Keine Pflicht des Arbeitgebers zur Auskunft gegenüber erfolglosen Mitbewerbern
Gericht
EuGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
19. 04. 2012
Aktenzeichen
C-415/10
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22), Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16) und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Meister und der Speech Design Carrier Systems GmbH (im Folgenden: Speech Design) über eine von ihr geltend gemachte Diskriminierung wegen des Geschlechts, des Alters und der ethnischen Herkunft in einem Einstellungsverfahren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2000/43
Der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43 lautet: „Die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, obliegt den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten. In diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen sein, dass mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.“
Der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet: „Eine Änderung der Regeln für die Beweislastverteilung ist geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verlagerung der Beweislast auf die beklagte Partei erforderlich, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist.“
Art. 1 der Richtlinie lautet:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf:
a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg;
…“
Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.“
Art. 8 („Beweislast“) der Richtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
(2) Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für den Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Strafverfahren.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für Verfahren gemäß Artikel 7 Absatz 2.
(5) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt.“
Richtlinie 2000/78
Der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 lautet: „Die Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, obliegt den einzelstaatlichen gerichtlichen Instanzen oder anderen zuständigen Stellen nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten; in diesen einzelstaatlichen Vorschriften kann insbesondere vorgesehen sein, dass mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.“
Der 31. Erwägungsgrund der Richtlinie lautet: „Eine Änderung der Regeln für die Beweislast ist geboten, wenn ein glaubhafter Anschein einer Diskriminierung besteht. Zur wirksamen Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist eine Verlagerung der Beweislast auf die beklagte Partei erforderlich, wenn eine solche Diskriminierung nachgewiesen ist. Allerdings obliegt es dem Beklagten nicht, nachzuweisen, dass der Kläger einer bestimmten Religion angehört, eine bestimmte Weltanschauung hat, eine bestimmte Behinderung aufweist, ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte sexuelle Ausrichtung hat.“
Art. 1 der Richtlinie lautet:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“
In Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:
„Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs;
…“
Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.“
Art. 10 („Beweislast“) der Richtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
(2) Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für den Kläger günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Strafverfahren.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten auch für Verfahren gemäß Artikel 9 Absatz 2.
(5) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen Stelle obliegt.“
Richtlinie 2006/54
Der 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54 lautet:
„Der Erlass von Bestimmungen zur Beweislast ist wesentlich, um sicherzustellen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung wirksam durchgesetzt werden kann. Wie der Gerichtshof entschieden hat, sollten daher Bestimmungen vorgesehen werden, die sicherstellen, dass die Beweislast – außer im Zusammenhang mit Verfahren, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder der zuständigen nationalen Stelle obliegt – auf die beklagte Partei verlagert wird, wenn der Anschein einer Diskriminierung besteht. Es ist jedoch klarzustellen, dass die Bewertung der Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, weiterhin der einschlägigen einzelstaatlichen Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten obliegt. Außerdem bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, auf jeder Stufe des Verfahrens eine für die klagende Partei günstigere Beweislastregelung vorzusehen.“
In Art. 1 der genannten Richtlinie heißt es:
„Ziel der vorliegenden Richtlinie ist es, die Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sicherzustellen.
Zu diesem Zweck enthält sie Bestimmungen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in Bezug auf
a) den Zugang zur Beschäftigung einschließlich des beruflichen Aufstiegs und zur Berufsbildung,
…“
In Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie heißt es:
„Im öffentlichen und privaten Sektor einschließlich öffentlicher Stellen darf es in Bezug auf folgende Punkte keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben:
a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position einschließlich des beruflichen Aufstiegs;
…“
Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie gegebenenfalls nach Inanspruchnahme anderer zuständiger Behörden oder, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, nach einem Schlichtungsverfahren auf dem Gerichtsweg geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.“
Art. 19 („Beweislast“) der Richtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen im Einklang mit dem System ihrer nationalen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Maßnahmen, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.
(2) Absatz 1 lässt das Recht der Mitgliedstaaten, eine für die klagende Partei günstigere Beweislastregelung vorzusehen, unberührt.
(3) Die Mitgliedstaaten können davon absehen, Absatz 1 auf Verfahren anzuwenden, in denen die Ermittlung des Sachverhalts dem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle obliegt.
(4) Die Absätze 1, 2 und 3 finden ebenfalls Anwendung auf
a) die Situationen, die von Artikel 141 des [EG-]Vertrags und – sofern die Frage einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts angesprochen ist – von den Richtlinien 92/85/EWG und 96/34/EG erfasst werden;
b) zivil- und verwaltungsrechtliche Verfahren sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor, die Rechtsbehelfe nach innerstaatlichem Recht bei der Anwendung der Vorschriften gemäß Buchstabe a vorsehen, mit Ausnahme der freiwilligen oder in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen außergerichtlichen Verfahren.
(5) Soweit von den Mitgliedstaaten nicht anders geregelt, gilt dieser Artikel nicht für Strafverfahren.“
Nationales Recht
§ 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. 2006 I S. 1897) in der zu dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung (im Folgenden: AGG) bestimmt:
„Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“
§ 3 Abs. 1 AGG lautet:
„Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.“
§ 6 Abs. 1 AGG bestimmt:
„Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.“
Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
§ 15 Abs. 2 AGG lautet:
„Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.“
§ 22 AGG bestimmt:
„Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.“
Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits und Vorlagefragen
Frau Meister wurde am 7. September 1961 geboren und ist russischer Herkunft. Sie ist Inhaberin eines russischen Diploms als Systemtechnik-Ingenieurin, dessen Gleichwertigkeit mit einem von einer Fachhochschule erteilten deutschen Diplom in Deutschland anerkannt wurde.
Speech Design veröffentlichte in der Presse eine Stellenanzeige für „eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/‑in“, auf die sich Frau Meister am 5. Oktober 2006 bewarb. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 lehnte Speech Design ihre Bewerbung ab, ohne sie zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Kurz danach erschien im Internet eine zweite Stellenanzeige von Speech Design, deren Inhalt dem der ersten Anzeige entsprach. Am 19. Oktober 2006 bewarb sich Frau Meister erneut um die Stelle, doch lehnte Speech Design ihre Bewerbung wiederum ab, ohne sie zu einem Gespräch einzuladen und ohne Gründe für diese Ablehnung anzugeben.
Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Speech Design geltend machte, die Qualifikation von Frau Meister entspreche nicht den Anforderungen für die zu besetzende Stelle.
Frau Meister war der Ansicht, dass sie die Anforderungen für die betreffende Stelle erfülle und wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft ungünstiger behandelt worden sei als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Sie erhob daher beim Arbeitsgericht Klage gegen Speech Design und beantragte, diese erstens zur Zahlung von Schadensersatz wegen Diskriminierung bei der Beschäftigung und zweitens zur Vorlage der Bewerbungsunterlagen des eingestellten Bewerbers zu verurteilen, um ihr den Nachweis zu ermöglichen, dass sie besser qualifiziert sei als Letzterer.
Gegen das Urteil, mit dem ihre Klage in erster Instanz abgewiesen wurde, legte Frau Meister beim Landesarbeitsgericht Berufung ein, die ebenfalls erfolglos blieb. Daraufhin legte Frau Meister Revision zum Bundesarbeitsgericht ein. Dieses Gericht fragt sich, ob Frau Meister auf der Grundlage der Richtlinien 2000/43, 2000/78 und 2006/54 einen Auskunftsanspruch geltend machen kann und, wenn ja, welche Folgen eine Auskunftsverweigerung durch Speech Design haben würde.
Unter diesen Umständen hat das Bundesarbeitsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54, Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 und Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin gehend auszulegen, dass einem Arbeitnehmer, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, im Falle seiner Nichtberücksichtigung ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Auskunft eingeräumt werden muss, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und, wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist?
2. Falls die erste Frage bejaht wird:
Ist der Umstand, dass der Arbeitgeber die geforderte Auskunft nicht erteilt, eine Tatsache, welche das Vorliegen der vom Arbeitnehmer behaupteten Diskriminierung vermuten lässt?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin gehend auszulegen sind, dass sie für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, einen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat und, wenn ja, aufgrund welcher Kriterien.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/43, Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 sowie Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54 ergibt, dass diese Richtlinien für eine Person gelten, die eine Beschäftigung sucht, und zwar auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung.
Ferner sehen Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 im Wesentlichen vor, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrem nationalen Gerichtswesen die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass immer dann, wenn Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für verletzt halten und bei einem Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung dieses Grundsatzes vorgelegen hat.
Die genannten Bestimmungen sind nahezu wortgleich mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (ABl. 1998, L 14, S. 6), mit dessen Auslegung sich der Gerichtshof u. a. in seinem Urteil vom 21. Juli 2011, Kelly (C‑104/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), befasst hat. Art. 4 Abs. 1, der wie die gesamte Richtlinie 97/80 durch die Richtlinie 2006/54 mit Wirkung zum 15. August 2009 aufgehoben wurde, sah für Fälle der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dieselbe Beweislastregelung vor wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Richtlinien.
Zur Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 97/80 hat der Gerichtshof in Randnr. 30 des Urteils Kelly entschieden, dass es der Person obliegt, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, zunächst Tatsachen glaubhaft zu machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen. Nur wenn diese Person solche Tatsachen glaubhaft macht, hat der Beklagte sodann nachzuweisen, dass keine Verletzung des Diskriminierungsverbots vorliegt.
Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass es dem einzelstaatlichen Gericht oder einer anderen zuständigen Stelle obliegt, die Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten zu bewerten (Urteil Kelly, Randnr. 31), wie es der 15. Erwägungsgrund der Richtlinien 2000/43 und 2000/78 sowie der 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54 vorsehen.
Der Gerichtshof hat darüber hinaus klargestellt, dass mit der Richtlinie 97/80 nach ihrem Art. 1 eine wirksamere Durchführung der Maßnahmen gewährleistet werden sollte, die von den Mitgliedstaaten in Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes getroffen werden, damit jeder, der sich wegen Nichtanwendung dieses Grundsatzes auf ihn für beschwert hält, seine Rechte nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen gerichtlich geltend machen kann (Urteil Kelly, Randnr. 33). In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass auch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 und Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 auf diesen Grundsatz Bezug nehmen.
Der Gerichtshof ist daher in Randnr. 34 des Urteils Kelly zu dem Ergebnis gekommen, dass Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 97/80 zwar keinen spezifischen Anspruch einer Person, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, auf Einsichtnahme in Informationen vorsieht, um sie in die Lage zu versetzen, „Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen“, gemäß dieser Bestimmung glaubhaft zu machen, dass jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Verweigerung von Informationen durch den Beklagten im Rahmen des Nachweises solcher Tatsachen die Verwirklichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels beeinträchtigen und insbesondere der genannten Bestimmung ihre praktische Wirksamkeit nehmen kann.
Wie bereits in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, wurde die Richtlinie 97/80 durch die Richtlinie 2006/54 aufgehoben und ersetzt. Im Hinblick auf den Wortlaut und die Systematik der Artikel, die Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens sind, gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass der Richtlinien 2000/43, 2000/78 und 2006/54 die durch Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 97/80 eingeführte Beweislastregelung ändern wollte. Infolgedessen ist im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, sicherzustellen, dass eine Verweigerung von Informationen durch den Beklagten nicht die Verwirklichung der mit den Richtlinien 2000/43, 2000/78 und 2006/54 verfolgten Ziele zu beeinträchtigen droht.
In Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 und 3 EUV heißt es, dass die Mitgliedstaaten u. a. „alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen [ergreifen], die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben“, und „alle Maßnahmen [unterlassen], die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten“; dazu gehören auch die mit den Richtlinien verfolgten Ziele (vgl. Urteil vom 28. April 2011, El Dridi, C‑61/11 PPU, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 56, und Urteil Kelly, Randnr. 36).
Daher hat das vorlegende Gericht darüber zu wachen, dass die Auskunftsverweigerung durch Speech Design im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung zum Nachteil von Frau Meister vermuten lassen, nicht die Verwirklichung der mit den Richtlinien 2000/43, 2000/78 und 2006/54 verfolgten Ziele zu beeinträchtigen droht. Es hat insbesondere bei der Klärung der Frage, ob es genügend Indizien gibt, um die Tatsachen, die das Vorliegen einer solchen Diskriminierung vermuten lassen, als nachgewiesen ansehen zu können, alle Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinien 2000/43 und 2000/78 sowie dem 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54 nationale Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere vorsehen können, dass eine mittelbare Diskriminierung mit allen Mitteln, einschließlich statistischer Beweise, festzustellen ist.
Zu den Gesichtspunkten, die in Betracht gezogen werden können, gehört insbesondere der Umstand, dass, anders als in der Rechtssache, in der das Urteil Kelly ergangen ist, der Arbeitgeber, um den es im Ausgangsverfahren geht, Frau Meister jeden Zugang zu den Informationen verweigert zu haben scheint, deren Übermittlung sie begehrt.
Darüber hinaus können, wie der Generalanwalt in den Nrn. 35 bis 37 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, insbesondere auch die Tatsache herangezogen werden, dass Speech Design nicht bestreitet, dass die Qualifikation von Frau Meister den Anforderungen in der Stellenanzeige entspricht, sowie die beiden Umstände, dass der Arbeitgeber sie gleichwohl nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat und dass sie auch im Rahmen des neuen Verfahrens zur Auswahl unter den Bewerbern um die Besetzung der betreffenden Stelle nicht eingeladen wurde.
Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin gehend auszulegen sind, dass sie für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.
Zur zweiten Frage
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage des vorlegenden Gerichts nicht beantwortet zu werden.
Kosten
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:
Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen sind dahin gehend auszulegen, dass sie für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.
Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies im Ausgangsverfahren der Fall ist.
Unterschriften
** Verfahrenssprache: Deutsch.
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