Mieter einer Eigentumswohnung hat die Zwangsvollstreckung eines auf die Vornahme von Mangelbeseitigungsmaßnahmen gerichteten Titels gegen den Vermieter zu betreiben
Gericht
LG Berlin
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
14. 09. 2012
Aktenzeichen
63 T 169/12
Auszüge aus den Gründen:
I.
Der Schuldner ist durch am 2. September 2010 verkündetes und mittlerweile rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Mitte - 2 C 25/09 - zur Herstellung eines den Anforderungen der DIN 4109 genügenden Trittschallschutzes im Deckenbereich einer von ihm an die Gläubigerin vermieteten Eigentumswohnung verurteilt worden. Im angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht auf Antrag der Gläubigerin gegen den Schuldner ein Zwangsgeld von 5.000,00 EUR, ersatzweise Zwangshaft festgesetzt, um ihn zur Vornahme der titulierten Maßnahmen anzuhalten Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners, der das Amtsgericht nicht abgeholfen und die es der Kammer zur Entscheidung vorgelegt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 793, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben. In der Sache jedoch hat sie keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Schuldner zu Recht gemäß § 888 Abs. 1 ZPO zu einem - auch der Höhe nach nicht zu beanstandenden - Zwangsgeld sowie ersatzweise zu Zwangshaft verurteilt. Dagegen vermag die Beschwerde nichts zu erinnern.
Bei der titulierten Pflicht des Schuldners zur Durchführung der Mangelbeseitigung in der an die Gläubigerin vermieteten Eigentumswohnung handelt es sich zunächst um eine unvertretbare Handlung i. S. d. § 888 Abs. 1 ZPO. Denn bereits ausweislich des eigenen Vortrags des Schuldners betreffen die von ihm zu ergreifenden Mangelbeseitigungsmaßnahmen nicht ausschließlich sein Sonder-, sondern auch das Gemeinschaftseigentum. In einem derartigen Fall hat die Zwangsvollstreckung nicht nach § 887 ZPO, sondern gemäß § 888 ZPO zu erfolgen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. März 2002 - 3 W 404/01, NZM 2002, 711; OLG Hamm, Beschl. v. 31. Januar 1996 - 14 W 154/95, WuM 1996, 568; LG Berlin, Beschl. v. 6. Mai 2002 - 62 T 43/02, GE 2002, 1197).
Das Amtsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Festsetzung eines Zwangsmittels wegen der Nichtvornahme einer nicht vertretbaren Handlung voraussetzt, dass der Schuldner zu ihrer Vornahme tatsächlich in der Lage ist. Danach scheidet die Festsetzung eines Zwangsmittels gemäß § 888 Abs. 1 ZPO aus, wenn der Schuldner die geschuldete Handlung nicht vornehmen kann, und zwar selbst dann, wenn er sein Unvermögen schuldhaft herbeigeführt hat (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2008 - I ZB 68/08, NJW 2009, 2308). Um einen solchen Fall indes handelt es sich vorliegend nicht. Denn der Schuldner ist zur Durchführung der titulierten Maßnahmen in der Lage:
In den Fällen, in denen wie hier die Möglichkeit zur Vornahme der Handlung von der Mitwirkung eines Dritten abhängt und diese Mitwirkung zweifelhaft ist, muss der Schuldner alle ihm zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen. Dementsprechend hat der zur Vornahme einer von der Mitwirkung eines Dritten abhängenden Handlung verurteilte Schuldner alles ihm Zumutbare zu tun, um dessen Mitwirkung - im Weigerungsfalle unter Beschreitung des Rechtsweges - zu erwirken (BGH, a. a. O.). Davon ausgehend ist der zur Mängelbeseitigung verurteilte und zur Erfüllung seiner titulierten Handlungspflichten auf die Mitwirkung einer Eigentümergemeinschaft angewiesene Vermieter verpflichtet, notfalls im Klagewege einen entsprechenden Beschluss der Gemeinschaft herbeizuführen. Erst wenn diese Bemühungen erfolglos geblieben oder ein entgegenstehender Beschluss der Eigentümergemeinschaft bereits ergangen und - trotz erfolgter Anrufung der Gerichte - bestandskräftig geworden ist, ist der Schuldner zur Durchführung der titulierten Maßnahmen nicht mehr in der Lage (BGH, Urt. v. 20. Juli 2005 - VIII ZR 342/03, NJW 2005, 3284). Nur dann scheidet eine Vollstreckung nach § 888 Abs. 1 ZPO aus und ist der Mieter auf ein Vorgehen nach § 893 ZPO zu verweisen (Stöber, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 888 Rz. 2).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Schuldner zur Durchführung der titulierten Maßnahmen weiterhin in der Lage. Dem steht nicht entgegen, dass die Eigentümergemeinschaft bis heute nicht ihre Zustimmung zur Mangelbeseitigung unter Einbeziehung des Gemeinschaftseigentums erteilt hat. Denn es kann - wie das Amtsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat - keine Rede davon sein, dass der Schuldner bislang alles ihm Zumutbare unternommen hat, um die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zu erwirken. Dies ergibt sich bereits daraus, dass seit Verkündung des Vollstreckungstitels bereits über zwei Jahre verstrichen sind, in denen sich der Schuldner weder nachdrücklich noch erfolgreich darum bemüht hat, eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft außergerichtlich oder auf dem Gerichtswege herbeizuführen. An dieser Beurteilung ändern auch nichts die nunmehr - offenbar unter dem Druck des Vollstreckungsverfahrens - auf Veranlassung des Schuldners einberufene Eigentümerversammlung und seine im Rahmen der Beschwerde erfolgte Ankündigung, im Falle der Ablehnung seiner Beschlussvorlage nunmehr den Rechtsweg zu beschreiten. Diese mit nicht zu rechtfertigender Verzögerung entfalteten, gleichfalls aber auch weiterhin nicht mit Erfolg abgeschlossenen Bemühungen, eine Mitwirkung der Eigentümergemeinschaft zu erwirken, stehen angesichts der mehrjährigen Nichterfüllung der titulierten Handlungspflichten und den allenfalls nachlässigen Bemühungen des Schuldners, die Eigentümergemeinschaft zur Mitwirkung anzuhalten, der hier zu beurteilenden Zwangsmittelfestsetzung nicht entgegen. Sie können allenfalls bei einem etwaigen zukünftigen Zwangsmittelantrag der Gläubigerin zugunsten des Schuldners Berücksichtigung finden; dies dürfte allerdings voraussetzen, dass die Eigentümergemeinschaft dann entweder ihre Zustimmung zur Mitwirkung bereits erteilt oder der Schuldner im Weigerungsfalle unverzüglich und nachdrücklich den Rechtsweg beschritten haben wird.
Soweit die Beschwerde geltend macht, zum Einen sei das Mietverhältnis mit der Gläubigerin mittlerweile gekündigt, zum Anderen der Schuldner zu einer Mängelbeseitigung wegen Überschreitung der sog. Opfergrenze nicht in der Lage (vgl. zu letzterem BGH, Urt. v. 21. April 2010 - VIII ZR 131/09, NJW 2010, 2050), kann sie damit bereits grundsätzlich nicht durchdringen.
Denn der Schuldner erhebt insoweit materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch, die - mit Ausnahme des hier nicht zu beurteilenden Erfüllungseinwandes - nicht im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO, sondern - sofern sie nicht gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert sind - allenfalls im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 Abs. 1 ZPO zugunsten des Schuldners Berücksichtigung finden können (Stöber, a. a. O., § 888 Rz. 11 m. w. N.).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 891 Satz 3, 97 Abs. 1 ZPO, 3 ZPO, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Wertfestsetzung war der Wert der Hauptsache zugrunde zu legen (KG, Beschl. v. 9. Februar 2011 - 19 W 34/10 - Tz. 19, juris). Diesen hat die Kammer - ausgehend von der vom Amtsgericht im Erkenntnisverfahren ermessensfehlerfrei ermittelten Minderungsquote von 10% - gemäß § 41 Abs. 5 Satz 1 GKG mit dem Jahreswert einer angemessenen Minderung bemessen.
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, bestanden nicht, § § 574 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen