Sturz nahe eines Schwimmbeckens

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

15. 12. 2011


Aktenzeichen

I-12 U 24/11


Entscheidungsgründe


Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die beklagte Reiseveranstalterin Ansprüche wegen eines Unfalls geltend, der sich während einer bei der Beklagten gebuchten Reise in die Türkei ereignete. Die Klägerin kam am Abend des 22.6.2009 in der von ihr gebuchten Hotelanlage S. an. Die Hotelanlage verfügte über einen Pool, der unstreitig nicht richtig funktionierte, weil das Poolwasser ungehindert über die im Randbereich des Pools befindlichen Gitterläufe lief und sich großflächig um den Pool herum verteilte und zwar auch über den ungefähr 80 cm breiten Bereich rutschfester Fliesen hinaus. Die Klägerin hat behauptet, am Morgen des 23.6.2009 in einer Entfernung von ungefähr drei Metern zum Pool ausgerutscht und gestürzt zu sein. Durch den Sturz habe sie eine Schenkelhalsfraktur erlitten. …

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. …

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. …

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. …

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche aus dem Reisevertrag nach den §§ 651f Abs. 1 und Abs. 2, 651d Abs. l BGB oder aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung aus § 823 Abs. 1 BGB.

1. Unabhängig davon, dass es bereits an einer widerspruchsfreien Darstellung der Klägerin dazu fehlt, an welcher konkreten Stelle sie unter welchen Umständen gestürzt ist, kann schon das Vorliegen einer für den Sturz ursächlichen Verkehrssicherungspflichtverletzung und damit auch eines Reisemangels nicht festgestellt werden.

a) Der Reiseveranstalter ist nach § 651c Abs. 1 BGB verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Ein Reisemangel liegt daher vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam vorausgesetzt haben und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2007 - X ZR 87/06 [unter 11. 2. a) aa)], NJW 2007, 2549, 2550; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2002 - 20 U 30/02 [unter I. 1. b], NJW-RR 2003, 59, 60). Von § 651c Abs. 1 BGB werden grundsätzlich alle nicht in der Person des Reisenden liegenden Umstände erfasst, die die Gesamtreise oder Einzelleistungen stören. Andererseits schuldet der Reiseveranstalter dem Reisenden im Rahmen der ihm aus dem Reisevertrag stets obliegenden Obhuts- und Fürsorgepflichten auch Abwehrmaßnahmen gegen solche mit den Reiseleistungen verbundenen Gefahren, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt. Insbesondere fallen damit unter den Begriff des Reisemangels im Sinne von § 651c Abs. 1 BGB auch Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters, also infolge einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, für deren Einhaltung er einzustehen hat (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2007 - X ZR 87/06, unter II. 2. a) aa), NJW 2007, 2549, 2552; vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2002 - 20 U 30/02 [unter I. 1. b)l, NJW-RR 2003, 59, 60; vgl. Führich, Reiserecht [6. Aufl.], Rn. 210, m.w.N.).

Hiervon zu trennen ist jedoch das allgemeine Lebensrisiko des Reisenden, das Fälle umfasst, die nicht reisespezifisch sind und mit deren Auftreten auch im privaten Alltag gerechnet werden muss. Zu diesem privaten Unfall- und Verletzungsrisiko des Reisenden gehören grundsätzlich auch Ausrutscher im Bereich eines Swimmingpools (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 3.9.2001 - 16 U 195/00, RRa 2001, 243, zitiert nach juris; Führich, Reiserecht [6. Aufl.], Rn. 247, m.w.N.). Gerade weil die durch Wasser hervorgerufene Glätte und die dadurch bedingte Rutschigkeit des Bodenbelags im Bereich eines Schwimmbeckens eine übliche Begleiterscheinung in Schwimmbädern ist, hat der Reisende hiermit zu rechnen, so dass bei einem Unfall grundsätzlich nur das Privatrisiko des Reisenden betroffen ist (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 3.9.2001 - 16 U 195/00, RRa 2001, 243, m.w.N., zitiert nach juris). Hierin liegt kein Reisemangel. Auch haftet der Reiseveranstalter deswegen nicht wegen der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (vgl. Führich, Reiserecht [6. Aufl.], Rn. 432 f., m.w.N.).

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin bestand für die Beklagte beziehungsweise die Hotelleitung deshalb auch keine Pflicht, durch Hinweisschilder oder an der Rezeption auf die Gefahren des Pools gesondert hinzuweisen. Die Beklagte hat, um ihrer insoweit mit der Verkehrssicherungspflicht einhergehenden Obhuts- und Fürsorgepflicht gegenüber den Reisenden zu genügen, demnach nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Vielmehr genügen diejenigen Vorkehrungen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen denkender Mensch nach den konkreten Umständen für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.5.2006 - VI ZR 189/05 [unter II. 23, NJW 2006,2326; BGH, Urt. v. 12.6.2007 - X ZR 87/06 [unter II. 2. a) aa)], NJW 2007, 2549, 2551). Insoweit hat der Reiseveranstalter in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die einem hinreichend sorgfältigen Reisenden nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einrichten konnte (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 30.7. 2003 - 16 U 31/03 [unter I. 1.], NJW-RR 2004, 59; Palandt / Sprau, BGB [70. Aufl.], § 823 Rn. 209, jeweils m.w.N.). Nicht zu schützen ist daher vor solchen Gefahren, die jedem vor Augen stehen und vor denen man sich bei Anwendung der zu erwartenden eigenen Sorgfalt daher selbst schützen kann (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1984 - VI ZR 218/83 [unter II. 1. b)], NJW 1985, 1076 f.). So lag der Fall jedoch hier. Die Klägerin hat schriftsätzlich selbst vorgetragen, es sei für jedermann erkennbar gewesen, dass die fragliche Fläche nicht nur einfach feucht gewesen sei, sondern dass Wasser auf der Fläche gestanden habe. Eines gesonderten Hinweises hierauf hat es daher nicht bedurft.

2. Darüber hinaus scheiden Ansprüche gegen die Beklagte ohnehin auch wegen des vom Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung bejahten ganz überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin nach § 254 Abs. 1 BGB aus. Ein Geschädigter ist grundsätzlich für jeden Schaden mitverantwortlich, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Er hat insoweit diejenige Sorgfalt zu beachten, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2000 - VI ZR 313/99, [unter II. 1. d)], NJW 2001, 149, 150; Urt. v. 18.4.1997 - V ZR 28/96 [unter II. 3. b)], NJW 1997, 2234, 2235). Zwar kommt eine fahrlässige Verletzung der in eigenen Angelegenheiten obliegenden Sorgfalt grundsätzlich nur bei entsprechender Vorhersehbarkeit in Betracht (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2006 - X ZR 46/04 [unter A. II. 3], NJWRR 2006, 965, 966). Von einer entsprechenden Vorhersehbarkeit ist vorliegend jedoch auszugehen.

a) Die durch Wasser hervorgerufene Glätte und die dadurch bedingte Rutschigkeit des Bodenbelags im Bereich eines Schwimmbeckens sind - wie erörtert - übliche Begleiterscheinungen in Schwimmbädern, die für den Reisenden erkennbar sind und mit denen er grundsätzlich rechnen muss (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 3.9.2001 - 16 U 195/00, RRa2001, 243, m.w.N., zitiert nach juris). Hiervon ging auch die Klägerin aus. So hat sie vorgetragen, ihr sei bekannt gewesen, dass es an einem Pool rutschig sei. Auch habe sie gesehen und es ist ihr bewusst gewesen, dass es dort auf den Fliesen und insbesondere auch über den rutschfesten Bereich hinaus nass gewesen sei. Nach dem weiteren Vorbringen der Klägerin ist auch davon auszugehen, dass sie annahm, dass der Bereich außerhalb des rutschfesten Streifens deshalb gefährlich sein könnte. Denn sie ist nach ihrem Vortrag zunächst auf dem rutschfesten Bereich gegangen, weil sie diesen als sicher angesehen habe und ihr bewusst gewesen sei, dass der andere Bereich nass gewesen sei. Insofern ist ihr Berufungsvorbringen, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass sie erst am Vorabend angereist und es damit ihr erster Tag am Pool gewesen sei, unerheblich. Denn sie wusste von der Nässe und Rutschigkeit des Bereichs um den Pool herum. Im Übrigen hätte die ihr danach fremde Örtlichkeit Anlass zu gesteigerter Aufmerksamkeit geben müssen, die hier nicht erkennbar ist.

b) Soweit sie vorträgt, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass es derart rutschig gewesen sei, ergibt sich daraus nichts anderes. Denn dass der Belag etwa eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Gefahrenquelle darstellte, hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die bloße Angabe, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass es derart glitschig gewesen sei, geht über eine subjektive Beschreibung nicht hinaus. Auch die vorgelegten Internetauszüge haben in erster Linie wertenden Charakter und stellen ohnehin keinen geeigneten Sachvortrag dar. Die Beschreibung des Bodenbelags als "rutschig" und "sehr glatt" kann insbesondere auch zutreffen, wenn der Bodenbelag den Sicherheitsanforderungen entspricht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.4.2001 - 18 U 203/ 00, RRa 2001, 157 f., m.w.N., zitiert nach juris). Im sogenannten Nassbereich, zu dem auch der an den Pool angrenzende Bereich gehört, ist immer mit Nässe und einer hierdurch bedingten Glätte und Rutschigkeit des Bodenbelags zu rechnen. Dies gilt selbst dann, wenn der Bodenbelag die nach technischen Regeln erforderliche und übliche Rutschfestigkeit aufweist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).

c) Dass der Swimmingpool eine über das übliche Maß hinausgehende Gefahrenquelle geschaffen hat, ist entgegen der Berufung ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere kommt es hinsichtlich des überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin nicht darauf an, dass die Überlauf gitter des Pools nicht funktioniert haben, sich deswegen Wasser ungehindert über den Poolrand auf den umliegenden Bereich ergießen konnte und dieser daher nass gewesen ist. Denn dies war für die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag deutlich erkennbar, so dass sie insoweit ausreichend gewarnt war. Soweit also in einer unterlassenen Reparatur der Überlaufgitter eine Verkehrssicherungspflicht seitens des Hotelbetreibers, für dessen Verschulden die Beklagte nach § 278 BGB hätte einstehen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 12.6.2007 - X ZR 87/06 [unter II. 2. a)], NJW 2007, 2549, 2551; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.1.2000 - 22 U 138/99 [unter I. 1.]), gesehen werden kann, kam es hierauf für den von der Klägerin erlittenen Unfall und das überwiegende Mitverschulden der Klägerin nicht an. …

Rechtsgebiete

Reiserecht