Grafische Darstellung der Energieeffizienzklasse bei Online-Werbung für neue Pkw erforderlich

Gericht

LG Ulm


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

24. 02. 2012


Aktenzeichen

11 O 10/12


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Verfügungsklägerin ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Die Mitglieder der Verfügungsklägerin sind insbesondere 66 Kfz-Händler. Sie ist nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, ihre satzungsgemäßen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen.

Die Verfügungsbeklagte hat im Januar 2012 im Internet auf der Verkaufsplattform www.autoscout24.de einen Pkw Audi A 1 TFSI Attraction als Neuwagen zu einem Preis von € 14.631,00 angeboten. Sie ist hierbei als "gewerblicher Anbieter" und als "Neuwagen-Vertrieb" aufgetreten. Sie hat in der Anzeige u.a. den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen angegeben. Ferner enthält die Anzeige den Hinweis:

"Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem 'Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen' entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der Deutschen Automobiltreuhand GmbH unter www.dat.de unentgeltlich erhältlich ist".

Die Anzeige enthält keine Angaben über die CO2-Effizienzkfasse einschließlich deren graphischen Darstellung.

Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte wegen der fehlenden Angaben am 16.01.2012 abgemahnt. Die Verfügungsbeklagte hat die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben.

Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, die Verfügungsbeklagte habe durch die fehlende Angabe der CO2-Effizienzklasse nebst deren graphischer Darstellung die Kennzeichnungspflichten nach §§ 1 I, 5 I, II Pkw-EnVKV i.V.m. Anlage 4 Abschnitt II Nr. 4 verstoßen. Hierin liege zugleich ein Verstoß nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Die Pkw-EnVKV sei dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Der Verstoß sei auch geeignet, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

Der Verfügungsbeklagten wird untersagt,

im geschäftlichen Verkehr neue Personenkraftwagen im Internet zum Kauf oder Leasing als bestimmtes Fahrzeugmodell in elektronischer Form anzubieten, ohne die CO2-Effizienzklasse einschließlich der grafischen Darstellung gemäß Anlage 1 zu § 3 I Nr. 1 Pkw-EnVKV bei der Beschreibung des Fahrzeugmodells anzugeben,

sofern dies geschieht wie in Anlage... wiedergegeben.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, sie sei keine Händlerin im Sinne der Pkw-EnVKV, da sie kein Pkw-Handelshaus betreibe, sondern lediglich Kaufverträge für ausgewählte Markenvertragshändler vermittle, mit denen der Kaufinteressent dann letztendlich den Kaufvertrag schließe. Sie habe durch Angabe des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen die Kennzeichnungspflichten nach der Pkw-EnVKV erfüllt. Eine Pflicht zur Angabe der CO2-Effizienzklasse nebst graphischer Darstellung sei dadurch entfallen, dass sie insoweit auf den Leitfaden der Internetseite www.dat.de verwiesen habe. Auf dieser Homepage könne der Kaufinteressent problemlos die CO2-Effizienz bezüglich des gewünschten Pkws graphisch darstellen lassen, indem er den Link zur "dena-Deutsche Energie Agentur" anklicke und auf dieser Website das CO2-Effizienzlabel erstelle.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach §§ 935, 940 ZPO i.V.m. § 12 II UWG statthaft. Das Landgericht Ulm ist nach § 14 I S. 1 und II S. 1 UWG ausschließlich örtlich zuständig nach § 13 I S. 1 UWG ausschließlich sachlich zuständig. Die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen folgt aus §§ 94, 95 I Nr. 5 ZPO, 131 S. 2 UWG.


II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte gern. §§ 8 I, II Nr. 2 UWG, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 1 I, 5 I, II Pkw-EnVKV i.V.m. Anlage 4 Abschnitt II Nr. 4 und Anlage 1 zu § 3 I Nr. 1 Pkw-EnVKV Anspruch auf Unterlassung, im geschäftlichen Verkehr neue Personenkraftwagen durch Werbung im Internet zum Kauf oder Leasing anzubieten, ohne die CO2-Effizienzklasse einschließlich der graphischen Darstellung bei der Beschreibung des Fahrzeugmodells anzugeben.

Nach § 8 I UWG kann derjenige, der § 3 UWG zuwiderhandelt, auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Nach § 3 UWG sind unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, unzulässig. Unlauter i.S.d. § 3 UWG handelt gem. § 4 Nr. 11 UWG insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Die Klägerin ist als rechtsfähiger Wirtschaftsverband nach § 8 III Nr. 2 UWG berechtigt, den Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Sie erfüllt unstreitig die Voraussetzungen, die an die Sachberechtigung eines Verbands zur Förderung gewerblicher Interessen nach § 8 III Nr. 2 UWG gestellt werden.

Die Kennzeichnungsvorschriften im Sinne der Pkw-EnVKV stellen Marktverhaltensregeln i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar. Sie sind auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, für den ein Unternehmer auf die Mitbewerber, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer einwirkt. Dem Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, dient eine Vorschrift dann, wenn dieses Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen, berührt wird.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Pkw-EnVKV dient der Umsetzung der Richtlinie 1999/94/EG. Sie bezweckt auch, durch entsprechende Informationen die Kaufentscheidung der Verbraucher zugunsten umweltfreundlicher Fahrzeuge zu beeinflussen und stellt daher eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar (OLG Oldenburg WRP 2007, 96; OLG Köln WRP 2007, 680; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4 UWG, Rdnr. 11.131 a).

Die Verfügungsbeklagte hat gegen die Kennzeichnungspflichten der Pkw-EnVKV dadurch verstoßen, dass sie in der Internet-Anzeige für den Pkw Audi A 1 TFSI Attraction keine Angaben zu der CO2-Effizienzklasse einschließlich deren graphischen Darstellung machte. Hierzu genügte nicht der Hinweis auf den Leitfaden der Internetseite www.dat.de.

Gemäß § 1 I Pkw-EnVKV haben Hersteller und Händler, die neue Personenkraftwagen ausstellen, zum Kauf oder Leasing anbieten oder für diese werben, dabei Angaben über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und ggf. den Stromverbrauch nach Maßgabe der §§ 3-5 sowie der Anlagen 1-4 zu machen.

Nach § 5 I Pkw-EnVKV haben Händler und Hersteller, die Werbeschriften erstellen, erstellen lassen oder auf andere Weise verwenden, sicherzustellen, dass in den Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 gemacht werden.

Nach § 5 II Nr. 1 Pkw-EnVKV gilt Abs. 1 S. 1 entsprechend für Werbematerial, das in elektronischer Form verbreitetet wird. In diesem Fall müssen jedoch gem. § 5 II S. 2 Pkw-EnVKV die Angaben nach Maßgabe der Abschnitte II und III der Anlage 4 erfolgen.

Nach Abschnitt II Nr. 4 der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV haben Hersteller oder Händler, die Fahrzeugmodelle im Internet ausstellen oder zum Kauf oder Leasing anbieten (virtueller Verkaufsraum), Angaben nach Abschnitt II Nr. 2 S. 1 sowie zusätzlich CO2-Effizienzklasse einschließlich der graphischen Darstellung gemäß Anlage 1 zu § 3 I Nr. 1 Pkw-EnVKV bei der Beschreibung des Fahrzeugmodells anzugeben und einen Hinweis auf die Internetseite beizufügen, unter welcher der Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch abgerufen werden kann.

Die Verfügungsbeklagte ist Händler im Sinne der Pkw-EnVKV. Nach § 2 Nr. 3 Pkw-EnVKV ist "Händler" jeder, der in Deutschland neue Personenkraftwagen ausstellt oder zum Kauf oder Leasing anbietet.

Nach Auffassung des Gerichts bietet auch derjenige Inserent ein Auto zum Kauf an, der den Kaufabschluss lediglich vermitteln will. Jedenfalls hat die Verfügungsbeklagte in ihrer Internetanzeige auf ihre bloße Vermittlungstätigkeit nicht hingewiesen, vielmehr ist sie als "gewerblicher Anbieter" und "Neuwagen-Vertrieb" aufgetreten und somit für den Kaufinteressenten als "Händler" im Sinne der Verordnung aufgetreten.

Die Internetanzeige der Verfügungsbeklagten stellt Werbematerial dar, das in elektronischer Form im Sinne der Pkw-EnVKV verbreitet wurde.

Werbematerial i.S.d. § 5 II Nr. 1 Pkw-EnVKV ist jede Form von Informationen, die für die Vermarktung und Werbung für Verkauf und Leasing neuer Personenkraftwagen in der Öffentlichkeit verwendet werden; dies umfasst auch Texte und Bilder auf Internetseiten, soweit für den Inhalt der Angaben nach anderen Rechtsvorschriften Fahrzeughersteller oder Unternehmen, Organisationen und Personen verantwortlich sind, die neue Personenkraftwagen zum Kauf oder Leasing anbieten. Dieses Werbematerial wird nach § 2 Nr. 10 Pkw-EnVKV in elektronischer Form verbreitet, wenn die Verbreitung mittels Geräten für elektronische Verarbeitung und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen und vollständig über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen werden kann.

Die Anzeige der Verfügungsbeklagten entspricht nicht den Anforderungen des Abschnitts II der Anlage 4 Nr. 4, da hierin nicht bei der Beschreibung des Fahrzeugmodells die Effizienzklasse einschließlich der graphischen Darstellung angegeben ist.

Zwar kann der Händler in der Internetanzeige gemäß Abschnitt II Nr. 4 S. 1 2. Halbs. in Bezug auf die graphische Darstellung auch auf die entsprechenden Internetseiten des Herstellers hinweisen. Ein solcher Hinweis liegt jedoch ebenfalls nicht vor. Der Hinweis auf die Internetseite, unter welcher der Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch abgerufen werden können, ist hiervon zu unterscheiden. Er ersetzt nicht den Hinweis auf die Internetseite des Herstellers in Bezug auf die graphische Darstellung der Effizienzklassen.

Darüber hinaus kann der Hinweis auf die Internetseite der www.dat.de den Hinweis auf die graphische Darstellung der Effizienzklasse auch deshalb nicht ersetzen, weil es sich bei der Internetseite nicht um diejenige des betreffenden Fahrzeugherstellers handelt.

Letztlich kann auch dahingestellt bleiben, ob es für den Anwender möglich ist, über diese Internetseite durch Eingabe entsprechender Daten die graphische Darstellung der Effizienzklasse selbst zu erstellen. Abschnitt II Nr. 4 S. 3 setzt nämlich voraus, dass der Händler in der Anzeige selbst sicherzustellen hat, dass die Angaben nach Abschnitt II Nr. 2 S. 1 sowie die CO2-Effizienzklassen einschließlich der graphischen Darstellungen dem Benutzer spätestens in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, in welchem er ein Fahrzeugmodell ausgewählt oder eine Konfiguration abgeschlossen hat. Dies ist schon dann der Fall, wenn der Internetnutzer das konkrete Angebot entweder direkt oder nach Eingabe bestimmter Fahrzeugmerkmale angeklickt hat und es auf dem Bildschirm erscheint.

Nach alledem liegt in der Anzeige der Verfügungsbeklagten ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.

Der Rechtsverstoß ist auch erheblich im Sinne der Bagatellklausel des § 3 UWG, weil die gesetzlich geschützten Informationsinteressen der Verbraucher beeinträchtigt werden (OLG Oldenburg, a.a.O.; Goldmann WRP 2007, 38, 41; Hefermehl/Köhler, UWG, a.a.O.).

Ein geringfügiger Verstoß i.S.d. § 3 UWG liegt schon deshalb nicht vor, weil die Internetanzeige keiner regionalen Beschränkung unterliegt.

Es besteht im Hinblick auf die festgestellte wettbewerbswidrige Handlung der Verfügungsbeklagten eine Wiederholungsgefahr i.S.d. § 8 I S. 1 UWG. Sofern es zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen ist, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (st. Rspr.: BGH GRUR 1997, 379).

An den Fortfall der Wiederholungsgefahr sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Wegfall der Wiederholungsgefahr setzt in der Regel die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung voraus, die in der Abmahnung des Gläubigers verlangt wird. Die Verfügungsbeklagte hat trotz Abmahnung der Verfügungsklägerin vom 16.01.2012 die begehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr besteht deshalb fort. Es sind auch keine sonstigen Gründe ersichtlich, welche einen Wegfall der Wiederholungsgefahr begründen könnten.

Nach alledem war dem Antrag der begehrten einstweiligen Verfügung stattzugeben.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht