EuGH bejaht grundsätzlich fliegenden internationalen Gerichtsstand bei AdWord-Werbung

Gericht

EuGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 04. 2012


Aktenzeichen

C-523/10


Entscheidungsgründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wintersteiger AG (im Folgenden: Wintersteiger) mit Sitz in Österreich und der Products 4U Sondermaschinenbau GmbH (im Folgenden: Products 4U) mit Sitz in Deutschland über den Antrag von Wintersteiger, Products 4U die Benutzung der österreichischen Marke „Wintersteiger“ als Schlüsselwort auf der Website des Anbieters eines entgeltlichen Referenzierungsdienstes zu untersagen.


Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 44/2001

Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 zielt diese im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts darauf ab, „Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen“.

Der elfte Erwägungsgrund dieser Verordnung lautet:

„Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein, außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.“

Im zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.“

Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 steht in Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften“) des Kapitels II („Zuständigkeit“). Er sieht vor:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“

Im selben Abschnitt 1 bestimmt Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001:

„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Kapitels verklagt werden.“

Art. 5 Nr. 3 in Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“) des Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

…“

Richtlinie 2008/95/EG

Die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25) sieht in Art. 5 („Rechte aus der Marke“) Abs. 1 vor:

„Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a) ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

…“


Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Wintersteiger ist ein Unternehmen mit Sitz in Österreich, das im Bereich der Herstellung und des weltweiten Vertriebs von Ski- und Snowboard-Servicemaschinen nebst Ersatzteilen und Zubehör tätig ist. Sie ist seit 1993 Inhaberin der österreichischen Marke Wintersteiger.

Products 4U, die ihren Sitz in Deutschland hat, entwickelt und vertreibt ebenfalls Ski- und Snowboard-Servicemaschinen. Darüber hinaus verkauft sie Zubehör für Maschinen anderer Hersteller, insbesondere für jene von Wintersteiger. Dieses Zubehör, das Products 4U als „Wintersteiger-Zubehör“ bezeichnet, stammt weder aus der Herstellung von Wintersteiger, noch ist es von ihr autorisiert. Wie Wintersteiger ist Products 4U weltweit tätig und vertreibt ihre Waren insbesondere auch in Österreich.

Products 4U hatte ab 1. Dezember 2008 in dem von dem Anbieter des Internetreferenzierungsdienstes Google entwickelten Anzeigensystem „Wintersteiger“ als Schlüsselwort („AdWord“) gebucht. Nach dieser Buchung, die auf die deutsche länderspezifische Top-level-Domain von Google, d. h. die Website „google.de“, beschränkt war, erschien bei Eingabe von „Wintersteiger“ in die Suchmaschine dieses Referenzierungsdienstes als erstes Suchergebnis ein Link zur Website von Wintersteiger. Außerdem erschien bei Eingabe dieses Suchbegriffs jedoch am rechten Bildschirmrand unter der Überschrift „Anzeige“ eine Werbeanzeige von Products 4U. Der Text dieser Anzeige war mit dem unterstrichenen und in blau gehaltenen Wort „Skiwerkstattzubehör“ überschrieben. Ferner standen darin in zwei Zeilen die Worte „Ski und Snowboardmaschinen“ sowie „Wartung und Reparatur“. In der letzten Zeile dieser Anzeige wurde in grünen Buchstaben die Internetadresse von Products 4U angegeben. Klickte man die Überschrift „Skiwerkstattzubehör“ an, gelangte man zum Angebot von „Wintersteiger-Zubehör“ auf der Website von Products 4U. Die Anzeige auf der Website „google.de“ enthielt keinen Hinweis, dass zwischen Wintersteiger und Products 4U keine wirtschaftlichen Verbindungen bestehen. Im Übrigen schaltete Products 4U auf der österreichischen länderspezifischen Top-level-Domain von Google, d. h. der Website „google.at“, keine Anzeige auf den Suchbegriff „Wintersteiger“.

Wintersteiger ist der Auffassung, dass Products 4U durch die auf der Website „google.de“ geschaltete Anzeige in ihre österreichische Marke eingegriffen habe, und klagte vor den österreichischen Gerichten auf Unterlassung. Deren Zuständigkeit für ihre Klage ergebe sich aus Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001. Die Website „google.de“ könne nämlich auch in Österreich aufgerufen werden, und dieser Referenzierungsdienst werde auf Deutsch angeboten.

Products 4U bestreitet die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte und, hilfsweise, das Vorliegen eines Eingriffs in die Marke Wintersteiger. Die Website „google.de“ richte sich ausschließlich an deutsche Nutzer, und die streitige Anzeige sei daher nur für deutsche Kunden bestimmt gewesen.

Das Erstgericht befand, dass die Website „google.de“, auch wenn sie von einem Internetzugang in Österreich aus aufgerufen werden könne, nur auf Deutschland ausgerichtet sei, da Google seine Dienste auf Websites unter länderspezifischen Top-level-Domain-Namen anbiete, so dass die österreichischen Gerichte nicht für die Entscheidung über den Antrag von Wintersteiger zuständig seien. Das Rekursgericht bejahte dagegen seine internationale Zuständigkeit, verneinte aber das Bestehen eines Anspruchs von Wintersteiger und wies deren Antrag aus diesem Grund ab.

Der Oberste Gerichtshof, bei dem das Verfahren über den Revisionsrekurs anhängig ist, hat Zweifel, unter welchen Voraussetzungen eine Werbung unter Verwendung der österreichischen Marke Wintersteiger auf einer Website unter einem länderspezifischen Top-Level-Domain-Namen „.de“ nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für die Entscheidung über eine Klage auf Unterlassung der Benutzung einer österreichischen Marke begründen kann. Der Oberste Gerichtshof hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Formulierung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 bei einem behaupteten Eingriff einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Person in eine Marke des Gerichtsstaats durch Verwendung eines mit dieser Marke identischen Schlüsselworts (AdWord) in einer Internet-Suchmaschine, die ihre Leistungen unter verschiedenen länderspezifischen Top-Level-Domains anbietet, dahin auszulegen,

a) dass die Zuständigkeit nur dann begründet ist, wenn das Schlüsselwort auf jener Suchmaschinen-Website verwendet wird, deren Top-Level-Domain jene des Gerichtsstaats ist;

b) dass die Zuständigkeit allein dadurch begründet ist, dass jene Website der Suchmaschine, auf der das Schlüsselwort verwendet wird, im Gerichtsstaat abgerufen werden kann;

c) dass die Zuständigkeit davon abhängt, dass neben der Abrufbarkeit der Website weitere Erfordernisse erfüllt sein müssen?

2. Wenn Frage 1 Buchst. c bejaht wird:

Nach welchen Kriterien ist zu bestimmen, ob bei Verwendung einer Marke des Gerichtsstaats als AdWord auf einer Suchmaschinen-Website mit einer anderen länderspezifischen Top-Level-Domain als jener des Gerichtsstaats die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 begründet ist?


Zu den Vorlagefragen

Mit seinen Vorlagefragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, nach welchen Kriterien die gerichtliche Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 für die Entscheidung über einen Rechtsstreit zu bestimmen ist, der die Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke betrifft, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter einer anderen Top-Level-Domain als der des Mitgliedstaats der Eintragung der Marke betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat.

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die besondere Zuständigkeitsregel, mit der in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 vom Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte am Beklagtenwohnsitz abgewichen wird, darauf beruht, dass zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt (Urteil vom 25. Oktober 2011, eDate Advertising u. a., C‑509/09 und C‑161/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 40).

Ferner ist zu beachten, dass die Wendung „Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht“ in Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 sowohl den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch den Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens meint, so dass der Beklagte nach Wahl des Klägers vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann (Urteil eDate Advertising u. a., Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Diese beiden Orte können unter dem Aspekt der gerichtlichen Zuständigkeit eine signifikante Verknüpfung begründen, da jeder von ihnen je nach Lage des Falles für die Beweiserhebung und für die Gestaltung des Prozesses einen besonders sachgerechten Anhaltspunkt liefern kann (Urteil eDate Advertising u. a., Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs

Was erstens den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs angeht, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass dies der Ort ist, an dem aus einem Ereignis, das für die Auslösung einer Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung oder wegen einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, in Betracht kommt, ein Schaden entstanden ist (Urteil vom 16. Juli 2009, Zuid-Chemie, C‑189/08, Slg. 2009, I‑6917, Randnr. 26).

Im Kontext des Internets hat der Gerichtshof ferner klargestellt, dass im Fall der Geltendmachung einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Inhalte, die auf einer Website veröffentlicht worden sind, die Person, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt, die Möglichkeit hat, bei den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Interessen befindet, eine Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens zu erheben (vgl. Urteil eDate Advertising u. a., Randnr. 52).

Wie der Gerichtshof dabei ausgeführt hat, steht nämlich das Kriterium des Mittelpunkts der Interessen des Geschädigten mit dem Ziel der Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeit im Einklang, denn es ermöglicht es dem Kläger, ohne Schwierigkeiten festzustellen, welches Gericht er anrufen kann, und dem Beklagten, vorherzusehen, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (Urteil eDate Advertising u. a., Randnr. 50).

Wie der Generalanwalt in Nr. 20 seiner Schlussanträge festgestellt hat, gilt diese Beurteilung, die im besonderen Kontext des Eingriffs in Persönlichkeitsrechte getroffen wurde, aber nicht für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit in Fällen der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, wie sie im Ausgangsrechtsstreit geltend gemacht wird.

Anders als bei einer Person, die sich in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt, die in allen Mitgliedstaaten geschützt sind, ist nämlich der durch die Eintragung einer nationalen Marke gewährte Schutz grundsätzlich auf das Gebiet des Eintragungsmitgliedstaats beschränkt, so dass der Inhaber der Marke diesen Schutz in der Regel nicht außerhalb dieses Gebiets geltend machen kann.

Ob es tatsächlich eine Verletzung einer nationalen Marke darstellt, wenn ein mit dieser identisches Zeichen zu Werbezwecken auf einer Website verwendet wird, die nur unter einer anderen Top-Level-Domain als der des Mitgliedstaats der Eintragung der Marke betrieben wird, ist jedoch eine Frage der Begründetheit der Klage, die vom zuständigen Gericht anhand des anwendbaren materiellen Rechts zu prüfen ist.

Zur Zuständigkeit für die Entscheidung über eine behauptete Verletzung einer nationalen Marke in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ist festzustellen, dass sowohl das Ziel der Vorhersehbarkeit als auch das Ziel einer geordneten Rechtspflege dafür sprechen, die Zuständigkeit aufgrund der Verwirklichung des Schadenserfolgs den Gerichten des Mitgliedstaats zuzuweisen, in dem das fragliche Recht geschützt ist.

Die Gerichte des Mitgliedstaats der Eintragung der fraglichen Marke sind nämlich am besten in der Lage, unter Berücksichtigung der Auslegung der Richtlinie 2008/95, wie sie u. a. in den Urteilen vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, Slg. 2010, I‑2417), sowie vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a. (C‑324/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), vorgenommen wurde, zu beurteilen, ob in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens tatsächlich eine Verletzung der geschützten nationalen Marke vorliegt. Diese Gerichte sind ermächtigt, über den gesamten Schaden, der dem Inhaber des geschützten Rechts durch dessen Beeinträchtigung entstanden sein soll, und über einen Antrag auf Untersagung jeglicher Beeinträchtigung dieses Rechts zu entscheiden.

Somit ist festzustellen, dass in einem Rechtsstreit über die Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat, die Gerichte des Mitgliedstaats der Eintragung der Marke angerufen werden können.

Ort des ursächlichen Geschehens

Was zweitens den Ort des für eine behauptete Verletzung einer nationalen Marke ursächlichen Geschehens angeht, das in der Verwendung eines mit dieser Marke identischen Schlüsselworts auf der Website einer unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betriebenen Suchmaschine besteht, ist festzustellen, dass die räumliche Begrenzung des Schutzgebiets einer nationalen Marke nicht die internationale Zuständigkeit anderer Gerichte als derjenigen des Mitgliedstaats, in dem diese Marke eingetragen ist, auszuschließen vermag.

Nach ständiger Rechtsprechung sind die Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001 autonom und unter Berücksichtigung ihrer Systematik und ihrer Zielsetzungen auszulegen (Urteil eDate Advertising u. a., Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung), zu denen die Zielsetzungen der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitszuweisungen und der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und sachgerechten Gestaltung des Prozesses gehören.

Insbesondere steht fest, dass der Ort des für einen behaupteten Schaden ursächlichen Geschehens unter dem Aspekt der gerichtlichen Zuständigkeit eine signifikante Verknüpfung begründen kann, da er für die Beweiserhebung und für die Gestaltung des Prozesses einen besonders sachgerechten Anhaltspunkt liefern kann.

In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ist der durch den Ort des ursächlichen Geschehens gelieferte Anhaltspunkt insbesondere insofern sachgerecht, als das Gericht dieses Ortes über das betreffende Geschehen ohne Schwierigkeiten Beweis erheben kann.

Soll eine behauptete Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen nationalen Marke dadurch begangen worden sein, dass auf der Website einer Suchmaschine aufgrund der Verwendung eines mit dieser Marke identischen Schlüsselworts eine Werbung erscheint, ist als ursächliches Geschehen nicht das Erscheinen der Werbung selbst zu betrachten, sondern das Auslösen – durch den Werbenden – des technischen Vorgangs, der anhand im Voraus definierter Parameter zum Erscheinen der Anzeige führt, die der Werbende für seine eigene kommerzielle Kommunikation geschaltet hat.

Wie der Gerichtshof nämlich im Rahmen der Auslegung der Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken festgestellt hat, benutzt der Werbende – und nicht der Anbieter des Referenzierungsdienstes – durch seine Auswahl des mit der Marke identischen Schlüsselworts die Marke im Geschäftsverkehr (Urteil Google France und Google, Randnrn. 52 und 58). Ausgelöst wird eine etwaige Verletzung des Markenrechts somit durch das Verhalten des Werbenden, der den Referenzierungsdienst für seine eigene kommerzielle Kommunikation in Anspruch nimmt.

Das Auslösen des technischen Anzeigevorgangs durch den Werbenden erfolgt zwar letztlich auf einem Server des Betreibers der von dem Werbenden verwendeten Suchmaschine. Gleichwohl kann im Hinblick auf das mit den Zuständigkeitsregeln verfolgte Ziel der Vorhersehbarkeit der Standort dieses Servers für die Zwecke der Anwendung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht als Ort des ursächlichen Geschehens angesehen werden, denn es ist unklar, wo er sich befindet.

Vielmehr ist der Ort der Niederlassung des Werbenden als der Ort anzusehen, an dem über das Auslösen des technischen Anzeigevorgangs entschieden wird, da es sich sowohl für den Kläger als auch für den Beklagten um einen feststehenden und feststellbaren Ort handelt, der daher geeignet ist, die Beweiserhebung und die Gestaltung des Prozesses zu erleichtern.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass in einem Rechtsstreit über die behauptete Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat, auch die Gerichte des Mitgliedstaats angerufen werden können, in dem der Werbende niedergelassen ist.

Nach alledem ist Art. 5 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit über die Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Marke eingetragen ist, oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Werbende niedergelassen ist, angerufen werden können.


Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass in einem Rechtsstreit über die Verletzung einer in einem Mitgliedstaat eingetragenen Marke, die dadurch begangen worden sein soll, dass ein Werbender auf der Website einer Suchmaschine, die unter der Top-Level-Domain eines anderen Mitgliedstaats betrieben wird, ein mit dieser Marke identisches Schlüsselwort verwendet hat, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Marke eingetragen ist, oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Werbende niedergelassen ist, angerufen werden können.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht; Werberecht; Markenrecht