HolidayCheck setzt sich auch beim OLG München durch: Werbung mit vermeintlichem „Testsiegel“ irreführend!

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

02. 08. 2012


Aktenzeichen

6 U 1645/12


Tenor

  1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 2.2.2012 - 4 HKO 13206/11 -, soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird zurückgewiesen.

  2. Von den Kosten des Verfahrens 2. Instanz haben die Antragstellerin 38 % und die Antragsgegnerin 62 % zu tragen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Auf den Antrag vom 21.6.2011 erging am 22.6.2011 antragsgemäß eine Beschlussverfügung, mit der Antragsgegnerin (unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel) verboten wurde, zu Zwecken des Wettbewerbs,

  1. die von ihr angebotenen Hotelreisen mit einem der nachfolgend eingeblendeten Siegel zu bewerben:

    a)

    b)

  2. zu behaupten, dass es sich bei dem unter Ziff. 1 aufgeführten Siegel um "Das unabhängige Gütesiegel der Touristik" handele.

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin vom 14.7.2011, begründet mit Schriftsatz vom 29.11.2011, wurde die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 2.2.2012 aufrechterhalten. Im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Köln war die Antragsgegnerin bereits zuvor mit Urteil vom 5.1.2012 (Anlage Ast 13) - unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel - verurteilt worden, es zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs,

  1. die von ihr angebotenen bzw. vermittelten Hotels mit einem als solchen bezeichneten "Gütesiegel" zu bewerben, wenn der Vergabe dieses Siegels ausschließlich Bewertungen oder Erfahrungsberichte zugrunde liegen, die dem Reiseportal "holidaytest.de" entnommen sind, wie nachstehend wiedergegeben:

    (Es folgt eine Wiedergabe von Internet-Ausdrucken, die der Anlage Ast 3, Seite 1, Anlage Ast 4, Seite 1 in vorliegendem Verfahren entspricht.)

  2. mit den Aussagen "geprüfte Qualität", "geprüfte Gästemeinungen" und/oder "echte Gästemeinungen" zu werben, wie nachstehend wiedergegeben:

  3. zu behaupten, dass es sich bei dem unter Ziffer 1. aufgeführten Siegel um
    a) "das unabhängige Gütesiegel der Touristik"
    ... handele.

Gegen das ihr am 21.3.2012 zugestellte Urteil vom 2.2.2012 wendet sich die Antragsgegnerin mit der am 23.4.2012 (Montag) eingelegten und am 10.5.2012 begründeten Berufung, soweit das Verbot unter 1.a und b bestätigt wurde.

Nachdem die Antragsgegnerin am 9.5.2012 ihre gegen das Urteil des Landgerichts Köln eingelegte Berufung zurückgenommen hatte, erklärte die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Umfang des Verbots unter 1.a für erledigt. Der Teilerledigterklärung hat sich die Antragsgegnerin im Termin vor dem Senat angeschlossen.

In Bezug auf das Verbot unter 1.b ist sie der Auffassung, dass der Antrag nicht dem Bestimmtheitsgebot genüge, da sich die Antragstellerin auf vier unterschiedliche Sachverhalte stütze. Zudem sei das Verbot bereits durch das Verbot gemäß 1.a abgedeckt. Für das Verbot der Siegel hinsichtlich der Bewertung "sehr gut", "gut", "befriedigend" und "ausreichend" fehle es auch deshalb am Rechtsschutzbedürfnis, da sich die Antragstellerin auf den gleichen Sachverhalt wie in Bezug auf die Bewertung "exzellent" stütze.

In materiell rechtlicher Hinsicht fehle es an einer Irreführung. Die Antragsgegnerin nehme keine eigene Bewertung vor, sondern liefere nur die "äußere Hülle", um die Kundenbewertungen zusammenzufassen. Im Übrigen nehme der Verkehr nicht an, dass die Bewertung von einem "Arbeitskreis" oder dgl. stamme. Eine etwaige Irreführung sei jedenfalls nicht relevant. Auch sei keine Irreführung aufgrund der grafischen Gestaltungen gegeben. Es fehle auch nicht an der erforderlichen Objektivität und Neutralität. Soweit das Landgericht eine Irreführung bejahe, genüge das Urteil nicht den Anforderungen des § 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.

Weiter ist die Antragsgegnerin der Auffassung, dass im Umfang der Verurteilung durch das Landgericht Köln in vorliegendem Verfahren der Verfügungsgrund bereits mit Erlass des Urteils entfallen sei, nicht erst durch die Rücknahme der Berufung vor dem OLG Köln.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben, soweit darin die einstweilige Verfügung vom 22.6.2012 hinsichtlich 1. b bestätigt wurde und in diesem Umfang den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt die angegriffene Entscheidung. Soweit der Antrag übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist sie der Auffassung, dass das nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil des Landgerichts das Sicherungsbedürfnis der Antragstellerin in vorliegendem Verfahren noch nicht habe entfallen lassen. Dieses sei erst mit Rechtskraft aufgrund Rücknahme der Berufung der Fall gewesen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.


II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß dem Antrag 1.b ist zulässig und begründet.

1. Mit dem Antrag wird ein Verbot der Werbung für die von der Antragsgegnerin angebotenen Hotelreisen begehrt, wie dies ausweislich der vorgelegten Internetausdrucke (Anlage Ast 3 und 4) geschieht, in denen die Antragsgegnerin die Hotels mit entsprechenden Bewertungen von "exzellent" (6 Sterne) bis "ausreichend" (zwei Sterne) versieht.

a. Für den Antrag besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, da das Verbot nach Antrag 1.b nicht von dem Verbot gemäß dem Urteil des Landgerichts Köln unter 2. erfasst wird.

b. Das begehrte Verbot in Bezug auf jedes einzelne "Siegel" ("mit einem der nachfolgend eingeblendeten Siegel") ist auch deshalb nicht zu weitgehend, weil es sich nicht auf das "Siegel" mit der Bewertung "exzellent" beschränkt.

c. Der Antrag begegnet auch keinen Bestimmtheitsbedenken. Denn er wird nicht auf vier unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt, deren Verhältnis zueinander unklar wäre. Die von der Antragstellerin geltend gemachte Unlauterkeit wird auf eine Irreführung gestützt, weil die von der Antragstellerin für erforderlich gehaltenen vier Kriterien an eine Werbung mit Gütesiegeln nicht erfüllt seien (Antragsschrift, Seite 4 f). Dabei handelt es sich nicht um vier unterschiedliche Lebenssachverhalte, sondern nur verschiedene Begründungselemente für einen einheitlichen Streitgegenstand (vgl. BGH GRUR 2012, 184 Tz. 13 f. - Branchenbuch Berg; GRUR 2012, 621 Tz. 30 ff. - OSCAR).

2. Die Bewerbung der von der Antragsgegnerin angebotenen Hotels mit den Bewertungen mit einem der angegriffenen Siegel (siehe etwa die Ausdrucke unter "Beliebteste Hotels") ist geeignet, den angesprochenen Verkehr über die Verlässlichkeit und die Grundlage der Bewertung irrezuführen (§ 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG).

Dem Verkehr begegnet eine Werbung mit Testergebnissen bzw. mit Gütesiegeln häufig. Bei einer Werbung mit einem Testergebnis - vor allem bei einem Hinweis auf einen Test der Stifung Warentest, dem allgemein große Aussagekraft und somit eine ggf. attraktive Werbewirkung beigemessen wird - oder einem Gütesiegel erwartet der Verkehr, dass dem Test/Gütesiegel eine aussagekräftige Prüfung des bewerteten Produkts/Dienstleistung durch eine unabhängige Stelle zugrunde liegt (vgl. OLG Frankfurt GRUR 1994, 523).

Dieser Erwartung entspricht das Ergebnis des Tests der Antragsgegnerin (siehe die Bewertungskriterien in Anlage AG 3), als dessen Ergebnis die angegriffenen Bewertungen "exzellent" u.a., eingerahmt von den Begriffen HOLIDAYTEST und TEST, den Hotels zugeordnet werden, nicht, wie bereits das Landgericht Köln (Anlage Ast 13, S. 10 f) zu der Werbung mit dem Begriff "Gütesiegel" zutreffend ausgeführt hat. Die Bewertung durch die Hotelbesucher nach den vorgegebenen Kategorien und Einzelpunkten entspricht nicht einer objektiven Beurteilung nach einheitlichen Kriterien, wie sie etwa von sog. Hoteltestern zugrunde gelegt werden.

Die Gefahr der Irreführung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Verkehr über das Zustandekommen der Bewertungen über den Internetauftritt der Antragsgegnerin informieren kann.

Der schlagwortartige Hinweis auf der Startseite

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bietet keine hinreichende Gewähr dafür, dass der Teil des angesprochenen Verkehrs, der der als Link ausgestalteten Aufforderung "Jetzt bewerten!" nicht nachkommt, die rein auf subjektiven Wertungen von Hotelgästen beruhende Qualifizierung als Ergebnis des jeweiligen Gütesiegels "HOLIDAYTEST ...TEST" zur Kenntnis nimmt, wovon auch das Landgericht Köln in Bezug auf die hervorgehobene Verwendung des Begriffs "Gütesiegel" (Ast 13, Seite 11) ausgegangen ist. Denn erst am Ende der Startseite befindet sich die Rubrik "Gütesiegel", über die man mittels eines Links zu der Erläuterung gelangt, wie dies in der Widerspruchsbegründung, Seite 3 f unter Vorlage der Anlage AG 1 ausgeführt wurde. Eine hinreichende Erläuterung der Grundlage für die Bewertung mit den angegriffenen Gütesiegeln erfolgt auch nicht aufgrund des TV-Werbespots. Unabhängig davon, ob die Aussage "... von Reisenden für Reisende" hierfür hinreichend aufschlussreich ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verkehrsverständnis der angegriffenen Gütesiegel hierdurch bei der Befassung mit dem "isolierten" Gütesiegel, etwa bei Suche nach Hotels im Internet, maßgeblich im Sinne einer Aufklärung beeinflusst wird.

3. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Soweit der Rechtsstreit in Bezug auf den Antrag 1.a übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war zu berücksichtigen, dass für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits mit dem Urteil des Landgerichts Köln vom 5.1.2012 der Verfügungsgrund in Wegfall gekommen ist und die Antragstellerin gehalten gewesen wäre, den Rechtsstreit insoweit für erledigt zu erklären. Es entspricht der überwiegend in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, dass mit Ergehen eines Verbots in der Hauptsache ein Sicherungsbedürfnis nicht mehr besteht (vgl. OLG Düseldorf InstGE 10, 124 Tz. 11 - Inhalator; OLGR 2006, 480; KG NJW-WettbR 1999, 293; OLG Karlsruhe NJW-RR 1996; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rn. 57, Rn. 280 m. Fn. 12; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Aufl., Rn. 630; a.A. OLG Hamm NJW-RR 1990, 1536). Die Tatsache, dass das Urteil des Landgerichts Köln nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar war, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn für den Senat erschließt sich nicht, dass die Antragstellerin nicht in der Lage gewesen wäre, die Sicherheit zu erbringen. Hierzu verweist die Antragsgegnerin - unwidersprochen - darauf (Schriftsatz vom 9.7.2012 mit Anlage BK 4), dass die Antragstellerin zum Zwecke der Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Köln (siehe Ordnungsmittelbeschluss vom 29.5.2012, Anlage BB 4) eine Sicherheit in Höhe von € 100.000,- geleistet hat. Es entspricht daher der Billigkeit im Sinne von § 91 a Abs. 1 ZPO, der Antragstellerin insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, als durch die Erledigterklärung erst in zweiter Instanz höhere Kosten angefallen sind. Danach ist aufgrund eines Kostenvergleichs - tatsächlich entstandene Kosten im Vergleich zu den fiktiven Kosten bei Teilerledigterklärung in erster Instanz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 2.2.2012 - darauf abzustellen, dass die Terminsgebühren in erster Instanz nur aus einem Streitwert in Höhe von € 175.000,- (= € 2.086,80 x 2) anstatt aus einem Streitwert in Höhe von € 250.000,- (= € 2.462,40 x 2) angefallen wären. Da hierdurch jedoch nur eine Verteuerung um 5 % (€ 15.527,60 anstatt € 14.776,40) eingetreten ist, ist eine Kostenbelastung der Antragstellerin nach dem Gedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht veranlasst. In zweiter Instanz sind den tatsächlich entstandenen Gerichtskosten (4 Gebühren aus € 150.000,- = € 5.424,-) die fiktiven Gerichtskosten (4 Gerichtsgebühren aus € 75.000,- = € 2.624,-) gegenüber zu stellen.

Bei den außergerichtlichen Kosten wäre die Verfahrensgebühr (€ 1.920,- x 2 = € 3.840 anstatt € 2.782,40 x 2 = € 5.564,80) und die Terminsgebühr (€ 1.440,- x 2 = 2.880,- anstatt € 2.086,80 x 2 = € 4.173,60) jeweils nur aus € 75.000,- anstatt aus € 150.000,- angefallen, insgesamt also nur € 9.344,- anstatt € 15.162.40.

5. Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es im Hinblick auf § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht.


Retzer
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht

Lehner
Richter
am Oberlandesgericht

Gräfin von Keyserlingk
Richterin
am Oberlandesgericht


Verkündet am 02.08.2012

Otto, JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Vorinstanzen

LG München I, 4 HK O 13206/11

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht