Anwaltswerbung „Experte“ / „Spezialist“

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

27. 01. 2012


Aktenzeichen

5 U 191/10


Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin vom 25. November 2010 - 52 O 142/10 - teilweise geändert:

    Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

A. Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen einschließlich der wiedergegebenen Anträge im angefochtenen Urteil (nachfolgend: „LGU“ nebst Seitenzahl des Umdrucks) mit den folgenden Ergänzungen und Korrekturen Bezug genommen:

Zu LGU 3 (Abs. 3): Die Wiedergabe der Zeitungsartikelüberschrift auf http://www.s...eu stellte sich bei der am 30. April 2010 erfolgten Klageeinreichung wie folgt dar (vgl. Anlage K 1):

Das Anklicken von „Lesen Sie den kompletten Artikel“ führte am 30. April 2010 zu http://www.s...html (vgl. Anlage K 4) mit u. a. folgenden Bestandteilen:

Presse über s...com

Das B... Experten-Team

(Zeitung: B... vom 10.09.2007)

Zu LGU 3 (letzter Absatz): Der von der Klägerin beanstandete Begriff „Experten-Kanzlei“ stellte sich am 10. November 2009 im Rahmen eines Banners auf http://www.s...eu wie folgt dar (vgl. Anlage K 10):

Zu LGU 4 (Abs. 1): Die gerügte Bezeichnung vom 1. Februar 2010 fand sich seinerzeit auf http://www.s...eu als kleingedruckter Absatz im unteren Bereich (vgl. Anlage K 12), und zwar wie folgt:

Ihre Interessen werden bundesweit ohne zusätzliche Kosten vor allen deutschen Amts- und Landgerichten vertreten. Die Spezialkanzlei für Trennung, Unterhalt und Fragen rund um das Familienrecht liegt in unmittelbarer Nähe zum K1. in B..

LGU 4-5 (Klägerantrag): Die Klägerin hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 4. November 2010 (Bd. I Bl. 92-93 d. A.) ihren Klageantrag aus der Klageschrift mit der Maßgabe gestellt, dass es am Ende heißt: „insbesondere, wenn dies geschieht wie in Anlage K 1-K 3“.

Die Beklagte hat ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 4. November 2010 (Bd. I Bl. 92-93 d. A.) in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung - persönlich gehört - ausdrücklich erklärt, sich nicht „Spezialistin für Scheidungsrecht, Trennung und Unterhalt“ nennen zu wollen.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, (unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel)

es zu unterlassen, sich im Wettbewerb mit rechtsanwaltlichen Dienstleistungen handelnd als Expertin für Familien- oder Scheidungsrecht zu bezeichnen, insbesondere wörtlich oder sinngemäß folgende Bezeichnung in Bezug auf ihre rechtsanwaltliche Tätigkeit zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, insbesondere wenn dies auf ihren Internetseiten unter www.s...com, www.s...eu oder www.k...de geschieht:

- „Experten-Kanzlei Scheidung“,

und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hiergegen wenden sich sowohl die Beklagte als auch die Klägerin mit ihren - jeweils form- und fristgerecht eingelegten und begründeten - Berufungen, wobei die Beklagte die vollumfängliche Klageabweisung und die Klägerin eine weiter gehende Verurteilung zur Unterlassung erstreben.

Zu ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Hinsichtlich § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA fehle es im Streitfall bereits an einem „Zusatz“ zur Berufsbezeichnung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LG vom 25.11.2010 insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt worden ist, unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festgesetzten Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu 2 Jahren, es zu unterlassen,

sich im Wettbewerb mit rechtsanwaltlichen Dienstleistungen handelnd als Expertin für Familien- und Scheidungsrecht zu bezeichnen, insbesondere wörtlich oder sinngemäß folgende Bezeichnung in Bezug auf ihre rechtsanwaltliche Tätigkeit zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, insbesondere wenn dies auf ihren Internetseiten unter www.s...com, www.s...eu oder www.k...de geschieht:

- „Experten-Kanzlei Scheidung“,

und auch insoweit die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt - soweit ihr günstig - die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr diesbezügliches erstinstanzliches Vorbringen. Wenn sich ein Rechtsanwalt selbst als „Experte“ in Scheidungssachen bzw. als entsprechende „Experten-Kanzlei Scheidung“ bezeichne, erwarte der Adressat der Werbung eine Qualifikation, die im Hinblick auf die theoretischen Kenntnisse und die praktische Erfahrung mehr als die Anforderungen erfülle, die an einen Fachanwalt des entsprechenden Gebiets zu stellen seien.

Zu ihrer eigenen Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr diesbezügliches erstinstanzliches Vorbringen. Es sei nicht möglich, der Beklagten die Benutzung „Spezialistin“ nicht zu untersagen, während die Benutzung der - bedeutungsidentischen - Bezeichnung „Expertin“ - zu Recht - verboten worden sei. Hilfsweise folge die Untersagung der Verwendung der Bezeichnung „Spezialistin“ auch aus der mit dem Verhalten der Beklagten verbundenen Erstbegehungsgefahr. Das Vorbringen der Beklagten gehe über die bloße Verteidigung hinaus. Sie habe deutlich gemacht, sich als „Spezialistin“ bezeichnen zu dürfen. In dem die Beklagte Zeitungsausschnitte etc. (mit hier angegriffenen Werbeaussagen) auf ihren Internetseiten verwende, habe sie sich diese Drittäußerungen werblich zueigen gemacht. Der Verbraucher werde die Zeitungsausschnitte als Referenz für die Eigenbezeichnung als Experten verstehen. Auch sei mit Blick auf den Umstand, dass gerade „Medien-Experten“ gehäuft mit juristischen Büchern auf den Markt kämen, die Trennung zwischen einem solchen „Medien-Experten“ und einem Experten im Sinne des Anwaltsrechts bzw. Wettbewerbsrechts nicht hinreichend klar zu sehen. Bei der Wendung „Spezialkanzlei für Trennung, Unterhalt und Fragen rund um das Familienrecht“ sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass der Durchschnittsbürger die Bezeichnung als „Kanzlei von Spezialisten“ verstehe. Auch soweit die Beklagte in den über ihre Webseiten erreichbaren Zeitungsartikeln in Bezug auf Scheidungsrecht als „Expertin G.“ bezeichnet werde, erscheine dies als werbliche Referenz auf die Eigenbezeichnung „Experten-Kanzlei Scheidung“ und werde vom Verbraucher demnach entsprechend verstanden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. November 2010 (52 O 142/10) abzuändern und die Beklagte weitergehend unter Androhung eines in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, oder einer in jedem Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungshaft von bis zu zwei Jahren zu verurteilen, es zu unterlassen,

sich im Wettbewerb mit rechtsanwaltlichen Dienstleistungen handelnd als Expertin oder Spezialistin für familienrechtliche Fragen zu bezeichnen und/oder bezeichnen zu lassen, insbesondere wörtlich oder sinngemäß folgende Bezeichnungen in Bezug auf ihre rechtsanwaltliche Tätigkeit zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, insbesondere wenn dies auf ihren Internetseiten unter www.s...com, www.s...eu oder www.k...de geschieht:

„Spezialkanzlei für Trennung, Unterhalt und Fragen rund um das Familienrecht“,

„K. G. spezialisiert auf alle Fragen rund um das Familienleben“,

„Spezialisiert auf alle Fragen rund um das Familien- und Scheidungsrecht“,

in Bezug auf Scheidungsrecht: „Expertin G.“,

insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlage K 1-K 3.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt - soweit ihr günstig - die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr diesbezügliches erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

B. Beide Rechtsmittel gegen das landgerichtliche Urteil sind statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat aber nur die Berufung der Beklagten Erfolg, wohingegen die Berufung der Klägerin unbegründet ist.


I.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht die lauterkeitsrechtliche Unterlassungsklage bezüglich eines Teils der „Experten“-Werbung für begründet erachtet, im Einzelnen:

1. Nach Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Nr. 11, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 8 Abs. 1 UWG i. V. mit § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA zu, soweit die Beklagte sich als Expertin für familienrechtliche Fragen bezeichnet, insbesondere auf ihren Webseiten mit der Bezeichnung „Experten-Kanzlei Scheidung“ wirbt (LGU 6 ff.). Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

2. Als insoweit konkret gerügte Verletzungshandlung zur (optischen) Kenntnis des Gerichts gebrachten Vorfall gibt es einen Ausdruck aus dem Internetauftritt der Beklagten (http://www.s...eu/) vom 10. November 2009 gemäß Anlage K 10. Dort befand sich seinerzeit das folgende Banner:

Mit diesem Banner verstößt die Beklagte weder gegen § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BORA, noch handelt sie unlauter gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

