Eine Werbung, die sich an das breite Publikum wendet, muss auch für diejenigen lesbar sein, die nicht 100% sehfähig sind

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

17. 02. 2012


Aktenzeichen

4 U 232/11


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I.

Der Verfügungskläger (i.F.: Kläger) fordert von der Verfügungsbeklagten (i.F.: Beklagte) Unterlassung von Werbung mit Testurteilen ohne lesbare Fundstellenangabe.

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger kann aus §§ 3 I, II, 5 a II, III Nr. 1, 8 I S. 1, III Nr. 2 UWG verlangen, dass die Beklagte die beanstandete Werbung in der konkreten Verletzungsform unterlässt. Die Werbung in dem Prospekt "V. Ja Natürlich" (Beilage zur Zeitschrift "Ökotest", August 2011) für das "L. Pflegeshampoo Brennnessel" und für die "La. Basis Sensitive Mint Zahncreme" (Bestellzettel Rückseite) ist unlauter.

1. Wie das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend erkennt, verstößt die Werbung mit Testergebnissen ohne Angabe der Fundstelle gegen § 3 II UWG i.V.m. § 5 a II UWG (vgl. für § 1 UWG a.F.: BGH GRUR 1991, 679 - Fundstellenangabe). Der fehlenden Fundstellenangabe steht eine nicht oder schlecht leserliche Angabe gleich. Es ist Gebot der fachlichen Sorgfalt, mit Testergebnissen nur zu werben, wenn dem Verbraucher dabei die Fundstelle eindeutig und leicht zugänglich angegeben und ihm so eine einfache Möglichkeit eröffnet wird, den Test selbst zur Kenntnis zu nehmen. Fehlt es daran, so beeinträchtigt dies spürbar die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (BGH GRUR 2010, 248, Rdnr. 29 ff. - Kamerakauf im Internet).

Schlecht leserlich ist eine Angabe dann, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Durchschnittsleser die Angabe auch bei situationsadäquater Aufmerksamkeit allenfalls mit Mühe entziffern kann. Für dieses Kriterium bietet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Lesbarkeit der Pflichtangaben nach § 4 I HWG einen brauchbaren Anhaltspunkt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 13.10.2011 - 4 U 141/11; KG GRUR 2011, 278). Hiernach müssen die betreffenden Texte ohne besondere Konzentration und Anstrengung lesbar sein (BGH GRUR 1987, 301 - 6-Punkt-Schrift; BGH GRUR 1988, 68 - Lesbarkeit I; BGH GRUR 1993, 52 - Lesbarkeit IV). Ohne besondere Konzentration und Anstrengung ist im Regelfall nur eine Schrift zu lesen, deren Größe 6-Punkt nicht unterschreitet. Allerdings kann aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise auch eine kleinere Schrift die Anforderungen erfüllen (BGH, a.a.O.). Eine Werbung, die sich an das breite Publikum wendet, muss auch für diejenigen lesbar sein, die im medizinischen Sinne nicht 100 % sehfähig sind, in Publikumszeitschriften übliche Schriftgrößen aber noch mühelos lesen können (BGH GRUR 1988, 68 - Lesbarkeit I; OLG Karlsruhe, a.a.O.).

Die Einwände der Beklagten gegen die Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Werbung mit Testergebnissen überzeugen nicht. Auch wenn Belange des Gesundheitsschutzes bei Fundstellenangaben regelmäßig keine Rolle spielen, ist Lesbarkeit hier ebenso gefordert wie im geltenden Heilmittelwerberecht. Auf die Frage, ob das Lesbarkeitskriterium bei Heilmittelwerbung europarechtlichen Vorgaben standhält (EuGH GRUR 2008, 1014 - Gintec), kommt es für die Zulässigkeit einer Werbung mit Testergebnissen nicht an. Der unterschiedlichen grafischen Gestaltung von Heilmittelwerbe- und Fundstellenangaben wird durch einzelfallbezogene Ausnahmen von der 6-Punkt-Regel hinreichend Rechnung getragen.

2. Nach dieser Maßgabe genügen die beanstandeten Fundstellenangaben nicht den Anforderungen. Sie unterschreiten die 6-Punkt-Schwelle deutlich, ohne diesen Mangel durch lesbarkeitsfördernde Umstände ausreichend zu kompensieren. Trotz Schwarz-Weiß-Drucks und abgesetzter Position sind zwei von drei Senatsmitgliedern auch unter Einsatz von Lesebrillen nur mit Mühe in der Lage, insbesondere die Zahlen aus der Fundstellenangabe richtig zu entziffern. Der Senat gehört dem von der Werbung angesprochenen Leserkreis an. Die Werbebeilage wendet sich an das breite Publikum und will auch ältere Leser erreichen. Gerade die Jahreszahlen aus der Fundstellenangabe sind für jeden Leser von Interesse. Sie definieren nicht nur die Fundstelle, sondern lassen darüber hinaus das Alter der werbekräftig eingesetzten Tests auf den ersten Blick erkennen.

Das sonstige Schriftbild der Werbebeilage rechtfertigt das Erscheinungsbild der Fundstellenangabe nicht. Allerdings enthält der Prospekt im "Miniformat" auch andere schwer leserliche Partien. Die für den Werbeeffekt entscheidenden Textpassagen - Name und Beschreibung des Produkts sowie Testergebnis - sind jedoch durchweg in (noch) ordentlich lesbarer Schriftgröße gehalten; ins Auge fällt hierbei vor allem das deutlich größer gestaltete Testergebnis. Dies verleitet auch den situationsadäquat aufmerksamen Leser dazu, nur diese Passagen zur Kenntnis zu nehmen, ohne sich der Mühe weiteren Entzifferns zu unterziehen. Im Übrigen belastet die Forderung nach einer ausreichenden Schriftgröße die Beklagte nicht unzumutbar. So zeigt das Beispiel auf S. 23 des Prospekts ("Sensitiv- Zahncreme"), dass es ohne weiteres möglich ist, die Fundstellenangabe leserlich zu gestalten.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht