Postfach keine ladungsfähige Anschrift

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

13. 04. 1999


Aktenzeichen

1 C 24.97


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. stritten über die Höhe von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit. Der Kl. bezieht seit 1979 von der bekl. Versorgungsanstalt Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 24. 6. 1992 teilte ihm die Bekl. die Änderung des Punktwertes zum 1. 7. 1992 und die sich daraus ergebende Höhe seines monatlichen Ruhegeldes von 2462,40 DM mit. Gegen den Bescheid, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht versehen war, legte der Kl. am 21. 6. 1993 Widerspruch ein, den die Bekl. durch Widerspruchsbescheid vom 6. 9. 1993 als unbegründet zurückwies. Der Widerspruchsbescheid war an den Kl. zunächst unter der Anschrift seiner Eltern in Heidelberg, später an die Anschrift „Postfach ... Hamburg“ gesandt worden. Am 20. 10. 1993 hat der Kl. unter Angabe seines Hamburger Postfaches bei dem VG K. Klage erhoben und beantragt, die Bescheide aufzuheben. Er machte geltend, er habe die Klage nur im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung bei dem VG K. erhoben; da er in Hamburg wohne, sei das VG S. örtlich zuständig. Das VG forderte den Kl. auf, eine genaue Angabe seines Wohnsitzes in Hamburg mitzuteilen bzw. binnen zwei Wochen eine ladungsfähige Anschrift zu benennen. Die Angabe eines Postfaches reiche nicht aus. Falls der Kl. der Aufforderung nicht nachkomme, dürfte die Klage als unzulässig abzuweisen sein. Der Kl. erwiderte, seine ladungsfähige Anschrift laute unverändert „Postfach ... Hamburg“. Unter dieser Anschrift sei er stets erreichbar.

Durch Gerichtsbescheid vom 31. 8. 1994 hat das VG die Klage als unzulässig abgewiesen, weil sie den Anforderungen des § 82I 1 VwGO nicht genüge. Berufung und Revision des Kl. blieben ebenfalls erfolglos.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. ... 1. Der vom Kl. geltend gemachte absolute Revisionsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO i.V. mit Art. 103I GG) ist nicht hinreichend dargelegt und bleibt daher erfolglos. Der Kl. macht geltend, er habe noch vor der mündlichen Verhandlung vom 11. 3. 1997 dem zuständigen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des 9. Senats des BerGer. mitgeteilt, daß er wegen eines Herzinfarktes auf die Intensivstation gekommen sei. Er habe deshalb am 17. 2. 1997 telefonisch beantragt, den anstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. 3. 1997, in allen drei Berufungsverfahren aufzuheben, und gebeten, einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung erst anzuberaumen, wenn er sich bei dem VGH zurückgemeldet habe. In dem Urteil fehle die Angabe, daß er wegen eines erheblichen Grundes (§ 227 ZPO) die Terminsaufhebung telefonisch beantragt habe. Statt dessen finde sich in den Urteilsgründen die frei erfundene, aktenmäßig nicht nachvollziehbare unrichtige Behauptung, der Kl. habe „eine schriftliche Äußerung hierzu angekündigt, jedoch sei eine solche nicht eingegangen“. Damit ist ein Verfahrensmangel nicht hinreichend dargelegt (§ 139III 4 VwGO). Mit einer Verfahrensrüge müssen Tatsachen dargelegt werden, die den gerügten Mangel schlüssig ergeben. Das Revisionsvorbringen genügt diesen Anforderungen nicht.

Beantragt eine zur mündlichen Verhandlung unter Beachtung der Ladungsfrist ordnungsgemäß geladene Partei die Verlegung des Termins, so ist der Vorsitzende, der gem. § 173 VwGO i.V. mit § 227IV ZPO über den Antrag zu entscheiden hat, nur dann verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen, wenn erhebliche Gründe geltend und auf sein Verlangen gegebenenfalls auch glaubhaft gemacht worden sind (§ 227I, II ZPO). Der Vorsitzende muß aus dem geltend gemachten Grund erkennen können, daß die Partei, die den Prozeß selbst führt und sich nicht anwaltlich vertreten läßt, gehindert ist, zum Termin zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen. In der Revision muß der Kl. darlegen, daß dem Vorsitzenden ein solcher Grund unterbreitet worden ist, so daß dieser, wenn er Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung hatte, den Kl. hätte auffordern müssen, den Grund glaubhaft zu machen. Was der Kl. hierzu vorgetragen hat, rechtfertigt die Annahme eines erheblichen Grundes nicht. Selbst wenn man zugunsten des Kl. unterstellt, daß seine Mitteilung den in seiner Revisionsbegründung dargestellten Inhalt hatte, enthält sie nicht die schlüssige Darlegung, sondern lediglich die bloße Behauptung, daß er gesundheitlich gehindert war, zum Termin zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen. Den für die Beurteilung des geltend gemachten Hinderungsgrundes wesentlichen Zeitpunkt des Herzinfarktes sowie den Zeitpunkt und die Dauer der Aufnahme in der Intensivstation legt der Kl. ebensowenig dar wie ergänzende, seiner prozessualen Mitwirkungspflicht entsprechende Anstalten (etwa Angabe eines bestimmten Krankenhauses, der behandelnden Ärzte), die es dem Gericht ermöglicht hätten, mit dem Kl. kurzfristig Kontakt aufzunehmen oder von sich aus den Wahrheitsgehalt seiner Mitteilung nachzuprüfen. Der Kl. hatte die Ladung seinem Empfangsbekenntnis zufolge am 20. 1. 1997 und damit mehr als sieben Wochen vor dem auf den 11. 3. 1997 anberaumten Verhandlungstermin erhalten. Ob er den Herzinfarkt vor dem Erhalt der Ladung oder während des anschließenden Zeitraums erlitten hat, ist aus seiner Darstellung nicht erkennbar. Sein Vorbringen ist daher nicht geeignet, die Annahme eines erheblichen Grundes für die Verlegung des Termins zu begründen. Es ist folglich auch nicht dargetan, daß der Vorsitzende verpflichtet war, den Kl. gem. § 227II ZPO aufzufordern, den behaupteten Grund glaubhaft zu machen. Ob die Mitteilung des Kl. ordnungsgemäß zu den Akten gebracht worden ist, ist für die Prüfung der Verfahrensrüge unerheblich.

Da das BerGer. nicht verpflichtet war, dem Verlegungsantrag des Kl. stattzugeben, folgt hierzu ohne weiteres, daß auch die weitere Rüge des Kl. ins Leere geht, er sei nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten gewesen (§ 138 Nr. 4 VwGO).

2. Die weiteren Verfahrensrügen des Kl. greifen ebenfalls nicht durch.

a) Die Rüge, das Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 138 Nr. 1 VwGO), ist nicht schlüssig erhoben. Sie läßt nicht erkennen, inwiefern die senatsinterne Geschäftsverteilung des BerGer. den nach der Rechtsprechung des BVerfG nötigen Anforderungen an die Bestimmtheit des gesetzlichen Richters bei überbesetzten Spruchkörpern nicht entsprochen hat. Hierzu hätte der Kl. auf Einzelheiten der ihm bekannten Regelungen eingehen und darlegen müssen, wieso sie dem Gesetz widersprachen (BVerwG, Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 24). Der Kl. kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, er sei in weiteren Ermittlungen behindert worden. Seinen Darlegungen mangelt es nicht deswegen an der erforderlichen Substantiierung, weil ihnen eine Einzelheit fehlte, die jenseits seiner Aufklärungsmöglichkeiten liegt.

b) Die Rüge, über die drei Parallelsachen des Kl. sei ohne vorherige Verbindung gleichzeitig verhandelt und entschieden worden, muß ebenfalls erfolglos bleiben. Abgesehen davon, daß es an jeder Darlegung fehlt, aus welchem Grunde das angefochtene Urteil darauf beruhen könnte, ist das Verfahren des BerGer. nicht zu beanstanden. Da in allen drei Verfahren dieselbe Parteien beteiligt waren und es in allen drei Verfahren um dieselbe prozessuale Frage ging, war es sachgerecht, die Verfahren gleichzeitig zu verhandeln. Dies war auch ohne Verbindung zulässig. Es gibt keine Verfahrensvorschrift, die das Gericht zwingt, aus sachlichen Gründen gleichzeitig verhandelbare Sachen förmlich zu verbinden.

c) Ohne Erfolg rügt der Kl., die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens seien verletzt worden, weil bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung kein Beschluß verkündet worden sei, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Raum eine Entscheidung verkündet werde. § 138 Nr. 5 VwGO betrifft nur die Öffentlichkeit der Verhandlung, nicht die der Urteilsverkündung (BVerwG, Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 91 = NJW 1990, 1249 = NVwZ 1990, 554 L). Hiervon abgesehen, ergibt sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 11. 3. 1997, daß der Vorsitzende nach Erörterung der Sach- und Rechtslage bekanntgegeben hat, er werde eine Entscheidung im Anschluß an die Beratung verkünden. Aus dem Protokoll ergibt sich ferner, daß das Urteil nach dem Ende der Beratung verkündet worden ist. Dieser Verfahrensgang entspricht dem Gesetz. Eines Beschlusses der vom Kl. vermißten Art bedurfte es nicht.

d) Auf die in den Vorinstanzen erörterte Frage der örtlichen Unzuständigkeit des VG K. ist schon deswegen nicht einzugehen, weil im Revisionsverfahren eine hierauf bezogene Prüfung nicht stattfindet (§ 173 VwGO i.V. mit § 549II ZPO).

Weitere das Verfahren des BerGer. betreffende Rügen sind nicht erhoben worden.

3. Das Berufungsurteil steht auch insoweit mit Bundesrecht in Einklang, als es für die Zulässigkeit der Klage die Angabe einer Postfachanschrift nicht als ausreichend ansieht. § 82I VwGO erfordert, von Ausnahmen abgesehen, bei natürlichen Personen die Angabe einer Wohnungsanschrift.

a) Die in Deutschland geltenden Prozeßvorschriften und damit auch die VwGO setzen als selbstverständlich voraus, daß jede in Deutschland lebende natürliche Person im Regelfall über eine Wohnung verfügt, die sich mit Hilfe einer Anschrift eindeutig bestimmen läßt. Jeder Einwohner ist verpflichtet, sich bei der Meldebehörde unter Angabe seiner Wohnung an- und bei einem Wohnungswechsel umzumelden (§ 11I, II MRRG). Eine natürliche Person wird daher im Rechtsverkehr normalerweise durch die Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift individualisiert. Unter der Anschrift ist die Angabe der Wohung nach Ort, Straße, Hausnummer und gegebenenfalls weiteren Unterscheidungsmerkmalen (z. B. Gebäudeteil wie etwa Stockwerk oder Gartenhaus) zu verstehen. Wohnung ist ohne Rücksicht auf den Wohnsitz im Rechtssinne jeder Raum, den die Person tatsächlich für eine gewisse Zeit bewohnt (BGH, NJW-RR 1986, 1083 = VersR 1986, 705 m.w. Nachw.).

Dieses Verständnis liegt zahlreichen prozessualen Vorschriften zugrunde. So bestimmt § 117II Nr. 1 VwGO, daß das Urteil „die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren“ zu enthalten hat. Dementsprechend muß die Klageschrift den Kl. nicht nur namentlich nennen, sondern „bezeichnen“ (§ 82I 1 VwGO), wohingegen im Urteil die Angabe der Namen der Mitglieder des Gerichts genügt (§ 117II Nr. 2 VwGO). Auch der über § 173 VwGO (ebenso wie nach anderen Verfahrensordnungen) entsprechend anwendbare § 130 Nr. 1 ZPO geht von dem beschriebenen Verständnis aus. Nach dieser Vorschrift sollen die vorbereitenden Schriftsätze „die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung“, enthalten; die Vorschrift gilt auch für die Klageschrift (§ 253IV ZPO). § 181 ZPO liegt die Vorstellung zugrunde, daß die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung aufgesucht wird. In § 270II 2 ZPO ist im Zusammenhang mit Zustellungen und formlosen Mitteilungen von der „Wohnung der Partei“ die Rede. Ferner bestimmt § 373 ZPO, daß der Zeugenbeweis „durch Benennung des Zeugen“ angetreten wird; einer besonderen Vorschrift, die die Angabe seiner ladungsfähigen Anschrift fordert, bedarf es nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht, obwohl auch dem Zeugen die Ladung zu übermitteln oder zuzustellen ist (§ 377I ZPO) und obwohl es zur zwangsweisen Vorführung des Zeugen (§ 380II ZPO) seiner Anschrift bedarf. Schließlich ergibt sich aus § 395II 1 ZPO, was der Gesetzgeber unter den persönlichen Angaben des geladenen und erschienenen Zeugen versteht, nämlich „Vornamen und Zunamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort“.

Demgemäß besteht in Literatur und Rechtsprechung weitgehend Einigkeit darüber, daß eine das Verfahren als natürliche Person betreibende Partei nach allen Prozeßordnungen ohne Rücksicht auf die jeweilige Formulierung des Gesetzes ihre „ladungsfähige Anschrift“ anzugeben hat. Hiermit ist die Angabe des tatsächlichen Wohnorts im beschriebenen Sinne gemeint, also die Anschift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist (BGHZ 102, 332 [334ff.] = NJW 1988, 2114; BFH, BFH–NV1997, 585; FG Hessen, NVwZ 1986, 968; Hartmann, in: Baumbach–Lauterbach–Albers–Hartmann, ZPO, 57. Aufl. [1999], § 130 Rdnr. 6; Leipold, in: Stein–Jonas, ZPO, 21. Aufl. [1994], § 130 Rdnr. 4; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. [1976], § 130 Anm. A, B Ia 3; Peters, in: MünchKomm-ZPO, § 129 Rdnr. 17; Musielak–Stadler, ZPO, § 130Rdnr. 3; Redeker–v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl. [1997], § 82 Rdnr. 1a; Kuhla–Hüttenbrink, Der Verwaltungsprozeß, 2. Aufl. [1998], S. 186; Pietzner–Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 9. Aufl. [1996], § 13 Rdnr. 7; Ortloff, in: Schoch–Schmidt-Aßmann–Pietzner, VwGO, § 82Rdnr. 4; Kopp–Schenke, VwGO, 11. Aufl. [1998], § 82 Rdnr. 4; Gusy, JuS 1992, 28 [29]; Decker, VerwArch 86 [1995], 266 [279]).

Im Hinblick auf § 130 ZPO wird geltend gemacht, es handele sich um eine bloße Sollvorschrift oder Ordnungsvorschrift ohne zwingenden Charakter (vgl. VGH Mannheim, Die Justiz 1982, 170, der dies sogar als „allgemeine Ansicht“ bezeichnet; ebenso noch VGH Mannheim, NVwZ 1997, 1233 = VBlBW 1996, 373). Dem ist entgegenzuhalten, daß schon das RG die Unterschrift bei bestimmten Schriftsätzen und vor allem bei der Klageschrift ungeachtet der gesetzlichen Formulierung (§ 130 Nr. 6 ZPO) als zwingendes Formerfordernis angesehen hat (RGZ 151, 82 [84]). Der BGH hat sich dem angeschlossen (BGHZ 65, 46 [47] = NJW 1975, 1704 = LM § 295 ZPO Nr. 28; BGHZ 92, 251 [254] = NJW 1985, 328 = LM § 276 BGH Nr. 43; BGHZ 102, 332 [334f.] = NJW 1988, 2114 = LM § 253 ZPO Nr. 84). Hinsichtlich der Angabe der ladungsfähigen Anschrift wird § 130 Nr. 1 ZPO auch in der Kommentarliteratur überwiegend als zwingende Vorschrift angesehen (vgl. die vorstehenden Nachw.).

b) Die Angabe eines Postfaches ist in diesem Sinne keine „ladungsfähige Anschrift“, auch wenn nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (§ 56II VwGO) Zustellungen einschließlich der Zustellung einer Ladung mit Hilfe eines Postfaches möglich sind. Der Kl. leitet aus dem Ausdruck der „ladungsfähigen Anschrift“ die unzutreffende Annahme ab, es genüge ihre Eignung, Ladungen und andere Mitteilungen zu übermitteln. Das ist schon deshalb unzutreffend, weil eine Ladung nach § 10 VwZG, wie jede andere Zustellung auch, an jedem Ort bewirkt werden kann, an dem der Empfänger angetroffen wird, notfalls also auf der Straße oder an öffentlichen Orten. Es liegt auf der Hand, daß diese Möglichkeit nicht zur inhaltlichen Bestimmung des Begriffs der „ladungsfähigen Anschrift“ herangezogen werden kann. Die Vorschriften über den notwendigen Inhalt der Klageschrift dienen nicht nur der Erleichterung der Zustellung, die nicht notwendig von der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift abhängt; umgekehrt bestimmen die Ladungserfordernisse allein nicht den notwendigen Inhalt der Klageschrift. Die Anschrift erschöpft sich nicht in der Ladungsfunktion.

Die Anschrift ist geeignet, den Kl. zu individualisieren, was insbesondere bei Namensgleichheit von Bedeutung sein kann (VGH Kassel, NJW 1990, 138). Der Wohnort des Kl. bestimmt in manchen Fällen die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (vgl. § 52 Nr. 3 S. 2, Nr. 4 S. 1 VwGO, § 13 ZPO). Nach dem Wohnort des Kl. bestimmt sich häufig auch die Zuständigkeit der Behörde (§ 3 I Nrn. 2 u. 3 lit. a VwVfG). Stellt das Gericht anhand der Wohnungsanschrift des Kl. fest, daß die unzuständige Behörde gehandelt hat, kann sich dies auf die Begründetheit der Klage auswirken. Mit dem Sinn dieser Bestimmungen wäre es nicht vereinbar, die frei wählbare Anschrift eines Postfaches als Wohnungsangabe ausreichen zu lassen.

Für die Zustellung ist das Postfach (dessen Einrichtung unabhängig vom Wohnort des Fachinhabers in jedem Ort im Bundesgebiet möglich ist) nicht im gleichen Maße geeignet wie eine Wohnungsanschrift. Es läßt nur die Zustellung nach § 4I VwZG mittels eingeschriebenen Briefes zu. Eine Zustellung mit Postzustellungsurkunde nach § 3I VwZG i.V. mit §§ 180 bis 186 ZPO ist nicht möglich. Damit entfällt nicht nur die Ersatzzustellung an Hausgenossen und Vermieter (§ 181 ZPO), sondern vor allem auch die Ersatzzustellung durch Niederlegung gem. § 182 ZPO, da diese einen erfolglosen Zustellungsversuch an der Wohnung des Adressaten voraussetzt. Da das Schriftstück mit Hilfe einer Postfachanschrift erst dann zugestellt ist, wenn es der benachrichtigte Zustellungsempfänger tatsächlich abholt, hängt der Erfolg der Zustellung und deren Zeitpunkt von dessen Mitwirkung ab. Ist er vom Eingang eines Schriftstückes benachrichtigt worden, so steht es in seinem Belieben, wann er es innerhalb der sieben Tage, in denen es das Postamt zur Abholung bereit hält, in Empfang nimmt. Hat er an der Zustellung kein Interesse - etwa, weil sie Rechtspflichten, Obliegenheiten, Fristen oder andere Nachteile auslöst -, braucht er lediglich die siebentätige Abholfrist verstreichen zu lassen. Danach wird der Brief von der Post an den Absender zurückgesandt. Der Zustellungsversuch ist dann gescheitert.

Die mit der Angabe lediglich eines Postfaches verbundenen Unsicherheiten lassen sich auch nicht immer mit dem Gebot der Rechtssicherheit vereinbaren. Gerichte - dasselbe gilt für Behörden - müssen über einen zuverlässigen Nachweis darüber verfügen, ob und wann ihre Mitteilungen, Ladungen, Fristbestimmungen und Schreiben ähnlichen Inhalts den Empfänger erreicht haben. Es liegt im Interesse einer geordneten Rechtspflege, jederzeit den Nachweis führen zu können, daß dem Anspruch auf rechtliches Gehör genügt worden ist (vgl. Decker, VerwArch 86 [1995], 266 [275]).

Unter diesen Umständen und angesichts der mit dem erfolglosen Versuch einer Zustellug über ein Postfach verbundenen erheblichen Verzögerung ist in einem gerichtlichen Verfahren ein Bedürfnis der Rechtspflege anzuerkennen, über eine sichere und schnelle Zustellungsmöglichkeit zu verfügen, deren Effektivität nicht von der Mitwirkung des Empfängers abhängt. Das Gericht muß in der Lage sein, von den in der Zivilprozeßordnung und im Verwaltungszustellungsgesetz geregelten Zustellungsmöglichkeiten nach eigenem Ermessen Gebrauch zu machen. Mit Recht weist der Kl. darauf hin, daß die besonders zeitaufwendige Form der öffentlichen Zustellung nur dann in Betracht kommt, wenn nicht eine andere Form der Zustellung ohne weiters möglich wäre (BVerfG, NJW 1988, 2361). Dem widerspricht es, einer Prozeßpartei zu gestatten, die Vielfalt der gesetzlich zulässigen Zustellungsmöglichkeiten ohne zwingenden Grund einzuschränken. Insbesondere ist kein Grund zu erkennen, weshalb es einer Partei erlaubt sein sollte, willkürlich die besonders sichere Art der Zustellung gegen Postzustellungsurkunde auszuschließen. Dasselbe gilt für die eine Wohnungsanschrift des Empfängers voraussetzende Möglichkeit, an Ersatzempfänger oder durch Niederlegung zuzustellen.

Daneben dient die Wohnungsanschrift einer sinnvollen Unterrichtung des Gerichts über die Erreichbarkeit des Klägers. Das Gericht muß in manchen Fällen wissen, wo der Kläger tatsächlich wohnt (vgl. VGH Kassel, NJW 1990, 138 [139]), etwa, wenn zu entscheiden ist, zu welcher Uhrzeit er geladen werden soll, ob man einem nicht am Gerichtssitz wohnenden Kläger persönliches Erscheinen zumuten kann (BGHZ 102, 332 [335] = NJW 1988, 2114 = LM § 253 ZPO Nr. 84; ebenso BFH, BFH–NV 1997, 585) oder ob die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts angemessen ist und die dadurch ausgelösten Kosten erstattungsfähig sind (vgl. § 52 BRAGO i.V. mit § 91 ZPO).

Die Angabe eines Postfaches statt der vollständigen Wohnungsanschrift des Kl. ist auch nicht geeignet, dem öffentlichen Interesse an der Sicherung durch den Prozeß entstehender gerichtlicher Kostenforderungen zu genügen. Obsiegt die bekl. Behörde im Verwaltungsprozeß, scheidet sie als Kostenschuldner für die Gerichtskosten aus (§ 58I, II 1 GKG). Demgemäß besteht für das Gericht, das im verwaltungsgerichtlichen Prozeß keinen Kostenvorschuß erheben darf, regelmäßig ein Interesse daran, wegen der Vollstreckung einer gegen den Kl. gerichteten Kostenforderung Kenntnis von dessen Wohnung zu haben. Die Kenntnis der Wohnung ist bei einer Mobiliarpfändung erforderlich, ebenso bei der Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Offenbarungsversicherung, die eine dem Schuldner persönlich zugestellte Ladung voraussetzt, auch wenn er durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 900III 1 ZPO). Erscheint der Schuldner nicht, ist gegen ihn auf Antrag Erzwingungshaft anzuordnen (§ 901 ZPO) und durchzuführen (§ 909 S. 1 ZPO). Diese Bestimmungen zeigen, daß das Gericht ein berechtigtes Interesse daran hat, Kenntnis von der Wohnung des Kl. zu haben, und zwar schon vor Abschluß des Prozesses. Dasselbe Interesse hat - worauf die Bekl. mit Recht hinweist - auch der Prozeßgegner, der im Falle des Obsiegens wegen seiner außergerichtlichen Kosten ebenfalls regelmäßig einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kl. hat. Das Argument, die Frage der Kostentragung spiele im Verwaltungsprozeß eine untergeordnete Rolle, weil keine Vorschußpflicht bestehe (so VGH Kassel, NJW 1990, 140 [141], und VGH München, BayVBl 1992, 594), überzeugt nicht: Gerade weil keine Kostenvorschußpflicht besteht, kann jeder Kl. ohne Kostenaufwand einen verwaltungsgerichtlichen Prozeß beginnen und damit Kosten auslösen, für die keine Sicherheit besteht (OVG Münster, NWVBl 1996, 397; vgl. auch Gusy, JuS 1992, 28 [29]; VGH Kassel, NVwZ-RR 1996, 179 [180]). Dem Sicherungsinteresse des Bekl. läßt sich auch nicht durch eine analoge Anwendung des § 110 ZPO Rechnung tragen (so aber Zeiss, ZZP 1988, 460 [461]). Die Vorschrift ist nach Auffassung des BGH (NJW 1984, 2762 = LM § 110 ZPO Nr. 12) bereits im Zivilprozeß auf Fälle eines vergleichbaren Sicherungsbedürfnisses nicht analog anwendbar; um so mehr scheidet eine entsprechende Anwendung im Verwaltungsprozeß aus.

4. Die Anschrift muß dann nicht vom Kl. angegeben oder wiederholt werden, wenn sie sich - wie es im Verwaltungsprozeß regelmäßig der Fall ist - bereits aus den gem. § 99I 1 VwGO von der Behörde vorzulegenden Akten ergibt, sonstwie bekannt ist oder sich auf andere Weise ohne Schwierigkeiten ermitteln läßt. Es bedarf daher in der Regel eines Hinweises des Gerichts, um den Kl. zu verpflichten, seine Anschrift nachzureichen. Andererseits ist die Angabe der Anschrift, da sie nicht nur Zwecken der Ladung dient, auch dann erforderlich, wenn der Kl. anwaltlich vertreten ist (BGHZ 102, 332 [335] = NJW 1988, 2114 = LM § 253 ZPO Nr. 84; BFH, BFH–NV 1997, 585; ebenso VGH Kassel, NVwZ-RR 1996, 179 [180]).

Das Erfordernis, dem Gericht seinen Namen und seine Anschrift preiszugeben, ist mit dem aus Art. 19 GG abzuleitenden Gebot vereinbar, dem Rechtssuchenden den Zugang zu den Gerichten nicht unnötig zu erschweren. § 82I 1 VwGO ist jedoch unter Berücksichtigung dieses Grundrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszulegen (BVerfG, NJW 1996, 1272). Daraus folgt , daß die Pflicht zur Angabe der Anschrift entfällt, wenn ihre Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Ein solcher Ausnahmefall ist etwa gegeben, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen (BGHZ 102, 332 [336] = NJW 1988, 2114 = LM § 253 ZPO Nr. 84). Ebenso ist das Fehlen der ladungsfähigen Anschrift dann unschädlich, wenn der Kl. glaubhaft über eine solche Anschrift nicht verfügt (VGH München, BayVBl 1992, 594). In diesen Ausnahmefällen müssen dem Gericht aber die insoweit maßgebenden Gründe unterbreitet werden, damit es prüfen kann, ob ausnahmsweise auf die Mitteilung der lagungsfähigen Anschrift des Klägers verzichtet werden kann (BGHZ 102, 332 [336] = NJW 1988, 2114 = LM § 253 ZPO Nr. 84). Wird die Angabe dagegen ohne zureichenden Grund verweigert, liegt keine ordnungsgemäße Klage vor.

5. Entspricht die Klage den in § 82I VwGO genannten Voraussetzungen nicht, so führt dies nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit der Klage. Vielmehr hat in diesem Fall der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern (§ 82II VwGO). Hieraus ergibt sich, daß nicht sämtliche in § 82I 1 VwGO genannten Angaben schon in der Klageschrift enthalten sein müssen. Sie können vielmehr im Laufe des Verfahrens nachgereicht werden. Sie müssen aber, soweit sie echte Sachurteilsvoraussetzungen sind, dem Gericht spätestens im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegen (BVerwG, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 10 = NVwZ 1983, 29 = DÖV 1982, 827; BVerwG, Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 23, S. 11). Insbesondere für die fristwahrende Wirkung der Klage ist es hingegen ausreichend, wenn sich aus den Umständen entnehmen läßt, wer die Klage erhebt und gegen wen sie sich richtet.

Die Aufforderung gem. § 82II VwGO muß eindeutig sein. Kommt ihr der Kläger innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so ist seine Klage unzulässig. Dasselbe gilt, wenn sich die Anschrift während des Verfahrens ändert und er sich ohne triftigen Grund weigert, einer gerichtlichen Aufforderung nachzukommen und seine neue Anschrift zu nennen. Hierzu ist der Kläger schon aufgrund seiner Mitwirkungspflicht (§ 86I 1, III VwGO) verpflichtet (Redeker–v. Oertzen, § 82 Rdnr. 9; BFH, BFH– NV 1997, 585; OVG Münster, InfAuslR 1998, 446; a.A. Clausing, JuS 1998, 919 [922]).

6. Im hier zu entscheidenden Fall hat der Kl. seine Anschrift nicht in einer den Anforderungen des § 82I 1 VwGO genügenden Weise angegeben. Da er bereits in der Klageschrift die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen VG gerügt hatte, hatte dieses auch besonderen Anlaß, den Kl. zur Angabe seiner Wohnungsanschrift aufzufordern; die letzte Aufforderung war mit einer Fristsetzung von zwei Wochen und der Ankündigung verbunden, die Klage dürfte als unzulässig abzuweisen sein, falls der Kl. der Aufforderung nicht nachkommen sollte. Die Aufforderung ist dem Kl. als Einschreiben zugestellt worden und hat ihn erreicht (§ 56I VwGO). Der Kl. hat dem Gericht keine Erklärung dafür gegeben, weshalb er dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. Gründe für seine Weigerung sind auch sonst nicht ersichtlich. Die korrekte Wohnungsanschrift ist den Verwaltungsvorgängen der Bekl. nicht zu entnehmen. Die besonderen Voraussetzungen, die es gestatten, von einer Angabe der Wohnungsanschrift des Kl. abzusehen, sind somit nicht erfüllt. Das VG hat die Klage des Kl. daher zu Recht als unzulässig abgewiesen.

7. Auch der Hilfsantrag des Kl. bleibt erfolglos. Er setzt voraus, daß das Berufungsurteil mit Bundesrecht nicht vereinbar und deshalb aufzuheben ist. Das ist, wie dargelegt, nicht der Fall.

Rechtsgebiete

Allgemeines Zivilrecht