Vollmachtszweifel bei Abmahnung – das ist zu tun

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Beschluss über sofortige Beschwerde


Datum

01. 03. 2012


Aktenzeichen

10 W 121/11


Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juli 2011 - 27 O 236/11 - geändert:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 7. April 2011 wird im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe


Gründe

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere per Fax vom 9. August 2011 innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Antragsgegnerin, die den Anspruch durch Beschränkung des Widerspruchs auf die Kostenentscheidung sofort anerkannt hat, hat entgegen der Auffassung des Landgerichts keine Veranlassung zur Einreichung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Sinne von § 93 ZPO gegeben.

Zwar ist § 174 Satz 1 BGB auf die mit einer Unterwerfungserklärung verbundene Abmahnung nicht anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann bereits in der Abmahnung ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags liegen, wenn es von einem Rechtsbindungswillen getragen und hinreichend bestimmt ist. Auf die Abgabe eines Vertragsangebots ist § 174 BGB weder direkt noch analog anwendbar. Es besteht auch keine Veranlassung, die einheitliche Erklärung des Gläubigers in eine geschäftsähnliche Handlung (Abmahnung) und ein Vertragsangebot (Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags) aufzuspalten und auf erstere die Bestimmung des § 174 Satz 1 BGB anzuwenden. Nur bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist die ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung des Vertreters nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Dem trägt § 174 Satz 1 BGB dadurch Rechnung, dass der Erklärungsempfänger die Ungewissheit über die Wirksamkeit eines von einem Vertreter ohne Vollmachtsvorlage vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäfts durch dessen Zurückweisung beseitigen kann. Eine vergleichbare Interessenlage besteht im Falle eines mit einer Abmahnung verbundenen Angebots auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags nicht. Die Abmahnung dient dazu, dem Schuldner die Möglichkeit einzuräumen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen. Der Zweck der Abmahnung wird erreicht, weil der Schuldner das Angebot zum Abschluss des Unterwerfungsvertrags annehmen kann, wenn er die Abmahnung in der Sache als berechtigt ansieht. In diesem Fall kommt der Unterwerfungsvertrag mit dem Gläubiger zustande, wenn der Vertreter über Vertretungsmacht verfügte. Fehlt die Vertretungsmacht, kann der Schuldner den Gläubiger gemäß § 177 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Erklärung über die Genehmigung auffordern (vgl. BGH GRUR 2010, 1120-1122).

Wie der Bundesgerichtshof (a.a.O.) betont, kann der Schuldner allerdings in Fällen, in denen er Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters hat, die Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen. Der Schuldner, der auf die anwaltliche Abmahnung erklärt, er sei zur Abgabe der verlangten strafbewehrten Unterlassungserklärung bereit, wenn ihm der abmahnende Rechtsanwalt eine Vollmacht vorlege, hat durch sein Verhalten keinen Anlass zur Stellung des Verfügungsantrages gegeben, sofern es dem Antragsteller zumutbar war, diesem Verlangen vor Einleitung des Verfügungsverfahrens zu entsprechen (vgl. auch OLG Stuttgart NJWE-WettbR 2000, 125). So liegt der Fall hier.

Die Antragsgegnerin hat im Schreiben vom 22. März 2011 erklärt, die geforderte Unterlassungserklärung abgeben zu wollen, sofern die ordnungsgemäße Bevollmächtigung nachgewiesen werde, und dies im Schreiben vom 24. März 2011 nochmals bekräftigt. Diesem Verlangen ist die Antragstellerin nicht hinreichend nachgekommen. Denn die Vollmacht ist durch Vorlage des Originals oder einer beglaubigten Kopie nachzuweisen. Die Übermittlung einer (teilweise abgedeckten) Faxkopie reichte hierzu ebenso wenig aus (vgl. nur Zöller, ZPO, 29. Aufl., Rdnr. 7 f. zu § 80 m. w. Nachw.), wie die anwaltliche Versicherung der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung, insbesondere wenn diese - wie im Schriftsatz vom 20. Mai 2011 ausgeführt - auf der Grundlage der Übermittlung einer Kopie abgegeben wird. Der Antragstellerin war die Vorlage der Vollmachten in zumindest beglaubigter Kopie auch zumutbar. Dass sich darin neben ihrer auch die Anschrift ihres Sohnes befindet und sich dieser zum Zeitpunkt der Abmahnung gerade auf einer "Promotions-Tour" befand, ist unerheblich.

Dass die Antragsgegnerin schließlich auch die fehlende Datierung der Generalvollmacht der Antragstellerin für bedenklich hielt, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Antragstellerin hat zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung nichts ausgeführt, was angesichts der behaupteten Erkrankung der Antragstellerin nahe gelegen hätte. Dafür, dass die Antragsgegnerin auch bei einem entsprechenden Vortrag die Unterlassungserklärung nicht abgegeben hätte, liegen Anhaltspunkte nicht vor. Vielmehr war es die Antragstellerin, die sich einer Aufklärung der Umstände der Vollmachtserteilung verschlossen und ohne weitere Reaktion auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 30. März 2011 das Landgericht angerufen hat.


Neuhaus

Thiel RiLG

Thiel

Vorinstanzen

LG Berlin, 27 O 236/11

Rechtsgebiete

Presserecht