Schulterbruch und Prellungen aufgrund Sturzes auf rutschigem Gehweg

Gericht

LG Coburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

22. 02. 2008


Aktenzeichen

14 O 742/07


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber der BeklagteDie Klägerin ist im Stadtgebiet der Beklagten wohnhaft.

Die Klägerin behauptet, sie sei am 19. November 2004 gegen 15.45 Uhr auf dem Gehweg der … in … auf Höhe der Flur-Nummer …, die im Eigentum der Beklagten stehe, auf nassem Laub und Geäst ausgerutscht und dadurch zu Fall gekommen. Sie habe sich hierdurch einen Bruch der Schulter rechts und Prellungen des rechten Knies zugezogen, die über mehrere Wochen hinweg ambulant ärztlich haben behandelt werden müssen. Für diese Behandlung habe die Klägerin die mit der Klage geltend gemachten Kosten in Höhe von 293,40 € tragen müssen. Der Sturz der Zeugin hätte vermieden werden können, wenn die Beklagte der ihr obliegenden Reinigungspflicht an der Unfallstelle nachgekommen wäre. Der Klägerin stehe daher auch ein Schmerzensgeld in Höhe von jedenfalls 2.500,00 € zu.

Die Klägerin beantragt daher:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch € 2.500,00, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2005 zu zahlen.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 293,40 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dein Basiszinssatz seit dem 23.03.2005 nebst außergerichtlicher Mahnkosten in Höhe von € 229,55 zu zahlen.

  3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 19.11.2004 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte beantragt.

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, der Klägerin stünden Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung nicht zu. Der Unfallhergang und die Unfallfolgen seien mit Nichtwissen zu bestreiten. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Reinigung des von der Klägerin benutzten Gehsteigabschnittes habe nicht bestanden, da eine Reinigung schon aufgrund des starken Windes zum Unfallzeitpunkt sinnlos gewesen wäre. Die Klägerin hätte zudem auf dem gegenüberliegenden Gehweg gefahrlos die Unfallstelle passieren können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … . Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. Februar 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten kein Schadensersatzanspruch oder ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Amtspflichtverletzung zu.

Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme zwar davon überzeugt, dass die Klägerin am 19. November 2004 auf dem Gehweg der … auf Höhe der Flur-Nummer … aufgrund dort auf der Gehfläche befindlicher rutschiger Blätter und Astteile zu Sturz gekommen ist und sich dabei einen Schulterbruch rechts und eine Prellung des rechten Knies zugezogen hat. Dies ergibt sich für das Gericht aufgrund der anschaulichen und gut nachvollziehbaren Angaben der Klägerin sowie der Zeugen … und … in der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2008.

Die Beklagte hat jedoch nicht gegen die ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Ob das fragliche Grundstück tatsächlich im Eigentum der Beklagten steht, kommt es damit nicht an.

Die sich aus der Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Gehwege ergebende Verpflichtung, Gehwege für Fußgänger von herabfallenden Astteilen und Blättern freizuhalten, besteht nicht uneingeschränkt, sondern vielmehr unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit. Die Reinigungspflicht wird damit nur im Rahmen des Zumutbaren geschuldet. Dies bedeutet, dass die Gemeinde einen innerörtlichen Gehweg, für den sie selbst verkehrssicherungspflichtig ist, nur dann von rutschigen Beschmutzungen freihalten muss, wenn und soweit hierzu ein berechtigtes Bedürfnis des Verkehrs besteht (vgl. BGH NJW 1960, 41; BGH VersR 1991, 665; BGH VersR 1995, 721).

Auch wenn das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt ist, dass es wegen der herabgefallenen Blätter und Astteile an der Sturzstelle rutschig gewesen sein kann, stellt dies keine besondere, die Beklagte zu Maßnahmen veranlassende Gefahrenstelle dar, da Gehwege im Bereich von Laubbäumen beim Abfall von Blättern stets eine gewisse Rutschgefahr aufweisen, auf die sich Fußgänger einstellen müssen. Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar, so dass vom Träger der Verkehrssicherungspflicht nur diejenigen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen sind, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren möglichst abzuwenden (vgl. BGH NJW 1985, 1076).

Den vorgenannten Erfordernissen hat die Beklagte Genüge getan. Wie die Klägerin und der Ehemann der Klägerin selbst eingeräumt haben, hatte die Beklagte den Laubbefall an der Sturzstelle mittels eines Laubgebläses vom Gehweg entfernt. Dass in der Zwischenzeit bis zum Unfalltag erneut Laub und Astteile von den Bäumen herabgefallen oder von den Laubsammelhaufen auf den Gehweg zurückgeweht worden sind, war jahreszeitlich bedingt und musste die Beklagte nicht verpflichten, außerplanmäßige Reinigungseinsätze nach Bedarf zu veranlassen. Denn auch wenn die Beklagte nur einen Tag vorher oder in den frühen Morgenstunden des Unfalltages den Gehweg von Laub und Astteilen befreit hätte, hätte alleine durch eine Windböe innerhalb von Minuten oder Sekunden erneut feuchtes Laub in großem Umfang auf den jahreszeitlich bedingt ebenfalls regelmäßig feuchten bzw. glatten Gehweg herabfallen können, was zu einer Rutschgefahr im Bereich der Unfallstelle führen würde. Etwas anderes würde nur gelten, wenn im Bereich der Sturzstelle eine konkrete verkehrswidrige Gefahrenstelle vorhanden gewesen wäre, die die Beklagte dazu hätte veranlassen müssen, auch außerplanmäßig den Gehweg zu reinigen. Derartiges hat die Klägerin jedoch nicht vorgetragen und nachgewiesen. Weder die Klägerin noch die Zeugen konnten Auskunft darüber geben, wie der Gehweg in den Tagen vor dem Unfall beschaffen war bzw. dass sich dort bereits seit längerer Zeit starke Verschmutzungen durch Laub oder Astteile befunden haben. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, herabfallende Blätter jeweils sofort zu entfernen, da dies den Rahmen des tatsächlich aber auch wirtschaftlich Zumutbaren überspannen würde (vgl. OLG Nürnberg NVZ 194, 68).

Unabhängig davon wäre es der Klägerin auch möglich gewesen, die von ihr erkannte Gefahrenstelle durch Benutzen des auf der anderen Straßenseite befindlichen Gehweges, der nach den Übereinstimmenden Angaben der Klägerin und der Zeugen zum Unfallzeitpunkt nicht verschmutzt war, zu umgehen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich bei der … in … um eine verkehrsreiche Durchgangsstraße handelt, die nur mit viel Sorgfalt überquert werde kann. Dass der Klägerin ein Überqueren jedoch überhaupt nicht möglich gewesen sein sollte, wird von dieser nicht behauptet und wäre für das Gericht auch nicht nachvollziehbar. Wenn die Klägerin dessen ungeachtet tatsächlich den etwas kürzeren und für sie bequemeren Weg gewählt hat, ist das Risiko eines laubbedingten Sturzes in ihre Eigenverantwortung übergegangen.

Die Beklagte hat daher ihre Reinigungspflicht nicht verletzt, ein Amtshaftungsanspruch besteht nicht. Die Klage war vollumfänglich abzuweisen. Ob die von der Klägerin behaupteten Schadenspositionen überhaupt auf den Sturz zurückzuführen sind, kommt es damit nicht mehr an.


II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 709 Sätze 1 und 2, 711 ZPO.


Huber
Richter am Landgericht

Verkündet am 22. Februar 2008
lt. Niederschrift

Thönelt
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Rechtsgebiete

Allgemeines Zivilrecht; Schadensersatzrecht