3. Im Zusammenhang mit § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA weist die Berufung mit Recht darauf hin, dass insoweit schon kein „Zusatz“ i. S. dieser Vorschrift vorliegt, denn dies setzt das Bestehen einer inhaltlichen oder räumlichen Verbindung zu der amtlichen Berufsbezeichnung voraus (vgl. BVerfG NJW 2010, 3705, Tz. 17). Das ist hier aber nicht der Fall, denn mit der amtlichen Berufsbezeichnung der Klägerin („Rechtsanwältin“) steht die Werbeaussage

„IHRE EXPERTEN-KANZLEI

S...COM

holt für Sie die Kastanien aus dem Feuer“

weder in inhaltlicher noch - nach Ausgestaltung der Anlage K 10 - in räumlicher Verbindung.

4. Im Übrigen greift (auch) § 7 Abs. 2 BORA nicht durch. Die Werbeaussage

„IHRE EXPERTEN-KANZLEI

S...COM

holt für Sie die Kastanien aus dem Feuer“

ist keine Benennung, welche die Gefahr einer Verwechslung mit einer Fachanwaltschaft (hier etwa: „Fachanwalt für Familienrecht“) begründet. Die Aussage ist auch nicht in sonstiger Weise irreführend (dazu sogleich im Rahmen von § 5 UWG).

5. Entgegen der Annahme des Landgerichts stellt die Werbeaussage

„IHRE EXPERTEN-KANZLEI

S...COM

holt für Sie die Kastanien aus dem Feuer“

auch keine irreführende geschäftliche Handlung i. S. von § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG hinsichtlich der Befähigung der beklagten Rechtsanwältin dar.

a) Zwar verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die Werbung, wovon das Landgericht insoweit mit Recht ausgeht (vgl. LGU 7 unten), dahin gehend, dass in der beworbenen Kanzlei Experten für „Scheidung“ tätig sind, was nahe legt, dass die zu dieser Kanzlei gehörende Beklagte insoweit eine Expertin im Bereich „Scheidung“ ist. Nicht zugestimmt werden kann aber der Beurteilung des Landgerichts, dass die so geweckten Erwartungen der dargelegten Qualifikation der Beklagten nicht entsprächen.

b) Nach den landgerichtlichen Feststellungen ist die Beklagte seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft und seit 2005 zur Berliner Rechtsanwaltschaft zugelassen, hat seit 2005 eine eigene Kanzlei und baute seither ihren Internetauftritt unter www.s...eu, www.s...com und www.k...de auf, auf denen sie ihre Dienstleistungen bewirbt (LGU 3). Aus den Jahren 2006 und 2007 gibt es Zeitungsartikel (u. a.) aus „B...“, wo die Beklagte (für Fragen rund um das Familien- und Scheidungsrecht) einem „B...-Experten-Team“ zugerechnet bzw. als „Expertin G.“ bezeichnet wurde (Anlage K 4).

c) Die Beklagte hat vorgetragen, während ihres Vorbereitungsdienstes für eine Fachanwältin für Familienrecht tätig gewesen zu sein, seit Jahren nahezu ausschließlich auf dem Gebiet tätig gewesen zu sein und bereits zu Beginn ihrer Berufstätigkeit ein bestehendes familienrechtliches Dezernat mit ca. 400 laufenden Akten allein übernommen zu haben. Seit 2005 habe sie in Berlin - zunächst als freie Mitarbeiterin bei Rechtsanwälten - jeweils das Familienrecht betreut. Mit Beginn ihrer Selbstständigkeit habe sie auch regelmäßig Artikel für die „B...“ zu aktuellen Gesetzesänderungen und aktuellen BGH-Urteilen verfasst und als Mitglied des „Experten-Teams“ Fragen von Lesern beantwortet. Seit Beginn ihrer Tätigkeit habe sie im Familienrecht über 600 Mandate, 300 Fälle allein im Scheidungsrecht vertreten (LGU 5-6). Vorgerichtlich hat die Beklagte mit Schreiben vom 6. Juli 2009 (Anlage K 7) eine Auflistung mit über 300 scheidungsrechtlichen Mandaten aus der Zeit ihrer Selbstständigkeit erstellt (alle mit jeweiligem Kanzlei-Aktenzeichen und der Angabe „Scheidung, gerichtliches Verfahren, inklusive Beratung“).

