Namensschriftzug von Loriot grundsätzlich nicht geschützt

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 03. 2012


Aktenzeichen

15 O 377/11


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist die … Miterbin des am 22.8.2011 verstorbenen Vicco von Bülow, bekannt auch unter dem Künstlernamen Loriot.

Die Antragsgegnerin ist Betreiberin der bekannten Online-Enzyklopädie www…org.

In der deutschsprachigen Ausgabe des Suchportals … fanden sich am 27.9.2011 unter der Internetadresse http://de…org bei Eingabe des Suchbegriffs »Loriot« Abbildungen des persönlichen Schriftzugs von Loriot, mit dem er seine Werke unterzeichnet hat, sowie von Wohlfahrtsmarken der Deutschen Post AG mit folgenden bekannten Motiven von Loriot: »Das Frühstücksei«, »Herren im Bad«, »Auf der Rennbahn« und »Der sprechende Hund«.

In einer Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 1.12.2010 heißt es: »Motiv: © Loriot«.

Bei Anklicken der einzelnen Briefmarken auf der Seite der Antragsgegnerin öffnet sich eine Seite, auf der es unter anderem heißt: »Genehmigung (Weiternutzung dieser Datei) © Diese Briefmarke wurde von der Deutschen Post AG im Auftrage des BMF verausgabt und ist nach § 5 Abs. 1 UrhG ein amtliches Werk. Nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz ist sie somit gemeinfrei«.

Im Impressum der Internetseite http://de…org heißt es:

»›…, Die freie Enzyklopädie‹ ist im Internet unter www…org zu finden, die deutschsprachige Ausgabe unter de…org.

Anbieterin dieser Website ist die … Foundation Inc., eingetragen beim …, Division of Corporations unter der Nummer N … Die … Foundation ist eine Stiftung nach dem Recht des US-Bundesstaates Florida. Die verantwortliche Ansprechperson – gleichzeitig Designated Agent im Sinne des Digital Millennium Copyright Act – ist S. G.

(…)

Bei Fragen und Interviewwünschen können Sie sich auf informeller Basis auch gerne an die aktiven deutschsprachigen Ansprechpartner wenden, siehe …: Kontakt und …: Presse.

Hinweis an Rechteinhaber

Wenn der Anbieterin eine entsprechende Urheberrechtsverletzung angezeigt wird, wird das betreffende Material umgehend entfernt. Offizielle Ansprechpartner für solche Fälle sind die nach US-amerikanischem Recht bestimmten ›Designated Agents‹ von …

Alternativ können Sie sich auf informeller Basis auch an eine Gruppe von aktiven deutschsprachigen Benutzern wenden, die Sie unter info-de@…org erreichen. Die E-Mail sollte den betroffenen Inhalt in … genau bezeichnen (bitte immer URL und ggf. konkreten Abschnitt angeben) sowie die Publikation oder Website nennen, aus der das Material unberechtigt übernommen wurde.«

Die Bevollmächtigten der Antragstellerin wandten sich am 8.9.2011 telefonisch an Herrn P. R., den Geschäftsführer des … Deutschland e. V., wiesen auf die ihrer Meinung nach erfolgte Verletzung der Urheberrechte von Loriot hin und baten um Abhilfe. Mit E-Mail vom 12.9.2011 teilte Herr P. R. mit, er habe das Anliegen an das Support-Team der deutschsprachigen … weitergeleitet; unter info-de@…org sei ein Team von Freiwilligen zu erreichen, die sich regelmäßig solcher Anfragen annähmen.

Durch E-Mail ihrer Bevollmächtigten vom 15.9.2011, die an die E-Mail-Adressen info-de@…org, p.r.@…de und info@…org gerichtet war, ließ die Antragstellerin »den Betreiber der Seite, die … Foundation Inc.«, vergeblich auffordern, »die rechtswidrige Verbreitung der Abbildungen der Briefmarken und des Schriftzuges sofort einzustellen« und bis zum 20.9.2011 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung zu unterzeichnen.

Aufgrund des Eilantrags vom 27.9.2011 hat die Kammer am 6.10.2011 durch einstweilige Verfügung der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, die Briefmarken der Deutschen Post AG mit den Motiven »Das Frühstücksei«, »Herren im Bad«, »Auf der Rennbahn« und/oder »Der sprechende Hund« und/oder den Schriftzug von Loriot öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.

Der Antragstellerin wurde eine Ausfertigung der einstweiligen Verfügung am 7.10.2011 zugestellt. Durch Schriftsatz vom 13.10.2011 bat die Antragstellerin um Zustellung der einstweiligen Verfügung per Einschreiben mit internationalem Rückschein. Die Aufgabe zur Post erfolgte am 19.10.2011.

Spätestens am 23.11.2011 gelangte der datumslos unterzeichnete Rückschein zu den Akten.

Gegen diese einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt, den sie unter Darlegung im Einzelnen wie folgt begründet:

Die einstweilige Verfügung sei bereits deshalb aufzuheben, weil sie mangels wirksamer Zustellung nicht ordnungsgemäß vollzogen worden sei. Die Zustellung hätte nicht durch Einschreiben mit internationalem Rückschein erfolgen dürfen, da die Bundesrepublik Deutschland im § 6 Satz 2 des »Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18.3.1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen« vom 22.12.1977 einen Vorbehalt gegen eine Zustellung per Post erklärt habe.

Der Zustellungsmangel sei auch nicht geheilt worden, da eine Heilung nach § 187 ZPO nur möglich sei, wenn eine ordnungsgemäße Zustellung überhaupt beabsichtigt gewesen sei; davon könne nicht ausgegangen werden, wenn die Übermittlung unter Umgehung der zuständigen Organe vorgenommen werde.

Darüber hinaus bestehe kein Verfügungsanspruch.

Es komme allenfalls eine Störerhaftung der Antragsgegnerin in Betracht, deren Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Antragsgegnerin sei nicht in ausreichender Weise von den vermeintlich rechtsverletzenden Inhalten in Kenntnis gesetzt worden. Denn die Antragstellerin habe sich lediglich an den unzuständigen – weil für die Inhalte auf de…org nicht verantwortlichen – Verein … Deutschland e. V. gewandt und eine Kopie dieser an den deutschen Verein gerichteten E-Mail an die Antragsgegnerin geschickt. Bei einer Kopie habe die Antragsgegnerin nicht davon ausgehen müssen, dass diese E-Mail überhaupt an sie gerichtet gewesen sei. Erst recht habe sie nicht davon ausgehen müssen, dass eine rechtserhebliche Erklärung sie lediglich in Kopie erreichen würde. Darüber hinaus habe die Antragstellerin die E-Mail auch an die falsche E-Mail-Adresse gesandt, da die E-Mail an die Adressen info@…org und info-de@…org geschickt worden sei. Ausweislich des Impressums von … seien Hinweise wegen Urheberrechtsverletzungen aber an den »Designated Agent« zu richten. Dies sei, wie sich ebenfalls aus dem Impressum ergebe, S. G., an die derartige Inkenntnissetzungen per E-Mail an die Adresse legal@…org zu richten seien.

Hinsichtlich des Schriftzuges »Loriot« fehle es an einem Unterlassungsanspruch, da keine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts von Vicco von Bülow vorliege. Es mangele nämlich an einem Eingriff in den Kernbereich der Menschenwürde des Verstorbenen.

Auch im Hinblick auf den Abdruck der Sonderbriefmarken ergebe sich kein Unterlassungsanspruch, da die Briefmarken gemeinfrei seien, was jedenfalls aus § 5 Abs. 2 UrhG folge. Die verfahrensgegenständlichen Briefmarken seien im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden durch die Pressemitteilungen des Bundesministeriums der Finanzen vom 30.12.2010 und vom 7.1.2011.

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 6.10.2011 – 15 O 377/11 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 6.10.2011 zu bestätigen.

Sie vertritt die Auffassung, die Zustellung sei ordnungsgemäß erfolgt, da es sich bei einer Zustellung nach § 184 ZPO durch Aufgabe zur Post nicht um eine Auslandszustellung, sondern um eine fingierte Form der Zustellung im Inland handle, auf die das HZÜ keine Anwendung finde. Jedenfalls sei die Zustellung nach § 189 ZPO als geheilt anzusehen, da die Antragsgegnerin das Schriftstück innerhalb der Frist erhalten habe.

Die einstweilige Verfügung sei auch in der Sache zu Recht ergangen.

Die gegenüber der Antragsgegnerin ausgesprochene Abmahnung sei nicht zu beanstanden. Die entsprechende E-Mail sei an die im Impressum angegebene E-Mail-Adresse gesandt worden; die Antragstellerin sei nicht verpflichtet gewesen, nach der E-Mail-Adresse von Frau S. G. zu forschen. Ihre interne Organisation sei allein Sache der Antragsgegnerin.

Die Unterschrift des Künstlers werde mit seinem Tod nicht gemeinfrei.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

A. Die Beschlussverfügung vom 6.10.2011 ist auf den Widerspruch der Antragsgegnerin auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies führt unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin zu ihrer Bestätigung (§§ 925 Abs. 2, 936 ZPO), soweit das öffentliche Zugänglichmachen der im Tenor genannten Briefmarken der Deutschen Post AG untersagt wurde, allerdings mit einer im Hinblick auf die Reichweite des ausgesprochenen Verbots erfolgten Einschränkung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Im Übrigen war die einstweilige Verfügung aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen.

I. Zur Entscheidung über das vorliegende Eilbegehren ist das Landgericht Berlin örtlich und international zuständig.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke sowie gegen die Verletzung des Persönlichkeitsrechts über die deutschsprachige Internetseite http://de…org. Das ist eine unerlaubte Handlung, die den besonderen Gerichtsstand nach § 32 ZPO eröffnet. Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die beanstandete Handlung begangen worden ist. Das ist jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Delikts verwirklicht worden ist, also nicht nur der Begehungsort, sondern auch der Erfolgsort. Da die ins Internet gestellten Werke und der persönliche Schriftzug auch in Berlin aufgerufen werden konnten und sich das Angebot unter http://de…org bestimmungsgemäß an Nutzer in der Bundesrepublik Deutschland richtet, ist das Landgericht Berlin nach § 32 ZPO örtlich zuständig.

Aufgrund der Doppelfunktion des § 32 ZPO folgt hieraus zugleich die internationale Entscheidungszuständigkeit des Landgerichts Berlin für die in den USA ansässige Antragsgegnerin.

Allerdings musste das ausgesprochene Verbot klarstellend um den Zusatz »im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland« ergänzt werden. Wegen des Territorialitätsprinzips kann die Antragstellerin vor einem deutschen Gericht Schutz nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geltend machen. Das inländische Urheberrecht kann nur durch eine im Inland begangene Handlung verletzt werden. Da die Antragstellerin nur ein öffentliches Zugänglichmachen beanstandet, bleibt sie im Rahmen der internationalen Entscheidungskompetenz der deutschen Gerichte (für alles Vorstehende: LG Hamburg MMR 2010, 833–835, zitiert nach juris Rn. 79 m. w. N.)

II. Das Passivrubrum war im Hinblick auf die korrekte Bezeichnung der Antragsgegnerin – wie von den Parteien übereinstimmend klargestellt – entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit zu berichtigen. Die Rubrumsberichtigung ist zulässig, weil feststeht, wer als Partei gemeint war und trotz der Berichtigung die Parteiidentität gewahrt bleibt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 319, Rn. 14 m. w. N.).

III. Die einstweilige Verfügung ist nicht wegen Versäumung der Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO, was die Beschlussverfügung unheilbar unwirksam machen würde (vgl. OLG Hamburg NJW-RR 2007, 986, zitiert nach juris Rn. 8), aufzuheben.

a) Bei einer eine Ordnungsmittelandrohung enthaltenden Unterlassungsverfügung genügt grundsätzlich eine Parteizustellung der Beschlussverfügung an den Schuldner als Vollziehung; bei im Ausland ansässigen Schuldnern ist eine Zustellung nach § 183 ZPO vorzunehmen (vgl. Zöller/Vollkommer, aaO., § 922 Rn. 11). Hier hat die Antragstellerin eine Zustellung nach § 183 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. ZPO beantragt.

Die Beschlussverfügung ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 7.10.2011 zugestellt worden. Die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO endete damit am 7.11.2011. Unerheblich ist, dass dem internationalen Rückschein nicht zu entnehmen ist, wann das Schriftstück zugegangen ist. Denn es gilt § 167 ZPO, sodass es auf den Eingang des Antrages nach § 183 ZPO ankommt (vgl. LG Berlin, Urteil vom 24.4.2007 – 15 O 718/06, zitiert nach juris Rn. 57; Zöller/Vollkommer, aaO., § 929 Rn. 10 m. w. N.). Hier ging der Antrag am 14.10.2011 bei Gericht ein.

Die vorliegend erfolgte Zustellung der Beschlussverfügung per Einschreiben mit internationalem Rückschein ist wirksam, was allerdings nicht daraus folgt, dass das Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: HZÜ) keine Anwendung finden würde. Die diesbezügliche Argumentation der Antragstellerin, es handele sich nicht um eine Zustellung im Ausland, sondern um eine mit Zugangsfiktion verbundene Form der Zustellung im Inland, ist für den Streitfall nicht zutreffend. Diese Auffassung ist richtig für Zustellungen nach § 184 ZPO (BGHZ 188, 164–177, zitiert nach juris Rn. 10 m. w. N.). Um eine solche geht es hier aber nicht.

Eine Zustellung per Einschreiben mit internationalem Rückschein ist nach § 183 Abs. 1 Satz 2 1. Alt. ZPO im Anwendungsbereich völkerrechtlicher Vereinbarungen zulässig, welche die Übersendung unmittelbar durch die Post zulassen.

Für Zustellungen aus der Bundesrepublik Deutschland in die USA ist das HZÜ einschlägig. Sowohl die Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGBl. 1977 II, S. 1452) als auch die USA sind diesem Übereinkommen beigetreten (vgl. BGBl. 1980 II, S. 907). Auslandszustellungen zwischen diesen Staaten richten sich daher nach dem HZÜ.

Nach Art. 10 lit. a HZÜ ist die Zustellung durch die Post grundsätzlich zulässig.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stellt Art. 10 lit. a HZÜ eine völkerrechtliche Vereinbarung im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 2 ZPO dar (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 183 Rn. 6 m. w. N.; Dörndorfer, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), BeckOK ZPO, § 183 Rn. 4; Spellenberg, in: Staudinger, BGB – Neubearbeitung 2005, EheGVO, Art. 18 Rn. 43).

Allerdings hat die Bundesrepublik den zu Art. 10 lit. a HZÜ möglichen Widerspruch gegen eine Postzustellung im Gebiet der Bundesrepublik in § 6 Satz 2 AGHZÜ erklärt. Die USA haben dagegen keinen Widerspruch erklärt.

Die Kammer folgt der Auffassung, dass eine Zustellung in Staaten, die keinen Widerspruch erklärt haben, völkerrechtlich zulässig ist (vgl. Zöller/Geimer, aaO., § 183, Rn. 6 m. w. N.; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 183 Rn. 11; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 418, 2084 f.; Spellenberg, in: Staudinger, BGB – Neubearbeitung 2005, EheGVO, Art. 18 Rn. 43).

Die Argumentation in dem von der Antragsgegnerin angeführten Beschluss des OLG Düsseldorf vom 8.2.1999 – 3 W 429/98 (RPfleger 1999, 287, zitiert nach juris) ist angesichts der Einführung des § 183 Abs. 1 Satz 2 ZPO überholt. Denn in dem Beschluss wird der von der Bundesrepublik Deutschland erklärte Vorbehalt gegen eine postalische Zustellung in Deutschland mit der Begründung allseitig – d. h. auch bezüglich Zustellungen an Adressaten im Ausland – ausgelegt, dass die ZPO für die Übermittlung von Schriftstücken ins Ausland weder das unmittelbare Ersuchen der Partei an die zuständige ausländische Stelle vorsehe noch die unmittelbare Übersendung durch die Post – im Gegensatz zur StPO, die in § 37 Abs. 2 ausdrücklich zulasse, dass eine Zustellung im Ausland auch durch Einschreiben mit Rückschein bewirkt werden könne, soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen Schriftstücke unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen (Rn. 16).

Nunmehr ist die postalische Direktzustellung in § 183 Abs. 1 Satz 2 ZPO – wie in § 37 Abs. 2 StPO a. F. – ausdrücklich vorgesehen und stellt sogar die nach dem Gesetzeswortlaut präferierte Zustellungsart dar.

b) Die Zustellung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beschlussverfügung in der deutschen Sprache abgefasst war.

Ein Übersetzungserfordernis ergibt sich nicht aus Art. 5 Abs. 3 HZÜ, da keine förmliche Zustellung nach Art. 5 Abs. 1 HZÜ vorgenommen wurde.

IV. In der Sache ist die einstweilige Verfügung vom 6.10.2011 zu bestätigen, soweit der Antragsgegnerin die öffentliche Zugänglichmachung der Briefmarken der Deutschen Post AG mit den im Tenor zu Ziffer 1 der Beschlussverfügung wiedergegebenen Motiven untersagt worden ist.

1. Die öffentliche Zugänglichmachung der Briefmarken-Abbildungen löst den in der Beschlussverfügung genannten Unterlassungsanspruch nach §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19 a UrhG in Verbindung mit § 2039 BGB aus.

Die Einwendungen der Antragsgegnerin greifen nicht durch.

a) Zur Gemeinfreiheit der Briefmarken beruft sich die Antragsgegnerin ausschließlich auf das Urteil des LG München I vom 10.3.1987 – 21 S 20861/86 (GRUR 1987, 436, 437, zitiert nach beck-online) sowie ältere Literaturmeinungen. Dem ist nicht zuzustimmen.

Von § 5 Abs. 1 UrhG werden nur Sprachwerke erfasst, nicht aber Werke der bildenden Kunst (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 5 Rn. 4 m. w. N.; Ahlberg, in: Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 5 Rn. 10; Schricker, GRUR 1991, 645, 656, zitiert nach beck-online),

Auch § 5 Abs. 2 UrhG ist für Postwertzeichen nicht einschlägig. Postwertzeichen werden nicht »im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht«, da kein amtliches Interesse an der freien Verwertung besteht. Denn sie werden nicht zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht, sondern zum allgemeinen Gebrauch im Geldverkehr herausgebracht (vgl. Marquardt, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 5 Rn. 20; Götting, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 31 Rn. 10; Katzenberger, in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 5 Rn. 68; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 5 Rn. 11).

Das amtliche Interesse muss nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet sein, dass der Nachdruck oder die sonstige Verwertung des die Information vermittelnden Werkes jedermann freigegeben wird (Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 5 Rn. 9 m. w. N.).

Postwertzeichen sind nach ihrem Hauptzweck Wertzeichen, nicht Informationsträger; die Wertzeichenfunktion würde durch eine freie Verwertung nicht gefördert, sondern beeinträchtigt (Schricker, GRUR 1991, 645–656).

b) Für die unlizenzierte Nutzung der Briefmarken-Motive haftet die Antragsgegnerin als Störerin.

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquatkausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH ZUM 2008, 685 Rn. 50 – Internet-Versteigerung III; BGH ZUM-RD 2012, 82 Rn. 21 f. – Blog-Eintrag).

Auch wenn die Antragsgegnerin nicht verpflichtet ist, die von den Nutzern in das Netz gestellten Inhalte vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen, wird sie aber verantwortlich, sobald sie Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt (vgl. BGH ZUM 2008, 685 Rn. 51 – Internet-Versteigerung III; BGH ZUM-RD 2012, 82 Rn. 24 – Blog-Eintrag).

Dies ist im Streitfall aufgrund der Abmahnung der Antragstellerin vom 15.9.2011 geschehen; die als ausreichend anzusehen ist, um der Antragsgegnerin Kenntnis von der Rechtsverletzung zu verschaffen.

Für eine Abmahnung besteht kein Formzwang, sodass eine Übermittlung per E-Mail kein Wirksamkeitshindernis darstellt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 123 a).

Die Abmahnung war auch an die Antragsgegnerin gerichtet. Unter Ziffer 3. heißt es: »Namens und in Vollmacht unserer Mandantin fordern wir hiermit den Betreiber der Seite, die … Foundation Inc., auf, die rechtswidrige Verbreitung der Abbildungen der Briefmarken … sofort einzustellen …«

Der Sachverhalt, aus dem sich nach Auffassung der Antragstellerin die Rechtsverletzung ergab, ist im Eingang des Briefes und unter Ziffer 1. auch ausreichend und nachprüfbar dargestellt. Die Internetseite, auf der die behauptete Rechtsverletzung stattgefunden haben soll, ist im Betreff genau angegeben.

Die E-Mail ist schließlich (auch) an die richtige, nämlich die im Impressum der Antragsgegnerin angegebene E-Mail-Adresse info@…org gerichtet worden. Dass es sich bei dieser E-Mail nur um eine Kopie gehandelt hätte, wie die Antragsgegnerin geltend macht, ist nicht ersichtlich. Der von der Antragstellerin zu den Akten gereichte Ausdruck enthält keine »CC«-Angabe. Selbst wenn es eine Kopie gewesen wäre, hätte sich aber aus der oben genannten Aufforderung unter Ziffer 3. ergeben, dass die Abmahnung an die Antragsgegnerin gerichtet war.

Die Abmahnung musste nicht an S. G. gerichtet werden und die Antragstellerin musste auch nicht die E-Mail-Adresse von S. G. recherchieren.

Abzumahnen war die Antragsgegnerin als Betreiberin der Website. Diese hat in ihrem Impressum die von der Antragstellerin u. a. benutzte E-Mail-Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! angegeben, sodass diese Adresse als für den Empfang von Willenserklärungen im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt anzusehen ist (vgl. Einsele, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 130 Rn. 18).

Der Umstand, wer bei der Antragsgegnerin intern für die Bearbeitung von Abmahnungen betreffend Urheberrechtsverletzungen verantwortlich ist, hat nichts mit der Frage des Zugangs der Abmahnung zu tun. Ein Verletzter kann beispielsweise auch nicht wissen, wann die als Verantwortliche benannte Person Urlaub hat oder aus anderen Gründen abwesend ist; gleichwohl muss eine Abmahnung wirksam ausgesprochen werden können. Entscheidend ist, dass die Abmahnung an die passivlegitimierte Person (hier die Antragsgegnerin als Betreiberin der Website) unter der richtigen Adresse (hier die im Impressum angegebene E-Mail-Adresse) gerichtet wird.

Der Zeitraum zwischen Abmahnung (15.9.2011) und dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung (27.9.2011) ist als ausreichend anzusehen, um eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmen. Insbesondere hat die Antragsgegnerin auch nicht etwa auf die Abmahnung hin um Fristverlängerung gebeten bzw. mitgeteilt, zur Prüfung benötige sie mehr Zeit, was ggf. ein längeres Zuwarten erforderlich gemacht hätte.

Es bedurfte auch keiner Übersetzung der Abmahnung in die englische Sprache, da das Impressum und auch die Rubriken »Haftung für Inhalte« und »Hinweise an Rechteinhaber« auf der deutschsprachigen Internetseite de…org in der deutschen Sprache abgefasst sind.

2. Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag ist zurückzuweisen, soweit die öffentliche Zugänglichmachung des persönlichen Schriftzugs des verstorbenen Vaters der Antragstellerin in Rede steht.

a) Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Vaters der Antragstellerin (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) läge nur dann vor, wenn der auch nach dem Tode fortbestehende allgemeine Wert- und Achtungsanspruch eine schwerwiegende Entstellung erfahren hätte (vgl. BGH GRUR 1995, 668–671 – Emil Nolde, zitiert nach juris Rn. 31 m. w. N.). Demgegenüber kann der Antragsgegnerin nicht untersagt werden, den Namenszug zu verwenden, wenn sich die Nutzung in dem durch Art. 5 GG geschützten Bereich der Informations-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit hält (vgl. BGH ZUM 2000, 582 – Marlene Dietrich; Martinek, in: jurisPK-BGB, 5. Aufl., § 12 Rn. 54 m. w. N.).

Durch die öffentliche Zugänglichmachung des Namenszuges unter der Internetadresse http://de…org hat das fortwirkende Lebensbild des verstorbenen Vicco von Bülow keine schwerwiegende Entstellung erfahren. Überdies überschreitet die öffentliche Zugänglichmachung des Schriftzuges im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Biografie und des Schaffens des Künstlers im Rahmen der Online-Enzyklopädie … den von Art. 5 GG geschützten Bereich der Informationsfreiheit nicht.

b) Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 19 a UrhG. Denn der persönliche Schriftzug des Vaters der Antragstellerin mit seinem Künstlernamen ist kein urheberrechtlich geschütztes Werk, da es an einer persönlichen geistigen Schöpfung im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG fehlt.

Der Schriftzug ist nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG als Werk der bildenden Kunst geschützt, da er keine ausreichende Eigentümlichkeit aufweist, um ihn als Werk der bildenden Kunst anerkennen zu können. Nur solche Gegenstände sind als Werke der bildenden Kunst geschützt, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht, dass nach den im Leben herrschenden Auffassungen von Kunst gesprochen werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Allein die kantige und schräge Schreibweise unter Verwendung von Druckbuchstaben begründet noch keine hinreichende Schöpfungshöhe der Unterschrift, da diese Umstände nicht geeignet sind, den Schriftzug vom rein Handwerksmäßigen und Alltäglichen abzuheben.

Rechtsgebiete

Urheberrecht