Flugannullierung wegen starken Schneefalls

Gericht

AG Erding


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

01. 12. 2011


Aktenzeichen

5 C 941/11


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht Ausgleichsansprüche aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (nachfolgend: VO) geltend.

Der Kläger und seine Ehefrau sollten planmäßig mit der Beklagten am 11.2.2011 um 14:55 Uhr von München nach Kairo geflogen werden. Der Flug wurde am 11.2.2011 um 20:30 Uhr annulliert, nachdem der Kläger und seine Frau ca. 5 1/2 Stunden in der auf dem Rollfeld stehenden Maschine der Beklagten auf den Abflug zugewartet hatten. Der Kläger telefonierte dabei mehrfach mit der Beklagten, wobei ihm stets versichert wurde, dass der Flug noch stattfinden würde. Schließlich teilte der Pilot gegen 20:30 Uhr per Funk mit, dass der Flug nicht mehr stattfinden würde, da die Crew andernfalls die zulässigen Flugzeiten überschreiten würde. Mit Schreiben vom 8.7.2011 wurde die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von insgesamt 800 EUR mit Fristsetzung zum 18.7.2011 aufgefordert. Die Beklagte lehnte eine Entschädigungszahlung mit Schreiben vom 18.7.2011 ab. …

Der Kläger beantragte zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 800 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.7.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. …

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 400 EUR gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 1b VO gegen die Beklagte zu. Dahingestellt bleiben kann zunächst, ob es sich um eine Annullierung oder Verspätung handelte. Gemäß Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 (C 402/07, C 432/07) sind Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt und können somit den in Art. 7 VO vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden, d. h. wenn sie ihr Endziel nicht früher als 3 Stunden nach der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Dies war vorliegend jedenfalls der Fall. Der Flug wurde statt am 11.2.2011 um 14:55 Uhr erst am 12.2.2011 in den Morgenstunden durchgeführt.

Die Beklagte ist jedoch gemäß Art. 5 Abs. 3 VO von der Ausgleichszahlung befreit. Gemäß Art. 5 Abs. 3 VO ist das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Beklagte hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände beweisen können.

Der in der Sitzung vernommene Zeuge hat angegeben, dass die Maschine der Beklagten zum planmäßigen Abflugzeitpunkt bereit stand, jedoch vom Flughafen keine Startfreigabe erhalten habe. Am streitgegenständlichen Tag habe es in München sehr viel Schnee gegeben, so dass nur eine der beiden Startbahnen in Funktion gewesen sei. Die eine Startbahn habe jeweils immer wieder geschlossen werden müssen, um diese von Schnee frei zu räumen.

Auch hätten die Maschinen, die hätten fliegen sollen, enteist werden müssen, wobei die Enteisungsmaschine den Flugzeugen vom Flughafen zugeteilt werde. Man habe sich zunächst auf der 34. Startposition befunden. Als man sich um ca. 20:30 Uhr entschlossen habe, an dem Tag nicht mehr zu fliegen, hätte man sich an 16. Position befunden. Das Vorrücken in der Position resultiere jedoch nicht aus dem Abfliegen von 18 Maschinen, sondern daraus, dass weitere Flüge gestrichen worden seien. Zum Zeitpunkt, als man sich zur Annullierung entschlossen habe, sei es noch nicht absehbar gewesen, dass an diesem Tag noch die Möglichkeit bestanden hätte, den Flug durchzuführen. Eine Überschreitung der Dienstzeit der Crew wäre nicht zu befürchten gewesen. Die reguläre Dienstzeit sei bis 23:00 Uhr gewesen, diese hätte dann noch um 4 Stunden verlängert werden können. …

Das Gericht ist zur Überzeugung gelangt, dass zum Zeitpunkt der Annullierung nach vernünftigem Ermessen im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung keine begründete Wahrscheinlichkeit dafür mehr bestand, dass der Flug noch hätte durchgeführt werden können. So hat der Zeuge ausgeführt, dass am streitgegenständlichen Tag überhaupt nur 20-25% der Maschinen abfliegen konnten. Die Chancen, dass man an dem Tag noch fliegen konnte, hätten seiner Ansicht nach lediglich noch 5-10% betragen. Nach Annullierung der streitgegenständlichen Maschine sind am streitgegenständlichen Tag nach Erinnerung bzw. Einschätzung des Zeugen nur noch 2-3 Maschinen vom Münchener Flughafen geflogen.

Wie sich aus Erwägungsgründen 14 und 15 der Fluggastrechteverordnung ergibt, stellen Wetterverhältnisse, die der Durchführung eines einzelnen Fluges entgegenstehen, einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Verordnung dar, ebenso entsprechende Entscheidungen des Flugverkehrsmanagement.

Nach durchgeführter Beweisaufnahme ist auch nicht ersichtlich, was die Beklagte noch hätte tun können und müssen, um die entstandene Verzögerung bzw. Annullierung zu verhindern bzw. zu verkürzen, nachdem die Beklagte auf die Zuteilung der Enteisungsmaschine und die Erteilung von Startfreigaben keinen Einfluss hat. Dies gilt auch dann, wenn der Schneefall, wie aus dem vom Zeugen vorgelegen Bericht hervorgeht, bereits am 10.2.2011 eingesetzt hat. Zum Einen kam der Flugverkehr am Münchener Flughafen nicht vollständig zum Erliegen und es wurden, wenn auch reduziert, Starts durchgeführt. Zum Anderen kann von der Beklagten als außereuropäischer Fluglinie nicht erwartet werden, dass sie an benachbarten Flughäfen Maschinen vorhält, zumal nicht gesichert ist, dass bei schlechten Wetterverhältnissen Landungen und Starts von benachbarten Flughäfen überhaupt möglich sind. …

Rechtsgebiete

Reiserecht