Kündigung des Reisevertrages wegen höherer Gewalt

Gericht

LG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

14. 03. 2012


Aktenzeichen

12 S 167/11


Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 22.06.2011, Az.: 41 C 1227/10, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Amtsgerichts Neuwied vom 22.06.2011, Az.: 41 C 1227/10, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.


II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Minderungsrecht gemäß §§ 651 c Abs. 1, 651 d Abs. 1 BGB wegen Nichtdurchführung der geplanten Besichtigungen im Norden Thailands und in Bangkok zu. Denn die Beklagte hat mit Schreiben vom 14.05.2010 (Bl. 16 GA) wirksam den Reisevertrag wegen höherer Gewalt gemäß § 651 j BGB gekündigt.

Im dritten Absatz ihres Schreibens vom 14.05.2010 erklärt die Beklagte, dass sie sich „im Interesse der Sicherheit des Klägers leider gezwungen sehe, den Reisevertrag bzw. Unterkunftsvertrag wegen nicht vorhersehbarer, höherer Gewalt mit sofortiger Wirkung hiermit zu kündigen“. Diese Erklärung stellt die Kündigung des Reisevertrags gemäß § 651 j BGB durch die Beklagte dar.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Reisevertrag am 17.05.2010 noch nicht gekündigt gewesen sei. Denn zum einen hat der Kläger den Erhalt des Kündigungsschreibens der Beklagten vom 14.05.2010 nicht bestritten. Der Kläger hat das Schreiben der Beklagten vom 14.05.2010 mit der Klageschrift selbst vorgelegt und dazu erläutert, dass die Beklagte die geplante 8-tägige Rundreise sowie den Aufenthalt in Bangkok abgesagt habe. Zum anderen hat der Kläger nicht dargelegt und nachgewiesen, dass ein Bevollmächtigter der Beklagten ihm am 17.05.2010 bestätigt hätte, dass der Reisevertrag entgegen dem Wortlaut des Schreibens der Beklagten vom 14.05.2010 noch nicht gekündigt sei.

Rechtsfolge einer wirksamen Kündigung gemäß § 651 j Abs. 1 BGB ist, - unabhängig davon, wer die berechtigte Kündigung erklärt hat - dass der Reiseveranstalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verliert, §§ 651 j Abs. 2 S. 1, 651 e Abs. 3 S. 1 BGB. Zahlungen auf den Reisepreis sind damit zurückzugewähren. Der Rückforderungsanspruch folgt direkt aus § 651 j BGB. Der Reisende hat letztlich einen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem Reisepreis und dem Entschädigungsbetrag nach § 651 j Abs. 2 S. 1, 651 e Abs. 3 S. 2 BGB (LG Frankfurt, RRa 2007, 18).

Eine Minderung bezüglich der vom Reiseveranstalter bis zur Kündigung erbrachten Reiseleistung ist ausgeschlossen, wenn eine der Vertragsparteien von dem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat, weil der Veranstalter mit Wirksamwerden der Kündigung seinen Anspruch auf den Reisepreis verliert (LG Frankfurt, a. a. O.; Führich, Reiserecht, 6. Aufl., Rn. 535; BeckOK/Geib, BGB, § 651 j, Rn. 15). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass Reisepreisminderungsansprüche gemäß §§ 651 c Abs. 1, 651 d Abs. 1 BGB nicht bestehen, da der Reisevertrag durch die Beklagte wegen höherer Gewalt gekündigt worden ist.

Die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß § 651 j Abs. 1 BGB lagen hier vor. Die Rundreise war infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich beeinträchtigt. Aufgrund des Aufstands der Rothemden drohten innere Unruhen. Dies ist als höhere Gewalt einzustufen (Palandt/Sprau, BGB, 71.A., § 651 j, Rn. 3). Die politischen Unruhen im Mai 2010 waren im Zeitpunkt der Buchung der Reise im Januar 2010 nicht vorhersehbar.

Damit kann der Kläger gemäß § 651 j Abs. 2 S. 1, 651 e Abs. 3 S. 1 und 2 BGB den Reisepreis für die Rundreise zurückfordern, jedoch gekürzt um den Entschädigungsanspruch der Beklagten für die bereits erbrachten und zur Beendigung der Reise noch zu erbringenden Leistungen. Die Kammer hält den vorgerichtlich gezahlten Betrag von 349,68 € insoweit für ausreichend. Die Berechnung der Beklagten in den Schreiben vom 10.06.2010 und vom 07.07.2010, wonach 30% des Tagesreisepreises - bereinigt um die Flugkosten - für das abweichende Programm vom 2. bis zum 11. Tag zu erstatten sind, ist angesichts der verbliebenen Reiseleistungen nicht zu beanstanden.

Ein Minderungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß §§ 651 c Abs. 1, 651 d Abs. 1 BGB wegen des verdreckten Strandes vor dem Hotel ... besteht nicht. Gemäß § 651 d Abs. 2 BGB tritt die Minderung nicht ein, soweit es der Reisende schuldhaft unterlässt, den Mangel anzuzeigen. Der Kläger hat hier nicht nachgewiesen, dass er den behaupteten Mangel angezeigt hat.

Der Zeuge ... hat bekundet, dass er diesbezüglich noch nie eine Kundenbeschwerde erhalten habe. Eine derartige Mängelanzeige liege ihm nicht vor. Der behauptete Mangel sei auch von dem Kläger nicht angezeigt worden.

Die Zeugin ... gab an, es lasse sich nicht mehr belegen, ob und wie oft der unsaubere Hotelstrand explizit bei der Reiseleitung gerügt worden sei. Damit ist der Kläger hinsichtlich der Mängelanzeige beweisfällig geblieben.

Dass das Unterbleiben der Anzeige unverschuldet gewesen wäre, hat der Kläger ebenfalls nicht dargelegt. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Mängelanzeige hier entbehrlich gewesen wäre.

Ein Minderungsanspruch des Klägers wegen der Vorverlegung des Rückflugs besteht nicht. Zwar fand der Rückflug unstreitig nicht wie geplant am 01.06.2010 um 23.45 Uhr, sondern bereits um 12.45 Uhr statt. Hierin liegt aber kein Reisemangel im Sinne des § 651 c BGB. Bei der Vorverlegung des Rückflugs am gleichen Tag ohne den Verlust der Nachtruhe liegt lediglich eine Unannehmlichkeit vor, die keine Gewährleistungsansprüche auslöst (Staudinger/Staudinger, BGB, Neubearb. 2011, § 651 c, Rn. 49 mit Hinweisen auf Rspr.).

Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Beauftragung der Klägervertreter nicht in Verzug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.


Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.508,00 € festgesetzt.

Vorinstanzen

AG Neuwied, 41 C 1227/10

Rechtsgebiete

Reiserecht