„Fliegender Gerichtsstand“ bei Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing
Gericht
LG Frankfurt a.M.
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
18. 07. 2012
Aktenzeichen
2-06 S 3/12
Das Einstellen von urheberrechtlich geschützten Werken in ein Filesharing-System begründet einen deliktischen Gerichtsstand an allen Orten, an denen das Werk abrufbar ist. Es gibt keinen Anlass, vom Grundsatz des "fliegenden Gerichtsstandes" insoweit abzuweichen.
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 26.01.2012 (Az.: 31 C 2528/11 (17)) wird abgeändert: Der Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Berufungsklägerin EUR 801,80 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 03.12.2011 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Berufungsbeklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 801,80 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über Abmahnkosten wegen einer behaupteten Urheberrechtverletzung.
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist als Tonträgerherstellerin Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Album „O.“ des Künstlers „D.“. Das Album „O.“ wurde am 26.11.2010 veröffentlicht. Auf dem Album befindet sich der Titel „W.“, der ebenfalls am 26.11.2010 als Singleauskoppelung veröffentlicht wurde.
Die Klägerin beauftragte die Firma V. GmbH mit der Überwachung von Internettauschbörsen im Hinblick auf Musikstücke, hinsichtlich derer sie Rechte in Anspruch nimmt. Im Rahmen dieser Überwachung erfasste die Firma V. mit ihrer automatisierten Software „C.“ am 16.01.201 1 um 13:10:17 Uhr einen Nutzer mit der IP-Adresse 91.xx.x.xx, welcher zu diesem Zeitpunkt die Tonaufnahme „W.“ anderen Teilnehmern an der Tauschbörse zum Download anbot. Am 10.02.2011 erwirkte die Klägerin vor dem Landgericht Köln eine Gestattungsanordnung gemäß § 101 Abs. 9 UrhG (Anlage K 5). Daraufhin übermittelte der Provider D. nach entsprechender Aufforderung zur Auskunftserteilung am 16.02.2011 (Anlage K 6) eine entsprechende Auskunft an das Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als Exceldatei. Diese Datei enthielt Namen und Anschriften der Inhaber der Internetanschlüsse, denen die dynamischen IP-Adressen zugeteilt waren, die Gegenstand des Gestattungsantrags nach § 101 Abs. 9 UrhG waren. Für die IP-Adresse 91.xx.x.xx befand sich dort der Eintrag „1 & 1 Internet AG“. Auf Anfrage des Büros der Bevollmächtigten der Klägerin bei der I. AG versandte diese eine CD mit Namen und Anschrift der Personen, denen die IP-Adressen zum streitgegenständlichen Zeitpunkt zugeordnet waren. Hieraus ergab sich, dass zum festgestellten Tatzeitpunkt die IP-Nummer dem Anschluss des Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter) zugeteilt worden war (Anlage K 7).
Die Klägerin lies den Beklagten mit Schreiben vom 09.03.2011 (Anlage K 8) abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.03.2011 (Anlage K 9) lehnte der Beklagte die Abgabe einer Unterlassungserklärung ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei wegen der Urheberrechtsverletzung zum Ersatz der angefallenen Abmahnkosten aus einem Streitwert in Höhe von 10.000,00 EUR für den Unterlassungsanspruch verpflichtet. Der Beklagte hafte als Anschlussinhaber für die Urheberrechtsverletzung. Es spreche insoweit ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Rechtsverletzung auch von dem Beklagten selbst als Anschlussinhaber begangen worden sei. Jedenfalls aber hafte er gemäß § 1004 BGB als Störer. Auch als solcher sei er zum Ersatz der Rechtsanwaltskosten verpflichtet. Den Rechtsgrund hierfür sieht die Klägerin in § 97 Abs. 2 UrhG. Die Klägerin macht daher hier einen Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von EUR 651,80 sowie einen Schadensersatz von EUR 150,00 geltend, den sie als angemessenen Lizenzbetrag nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zugrunde legt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 801,80 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Im Termin am 23.01.2012 vor dem Amtsgericht ist der Beklagte säumig geblieben. Der Klägervertreter hat in der Sitzung den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.
Das Amtsgericht hat mit Prozessurteil vom 13.02.2012 die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Amtsgericht Frankfurt/Main sei örtlich nicht zuständig. Eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO komme nicht in Betracht, da das streitgegenständliche Musikwerk nicht in Frankfurt am Main in das Netzwerk eingestellt worden sei. Das Institut des „fliegenden Gerichtsstandes“ bedürfe einer einschränkenden Auslegung, weil eine konsequente Anwendung dazu führe, dass die örtliche Zuständigkeit jeden ordentlichen Gerichts der Bundesrepublik Deutschland gegeben sei, obwohl ein örtlicher Bezug zu dem angerufenen Gericht sich nicht feststellen lasse. Dies sei sachlich nicht gerechtfertig. Die weltweite Abrufbarkeit eines Internet/Peer-to-Peer-Angebotes sei nicht notwendigerweise vom Anbietenden bezweckt, sondern eine zwangsläufige, technisch bedingte Gegebenheit des hierfür verwendeten Mediums. Es sei im Übrigen Ausprägung des Gerechtigkeitsgedankens, dass die Klage dort zu erheben sei, wo die beklagte Partei ansässig sei. Eine uferlose Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit der Beklagtenseite führe zu der Gefahr, dass die in Anspruch genommenen wegen des geringen Streitwerts und/oder ihrer Unerfahrenheit mit gerichtlichen Auseinandersetzungen verleitet sein könnten, den Kopf in den Sand zu stecken, also ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen oder die klagenden Partei weitgehend zu befriedigen, anstatt sich dieser an einem möglicherweise weit entfernten Gerichtsstand zu stellen. Zur Umsetzung der notwendigen Einschränkung der Zuständigkeit nach § 32 ZPO sei der Verletzungsort daher für unerlaubte Handlungen im Internet auf solche Gebiete zu beschränken, in denen sich die Verletzungshandlung bestimmungsgemäß auswirken sollte. Dies könne hier nicht bejaht werden, da derjenige, der ein Werk in einer Internet-Tauschbörse verbreite, die Verbreitung nicht bestimmen könne.
In zweiter Instanz verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag weiter und vertieft diesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 13.02.2012 (Az.: 31 C 2528/11 (17)) den Berufungsbeklagten zu verurteilen, an die Berufungsklägerin EUR 801,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage zu Unrecht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von § 651,80 € aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG sowie auf Schadensersatz in Höhe von 150 € aus § 97 Abs. 2 UrhG zu.
1.) Das Amtsgericht Frankfurt am Main ist nach § 32 ZPO örtlich zuständig.
Das Amtsgericht geht zunächst zu Recht davon aus, dass sich ein Zuständigkeit nach § 32 ZPO unter dem Gesichtspunkt des „fliegenden Gerichtsstandes“ und des Erfolgsortes nur dort ergibt, wo sich der behauptete Rechtsverstoß in dem konkreten Verhältnis der Prozessparteien bestimmungsgemäß habe auswirken können. Eine solche bestimmungsgemäße Auswirkung liegt hier jedoch entgegen der Ansicht des Amtsgerichts in Frankfurt vor.
a) Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Anwendbarkeit von § 32 ZPO ist die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit. Danach ist die Tatsache, dass ein Internet-Angebot an einem bestimmten Ort abrufbar ist, grundsätzlich nicht ausreichend, um eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO zu begründen (Zöller-Vollkommer, ZPO, § 32, Rnr. 17). Vielmehr ist zumindest ein hinreichender Bezug zum Gerichtsbezirk dergestalt erforderlich, dass eine bestimmungsgemäße Auswirkung hier eintritt.
b) Die Tatsache, dass die sich aus dieser Sicht ergebende örtliche Zuständigkeit einer Vielzahl von ordentlichen Gerichten zu einer freien Wahl des Gerichtstandes durch die klagende Partei führt, ist nicht zu beanstanden.
