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Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 09. 2012


Aktenzeichen

9 HK O 3041/12


Tenor

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, die von ihr angebotenen Hotelreisen mit einem der nachfolgend wiedergegebenen Siegel zu bewerben:

  2. die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteils ist vorläufig vollstreckbar, in Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,-- Euro, in Ziffer 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollsteckenden Betrages.

Tatbestand


Tatbestand

Die Klägerin macht mit ihrer Klage gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch geltend, den sie auf die Verletzung von Wettbewerbsrecht stützt.

Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber auf dem Markt der Bewertung und Vermittlung von Reisen und Hotelaufenthalten.

Die Klägerin betreibt u.a. das Bewertungs- und Reiseanbieterportal www. … .de. die Beklagte das Angebot "… .de".

Die Beklagte bewirbt die von ihr angebotenen Hotels mit den im Tenor genannten Gütesiegeln.

Auf Antrag der Klägerin erging am 22.06.2011 gegen die Beklagte eine einstweilige Verfügung (4 HKO 13206/11), in dem der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten wurde, die im Tenor näher bezeichneten Gütesiegel zu verwenden. Auf den Widerspruch der Beklagten wurde die einstweilige Verfügung mit Urteil des Landgerichts München I vom 02.02.2012 bestätigt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts München vom 19.07.2012 zurückgewiesen, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.

Mit Schreiben vom 02.02.2012 setzten die anwaltlichen Vertreter der Klägerin der Beklagten eine Frist zur Abgabe einer Abschlusserklärung bis 10.02.2012 und erhoben mit Schriftsatz vom 13.02.2012 Hauptsacheklage.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 3, 5 Abs. 1, Nr. 1, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG zu.

Sie ist der Ansicht, dem angeblichen "Test" liege kein objektives Prüfverfahren durch eine unabhängige Institution zugrunde. Vielmehr verleihe die Beklage dieses Siegel den von ihr angebotenen Hotels selbst. Der Test bestehe lediglich aus einer schlichten Zusammenfassung von Urlaubsbewertungen, welche diese auf dem Portal "…" eingestellt hätten und welche die Beklage dem angeblichen "Test" und dem von ihr erfundenen Gütesiegel zugrunde lege.

Die Klägerin ist der Ansicht, es handle sich hierbei um eine irreführende Werbung. Es liege nicht nur eine missbräuchliche und irreführende Werbung mit Gütesiegeln, sondern zugleich eine unzulässige Werbung mit Testergebnissen vor. Dass die Werbung mit Testergebnissen im vorliegenden Falle irreführend sei, liege auf der Hand. Die Beklagte gebe den Bewertungen den "Anstrich" eines objektiven Testverfahrens im Sinne einer "Stiftung Warentest" Anmutung. Der Verbraucher sei nicht einmal in der Lage, die Angaben im angeblichen Test nachzuprüfen, weil nicht einmal die Testfundstelle angegeben werde.

Die Klägerin beantragt,

  1. Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von 5,00 € bis zu 250.000,00 €, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten tritt oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten,

    zu Zwecken des Wettbewerbs, die von ihr angebotenen Hotelreisen mit einem der nachfolgend eingeblendeten Siegel zu bewerten

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig. Die Klage verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin berufe sich auf 4 Streitgegenstände. In welchem Verhältnis diese 4 Streitgegenstände stünden, lege die Klägerin nicht fest. Für 4 von 5 der geltend gemachten Anträge fehle ihr das Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerin wende sich gegen die Darstellung von 5 Siegeln. Verstehe man diese Antragsfassung als kumulative Antragshäufung, fehle den Anträgen, die auf die Untersagung der Nutzung der Siegel mit den Testergebnissen "Sehr gut", "Gut", "Befriedigend" und "Ausreichend" abzielen, das Rechtsschutzbedürfnis. Untersage das Gericht die Verwendung des Siegels mit dem Qualitätsurteil "Exzellent", so könne die Klägerin aus diesem Titel auch gegen jedes Siegel mit einer anderen Qualitätsaussage vorgehen. Darüber hinaus erweise sich die Erhebung der Hauptsacheklage mit Blick auf den Verfahrensstand im Verfügungsverfahren als missbräuchlich. Für die Einleitung der Hauptsacheklage habe keine sachliche Notwendigkeit bestanden, es sei keine Verjährung zu befürchten gewesen. Die Klägerin hätte insbesondere abwarten müssen, ob die Beklagte eine Abschlusserklärung abgebe. Die Frist der von der Klägerin von der Beklagten verlangten Abschlusserklärung sei zu kurz bemessen gewesen.

Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Unterlassungsansprüche bestünden nicht, da es an einer Irreführung fehle. Es sei unzutreffend, dass die Beklagte das Siegel den von ihr angebotenen Hotels selbst verleihe. Grundlage der Vergabe des jeweiligen Testurteils seien die objektiven, durch die Hotelgäste zum Ausdruck gebrachten Bewertungen. Eine eigene Bewertung nehme die Beklagte nicht vor. Die von den Hotelgästen abgegebenen Bewertungen würden durch die Beklagte einer umfassenden Prüfung unterzogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das Landgericht München I, Kammer für Handelssachen ist gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG sachlich, nach § 13 Abs. 1 Satz 2 UWG i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG funktionell und gemäß § 14 Abs. 2 UWG örtlich zuständig. Die Anzeigen erfolgen über das Internet, so dass auch eine Zuständigkeit in München besteht.

Die Klage erweist sich nicht als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 02.02.2012 die Beklagte mit Fristsetzung zum 10.02.2012 zur Abgabe einer Abschlusserklärung aufgefordert (B 11). Die einstweilige Verfügung wurde bereits mit Beschluss vom 22.06.2011 erlassen. Der von der Beklagten eingelegte Widerspruch datiert vom 14.07.2011. Der Erlass der einstweiligen Verfügung war der Beklagten daher lange bekannt, so dass es nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, dass mit Verkündung des Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren, eine relativ kurze Frist zur Abgabe einer Abschlusserklärung gesetzt wurde, zumal in der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2012 die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert wurde (B 10). Aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 03.02.2012 (B 12) lässt sich nicht entnehmen, dass mit einer Abschlusserklärung zu rechnen war, so dass die Erhebung der Hauptsacheklage mit Schriftsatz vom 13. Februar 2012 nicht rechtsmissbräuchlich erscheint.

Die Klage ist hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klage wird nicht auf 4 unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt, sondern darauf, dass eine Irreführung vorliege, weil die von der Klägerin für erforderlich gehaltenen Kriterien an eine Werbung mit Gütesiegeln nicht erfüllt seien. Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt zugleich die Voraussetzungen mehrerer Verbots normen erfüllt, ist für die Frage; ob nur ein Streitgegenstand vorliegt oder mehrere Streitgegenstände gegeben sind, nicht maßgeblich, da die rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung Sache des Gerichts ist (BGH GRUR 2012, 184 ff).

Der Klage fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das begehrte Verbot für jedes einzelne "Siegel" ist nicht zu weitgehend, weil es sich nicht auf das "Siegel" mit der Bewertung "Exzellent" beschränkt.

Der Verfügungsanspruch ist gegeben. Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG.

Beide Parteien sind unstreitig Wett- und Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG).

Die Bewertung der von der Beklagten angebotenen Hotels mit den Bewertungen mit den streitgegenständlichen Siegeln ist geeignet, den angesprochenen Verkehr über die Verlässlichkeit und die Grundlage der Bewertung irrezuführen. Die Aufmachung der von der Beklagen verwendeten "Siegeln" mit der Angabe "TEST" suggeriert den Verbrauchern, es handele sich um eine neutrale Bewertung, was nicht der Fall ist. Auch wenn die Bewertung durch die Beklagte nach objektiven Prüfkriterien erfolgt, handelt es sich um eine Bewertung durch Reiseteilnehmer, die ihre Urlaubszeit vor Ort in den Hotels verbringen nicht daher nicht neutral und objektiv sind, sondern ihre persönliche Meinung einbringen. Es handelt sich bei diesem Personenkreis gerade nicht um neutrale Prüfpersonen. Ein sog. "TEST", wie die Beklagte suggeriert hat gerade nicht stattgefunden. Diese Fehlvorstellung bei den Verbrauchern ist auch erheblich, da dies auf das Marktverhalten Auswirkungen hat.

Wie schon das Landgericht Köln (31 O 491/11, Seite 10 ff. ) zutreffend festgestellt hat, täuscht die Werbung mit einem "Gütesiegel", das allein auf Bewertungen aus dem Internetportal www. … .de beruht, die angesprochenen Verkehrskreise über die Qualität der damit verbunden Gesamtbewertung der Hotels. Der Verkehr erwartet, dass ein Gütesiegel nach einer sachgerechten Prüfung durch eine neutrale Instanz verliehen wird (OLG Frankfurt, GRUR 1994, 523). Dieser Erwartung entspricht das Ergebnis der Tests der Beklagten nicht, da die Bewertung durch die Hotelbesucher nach den vorgegebenen Kategorien und Einzelpunkten nicht einer objektiven Beurteilung nach einheitlichen Kriterien, wie sie etwa von neutralen Hoteltestern zugrunde gelegt werden, entspricht. Bei der "Kontrolle" der Prüfungen durch die Beklagte, handelt es sich im Wesentlichen um eine Plausibilitäts- und Missbrauchsprüfung und nicht um eine neutrale Bewertung.

Daran ändert sich auch nichts, dass sich die Verbraucher über die Internetseite der Beklagten informieren können, dass es sich um ein Gütesiegel "von Urlaubern" handelt. Der Hinweis auf der Startseite (K 4):

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bietet, wie das OLG München in seinem Endurteil vom 19.07.2012, 6 U 1645/12, ausgeführt hat, keine hinreichende Gewähr dafür, dass der Teil des angesprochenen Verkehrs, der der als Link ausgestalteten Aufforderung "Jetzt bewerten! nicht nachkommt, die rein auf subjektiven Wertungen von Hotelgästen beruhende Qualifizierung als Ergebnis des jeweiligen Gütesiegels "… ...TEST" zur Kenntnis nimmt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


Schroeder, VRi'inLG
Lindlau Handelsrichter
Stocker Handelsrichter

Verkündet am 27.09.2012
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht