitig.

Die Kläger wandten sich an die Reiseleitung vor Ort und monierten den Baulärm. Den Klägern wurde bereits am 22.8.2011 ein Umzug von Zimmer 2046 in das Zimmer 2106 angeboten. Dies lehnten sie jedoch ab. …

Mit anwaltlichen Schreiben vom 30.9.2011, auf das Bezug genommen wird, machten die Kläger gegenüber der Beklagten Reisepreisminderung in Höhe von 75% geltend und setzen ihr eine Frist zur Zahlung bis zum 30.10.2011. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 15.11.2011 sämtliche Ansprüche ab. …

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

A. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c Abs.1, 651d Abs.1, 638 Abs.3 und 4 BGB in Höhe von insgesamt 2.226,40 EUR.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf teilweise Rückzahlung des Reisepreises aufgrund einer eingetretenen Reisepreisminderung wegen Reisemängeln gemäß §§ 651c Abs. 1, 651d Abs. 1, 638 Abs.3 und 4 BGB in Höhe von insgesamt 1.859,90 EUR.

Die von den Klägern gebuchte Pauschalreise war in Bezug auf die in der Hotelanlage durchgeführten Bauarbeiten und den defekten Sitz der Klägerin auf dem Hin- und Rückflug innerhalb der Comfort Class im Sinne von § 651 c Abs. 1 BGB mangelbehaftet. Mangelhaft ist eine Reise, wenn die zugesicherten Eigenschaften fehlen oder wenn sie mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit der Reise zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.

1. Minderung bzgl. Baulärm

a) Die unmittelbar auf dem Gelände des Hotels durchgeführten massiven Bauarbeiten stellen einen erheblichen Reisemangel dar.

Nach der persönlichen informatorischen Anhörung der Kläger ist das Gericht davon überzeugt, dass erhebliche und lärmintensive Bauarbeiten, so wie von den Klägern geschildert, durchgeführt wurden. Art und Umfang des Lärms wurden durch die Kläger nachvollziehbar, plausibel und substantiiert dargelegt. Insbesondere wurde glaubhaft dargelegt, dass Lärm in Form von Presslufthämmern, -naglern, Kreissägen und Kommandorufen vorgelegen hat.

Auf der Grundlage des klägerischen Vortrags und dem vorgelegten Lageplan der Hotelanlage hat das Gericht auch keine Zweifel daran, dass der Baulärm innerhalb der gesamten Anlage präsent war. Die Kläger schilderten glaubhaft, dass die Hotelanlage nicht sehr weitläufig gewesen sei. Auch wenn sie sich nicht an die genauen Entfernungen erinnern konnten, geht das Gericht vorliegend davon aus, dass zwischen der Baustelle und der Unterkunft, den Restaurants und dem Strand nur wenige hundert Meter lagen. Insoweit ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass die lärmintensiven Bauarbeiten deutlich zu vernehmen waren.

Nach Aussage der Kläger gab es für sie während der Bauarbeiten keine Möglichkeiten, dem Lärm in irgendeiner Weise zu entfliehen. Sämtliche Restaurants bzgl. Frühstück und Mittagessen waren laut klägerischem Vortrag offen gestaltet. Den Klägern bot sich keine Möglichkeit, die Speisen während Frühstück und Mittagessen in einem durch Fenster oder Wände abgeschlossenen Raum einzunehmen.

Auch die Nutzung des, wie im Lageplan ersichtlich, weiter von der Baustelle entfernten Strandabschnittes war den Klägern nicht als alternative Ausweichmöglichkeit zumutbar. An diesem Teil des Strandes fanden verschiedene sportliche Aktivitäten statt, an denen die Kläger kein Interesse hatten. Gerade in einem solchen Fall, in dem der zum Hotel gehörige Strandabschnitt in einen Ruhe- und in einen Aktivbereich untergliedert ist, kann einem Hotelgast nicht zugemutet werden, wegen Baulärms an einen Strandabschnitt mit Lärm aufgrund sportlicher Aktivitäten auszuweichen.

Dem substantiierten klägerischen Sachvortrag ist die Beklagte auch nach richterlichem Hinweis nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Vielmehr war das diesbezügliche pauschale Bestreiten der Beklagten ohne Substanz.

Nach all dem steht fest, dass ein erheblicher Reisemangel in Form von Baulärm vorgelegen hat.

Nach einer Gesamtwürdigung der Umstände hält das Gericht für die Baustelle und den Baulärm eine Minderungsquote von 35% für ausreichend und angemessen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine massive Beeinträchtigung des Urlaubs gehandelt hat. Die Baustelle und der Baulärm haben die Kläger in der gesamten Hotelanlage erheblich beeinträchtigt. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Baulärm nicht in den ganz frühen Morgenstunden begonnen hat, sondern erst um 8:00 Uhr, so dass ein gewisses Ausschlafen möglich war. Andererseits waren auch die Abend- und insbesondere die Nachtstunden nicht von Baulärm betroffen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die übrigen Hotelleistungen seitens der Kläger nicht bemängelt wurden, also insbesondere Unterkunft und Verpflegung.

b) Die Kläger haben den Reisemangel auch rechtzeitig gegenüber der Beklagten im Sinne von § 651d Abs.2 BGB gerügt.

Ausweislich der Gesprächsnotiz vom 25.8.2011 erfolgte eine Rüge bezüglich des Baulärms gegenüber der Reiseleitung R.F. im Zielgebiet. Da den Klägern bereits am 22.8.2011 ein Umzug angeboten worden ist, ist davon auszugehen, dass sogar bereits unter dem 22.8.2011 eine entsprechende Mängelrüge erfolgt ist.

Eine wirksame Abhilfe von Seiten der Beklagten ist vorliegend nicht erfolgt.

Den Klägern wurde von der Reiseleitung ein Umzug in ein anderes Zimmer angeboten, was die Kläger ablehnten. Die Nichtannahme der Abhilfe durch die Kläger war jedoch begründet. Denn jedenfalls ist vorliegend nicht festzustellen, dass die angebotene Abhilfe tauglich war. Laut dem vorgelegten Lageplan des Hotels ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob der Lärmbelästigung durch den vorgeschlagenen Zimmerwechsel abgeholfen worden wäre. Es lag vorliegend an der Beklagten substantiiert darzulegen und zu beweisen, dass durch den Zimmerwechsel eine wirksame Abhilfe erfolgt wäre. Diese Substantiierung wurde jedoch seitens der Beklagten nicht erbracht.

Zudem hätte ein Zimmerwechsel, auch wenn er zu geringerer Lärmbelästigung geführt hätte, keine taugliche Abhilfe im Hinblick auf den Lärm am Strand und den Restaurants dargestellt.

Nach all dem wurde den Klägern von der Beklagten keine wirksame Abhilfe in Bezug auf den Baulärm angeboten.

c) Die Kläger haben ihre Ansprüche wirksam binnen eines Monats gemäß § 651g Abs. 1 BGB geltend gemacht.

d) Danach steht den Klägern ein Reisepreisrückzahlungsanspruch aufgrund des Baulärms zu.

Der Gesamtreisepreis für die Klägerin belief sich ausweislich der Reisebestätigung auf insgesamt 5.443,- EUR.

Davon sind 99,- EUR für Versicherungsleistungen abzuziehen. Es verbleibt ein Betrag von 5.344,- EUR.

Weitere Abzüge sind nicht vorzunehmen, insbesondere ist der gezahlte Zuschlag für die Flugbeförderung in der Comfort Class von insgesamt 1.500,- EUR nicht in Abzug zu bringen, da dieser zum Gesamtreisepreis gehört, indem man einen besonderen Zuschlag zahlt, um eine komfortablere Flugleistung zu erhalten. Damit gehört auch dieser Betrag zu den Gesamtaufwendungen für die Gesamtreise.

Bei einem relevanten Gesamtreisepreis von 5.344,- EUR für die Klägerin ergibt sich bei einer Minderungsquote von 35% für die gesamte Urlaubszeit ein Minderungsbetrag von 1.870,40 EUR.

Der Gesamtreisepreis für den Kläger belief sich ausweislich der Reisebestätigung auf insgesamt 5.413,- EUR.

Davon sind 99,- EUR für Versicherungsleistungen abzuziehen. Es verbleibt ein Betrag von 5.314,- EUR.

Weitere Abzüge sind nicht vorzunehmen, insbesondere ist der gezahlte Zuschlag für die Flugbeförderung in der Comfort Class von insgesamt 1.500,- EUR nicht in Abzug zu bringen (s.o.).

Bei einem relevanten Gesamtreisepreis von 5.314,- EUR für den Kläger ergibt sich bei einer Minderungsquote von 35% für die gesamte Urlaubszeit ein Minderungsbetrag von 1.859,90 EUR.

