Ausführendes Luftfahrtunternehmen kann auch das Mutterunternehmen eines selbständigen Tochterunternehmens sein

Gericht

AG Bremen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

10. 10. 2011


Aktenzeichen

16 C 89/11


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat aufgrund der um 3 Stunden und 55 Minuten verspäteten Ankunft in Bremen am 20.11.2010 nach einem bei der Beklagten gebuchten Flug gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Zahlung in Höhe von 250,- EUR aus Art. 7 Abs. 1, lit. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

Es fehlt bei der Beklagten insbesondere nicht die Passivlegitimation für diesen Anspruch. Anspruchsgegner ist unstreitig ausschließlich das "ausführende Luftfahrtunternehmen" im Sinne der genannten Verordnung. Zwar ist für den Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens grundsätzlich allein maßgeblich, welches Unternehmen mit dem von ihm bereitgestellten Flugzeug und Personal die Beförderungsleistung tatsächlich erbringt, und nicht, mit welchem Luftfahrtunternehmen der Vertrag über die Flugreise geschlossen worden ist (vgl. BGH, NJW 2010, 1522). Diesem Verständnis der Verordnung liegt letztlich die Annahme zu Grunde, dass das die Leistung tatsächlich erbringende Unternehmen aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen in der Regel am Besten in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, wohingegen der Vertragspartner in diesen Fällen auf die Durchführung keinen Einfluss hat. Diese Überlegungen treffen in dem vorliegenden Fall jedoch gerade nicht in dem Maße zu wie bei anderen Code-Share-Flügen. Der Fall unterscheidet sich vielmehr dadurch erheblich, dass hier mit der L. GmbH zwar eine von der Beklagten abweichende juristische Person mit eigenem IATA Code die Durchführung des Fluges übernommen hat. Das genannte Unternehmen ist jedoch eine einhundertprozentige Tochterfirma der Beklagten und gehört zum selben Konzern. Die genutzten Flugzeuge gehören zur Flotte der Beklagten und das Personal ist ebenfalls ihr zuzurechnen. Dadurch ist der Einfluss der Beklagten auf die Durchführung des durch die L. GmbH übertragenen Fluges faktisch in großem Maße gegeben und die Möglichkeit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Verpflichtungen nicht derart eingeschränkt, als wenn sich die Beklagte eines "fremden" Luftfahrtunternehmens zur Durchführung eines Fluges bedient hätte. Insoweit kann das Innenverhältnis der L. GmbH zu der Beklagten bei der Beurteilung nicht außer Betracht bleiben. Die L. GmbH ist dem "Unternehmen" der Beklagten zuzurechnen, weshalb es sich bei der Beklagten auch um das "ausführende Luftfahrtunternehmen" i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 261/2004 handelt.

Es ist vorliegend ferner von einer Verspätung von mehr als 3 Stunden im Sinne des Art. 7 VO (EG) Nr.261/2004 auszugehen. Entscheidend für die Beurteilung ist hierbei die eingetretene Verspätung am Endziel, so dass es unerheblich ist, dass die Verspätung des Fluges für die gebuchte Teilstrecke von Krakau nach München lediglich 48 Minuten betragen hat. Durch die gleichzeitige Buchung des Anschlussfluges und durch das Verpassen desselben betrug die Verspätung bei der Ankunft am Endziel Bremen schließlich 3 Stunden und 55 Minuten.

Die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch liegen nach dem schlüssigen Klägervortrag, dem die Beklagte insoweit nicht entgegengetreten ist, ebenfalls vor. …

Rechtsgebiete

Reiserecht