Die Möglichkeit der Wahl des Gerichtsstandes an sich ist in der ZPO in § 35 angelegt, wenn verschiedene Gerichtsstände einschlägig sind. Der Kläger in diesen Fällen grundsätzlich ein Wahlrecht, das lediglich die Grenze des Rechtsmissbrauchs nicht überschreiten dar (Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 35, Rnr. 4). Der Gesetzgeber hat daher die mit der Möglichkeit mehrerer einschlägiger Gerichtsstände einhergehende Gefahr des „forum shopping“ nicht für so gravierend angesehen, dass er ein entsprechendes Wahlrecht ausgeschlossen hätte.
Aber auch innerhalb des deliktischen Gerichtsstandes sind Wahlmöglichkeiten weder neu noch sachlich ungerechtfertigt. So war schon bei Pressedelikten im Vor-Internet-Zeitalter ein Gerichtsstand im Sinne von § 32 ZPO an jedem Ort begründet, an dem eine Zeitung zu kaufen war (BGH NJW 1977, 1590 - Profil; BGHZ 131, 335; OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 491), ohne dass hieran – soweit ersichtlich – grundlegende Kritik geübt wurde. Gleiches galt und gilt für die Verletzung von Markenrechten und technischen Schutzrechten durch Produkte, die bundesweit angeboten werden.
Die Tatsache, dass nunmehr durch neue technische Möglichkeiten die Verletzung gerade von Urheberrechten jedermann auf technisch einfache Weise mit einer großen räumlichen Streuung möglich wird, vermag an der grundsätzlichen rechtlichen Würdigung nicht zu ändern, sondern kann allenfalls rechtspolitische Forderungen begründen. Diese kann die Kammer in ihrer Entscheidung allerdings nicht berücksichtigen; sie sind vielmehr in den dafür vorgesehen Foren zu erheben.
c) Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur internationalen Zuständigkeit für Klagen gegen Internetveröffentlichungen (GRUR 2011, 558) rechtfertigt keine andere Bewertung. Zum einen bezieht sich diese Entscheidung auf die Frage der internationalen Zuständigkeit. Zum anderen hat der Senat in dieser Entscheidung das Kriterium der potentiellen Interessenkollision (im Inland) eingeführt. Diese ist dann anzunehmen, wenn „eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näherliegt als es auf Grund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behaupteten Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnis der Meldung (auch) im Inland eintreten würde.“
Selbst bei Übertragung dieser Kriterien auf den Fall der Urheberrechts- (nicht Persönlichkeitsrechts)Verletzung im Inland (nicht Ausland) wäre dieses Kriterium hier erfüllt. Es ist nämlich keinesfalls davon auszugehen, dass ein Download des streitgegenständlichen Werkes im Bezirk der Amtsgerichte Köln oder sonst wo erheblich naheliegender wäre als im Bezirk des Amtsgerichts Frankfurt. Die Kammer ist allerdings der Ansicht, dass diese für die internationale Zuständigkeit aufgestellten Kriterien schon gar nicht auf die Frage der örtlichen Zuständigkeit nach § 32 ZPO zu übertragen sind. Der BGH hat seine Entscheidung nämlich u.a. damit begründet, dass der Charakter des § 32 ZPO als Ausnahme zum allgemeinen Grundsatz, dass die Klage am Gerichtsstand des Beklagten zu erheben sei, es gebiete, die Voraussetzungen für das Eingreifen der Gerichtsstandsregelung unter den zuständigkeitsrechtlichen Leitprinzipien der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit der potenziell Gerichtspflichtigen zu bestimmen. Dies ist nach der Ansicht des BGH vor allem deshalb unverzichtbar, da „die Annahme der örtlichen und damit materiellen Zuständigkeit zugleich über die Anwendung des deutschen materiellen Rechts entscheidet, weil nach Art. 40 ff. EGBGB auch das Deliktsstatut regelmäßig an den Handlungs- bzw. Erfolgsort anknüpft.“ Dieses entscheidende Argument lässt sich bei der Frage der örtlichen Zuständigkeit gerade nicht verwenden. Unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit und präventiven Steuerbarkeit begegne das Festhalten am fliegenden Gerichtsstand auch bei hier vorliegenden Konstellation ebenfalls keinen Bedenken, da bei einem bewussten Zugänglichmachen von urheberrechtlich geschützten Werken im gesamten Bundesgebiet eben auch eine gerichtliche Zuständigkeit – vorhersehbar – im ganzen Bundesgebiet entsteht. Auch insofern besteht kein Unterschied zu einer bundesweit gesendeten Rundfunksendung oder zu einer bundesweit vertriebenen Zeitung.
d) Auch der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Problematik, die mit dem fliegenden Gerichtsstand bei Internet-Delikten entsteht, bei den diversen Urheberrechtsnovellen der letzten Jahre keinen Anlass gesehen, eine entsprechende Einschränkung des deliktischen Gerichtsstandes vorzunehmen. Für das UWG hingegen existiert ein entsprechender Regelungsentwurf in Art. 7 des Referentenentwurfs eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Danach soll der deliktische Gerichtsstand für UWG-Streitigkeiten faktisch abgeschafft werden. Von einer entsprechenden Regelung für das Urheberrecht, das Markenrecht und die technischen Schutzrechte hat der Gesetzgeber indes – trotz der jahrelang andauernden Diskussion in der Fach- und vor allem der allgemeinen Öffentlichkeit (vgl. nur zur Fachöffentlichkeit die Beiträge von Danckwerts, GRUR 2007, 104, Solmecke/Müller MMR 2209,492; Mühlberger WRP 2008, 1419) – bisher abgesehen.
e) Die weiteren vom Amtsgericht unter Bezugnahme auf Danckwerts (GRUR 2007, 104) angeführten Bedenken gegen den fliegenden Gerichtsstand (z.B. Gefahr des „Kopf-in-den-Sand-Steckens“ aufgrund eines weit entfernten Gerichtsstandes) stellen sich demnach teilweise als rechtspolitische Forderungen, teilweise als im Rahmen der Prüfung eines möglichen Rechtsmissbrauchs zu bewertende Argumente dar. Sie sind jedoch nicht geeignet, die örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO zu verneinen.
f) Bei dem hier zugrunde liegenden Fall einer Peer-to-Peer-Verbindung im Rahmen eines sog. „File-Sharing“-Programmes ist die Frage der bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit leicht zu beantworten: Derjenigen, der – nach dem Klägervortrag – in Gersheim in eine bundesweit abrufbare Tauschbörse einen Titel einstellt, weiß nicht nur, sondern bezweckt auch gerade, dass das „Angebot“ zur Vervielfältigung dieser Datei von möglichst vielen Menschen an möglichst vielen Orten im gesamten Bundesgebiet angenommen wird. Zweck des „Filesharing“-Systems ist es nämlich, durch eine möglichst hohe Zahl an Teilnehmern die Auswahl und das Verbreitungsgebiet zu vergrößern. Der Nutzer einer solchen Tauschbörse beabsichtigt daher nicht, dass lediglich die Nutzer im Bezirk seines Wohnsitzgerichtes oder dem Sitzgericht des Rechteinhabers die Datei herunterladen, sondern gerade möglichst umfassend in der gesamten Bundesrepublik und der gesamten Welt. Die Tatsache, dass der Nutzer den Verbreitungsort aufgrund der „technischen Zwänge“ einer Tauschbörse im Peer-to-Peer-Netzwerk nicht beeinflussen kann, führt nicht zu seiner Privilegierung. Vielmehr hat die Nutzung derartiger Netzwerke in voller Kenntnis ihrer enormen Verbreitungsdimension dann eben auch die Ausweitung möglicher Gerichtsstände zur Folge. Die Vermehrung der möglichen Gerichtsstände ist insoweit nur das Spiegelbild der Vermehrung der Verbreitungsmöglichkeit durch File-Sharing-Netzwerke.
2.) Die Klage erweist sich auch als begründet. Der Klägerin ein Zahlungsanspruch in Höhe von 801,80 € gegen den Beklagten zu.
a) Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 651,80 € folgt der Anspruch aus § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG, da die Abmahnung der Klägerin vom 09.03.2011 berechtigt war.
Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin ist sie Inhaber der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Album „O.“ des Künstlers D. und insbesondere des Titels „W.“, das am 26.11.2010 veröffentlicht wurde.
Der Beklagte hat ebenfalls nicht bestritten, dass die festgestellte IP-Adresse zum festgestellten Zeitpunkt dem Internet-Anschluss des Beklagten zugeteilt war und dass zu diesem Zeitpunkt das streitgegenständliche Werk in einem Peer-to-Peer-Netzwerk von ihm beliebigen Dritten zum Download angeboten wurde. Damit hat der Beklagte das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG verletzt.
Der Beklagte haftet auch als Täter. Die Klägerin hat unbestritten vorgetragen, dass die Tatsache der Anschlussinhaberschaft einen Anscheinsbeweis für die Täterschaft des Beklagten selbst bilde. Mag diese rechtliche Bewertung auch zweifelhaft sein und dies eher eine sekundäre Darlegungslast beim Beklagten auslösen, so enthält sie doch den tatsächlichen Vortrag, dass der Beklagte als Anschlussinhaber auch selbst die streitgegenständliche Handlung vorgenommen hat. Da der Beklagte den Vortrag der Klägerin nicht bestritten hat, ist er als Täter anzusehen.
Der Beklagte schuldet daher den Ersatz der notwendigen Aufwendungen, so auch die Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung, die mit einer 1,3 Gebühr aus einem Gegenstandswert von 10.000 € keinen Bedenken begegnen.
§ 97a Abs. 2 UrhG steht einer Geltendmachung der Anwaltskosten in voller Höhe nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall noch von einer unerheblichen Rechtsverletzung die Rede sein kann; jedenfalls aber handelt es sich angesichts des erheblichen Aufwandes, den die Klägerin zu Ermittlung des Beklagten betreiben musste, um keinen tatsächlich einfach gelagerten Fall.
b) Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 150 € folgt der Zahlungsanspruch der Klägerin aus § 97 Abs. 2 UrhG als Schadensersatz.
Der Beklagte hat schuldhaft gehandelt. Er hat das streitgegenständliche Werk im Wissen und mit Wollen der fehlenden Berichtigung sowie der Tatsache eingestellt, dass beliebige Dritte es herunterladen können und er es damit öffentlich zugänglich gemacht hat.
Die Schadenshöhe schätzt die Kammer gem. § 287 ZPO auf € 150,--. Die Klägerin hat für die Schadensberechnung die Methode der Lizenzanalogie gewählt, wonach ihr eine angemessene Lizenzvergütung in der Höhe zusteht, die vernünftige Parteien bei Abschluss eines fiktiven Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Einzelfalles als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin als Verletzte überhaupt zur Lizenzierung bereit gewesen wäre. Nach der Erfahrung der in Urheberrechtssachen erfahrenen Kammer liegt der von der Klägerin geltend gemachte Betrag im unteren Bereich. Angesichts der Möglichkeit der weltweiten und unbeschränkten Verbreitungsmöglichkeit des Werkes und der Tatsache, dass einzelnen Musikstücke in (legalen) Internet-Shops zu Preisen von 1.- bis 1,50 € verkauft werden, erscheint dieser Betrag angemessen.
3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.
4.) Die Revision war nicht zuzulassen, da die maßgebliche Rechtsfrage von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist und es sich um eine Anwendung bekannter Grundsätze auf den Einzelfall handelt.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen