Eingeschränkter Privatsphärenschutz bei Dreharbeiten

Gericht

AG Charlottenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

14. 06. 2012


Aktenzeichen

211 C 508/11


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin ist Schauspielerin und stand bei dem Film des Regisseurs Helmut Dietl "Zettel" vor der Kamera. In diesem Film spielte sie die Geliebte des Bundeskanzlers. Die Beklagte berichtete über die Dreharbeiten zum Film in der Zeitschrift … . Dem redaktionellen Bericht waren Fotos des Regisseurs, auch der Klägerin beigefügt. Wegen des Inhaltes der Bildberichterstattung im Einzelnen wird auf Bl. 12 d.A. Bezug genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Mai 2011 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bezüglich der zur Berichterstattung veröffentlichten Fotos auf. Nach dem sich die Parteien darauf verständigt hatten, dass die Klägerin auf Unterlassungsansprüche bzgl. des in der Bildberichterstattung verwendeten kleineren Fotos der Klägerin verzichtet, gab die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage für das große Foto der Klägerin eine Unterlassungserklärung ab. Wegen des Inhaltes der Unterlassungserklärung vom 25. Mai 2011 im Einzelnen wird auf Bl. 18 und 19 d.A. Bezug genommen.

Mit anwaltlichem schreiben vom 26. Mai 2011 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die durch die Abmahnung entstandenen Anwaltsgebühren in Höhe von 899,40 Euro nach einem Streitwert von 15.000,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab.

Die Klägerin trägt vor, das Foto, das sie im Bademantel, Badelatschen und mit einer Zigarette zeige, sei während eines privaten Momentes in einer Drehpause entstanden. Das Recht der Klägerin am eigenen Bild sei verletzt worden. Das Bild stelle kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar und verletze ihre berechtigten Interessen aus § 23 Abs. 2 KUG. Dem Foto kommt auch kein Informationswert zu. Es solle vielmehr ein Einblick in ihr Privatleben suggeriert werden. Sie habe sich während der Drehpausen zur Erholung zurückgezogen und habe nicht damit rechnen können, heimlich und überrumpelt fotografiert zu werden. Sie selbst habe auch nicht bemerkt, dass sie fotografiert werde. Die Unschärfe des Bildes lasse vermuten, dass es aus einiger Entfernung aufgenommen worden sei. Auch während eines Drehtages müssten ihr Momente zugestanden werden, in denen sie sich unbeobachtet fühlen dürfe und sich erholen könne.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 899,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.06.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte entgegnet, sie habe über die Dreharbeiten zu der Neuverfilmung der Kultserie "Kir Royal" berichtet. Sämtliche im Zusammenhang mit den Dreharbeiten erstellten Fotografien seien Dokumente der Zeitgeschichte. Das öffentliche Interesse erstrecke sich dabei auch auf die Frage, wie sich die Darsteller und "Stars" während der Drehpause verhalten. Die Produktionsfirma habe auch keinerlei Geheimhaltungsinteresse dokumentiert, etwa in dem sie die Örtlichkeiten mit einem Sichtschutz versehen hätte. Die anwesende Presse habe vielmehr Einblick in sämtliche Bereiche des Geschehens erhalten. Dass das Foto in einer Drehpause entstanden sei, in der die Klägerin Freizeitkleidung trage, belege nicht die Annahme eines abgeschiedenen Momentes im Sinne der Rechtsprechung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage war abzuweisen, da sie unbegründet ist.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus der Berichterstattung in der … und dem abgedruckten Foto der Klägerin keinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der durch die Abmahnung entstanden Anwaltskosten. Denn die erfolgte Berichterstattung der Beklagten in der … war gem. § 23 Abs. 1 KUG, Artikel 5 I S.2. GG zulässig und hat geschützte Persönlichkeitsrechte der Klägerin aus den Artikeln 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG sowie 8 EMRK nicht verletzt.

Die im Streit stehende Berichterstattung der Beklagten betrifft zweifelsfrei ein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG. Darunter fallen u.a. Geschehnisse von gesellschaftlicher und kultureller Relevanz. Die Beklagte berichtet in dem Artikel über Dreharbeiten zum Film "Zettel" des bekannten Regisseurs Helmut Dietl als eine Art nunmehr in Berlin gelebte Society-Neuauflage der seinerzeit sehr berühmten Serie "Kir Royal", die in der Münchener Society spielte. Da die Serie "Kir Royal" seinerzeit auch ausgesprochen erfolgreich war, den Nerv der Zeit genau traf, der Film von Helmut Dietl nunmehr die Society der Hauptstadt zeigen sollte, bestand zweifelsfrei ein sehr starkes öffentliches Interesse an Informationen zum Film und zu den und über die Filmarbeiten. Bei der Frage, was bei einem Ereignis der Zeitgeschichte im Einzelnen berichtenswert erscheint, ist der Presse, damit der Beklagten, im Rahmen der gesetzlich geschützten Pressefreiheit ein eigener Entscheidungsspielraum zuzubilligen. Eine nach § 23 Abs. 1, KUG zulässige Bildberichterstattung setzt jedoch voraus, dass an der betreffenden Information gerade durch die Verwendung des Bildnisses und in der Form, wie sie gewählt wurde, ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht.
Ein derartiges Interesse sieht das Gericht als gegeben. Insbesondere stehen die Bildnisse der Klägerin im konkreten Zusammenhang zum Inhalt des begleiteten redaktionellen Beitrages. Denn der Beitrag berichtet über die Dreharbeiten des in der Öffentlichkeit stark beachteten Films und des Regisseurs Dietl. Dabei will der Beitrag auch die Freude und den Spaß der Schauspieler bei den Dreharbeiten herausstellen. Spaß und Freude an den Dreharbeiten lassen sich aber nicht nur bei ausschließlichen Filmszenen darstellen, sondern speziell auch in Drehpausen, in denen die Schauspieler wieder sie selbst sind, nicht die Person, die sie im Film verkörpern. Das Interesse der Öffentlichkeit ist dabei nicht ausschließlich auf die reinen Filmszenen beschränkt, den Film können sie letztlich im Kino oder im Fernsehen ansehen. Es besteht vielmehr auch ein tatsächliches echtes Interesse an Informationen zum Ablauf von Dreharbeiten einschließlich Aktionen in Pausen. Es handelt sich insoweit auch nicht um pure Sensationslust.
Als nicht mehr nur unbekannte Schauspielerin gehört die Klägerin auch zu den absoluten Personen der Zeitgeschichte. Die Abbildungsfreiheit von diesen Personen findet ihre Grenze dort, wo gem. § 23 II KUG berechtigte Interessen der Abgebildeten verletzt werden, das Informationsinteresse der Allgemeinheit nicht überwiegt. Die Privat- und Intimsphäre der absoluten Personen der Zeitgeschichte sind dabei weitestgehend zu beachten.
Die auch nach § 23 II KUR erfolgte Interessenabwägung ergibt vorliegend keine Verletzung tatsächlich höher stehender Persönlichkeitsinteressen der Klägerin gegenüber den Interessen der Beklagten an der Bildberichterstattung. Die Intimsphäre der Klägerin, die absolut schützenswert ist und in jedem Fall den Informationsinteressen der Beklagten überlegen ist, ist nicht verletzt worden.
Das Gericht sieht vorliegend auch die Privatsphäre der Klägerin nicht verletzt, jedenfalls überwiegt vorliegend das Interesse der Beklagten an der Bildberichterstattung. Das Gericht verkennt nicht, dass auch absoluten Person der Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit eine private Zurückgezogenheit zu gewähren ist. Dazu mögen bei Schauspielern auch unter Umständen Pausen bei Dreharbeiten gehören. Hier ist jedoch der Schutz nicht absolut, sondern es ist der Einzelfall zu prüfen. Hat sich ein Schauspieler erkennbar in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen, z.B. in seinen Wohnwagen oder an einen sichtbegrenzenden Aufenthaltsort, soll er auch dort vor Abbildungen geschützt sein. Die Klägerin ist auf dem streitigen Foto zwar in Bademantel und Badelatschen und mit Zigarette abgebildet, eine tatsächliche Zurückgezogenheit in eine örtliche Abgeschiedenheit vermag das Gericht hier weder zu erkennen, noch hat die Klägerin dies ausreichend dargetan und nach dem Bestreiten der Beklagten auch nicht unter Beweis gestellt. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 23 II KUR trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ihre berechtigten Interessen verletzt sind. Die Dreharbeiten fanden unstreitig an einem öffentlichen Ort in Berlin statt, Passanten und Zuschauer konnten dies auch verfolgen. Die Klägerin musste dabei auch von dem großen Interesse der Öffentlichkeit an den Dreharbeiten selbst ausgehen, als auch an den teilnehmenden Schauspielern sowohl in ihrer jeweiligen Rolle und in den Pause an ihrer Person, in denen sie jedenfalls für die Öffentlichkeit sichtbar waren.

Die Bildberichterstattung über die Klägerin am Drehort ist auch weder ehrverletzend noch negativ, noch herablassend oder gar peinlich. Vielmehr stellt die Beklagte auch die Freude der Schauspieler an den Dreharbeiten dar und bringt dies zum Ausdruck durch eine auf dem Foto entspannt wirkende, lächelnde Klägerin, die sich durch ihren Aufzug erkennbar nicht unmittelbar in einem Dreh befindet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf die §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.


Christiansen

Rechtsgebiete

Presserecht