Mieterhöhungsverlangen für Einzelzimmer in WG

Gericht

LG Gießen


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

22. 06. 2012


Aktenzeichen

1 S 98/12


Leitsatz des Gerichts

Zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558 BGB kann nicht auf die Entgelte für Einzimmer-Appartements Bezug genommen werden, wenn der Mieter lediglich ein Zimmer in einer Wohnung, die von einer Wohngemeinschaft genutzt wird, gemietet hat. Für Zimmer in Wohngemeinschaften und Einzimmer-Appartements bestehen unterschiedliche Teilmärkte. Der Vermieter von einzelnen Zimmern einer Wohnung kann daher im Rahmen des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB lediglich die für Zimmer einer anderen Wohnung zu zahlenden Entgelte als Begründungsmittel seines Mieterhöhungsbegehrens verwenden.

Tenor


Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13.07.2012.

Entscheidungsgründe


Gründe

Die Zurückweisung der Berufung ist beabsichtigt, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin entspricht sowohl hinsichtlich des Zimmers 4.4 als auch des Zimmers 4.3 nicht den formellen Voraussetzungen des § 558a BGB. Nach § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB kann zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens auf entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen Bezug genommen werden. Hier hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 29.07.2011 auf Entgelte Bezug genommen, die für abgeschlossene Wohnungen in unterschiedlicher Lage und Erhaltungszustand zu zahlen sein sollen. Diese abgeschlossenen Wohnungen sind aber jeweils nicht mit dem vom Beklagten gemieteten Zimmer mit Bad- und Küchenmitbenutzung vergleichbar. Nach der von der Klägerin selbst ins Feld geführten Instanzrechtsprechung setzt das Kriterium der Vergleichbarkeit nicht voraus, dass die Wohnungen identisch sind oder sich entsprechen (vgl. LG Berlin v. 23.03.2010, Az. 65 S 165/09, Juris Rdnr. 7). Die Vergleichbarkeit muss auch nicht hinsichtlich aller fünf Wohnwertmerkmale gegeben sein. Entscheidend ist vielmehr, dass die Vergleichswohnungen nach einer wertenden Betrachtung nicht einem anderen Wohnungsteilmarkt angehören (LG Berlin a.a.O.; Emmerich in: Staudinger, BGB, Stand: 2011, § 558a Rdnr. 52; Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, MietR, 10. Aufl., § 558a Rdnr. 147; Heilmann in: Juris-PK, 5. Aufl., § 558a Rdnr. 27). Dies ist jedoch hier der Fall. Es bestehen unterschiedliche Teilmärkte für Wohnraum je nach Abgeschlossenheit oder Nichtabgeschlossenheit der Wohnungen, Altbau oder Neubau, Einfamilienhaus, Reihenhaus oder Mehrfamilienhaus, Appartement oder Mehrzimmerwohnung. So sind Appartements und Kleinwohnungen mit anderen Wohnungen ebenso wenig vergleichbar wie ein Einzimmer-Appartement mit einer Zweizimmerwohnung (LG Berlin a.a.O.; Börstinghaus a.a.O. Rdnr. 115). Gleiches gilt für Zimmer in einer Wohngemeinschaft und Einzimmer-Appartements. Während das Leben in einer Wohngemeinschaft durch die gemeinschaftliche Benutzung von Bädern, Toiletten und Küchen durch die Mieter der einzelnen Räume der Wohnung geprägt ist, kann der Mieter eines Appartements über sämtliche Räume und Einrichtungen allein verfügen, da die Wohneinheit abgeschlossen ist. Dieser Unterschied schlägt sich regelmäßig in der Höhe der Miete nieder. Dementsprechend unterscheidet sich die soziale Struktur der Mieter. So werden erfahrungsgemäß Wohngemeinschaftszimmer regelmäßig von studentischen Mietern geschätzt, während berufstätige und ältere Menschen das Leben in einer abgeschlossenen Wohneinheit vorziehen. Angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit kann der Mieter eines einzelnen Raumes einer Wohnung auf der Grundlage der Angabe der Quadratmetermiete für Appartements oder Kleinwohnungen die Berechtigung des Vermieters zur Erhöhung der Zimmermiete nicht überprüfen. Wollte man die Benennung von Kleinwohnungen zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens ausreichen lassen, liefe dies dem Schutzzweck des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB entgegen. Der Vermieter von einzelnen Zimmern einer Wohnung kann daher im Rahmen des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB lediglich Zimmer einer anderen Wohnung als Begründungsmittel seines Mieterhöhungsbegehrens verwenden (vgl. Börstinghaus in: JurisPR-MietR 6/2010 Anm. 3).

Das Argument der Klägerin, es gebe „im näheren Umkreis keine vergleichbare Wohngemeinschaft“, verfängt nicht. Es ist gerichtsbekannt, dass es in der Universitätsstadt ... eine Vielzahl von einzeln vermieteten Wohngemeinschaftszimmern gibt. Aber selbst dann, wenn es tatsächlich keine vergleichbaren Wohnungen gäbe, dürfte die Klägerin ihr Mieterhöhungsverlangen nicht mit nicht vergleichbaren Wohnungen begründen. Vielmehr müsste sie in diesem Fall auf die in § 558a Abs. 2 Nr. 1 – 3 BGB genannten Möglichkeiten zurückgreifen (vgl. Börstinghaus in: JurisPR-MietR 6/2010 Anm. 3).

Aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OLG Hamm v. 03.03.1983 (Az. 4 REMiet 9/82, Juris) kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Diese Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, ob der Umstand, dass eine Wohnung von einer Wohngemeinschaft bewohnt wird, dazu führt, dass diese Wohnung nicht mit anderen, von Familien etc. bewohnten, ansonsten aber vergleichbaren Wohnungen vergleichbar i. S. v. § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB ist. Darum geht es aber im vorliegen Fall nicht. Hier war zu entscheiden, ob ein einzelnes Zimmer innerhalb einer Wohnung mit einer abgeschlossenen Wohnung vergleichbar ist.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Kammer der Klägerin zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen unanfechtbaren Beschluss, dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte – abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten – eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im Allgemeinen von vier auf zwei Gerichtsgebühren halbiert würden.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

§ 558 BGB, § 558a Abs 2 Nr 4 BGB