Flugannullierung, da Landung vor Eintritt des Nachtflugverbotes infolge von Abflugverspätung nicht mehr möglich gewesen wäre

Gericht

AG Erding


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 04. 2011


Aktenzeichen

2 C 1053/11


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Ausgleichsansprüche aus einer Flugannullierung.

Die Kläger waren als Fluggäste auf dem Flug der Beklagten am 30.5.2010 von London Gatwick nach München gebucht. Der Flug sollte planmäßig in London um 17:35 Uhr Universalzeit abgehen und in München um 19:20 Uhr Universalzeit ankommen. Der Flug wurde seitens der Beklagten annulliert. Die Kläger hatten für den annullierten Flug 199,96 EUR bezahlt. Infolge der Flugannullierung entstanden den Klägern folgende Kosten: 909,59 EUR für Rückflugtickets von Lufthansa, 7,18 EUR Buskosten, 59,87 EUR Taxikosten.

Die Kläger bestreiten, dass der Flug infolge von Radarproblemen annulliert werden musste. Am 19.10.2010 leistete die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 1.176,60 EUR an die Kläger. Die Parteien haben den Rechtsstreit in dieser Höhe für erledigt erklärt. In Höhe von 90,41 EUR zuzüglich Zinsen und hinsichtlich außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 186,24 EUR hat die Beklagte die Forderung anerkannt. ...

Die Beklagte trägt vor, dass der Flug infolge von Radarproblemen über Deutschland annulliert werden musste. Diese Radarprobleme hätten dazu geführt, dass der streitgegenständliche Flug erst nach dem ab 22:00 Uhr Universalzeit auf dem Flughafen München geltenden Nachtflugverbot in München hätte landen können. …

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Beklagte war im Hinblick auf ihr Anerkenntnis hin zu verurteilen, an die Kläger 90,41 EUR zuzüglich Zinsen sowie 186,24 EUR an außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen.

Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen. Den Klägern steht kein Ausgleichszahlungsanspruch gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu. Die Flugannullierung beruhte auf außergewöhnlichen Umständen im Sinn von Art. 5 Abs. 3 der EG Verordnung.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Beklagten für den streitgegenständlichen Flug von dem zuständigen Central Flow Management ein Abflugslot von 20:36 Universalzeit zugeteilt wurde. Bei einem Abflug um 20:36 Uhr wäre es der Beklagten nicht möglich gewesen, vor Eintritt des Nachtflugverbotes um 22:00 Universalzeit auf dem Flughafen München zu landen. Die Verschiebung des ursprünglich auf 17:35 Uhr vorgesehenen Abflugslots auf 20:36 Uhr beruhte auf einer zeitweiligen Schließung des Luftraumes über Süddeutschland infolge eines Radarausfalles.

Dies hat der Zeuge Herr T. in seiner uneidlichen Einvernahme am 18.4.2011 so ausgesagt. Weiter hat der Zeuge angegeben, dass es der Beklagten nicht möglich war, bei dem Central Flow Management die Vergabe eines früheren Abflugslots zu erwirken. Infolge des zeitweisen Radarausfalles war der Flugbetrieb im süddeutschen Raum stark eingeschränkt und betrug nur ca. 50% der normalen Kapazität. Andere Flugstreckenplanungen, als die ursprünglich vorgesehenen, wurden seitens der Central Flow Managements nicht akzeptiert.

Das Gericht hat keine Zweifel an der Aussage des Zeugen. Dieser hat seine Aussage überaus ruhig und überlegt getroffen. Er hinterließ bei Gericht einen seriösen und glaubwürdigen Eindruck.

Die Vergabe eines Abflugslots, der zu einer Landezeit führt, die gegen ein Nachtflugverbot verstößt, stellt einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO dar. Gemäß dem 15. Erwägungsgrund der Verordnung stellt eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements, die zur Folge hat, dass es zu großen Verspätungen oder Annullierungen kommt, einen außergewöhnlichen Umstand dar. Die Vergabe von Abflugslots durch das Central Flow Management stellt eine derartige Entscheidung dar. Seitens der Beklagten gab es keine Möglichkeit, auf diese Entscheidung Einfluss zu nehmen. Die Slotvergabe führte dazu, dass der Flug am Flughafen München infolge des Nachtflugverbotes nicht mehr landen durfte. Auch das auf dem Flughafen München geltende Nachtflugverbot stellt außergewöhnliche Umstände im Sinn von Art. 5 Abs. 3 VO dar. Hierbei handelt es sich um Bestimmungen, auf die die Beklagte keinen Einfluss hat und die von ihr einzuhalten sind.

Das Vorbringen der Beklagten hinsichtlich des Vorliegens der außergewöhnlichen Umstände ist nicht gemäß § 296 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Zwar wurde erstmals mit Schriftsatz vom 10.2.2011 nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist vorgetragen, dass der Flug infolge von Radarproblemen annulliert wurde. Die Zulassung des verspäteten Vorbringens hat jedoch nicht zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreites geführt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wäre auch ohne die nunmehr erforderliche Beweisaufnahme erforderlich gewesen, da der Entscheidung im schriftlichen Verfahren nicht zugestimmt wurde.

Den Klägern steht ein über die bereits geleistete Zahlung in Höhe von 1.176,60 EUR und dem anerkannten Betrag in Höhe von 90,41 EUR hinausgehender weiterer Zahlungsanspruch nicht zu.

Ein derartiger Zahlungsanspruch ergibt sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der vertanen Urlaubsfreude. Ein derartiger Schadensersatzanspruch ist lediglich in § 651f Abs. 2 BGB vorgesehen, der nicht auf die hier streitgegenständliche reine Flugreise Anwendung findet. Gemäß § 651a BGB finden die §§ 651a ff. BGB lediglich Anwendung auf Reiseverträge, die sich aus mehreren Einzelleistungen zusammensetzen (Palandt / Sprau, BGB [69. Aufl.], Vor § 651a Rn. 3). Bei § 651f Abs. 2 BGB handelt es sich um eine nicht analogiefähige Vorschrift. Gemäß § 253 Abs. l BGB kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

Ein Schmerzensgeldanspruch steht den Klägern bereits mangels Verletzung geschützter Rechtsgüter im Sinn von § 823 Abs. 1 BGB nicht zu.

Die Kläger wären darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sie infolge einer Handlung der Beklagten an Leben, Körper, Gesundheit oder ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschädigt wurden. Der pauschale Hinweis darauf, dass infolge der Flugannullierung und der mitreisenden Kinder Unannehmlichkeiten entstanden sind, ist insoweit nicht ausreichend. …

Rechtsgebiete

Reiserecht