2. Minderung bzgl. defektem Sitz

Darüber hinaus war die Reise der Klägerin in Bezug auf die Flugbeförderung mangelhaft im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB.

a) Entgegen dem Vortrag der Beklagten, hat diese die von ihr geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht.

Der Defekt am Sitz der Klägerin stellt einen nicht unerheblichen Mangel dar.

Soweit von der Beklagten vorgetragen wird, dass die Comfort Class-Leistungen aus einer Reihe anderer Leistungen besteht, ist dies zwar zutreffend, allerdings sind die weiteren Punkte eher untergeordneter Natur. Bei einem Langstreckenflug wie dem vorliegenden kommt dem Sitzkomfort des Reisenden entscheidende, wertbildende Bedeutung zu (vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 15.2.2001 - 49 C 7145/00). Die Buchung komfortabler Sitze soll es auf einer solchen Reise ermöglichen, Entspannung und Schlaf zu finden. Dieser Komfort ist allerdings nicht gegeben, wenn sich der Sitz nicht ausfahren lässt und es dem Reisenden daher nicht möglich ist, eine Liegeposition einzunehmen. Vorliegend trägt die Klägerin vor, dass es ihr bei der Buchung der Comfort Class hauptsächlich darauf ankam, einen erweiterten Sitzkomfort zu genießen.

Nach all dem steht fest, dass ein erheblicher Reisemangel in Form des defekten Sitzes der Klägerin auf dem Hin- und Rückflug vorgelegen hat.

b) Die Klägerin hat diesen Mangel auch rechtzeitig nach § 651d Abs. 2 BGB bei dem Bordpersonal der Maschine gerügt.

c) Eine wirksame Abhilfe erfolgte nicht. Insbesondere wurde der Defekt am Sitz auch zwei Wochen nach Anzeige durch die Klägerin nicht beseitigt.

d) Die Klägerin hat ihren Anspruch auch innerhalb der Frist von einem Monat gemäß § 651g Abs. 1 BGB geltend gemacht.

e) Die Minderung für die mangelhafte Flugbeförderung ist ebenfalls aus dem Gesamtreisepreis für die Klägerin bezogen auf einen Tagesreisepreis zu berechnen.

Der relevante Gesamtreisepreis für die Klägerin beläuft sich auf 5.344,- EUR. Die Reisedauer belief sich auf 15 Tage. Danach ergibt sich ein Tagesreisepreis von 356,- EUR.

Am An- und Abreisetag stellte die Luftbeförderung die maßgebliche Reiseleistung dar. Dies ist maßgeblich bei der Bestimmung der Höhe der Minderung hinsichtlich des defekten Sitzes während Hin- und Rückflug zu berücksichtigen. Daher hält das Gericht eine Minderungsquote von 50% für angemessen und ausreichend.

Bei einem Tagesreisepreis von 356,- EUR ergibt sich bei einer Minderungsquote von 50 % für 2 Tage ein Minderungsbetrag von insgesamt 356,- EUR.

II. Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 775,64 EUR gemäß § 651f Abs.1 BGB.

Die Kosten, die einem Reisenden durch Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung reisevertraglicher Ansprüche zustehen, stellen einen adäquat kausalen Schaden aus der Schlechterfüllung des Reisevertrages dar. Grundsätzlich ist es einem Reisenden gestattet, sich schon bei der Anmeldung von Ansprüchen anwaltlicher Hilfe zu bedienen, da dies zur Wahrung seiner Rechte notwendig ist.

Hier haben sich die Kläger bereits zur Anmeldung der reisevertraglichen Ansprüche gemäß § 651g Abs. 1 BGB anwaltlicher Hilfe bedient.

Allerdings ist der Erstattungsbetrag auf den Umfang der berechtigten Ansprüche beschränkt.

Vorliegend ergibt sich ein berechtigter Betrag für beide Kläger von insgesamt 4.096,80 EUR. Dies stellt den berechtigten Streitwert dar.

Die anzusetzende 1,3 Geschäftsgebühr beläuft sich daher auf 354,90 EUR. Die 0,3 Mehrvertretungsgebühr beläuft sich auf 81,90 EUR. Es ergibt sich ein Betrag von 436,80 EUR.

Hinzu kommt die Auslagenpauschale von 20,- EUR, sowie Umsatzsteuer von 19%.

Nach all dem ergibt sich ein Gesamtbetrag von 543,59 EUR. …

Rechtsgebiete

Reiserecht