Beginn der Verjährungsfrist bei fehlerhafter Rechtsberatung
Gericht
OLG Bremen
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
17. 10. 2012
Aktenzeichen
1 W 37/12
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts Bremen, 2. Zivilkammer, vom 07.06.2012 aufgehoben und das Verfahren mit der Maßgabe, den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden, an das Landgericht Bremen zurückverwiesen.
Gründe:
I. Die Antragsteller machen gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus einem Anwaltsvertrag geltend. Die Antragsteller beauftragten den Antragsgegner zu 2 im April 2004 mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus einem Darlehensvertrag gegen die kreditgewährende Bank. Der Antragsgegner zu 2 führte in der Folge Verhandlungen im Rahmen eines Ombudsmannverfahrens. Das Verfahren wurde durch Bescheid des Ombudsmanns vom 19.8.2005 beendet. Nach einem Anwaltswechsel führten die Antragsteller ein Prozesskostenhilfeverfahren vor dem Landgericht Verden durch. Das Landgericht Verden wies den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 12.3.2009 mit der Begründung zurück, etwaige Ansprüche aus dem Darlehensverhältnis seien spätestens mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 4.5.2009 zurückgewiesen. Die Antragsteller wenden sich nunmehr gegen die Antragsgegner. Sie meinen, im Rahmen des Anwaltsvertrages hätte spätestens im Dezember 2004 auf die drohende Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen die Bank hingewiesen werden müssen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17.4.2012 den Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Dagegen haben sie mit Schriftsatz vom 25.5.2012 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Kammer hat der Beschwerde aufgrund des Beschlusses vom 7.6.2012 nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist zulässig (§§ 127 Abs. 2 Satz 2, Satz 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Sie erweist sich in der Sache auch als begründet. Die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung der Antragsteller konnten mit der gegebenen Begründung nicht verneint werden.
1. Gegen die Annahme einer Pflichtverletzung bestehen grundsätzlich keine Bedenken. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass im Rahmen des übernommenen Mandats auf die Möglichkeit der drohenden Verjährung etwaiger Ansprüche hinzuweisen ist (BGH NJW 2011, 2889 m.w.N.)
2. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für die Verjährung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs gegeben sind.
a) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Schaden gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit Ablauf der Verjährungsfrist bereits entstanden war. Hat der Rechtsanwalt durch das Verjährenlassen einer Forderung des Mandanten eine Pflicht aus dem Anwaltsvertrag verletzt, dann entsteht der Schaden mit der Vollendung der Verjährung, wobei es unerheblich ist, ob sich der Gegner bereits auf die Einrede berufen hat. Zwar ist die Verjährungseinrede nur zu berücksichtigen, wenn sie von dem Schuldner erhoben wird, nach der Lebenserfahrung ist aber zumindest bei streitigen Ansprüchen davon auszugehen, dass der Schuldner von dieser Einrede Gebrauch machen wird (BGH NJW 2001, 3543, 3544 m.w.N.).
b) Es ist auch zugrunde zu legen, dass auf den vorliegenden Sachverhalt die verjährungsrechtlichen Vorschriften der §§ 194 ff. BGB und nicht die früheren Sonderverjährungsregelungen für Rechtsanwälte Anwendung finden, weil der Schaden auf der Grundlage des Parteivorbringens nach dem 15.12.2004 entstanden ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.02.2012 - 24 U 77/11, juris, Tz. 32).
c) Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt erst dann, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Im Rahmen einer Rechtsberatung kann allerdings nicht darauf verwiesen werden, dass dem Mandanten mit der Durchführung der Beratung bereits alle Umstände bekannt sind, die eine Haftung begründen können. Zu den den Anspruch begründenden Umständen gehört auch, dass für den Gläubiger Anhaltpunkte gegeben sind, die auf eine nicht ordnungsgemäße rechtliche Beratung schließen lassen (Chab in: Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1472; ders., BRAK-Mitt. 5/2010, 208; Fahrendorf in: Fahrendorf/Mennemeyer/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 7. Aufl., Rn. 1108 m.w.N.). Dem Gläubiger muss es - wie etwa in Fällen einer ärztlichen Fehlbehandlung - möglich sein, aus den ihm bekannten Umständen Schlüsse zu ziehen, die eine Pflichtverletzung des Schuldners nahelegen (vgl. BGH NJW 2001, 885, unter II.1.a). Dies kann der Fall sein, wenn sich der Prozessgegner bereits auf Verjährung berufen hat oder dem Mandanten die Möglichkeit der Verjährung bewusst war (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.02.2012 - 24 U 77/11, juris, Tz. 33 f.; OLG Stuttgart, Urteil vom 13.04.2010 - 12 U 189/09, juris, Tz. 46; BGH NJW 2012, 673, Tz. 14). Solche Umstände sind aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
III. Da das Landgericht bislang die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage nur unter dem vorstehenden Gesichtspunkt, nicht aber im Hinblick auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen beurteilt und auch zur Höhe des Schadens und zur Bedürftigkeit der Antragsteller noch keine Feststellungen getroffen hat, macht der Senat von der Möglichkeit des § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch und verweist das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück.
Dr. Pellegrino
Dr. Helberg
Prüser
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