Soweit die Klägerin all diese Angaben der Beklagten mit Nichtwissen bestreitet, verhilft das ihrem Begehren nicht zum durchgreifenden Erfolg. Als Anspruchstellerin ist die Klägerin im Ausgangspunkt für das Vorliegen einer Irreführung (also auch die Abweichung der Wirklichkeit von der Werbeaussage) beweispflichtig (und zwar sowohl im Rahmen von § 5 UWG als auch im Rahmen von § 7 Abs. 2 BORA). Auch der insoweit - allerdings - bestehenden sekundären Darlegungslast für die Richtigkeit von Berühmungen zu Umständen aus dem eigenen betriebsinternen Bereich ist die Beklagte mit Vorstehendem (insbesondere mit der Mandatsauflistung nebst individueller Kanzleiaktenzeichenangabe) nach Auffassung des Senats in hinreichendem Ausmaß und mit hinreichender Substanz nachgekommen, so dass es nunmehr wiederum an der Klägerin gewesen wäre, zumindest Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit besagter Angaben vorzutragen. Dies ist aber nicht geschehen und solche Anhaltspunkte sind (dem Senat) auch nicht anderweit ersichtlich, so dass von der Richtigkeit dieser Angaben auszugehen ist.

d) Vorstehende unter b und c wieder gegebenen Fakten genügen in ihrer Gesamtheit, um der mit der konkret angegriffenen Werbung geweckten Erwartungshaltung des Verkehrs zu genügen. Dabei darf nicht übersehen werden, dass der Durchschnittsverbraucher - der Senat (Einzelrichter) kann das als von der Werbung selbst Angesprochener aus eigener Anschauung beurteilen - das ersichtlich „Reklamehafte“ der in Rede stehenden Werbung erkennt und es daher für die Berechtigung der Aussage, die Beklagte gehöre zu einer „EXPERTEN-KANZLEI S...COM“, die für ihre Mandanten „die Kastanien aus dem Feuer“ hole, genügen lässt, dass die Beklagte sich seit Jahren mit Scheidungen befasst, ausgesprochen viele Mandate dazu bearbeitet hat und bearbeitet und als Mitglied eines „Experten-Teams“ bei der „B...“ auf diesem Themengebiet (u. a. auch zum Unterhaltsrecht) Leserfragen beantwortet und Artikel verfasst. Nicht dagegen wird die insoweit hervorgerufene Erwartungshaltung des Verkehrs allein deshalb enttäuscht, weil die Beklagte nicht an einschlägigen Fortbildungsveranstaltungen teilnimmt, sondern sich insoweit mit der regelmäßigen Lektüre der einschlägigen, laufenden - fachbezogenen - Veröffentlichungen (offline wie online) begnügt. Entgegen der Berufungserwiderung erwartet der Adressat der hier konkret in Rede stehenden Werbung der Beklagten auch nicht „eine Qualifikation, die im Hinblick auf die theoretischen Kenntnisse und die praktische Erfahrung mehr als die Anforderungen erfüllt, die an einen Fachanwalt des entsprechenden Gebiets zu stellen sind“.

6. Ist nach allem Vorstehenden schon die konkret feststellbare Werbung nicht zu verbieten, so gilt das erst Recht für das von der Klägerin darüber hinaus erstrebte (und vom Landgericht gleichfalls zugesprochene) „Schlechthin-Verbot“ jeglicher Selbstbezeichnung als „Expertin für Familien- oder Scheidungsrecht“. Denn der Berechtigung eines solchen Schlechthin-Verbots steht bereits der Umstand entgegen, dass Fälle denkbar sind (wie etwa vorstehende Ausführungen zu 1 bis 5 bezüglich Anlage K 10 zeigen), in denen eine solche Begriffswahl lauterkeits- und berufsrechtlich nicht zu beanstanden ist.


II.

Die Berufung der Klägerin ist demgegenüber unbegründet. Mit Recht hat das Landgericht die weiter gehende lauterkeitsrechtliche Unterlassungsklage bezüglich anderer Teile der „Experten“-Werbung sowie einer (vorgeworfenen) „Spezialisten-“ Werbung für unbegründet erachtet. Den diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts (LGU 10 ff.) wird - soweit sich aus Vorstehendem und Nachfolgendem nichts anderes ergibt - zugestimmt und in Ansehung der Berufungsangriffe lediglich (in der Reihenfolge der im LGU a. a. O. beurteilten Werbeaussagen unter „www.s...eu“) ausgeführt:

1. Die (werbende) Darstellung auf der (damaligen) Startseite (Anlage K 1) erzeugt - wie in LGU 10-11 mit Recht angenommen - keine Gefahr der Irreführung (i. S. von § 7 Abs. 2 BORA oder § 5 UWG). Der von der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher versteht das (was der Senat wiederum selbst aus eigener Anschauung, weil zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählend, beurteilen kann) den Tatsachen entsprechend, dass nämlich die angeführte Zeitung „B...“ die Beklagte für würdig befindet, Mitglieder eines (von der Zeitung so bezeichneten) „Experten-Teams“ zu sein. Dass die Beklagte nicht Mitglied eines solchen Teams gewesen wäre, behauptet auch die Berufung nicht, ebenso wenig, dass die Zeitung bei ihrer diesbezüglichen Einschätzung der Beklagten etwa einem fundamentalen Irrtum unterlegen wäre oder gar die Beklagte aus sachfremden Motiven zu Unrecht in dieses Team aufgenommen hätte.

Das Vorstehende gilt entsprechend auch für die nachfolgend abgelichtete Einbindung eines Zeitungsartikels in die (damalige) Unter-Seite „Presse ...“ (Anlage K 4), soweit dort die Beklagte gleichfalls (an zwei Stellen) einem „B... Experten-Team“ zugerechnet wird:

Presse über s...com Das B... Experten-Team (Zeitung: B... vom 10.09.2007)

2. Die Frage, ob bzw. in welchem Fall eine Werbung „Spezialistin“ (für Trennung, Unterhalt und Fragen rund um das Familienrecht bzw. für familienrechtliche Fragen) lauterkeitsrechtlich zu beanstanden wäre, stellt sich im Streitfall - wie in LGU 11-12 mit Recht angenommen - nicht. Denn es besteht keine Verletzungsgefahr. Die Beklagte warb so nie und (entgegen der Berufung) - da es insoweit stets auf die genaue Wortwahl und den genauen Kontext maßgeblich ankommt - auch nicht „kerngleich“. Daher besteht keine Wiederholungsgefahr. Und die Beklagte hat auch nur auf entsprechende - zu Unrecht generalisierende - Vorhaltungen der Klägerin (wegen anderer Werbeaussagen) im Rahmen ihrer Rechtsverteidigung ihre Meinung zum Ausdruck gebracht, dass und warum sonach vieles dafür sprechen könnte, dass man sie auch entsprechend einstufen könnte (insbesondere auch bei autodidaktischer Fortbildung anstelle des Besuchs von Fortbildungsveranstaltungen). Eine Berühmung, so in der Zukunft tatsächlich werben zu dürfen und dies auch tun zu wollen, ist diesen Ausführungen indes nicht zu entnehmen, so dass - entgegen der Berufung - auch von einer diesbezüglichen Erstbegehungsgefahr nicht ausgegangen werden kann. Im Übrigen hat die Beklagte auch in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung - persönlich gehört - ausdrücklich erklärt, sich nicht „Spezialistin für Scheidungsrecht, Trennung und Unterhalt“ nennen zu wollen.

3. Die Darstellungen im Internetauftritt auf der (damaligen) Unter-Seite „Presse ...“ (Anlage K 4) erzeugen mit den dort enthaltenen Aussagen

„K. G. spezialisiert auf alle Fragen rund um das Familienleben“

und

„K. G. - Spezialisiert auf alle Fragen rund um das Familien- und Scheidungsrecht“

- wie in LGU 12-13 im Ergebnis mit Recht angenommen - keine Gefahr der Irreführung (i. S. von § 7 Abs. 2 BORA oder § 5 UWG). Der Senat übersieht nicht die von der Klägerin angeführte - zuweilen strenge - obergerichtliche Rechtsprechung zur Werbung mit dem „Spezialisten“. Auch teilt der Senat nicht unbedingt die (wohl bestehende) Auffassung des Landgerichts, dass etwa zwischen einer Aussage, jemand sei „Spezialist (bspw.) für Familienrecht“ und einer anderen Aussage, jemand sei „spezialisiert auf (...) Familienrecht“ ein nennenswerter Unterschied semantischer oder inhaltlicher Art bestünde.

Entscheidend ist hier aber, dass in der Werbung nur die Wortwahl der Zeitung wieder gegeben wird. Die Beklagte macht sich das zwar zueigen, indem sie die Zeitungszitate in ihren Internetauftritt einbindet. An ihrer Passivlegitimation gäbe es - wäre die Wiedergabe inhaltlich zu beanstanden - also keinen Zweifel. Die Wiedergabe ist aber inhaltlich deshalb nicht zu beanstanden, weil dem Verkehr unschwer erkennbar ist, dass es die originäre Wortwahl der „B...“ ist, und er - der Durchschnittsleser - den Bedeutungsgehalt deshalb ohne Weiteres selbst zu relativieren wissen wird. Ein etwaiges verbleibendes Irreführungspotential bei einem - eher kleinen - Teil der Adressaten wäre überdies insoweit nach Auffassung des Senats im Wege einer Interessenabwägung hinzunehmen, da es der berufsausübenden Beklagten von Verfassungs wegen gestattet sein muss, auf die ihr günstige Zeitungsberichterstattung auch zu Werbezwecken hinzuweisen. Bei dem hier in Rede stehenden konkreten Internetauftritt hat der Senat sonach im Ergebnis von Lauterkeitsrechts wegen nichts gegen die Gestaltung besagter Unter-Seite mit den beiden von der Klägerin beanstandeten Aussagen einzuwenden.

4. Der von der Klägerin des Weiteren im nachfolgenden zweiten Satz beanstandeten Aussage vom 1. Februar 2010, welche sich seinerzeit auf http://www.s...eu/ als kleingedruckter Absatz im unteren Bereich befand

„Ihre Interessen werden bundesweit ohne zusätzliche Kosten vor allen deutschen Amts- und Landgerichten vertreten. Die Spezialkanzlei für Trennung, Unterhalt und Fragen rund um das Familienrecht liegt in unmittelbarer Nähe zum K1. in B.“

ist ebenfalls kein gemäß § 5 UWG oder § 7 Abs. 2 BORA verbietungswürdiges Irreführungspotenzial zu entnehmen. Die Aussage „Spezialkanzlei für Trennung, Unterhalt und Fragen rund um das Familienrecht“ ist semantisch und inhaltlich gegenüber einer - personenbezogenen, verabsolutierenden - Wendung „Spezialist für Familienrecht“ deutlich abgeschwächt und bringt im hier in Rede stehenden Kontext - entgegen der Berufung - nur einen Tätigkeitsschwerpunkt der Kanzlei der Beklagten zum Ausdruck, was für sich genommen zutrifft. Hinzu kommt, dass es sich um eine in einen sachlich-inhaltlichen Fließtext eingeflochtene Aussage handelt, die nur eine zurückhaltende Optik (kleine Schrift, unterer Rand der Internetseite) aufweist. Auch ein diesbezügliches Verbot würde nach Auffassung des Senats ohne Not übermäßig in die verfassungsrechtlich grundsätzlich gewährleistete Berufs(ausübungs)freiheit der Beklagten eingreifen.

5. Auch die (weitere) Darstellung im Internetauftritt auf der (damaligen) Unter-Seite „Presse ...“ (Anlage K 4) erzeugt mit der dort enthaltenen Aussage

„Expertin G.“

- wie in LGU 13-14 wiederum mit Recht angenommen - keine Gefahr der Irreführung (i. S. von § 7 Abs. 2 BORA oder § 5 UWG), denn es handelt sich wiederum um ein (dem Betrachter) ersichtliches Zeitungszitat (vgl. oben B II 3), welches überdies (dem Betrachter ebenfalls erkennbar) einer Zeitung entstammt, die die Beklagte in das von ihr (der Zeitung) so bezeichnete „Experten-Team“ aufgenommen hat (vgl. oben B II 1). Auch insoweit kann es der Beklagten daher aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwehrt sein, diesen redaktionellen Zeitungstext, so wie er nun einmal existiert, zu Werbezwecken in ihren Internetauftritt einzubinden.

6. Die Ausführungen in LGU 14 zur Formulierung „Anwältin für Scheidungs- und Familienrecht“ unterliegen nicht der Beurteilung des Berufungsgerichts, da diese Formulierung mit Blick auf den Unterlassungsantrag nicht streitgegenständlich ist (und überdies jene Ausführungen von der Berufung auch nicht gesondert auf- oder gar angegriffen werden).

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen (Einzelfallbeurteilung in überwiegend tatrichterlicher Würdigung).

Vorinstanzen

LG Berlin, 52 O 142/10

Rechtsgebiete

Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht; Wettbewerbsrecht; Werberecht