Störung der Nachtruhe der Anwohner durch Gewerbebetrieb
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
27. 02. 1991
Aktenzeichen
5 Ss (OWi) 18/91 - (OWi) 21/91 I
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Das AG hat den Betr. wegen “einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. §§ NRWIMSCHG § 9 NRWIMSCHG § 9 Absatz I, NRWIMSCHG § 17 NRWIMSCHG § 17 Absatz Id NRWImSchG zu einer Geldbuße von 300 DM verurteilt. Hiergegen richtete sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betr. Das Rechtsmittel hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Es führte lediglich zu der aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Der Betr. ist Geschäftsführer des Speditionsunternehmens P.-GmbH. Das Betriebsgelände dieses Unternehmens befindet sich seit dem Jahre 1962 in K. Dort werden an einer breiten Laderampe Lastkraftwagen mit Hilfe von Elektrogabelstaplern be- und entladen. Diese fahren über Stahlplatten, die jeweils als Verbindung zwischen dem LKW und der Rampe ausgelegt werden. Bei dem Befahren dieser Stahlplatten mit den Gabelstaplern entstehen erhebliche Geräusche. In der Nähe des Betriebsgeländes der Firma P-GmbH steht das im Jahre 1959 errichtete Einfamilienhaus des Zeugen W. Die Entfernung zwischen der Rückseite dieses Hauses und der vorerwähnten Laderampe beträgt weniger als 50 Meter. Neben dem Haus des Zeugen W stehen noch weitere Wohnhäuser. An das Betriebsgelände der Firma P.-GmbH schließen sich zur anderen Seite noch weitere Gewerbebetriebe an. Bereits seit mehreren Jahren werden die durch die Be- und Entladevorgänge auf dem Gelände der Firma P.-GmbH verursachten Geräusche von den Bewohnern der angrenzenden Einfamilienhäuser als Belästigung empfunden. Das von ihnen eingeschaltete Staatliche Gewerbeaufsichtsamt erließ am 7. 6. 1985 eine Ordnungsverfügung, wonach zwischen 22 Uhr und 6 Uhr von dem Betrieb der Firma P.-GmbH nicht mehr als 40 dBA als Geräuschemissionen ausgehen dürfen. Seit dem Jahre 1988 ist diese Ordnungsverfügung bestandskräftig. Der Zeuge W strengte zudem gegen die Firma P.-GmbH einen Zivilprozeß an, um eine Minderung der Geräuschimmissionen zu erreichen. In diesem Rechtsstreit entschied der BGH im Jahre 1989, daß der Lärmpegel von 45 dBA nachts und 55 dBA am Tage nicht überschreiten dürfe. Dennoch gingen in den letzten Jahren von dem Betrieb der Firma P.-GmbH weiterhin Geräuschemissionen aus, die die festgelegten Lärmpegel überschritten. Schon beim Leerlauf des Motors eines Lastkraftwagens werden Geräusche verursacht, die auf der Terrasse des Hauses des Zeugen W einen Lärmpegel von mehr als 80 dBA erreichen. In der Nachtzeit werden die festgelegten Geräuschpegel auch dadurch überschritten, daß Lastkraftwagen anderer Speditionsunternehmen auf das Betriebsgelände der Firma P.-GmbH fahren und dort be- oder entladen werden oder auf den Ladevorgang warten. Dem Betr. war und ist dieser Betriebsablauf mit den damit verbundenen Störungen der Anwohner bekannt. Auch hat er Kenntnis von dem Inhalt der Ordnungsverfügung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes und des Urteils des BGH. Zur Verminderung der Geräusche hat er verschiedene Maßnahmen erprobt. Er hat die Stahlplatten, über die die Gabelstapler fahren, ausschäumen lassen, aber damit nur eine ganz unwesentliche Geräuschminderung erreicht. Er hat ferner eine innerbetriebliche Anweisung erlassen, daß insbesondere in der Nachtzeit geräuschstarke Arbeiten zu unterlassen seien. Ihm ist allerdings auch bekannt, daß diese Anweisung nicht von allen Kraftfahrzeugführern, insbesondere von betriebsfremden Fahrzeugführern eingehalten werden. Als weitere Maßnahme zur Verminderung von Geräuschemissionen war die Errichtung einer 5,3 m hohen Mauer zwischen dem Betriebsgelände der P.