Impressumverstoß keine bloße, nicht spürbare Bagatelle

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

06. 12. 2011


Aktenzeichen

5 U 144/10


Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin vom 31. August 2010 - 103 O 34/10 - teilweise geändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 651,80 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. März 2010 zu zahlen.

  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand


A.

Von der Wiedergabe eines Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V. mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe


B.

Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil (nachfolgend: „LGU“; ggf. nebst Seitenzahl) ist zulässig und hat - soweit aufrecht erhalten - auch in der Sache Erfolg.


I.

Die in LGU 3 gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG angenommene örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Berlin ist gemäß § 513 Abs. 2 ZPO vom Berufungsgericht nicht in Zweifel ziehen.


II.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von Abmahnkosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu.

1. Die in Rede stehende Abmahnung war „berechtigt“ i. S. von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (vgl. dazu Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rdn. 1.68).

a) Die Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG sachbefugt. Die von der Beklagten zunächst in Zweifel gezogene (sachliche) Mitbewerbereigenschaft der Klägerin (als „ernsthafte“ Autohändlerin) hat die Klägerin alsdann eingehend dargelegt (Bl. 36 d. A. mit Anlage K 3). Dem ist die Beklagte nicht mehr entgegengetreten. Auch die - von den Parteien nicht erörterte - Frage des räumlichen Wettbewerbsverhältnisses ist zu bejahen, auch wenn die Parteien mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt ansässig sind. Denn beide Parteien bieten ihre Gebrauchtwagen überörtlich, nämlich im Internet, an und es erscheint nicht ausgeschlossen, dass Gebrauchtwageninteressenten - je nach Attraktivität eines Angebots - bereit sind, auch bei einem entsprechend weit entfernt ansässigen Händler zu kaufen.

b) Von einer i. S. des § 8 Abs. 4 UWG missbräuchlichen Rechtsverfolgung der Klägerin kann (was das Landgericht offen gelassen hat) im Streitfall nicht ausgegangen werden. Die hierzu von der Beklagten dargelegten Anhaltspunkte (Bl. 24-25 d. A. nebst Anlage B 2) hat die Klägerin nach dem Dafürhalten des Senats hinreichend entkräftet (Bl. 54-63 d. A.). Dem diesbezüglichen, tatsächlichen, Klägervorbringen ist die Beklagte nicht entgegengetreten und auf ihren Missbrauchseinwand alsdann auch nicht mehr zurück gekommen.

c) Die Abmahnung war begründet, weil ihr ein aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 5a Abs. 2 UWG folgender Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zugrunde lag. Nach der zuletzt genannten Vorschrift handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern i. S. von § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist.

aa) Mit Recht - und von der (Berufungs-) Beklagten nicht in Zweifel gezogen - hat das Landgericht angenommen (LGU 4), dass über Handelsregister, Handelsregisternummer und Umsatzsteueridentifikationsnummer gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4, 6 TMG zu informieren ist und dass die Beklagte diese Informationen vorenthalten hat.

bb) Bei diesen vorenthaltenen Informationen handelte es sich auch um im vorstehenden Sinne „wesentliche“. Denn nach § 5a Abs. 4 UWG gelten vorenthaltene Informationen bei (bestimmten) gemeinschaftsrechtlich determinierten Informationspflichten als „wesentlich“ i. S. von § 5a Abs. 2 UWG. Das trifft auf die hier vermissten Informationen zu, denn § 5 Abs. 1 Nr. 4, 6 TMG setzt Art. 5 Abs. 1 Buchst. d, g EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr um. Auch dies hat das Landgericht (a. a. O.) mit Recht angenommen.

cc) Entgegen der Annahme des Landgerichts ist der hier in Rede stehenden Verstoß auch als „spürbar“ i. S. von § 3 Abs. 1, 2 UWG zu beurteilen. Das folgt - wie nachfolgend darzustellen sein wird - aus jüngeren höchstrichterlichen Vorgaben (die dem entgegen stehende ältere instanzgerichtliche Judikate überholt erscheinen lassen).

Maßgeblich ist sonach (auch) im Streitfall, dass die Beklagte den Adressaten ihrer Werbung Informationen vorenthält, die sie - wie dargelegt - gemäß Art. 5 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr und der die dortigen Vorgaben umsetzenden Bestimmungen des § 5 TMG zu liefern hat. Diese Informationen sind - wie gleichfalls oben dargelegt - gemäß § 5a UWG, womit Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in das deutsche Recht umgesetzt worden ist, als wesentlich i. S. des § 5a Abs. 2 UWG anzusehen. Schon aus diesem Grund kann ihre Vorenthaltung nicht als nicht spürbar i. S. von § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 UWG angesehen werden (vgl. BGH GRUR 2010, 852, Tz. 21 - Gallardo Spyder; ferner: BGH GRUR 2010, 1142, Tz. 24 - Holzhocker). Mit der Bejahung der Wesentlichkeit nach § 5a Abs. 2 UWG sind mit anderen Worten unwiderleglich auch die Erfordernisse des § 3 Abs. 2 UWG erfüllt, weil sich die Wesentlichkeit gerade dadurch definiert, dass der Verbraucher „im Sinne des § 3 Abs. 2 . beeinflusst“ wird (Bornkamm a. a. O., § 5a Rdn. 56). Mit der (im Streitfall vorliegenden) Verletzung der Informationspflicht nach § 5a Abs. 4 UWG steht damit ebenfalls fest, dass die Verletzung der Informationspflicht zu einer relevanten Fehlvorstellung führt (Bornkamm a. a. O. Rdn. 57). Der Senat betrachtet es sonach als nunmehr höchstrichterlich geklärt, dass eine Vorenthaltung der gemäß § 5a Abs. 4 UWG als wesentlich in Bezug genommenen Verbraucherinformationen nach den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien unwiderleglich als „spürbar“ i. S. des § 3 Abs. 2 UWG anzusehen ist. Mit der Bejahung der Wesentlichkeit der Vorenthaltung ist diese zwangsläufig geeignet, die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen.

2. Der also dem Grunde nach zu Recht geltend gemachte Erstattungsanspruch ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden, und zwar weder hinsichtlich des angenommenen Gegenstandswerts für die drei in Rede stehenden Verstöße i. H. von insgesamt 10.000 € noch hinsichtlich des (zuletzt) geltend gemachten Gebührenfaktors von 1,3 (vgl. zu letzterem BGH GRUR 2010, 1120, Tz. 31 - Vollmachtsnachweis).


III.

Die mithin bestehende Zahlungsforderung ist - wie zuletzt geltend gemacht - seit Rechtshängigkeitseintritt in eingeklagter Höhe zu verzinsen (§§ 288, 291 BGB).


C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Vorinstanzen

LG Berlin, 103 O 34/10

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht; Informations- und Telekommunikationsrecht