Übertragung eines Pauschalreisevertrages darf nicht von Zahlung von Mehrkosten abhängig gemacht werden

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Beschluss über sofortige Beschwerde


Datum

01. 02. 2012


Aktenzeichen

2-24 T 1/12


Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Die Antragstellerin buchte bei der Beklagten die im Tenor näher bezeichnete Pauschalreise für sich und die Mitreisende ....

Die ursprüngliche Mitreisende ... ist jedoch verhindert, so dass die Antragstellerin mit E-Mail vom 13.12.2011 nunmehr von der Antragsgegnerin verlangt hat, ihr Mutter, Frau ..., gem. § 651 b I BGB als Ersatzteilnehmerin für Frau ... zu akzeptieren.

Die Antragsgegnerin erhebt hinsichtlich der Person der gewünschten Ersatzteilnehmerin, Frau ..., keine Einwände. Sie macht die Durchführung der Reise mit der Ersatzteilnehmerin jedoch davon abhängig, dass vorab behauptete Umbuchungskosten von insgesamt 1.882,- Euro als entstehende Mehrkosten erstattet werden.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 18.01.2012 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass aus der Antragsschrift der Antragsstellerin eine besondere Dringlichkeit nicht ersichtlich sei, da die Teilnahmemöglichkeit der Frau ... unstreitig sei und man sich lediglich um die Tragung der Mehrkosten streite. Dieser Streit könne auch in einem Hauptsacheverfahren geführt werden. Der Antragstellerin bliebe es unbenommen, die ihr für die Ersatzbuchung in Rechnung gestellten Kosten unter Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen und anschließend im normalen Klageverfahren als unberechtigt zurückfordern.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 18.01.2012 (Bl. 52 d. A.) Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

Mit Beschluss vom 30.01.2012 (Bl. 61 d. A.) hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.


II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Die Antragsstellerin hat einen Verfügungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.

Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 651 b I BGB.

Danach kann der Reisende bis zum Reisebeginn verlangen, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintritt, § 651 b I 1 BGB.

Vorliegend handelt es sich unzweifelhaft um einen Pauschalreisevertrag im Sinne von § 651 a BGB. Die Antragstellerin ist als Reiseanmelderin auch berechtigt, die die Ersatzteilnahme eines Ersatzteilnehmers gegenüber der Antragsgegnerin als Reiseveranstalterin zu verlangen. Danach kann die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin den Eintritt der Frau ... als Ersatzteilnehmerin verlangen.

Dieses Verlangen hat die Antragstellerin auch rechtzeitig vor Reisebeginn gegenüber der Antragsgegnerin angebracht.

Widerspruchsgründe in der Person der Ersatzteilnehmerin, Frau ..., im Sinne von § 651 b I 2 BGB hat die Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

Danach ist die zwingende Rechtsfolge des § 651 b I BGB, dass die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin benannte Frau ... als Ersatzteilnehmerin akzeptieren und insoweit der Vertragsübertragung zustimmen muss.

2. Es liegt auch ein Verfügungsgrund im Sinne von § 940 ZPO vor.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist vorliegend von einer besonderen Dringlichkeit im Sinne von § 940 ZPO auszugehen.

Zwar ist zutreffend, dass die grundsätzliche Teilnahmefähigkeit der Frau ... nicht im Streit steht. Jedoch verweigert die Antragsgegnerin die Vertragsübernahme solange bzw. macht sie davon abhängig, dass ihr vorab die von ihr behaupteten Mehrkosten der Umbuchung von insgesamt 1.882,- Euro gem. § 651 b II BGB erstattet werden.

Dies ist jedoch unzulässig, da dies gegen die Regelung des § 651 b I BGB verstößt. Insoweit muss sich die Antragstellerin auch nicht darauf verweisen lassen, den Streit über die erforderlichen berechtigten Mehrkosten in einem Hauptsacheverfahren zu klären, also vorab die behaupteten Mehrkosten unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen.

Zwar kann der Reiseveranstalter gem. § 651 b II BGB die durch den Eintritt des Dritten entstehenden Mehrkosten ersetzt verlangen. Diesbezüglich handelt es sich um einen Aufwendungsersatzanspruch (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Seite 177, Rn. 194). Jedoch kann der Reiseveranstalter nach Sinn und Zweck des § 651 b I BGB die Vertragsübertragung nicht vorab von der Verauslagung der möglicherweise entstehenden Mehrkosten abhängig machen. Insoweit ist eine Vorleistungspflicht des Reisenden nicht ersichtlich. Ansonsten könnte der Reiseveranstalter die nicht abdingbare Verpflichtung zur Vertragsübertragung - soweit kein berechtigtes Widerspruchsrecht besteht - auch durch die „Hintertür“ aushebeln, in dem die Vertragsübertragung von einer weiteren Voraussetzung (Verauslagung der behaupteten Mehrkosten) abhängig gemacht wird, die vom Gesetzgeber nicht gewollt war. Weiterhin ist einem Aufwendungsersatzanspruch immanent, dass die Aufwendungen erst einmal angefallen sein müssen.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass nach allgemeiner Auffassung der Reiseveranstalter die Höhe und die Berechtigung der Mehrkosten darlegen und beweisen muss (vgl. nur Führich, Reiserecht, 6. Aufl., 2010, Seite 179, Rn. 198). Insoweit ist ein Reisender auch nicht verpflichtet, die vom Reiseveranstalter aufgerufenen Mehrkosten unter dem Vorbehalt der Rückforderung vorab zu zahlen. Dies würde eine Umkehr der Beweislast zulasten des Reisenden bedeuten.

Vielmehr ist der Reiseveranstalter verpflichtet, unter den alleinigen Voraussetzungen des § 651 b I BGB der Vertragsübertragung zuzustimmen und die Reise mit dem berechtigten Ersatzteilnehmer durchzuführen. Im Anschluss daran ist der Reiseveranstalter selbstverständlich berechtigt, die entstandenen berechtigten Mehrkosten geltend zu machen. Besteht darüber Streit, liegt es jedoch am Reiseveranstalter die behaupteten Mehrkosten einzuklagen.

Da die Antragsgegnerin die Vertragsübertragung in unberechtigter Weise von der Zahlung von 1.882,- Euro abhängig macht und Reisebeginn bereits am 17.02.2012 ist, liegt eine Eilbedürftigkeit zweifellos vor.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO

Eine Rechtsbeschwerde ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zulässig (vgl. BGH, NJW 2003, 1531, 1531).

Rechtsgebiete

Reiserecht