-GmbH und den angrenzenden Wohnhäusern erwogen worden. Dieser Plan scheiterte daran, daß die Anwohner die hierzu erforderliche nachbarrechtliche Genehmigung nicht erteilten. Zur Zeit betreibt die P.-GmbH die Auslagerung ihres Unternehmens in ein reines Gewerbegebiet. Derzeit wird das Betriebsgelände weiterhin in dem beschriebenen Umfange genutzt. So wurden am 20. 3. 1990 zwischen 22.40 Uhr und 23.25 Uhr auf diesem Betriebsgelände wiederum umfangreiche Be- und Entladearbeiten durchgeführt, wobei wiederum Elektrogabelstapler über die genannten Stahlplatten fuhren. Außerdem fuhren Lastkraftwagen auf das Betriebsgelände auf. Der dadurch verursachte erhebliche Lärm war im Hause des Zeugen W zu vernehmen. Es war unmöglich, bei offenem Fenster zu schlafen. Der Betr. war zwar nicht auf dem Betriebsgelände anwesend. Ihm war jedoch bekannt, daß zu dieser Zeit Lastkraftwagen auf dem Gelände eintrafen. Zu diesem Zweck war auch Personal der P.-GmbH zum Be- und Entladen abgestellt. Das AG hat der Einlassung des Betr., er sehe keine Möglichkeit, bei sinnvoller Fortführung des Geschäftsbetriebes, die festgelegten Geräuschpegelwerte einzuhalten, keine Bedeutung beigemessen.
Auszüge aus den Gründen:
1. Der festgestellte Sachverhalt belegt, daß der Betr. am 20. 3. 1990 den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung gegen den § NRWIMSCHG § 9 NRWIMSCHG § 9 Absatz I NRWImSchG erfüllt hat.
a) Nach dieser Vorschrift sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind. Ordnungswidrig nach § NRWIMSCHG § 17 NRWIMSCHG § 17 Absatz I lit. d NRWImSchG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine solche Betätigung ausübt.
Zu “Betätigungen” i. S. des § NRWIMSCHG § 9 NRWIMSCHG § 9 Absatz I NRWImSchG zählt als aktives Tun das ruhestörende Betreiben von Anlagen und das hiervon unabhängige ruhestörende Verhalten von Personen (vgl. Boisseree-Oels-Hansman-Schmitt, ImmissionsschutzR, Stand: Februar 1983, NRWImSchG § NRWIMSCHG § 9 Erl. 1.1.; Wiethaup, Lärmbekämpfung in der BRep. Dtschld. 2. Aufl., S. 158; Senat, NJW 1990, NJW Jahr 1990 Seite 1676 = NRWJMBl 1990, 154 = wistra 1990, WISTRA Jahr 1990 Seite 164 = DWW 1990, DWW Jahr 1990 Seite 118 = ZMR 1990, ZMR Jahr 1990 Seite 183 = OLGSt § LIMSCHG § 9 LImSchG Nr. 1 und Senat, NJW 1991, NJW Jahr 1991 Seite 1625).
Wann eine Störung der Nachtruhe vorliegt, richtet sich nach der Intensität und Dauer des Lärms und nach dem Charakter des Gebiets (Industriegebiet, Gewerbegebiet, Gebiet mit gemischter Nutzung, reines Wohngebiet), in dem sich der Lärm auswirkt (vgl. Senat, NJW 1991, NJW Jahr 1991 Seite 1625 und NJW 1990, NJW Jahr 1990 Seite 1676 = NRWJMBl 1990, 154 = wistra 1990, WISTRA Jahr 1990 Seite 164 = DWW 1990, DWW Jahr 1990 Seite 118 = ZMR 1990, ZMR Jahr 1990 Seite 183 = OLGStG 9 LImSchG Nr. 1, sowie NVwZ 1984, NVWZ Jahr 1984 Seite 197 = NRWJMBl 1983, 186).
b) Die Feststellungen tragen in ausreichendem Maße die Annahme von Lärm, der die Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 6 Uhr am 20. 3. 1990 zu stören geeignet war.
aa) Dies wird durch die rechtsfehlerfrei festgestellten Lärmbelästigungen belegt, die auf dem Betriebsgelände der Firma P.-GmbH dadurch hervorgerufen wurden, daß dort an der Laderampe in der Zeit von 22.40 Uhr bis 23.25 Uhr Lastkraftwagen be- und entladen wurden und zu diesem Zweck Gabelstabler eingesetzt wurden, die über die ausgelegten Stahlplatten fuhren. Durch den dadurch und durch - ersichtlich mit laufendem Motor - wartende Lastkraftwagen verursachten Lärm war ein Schlafen in dem nur etwa 50 Meter entfernten Haus des Zeugen W bei geöffnetem Fenster unmöglich. Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zudem zu entnehmen, daß der durch die auf dem Betriebsgelände der Firma P.-GmbH am 20. 3. 1990 durchgeführten Ladearbeiten erzeugte Lärm die Werte überschritt, die durch die Ordnungsverfügung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes vom 7. 6. 1985 und durch das Urteil des BGH aus dem Jahre 1989 festgesetzt worden waren. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, daß es sich bei dem Gebiet, in dem sich der Lärm ausgewirkt hat, um ein solches mit gemischter Nutzung handelt und daß es zu einem nicht unerheblichen Teil Wohnzwecken dient.
bb) Zu Recht hat das AG dem Betr. unmittelbar den Vorwurf der Zuwiderhandlung gegen § NRWIMSCHG § 9 NRWIMSCHG § 9 Absatz I NRWImSchG angelastet und ihn nicht - lediglich - wegen Verstoßes gegen § OWIG § 130 OWiG zur Verantwortung gezogen.
Das AG hat insoweit ausgeführt:
“Der Betr. ist als Geschäftsführer der P.-GmbH verantwortlich für den Betriebsablauf und die damit verbundenen Immissionen. Die gegen die P.-GmbH gerichtete Ordnungsverfügung des Gewerbeaufsichtsamtes und das Urteil des BGH waren ihm zur Tatzeit bekannt. Er hat keine wirksamen Abhilfemaßnahmen vorgenommen, um Störungen der Anwohner zur Nachtzeit zu verhindern. Ihm war bekannt, daß in der Nacht des 20. 3. 1990 Lastkraftwagen auf dem Betriebsgelände eintreffen würden, um dort noch in der Nacht entladen zu werden. Dies hätte der Betr. wirksam dadurch unterbinden können, daß er das Tor zum Betriebsgelände schließen ließ. Dem Betr. war auch bekannt, daß seine betriebliche Anweisung, zur Nachtzeit vermeidbaren Lärm zu unterlassen, nicht wirksam umgesetzt wurde.
Die Schließung des Betriebsgeländes zur Nachtzeit war dem Betr. auch zumutbar. Dabei ist zwar nicht zu übersehen, daß ein Speditionsunternehmen wie die P.-GmbH, die insbesondere mit der Anlieferung von Zeitungen und Zeitschriften befaßt ist, auf zügigen Weitertransport angewiesen ist, um wirtschaftlich zu arbeiten. Diese wirtschaftlichen Interessen müssen jedoch zur Nachtzeit gegenüber dem Interesse der Anwohner an ungestörter Nachtruhe zurücktreten, wenn - wie hier - das Unternehmen vom Gebietscharakter her einer gemischten Nutzung unterliegt. Es ist nicht ersichtlich, daß der Betroffene als Geschäftsführer der GmbH die Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen nicht gegenüber den Gesellschaftern hätte durchsetzen können."
Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
(1) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, der Betr. sei nicht Geschäftsführer der P.-GmbH, kann dies von dem RechtsbeschwerdeGer. nicht beachtet werden, da es von den allein maßgeblichen Tatsachenfeststellungen des Tatrichters auszugehen hat und - im Falle der wie hier allein erhobenen Sachrüge - lediglich zu prüfen hat, ob dieser auf den festgestellten Sachverhalt das sachliche Recht zutreffend angewendet hat oder ob ihm dabei zum Nachteil des Betr. Rechtsfehler unterlaufen sind. Solche Rechtsfehler hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung nicht aufgezeigt. Die Verantwortlichkeit des Betr. als Geschäftsführer der P.-GmbH für den Verstoß gegen § NRWIMSCHG § 9 NRWIMSCHG § 9 Absatz I NRWImSchG ergibt sich aus § OWIG § 9 OWIG § 9 Absatz I Nr. 1 OWiG.
Im übrigen kann nach den Feststellungen die Verantwortlichkeit des Betr. für die Lärmverursachung auch dann nicht zweifelhaft sein, wenn er nicht zum Geschäftsführer bestellt worden sein sollte. In diesem Fall ergäbe sich seine Verantwortlichkeit aus § OWIG § 9 OWIG § 9 Absatz II 1 Nr. 2 OWiG.
(2) Eine Verurteilung des Betr. wegen Verstoßes gegen § OWIG § 130 OWIG § 130 Absatz I OWiG scheidet dagegen aus.
Der Betr. hat zwar betriebsbezogene Pflichten verletzt. In einem solchen Fall ist § OWIG § 130 OWiG jedoch lediglich Auffangtatbestand. Er greift nur ein, wenn die Handlung oder das ihm gleichgestellte Unterlassen des Aufsichtspflichtigen nicht selbst bereits als Verstoß gegen die betriebsbezogene Pflicht zu werten ist (vgl. Senat ZLR 1980, ZLR Jahr 1980 Seite 52 (ZLR Jahr 1980 Seite 54) und Beschl. v. 14. 5. 1980 - 5 Ss (OWi) 171/80 - 153/80 I; KG, JR 1972, JR Jahr 1972 Seite 121 f.; Göhler, OWiG, 9. Aufl., § 130 Rdnrn. 27-27a m. w. Nachw.).
Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Der Betr. war als Geschäftsführer der P.-GmbH verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß auf dem Betriebsgelände keine Betätigungen ausgeübt wurden, die geeignet waren, die Nachtruhe der Anwohner zu stören. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen. Obwohl er seit Jahren davon wußte, daß die Anwohner durch die nächtlichen Ladevorgänge auf dem Betriebsgelände der P.-GmbH in ihrer Nachtruhe gestört wurden und die von ihm angeordneten und durchgeführten Maßnahmen keine Abhilfe gebracht hatten, hat er erneut am 20. 3. 1990 zugelassen, daß solche Ladearbeiten durchgeführt wurden. Er ist daher für die Erfüllung des Tatbestandes des § NRWIMSCHG § 9 NRWIMSCHG § 9 Absatz I NRWImSchG unmittelbar verantwortlich.
2. Die Feststellungen belegen entgegen der Annahme des AG nicht einen fahrlässigen, sondern vielmehr einen vorsätzlichen Verstoß des Betr. gegen § NRWIMSCHG § 9 NRWIMSCHG § 9 Absatz I NRWImSchG. Dieser wußte, daß am 20. 3. 1990 in der Nachtzeit Lastkraftwagen auf das Betriebsgelände fuhren und dort beladen und entladen wurden. Er wußte auch, daß dabei erheblicher Lärm, insbesondere durch das Befahren der Stahlplatten mit Gabelstaplern verursacht wurde. Er sah lediglich keine Möglichkeit, diesen die Nachtruhe der Anwohner störenden Lärm zu verhindern.
Die Annahme eines, wenn auch vermeidbaren Verbotsirrtums - wie das AG meint, - scheidet bei diesem Sachverhalt aus. Davon abgesehen würde ein solcher - entgegen der Auffassung des AG - nicht den Vorsatz ausschließen (vgl. § OWIG § 11 OWIG § 11 Absatz II OWiG).
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert, wozu er nach § OWIG § 79 OWIG § 79 Absatz VI OWiG befugt ist. Eines vorherigen Hinweises nach §§ OWIG § 71 OWIG § 71 Absatz I OWiG, STPO § 265 StPO bedurfte es nicht, da auszuschließen ist, daß der Betr. sich im Falle eines solchen Hinweises anders als geschehen hätte verteidigen können.
3. Die Überprüfung der Bemessung der verhängten Geldbuße aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung hat keinen den Betr. benachteiligenden Rechtsfehler aufgedeckt.
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