Vergleichsangebot durch Angestellte eines Reiseveranstalters nach Änderung von Flugstrecken und -zeiten

Gericht

AG Hannover


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

07. 10. 2011


Aktenzeichen

511 C 6189/11


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen mangelhafter Reiseleistungen i.V.m. dem Abschluss eines Vergleichsvertrages geltend.

Die Klägerin buchte für sich und ihre beiden Töchter bei der Beklagten am 21.5.2010 eine Flugpauschalreise nach Lanzarote für die Zeit vom 10.10. bis 17.10.2010 zu einem ursprünglichen Reisepreis in Höhe von 3.328,- EUR, der nachträglich aufgrund beanspruchter Zusatzleistungen auf 3.462,- EUR angehoben wurde. Enthalten war darin der Hinflug am 10.10.2010 von Luxemburg nach Lanzarote sowie der Rückflug am 17.10.2010 von Lanzarote nach Luxemburg, bzw. für eine Tochter nach München. Kurz vor Reisebeginn änderte die Beklagte jedoch die Flugstrecken und -zeiten. Der neue Reiseplan sah vor, dass der Hinflug am 10.10.2010 ab Leipzig erfolgen sollte, wozu die Klägerin und ihre beiden Töchter bereits einen Tag zuvor nach Frankfurt a.M. fahren mussten, um von dort nach Leipzig zu fliegen. In Leipzig war sodann eine Übernachtung vorgesehen. Auch die Rückflüge nach Luxemburg hatten sich insofern geändert, als dass diese nunmehr nach Frankfurt a. M. gehen sollten.

Mit Schreiben vom 7.10.2010 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass sie die Reise unter den neuen Bedingungen nur unter dem Vorbehalt antrete, später Schadensersatzansprüche geltend zu machen, da ihr keine andere Alternative angeboten worden und ihr als selbständige Apothekerin ein erheblicher Schaden entstanden sei. Mit Schreiben der Beklagten vom 18.10.2010, das von ihren Mitarbeiterinnen Frau S. und Frau R. unterschrieben wurde, entschuldigte sich die Beklagte und teilte darin mit: , "(...) wir sind Ihnen entgegengekommen und haben den Reisepreis auf insgesamt 2.364,33 EUR für drei Personen reduziert." Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 2.11.2010, dass sie das Angebot der Beklagten annehme und bat um Überweisung des Differenzbetrages in Höhe von 1.097,67 EUR auf ihr Konto. Die Klägerin erhielt sodann die Mitteilung der Beklagten vom 8.11.2010, dass der reduzierte Reisepreis von 2.364,33 EUR in die Buchung eingegeben worden sei und die entsprechende Gutschrift an das Reisebüro Rückzahlung des Differenzbetrages durch das Reisebüro erfolge.

Mit Schreiben vom 14.12.2010 mahnte die Klägerin die Zahlung des Differenzbetrages mit Fristsetzung bis zum 22.12.2010 bei der Beklagten an. Die Beklagte teilte sodann der Klägerin mit Schreiben vom 20.10.2010 mit, dass die Summe aus dem reduzierten Reisepreis mit den Mehrkosten für den Transfer und der Übernachtung verrechnet wurde. Daraufhin beauftragte die Klägerin einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche, der der Beklagten mit Schreiben vom 10.1.2011 nochmals eine Zahlungsfrist setzte. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 1.2.2011, erklärte darin ihre Berechnung und teilte ihr Bedauern mit, dass es zu mehreren Missverständnissen und fehlerhaften Aussagen gekommen sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien ein Vergleich bezüglich der Minderung des Reisepreises zustande gekommen sei. …

Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein entsprechendes Vergleichsangebot nicht unterbreitet worden sei. Im Schreiben vom 18.10.2010 sei lediglich eine fehlerhafte Mitteilung erfolgt. Zudem sei ein Vergleich hilfsweise mit Schreiben vom 1.2.2011 angefochten worden. Die Mitarbeiterinnen S. und R. seien zur Abgabe eines Vergleichsangebotes auch nicht befugt gewesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist in der Hauptsache begründet. Lediglich ein Teil der Zinsforderung ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.097,67 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenem Vergleich.

Zwischen den Parteien ist eine Einigung dahingehend zustande gekommen, dass der ursprünglich vereinbarte Reisepreis in Höhe von 3.462,- EUR für die gebuchte Reise nach Lanzarote auf 2.364,33 EUR reduziert wird.

Das Schreiben der Beklagten vom 18.10.2010 enthält ein diesbezügliches Angebot. Bei einem Vergleichsangebot handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Diese ist so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen durfte. Die Beklagte hatte der Klägerin in ihrem Schreiben mitgeteilt, dass der Klägerin entgegengekommen und der Reisepreis auf insgesamt 2.364,33 EUR reduziert wurde. Diese Erklärung konnte aus der Sicht eines verständigen Dritten als Erklärungsempfänger nur dahingehend verstanden werden, dass die Beklagte aufgrund der vorangegangenen Mängelrüge der Klägerin und der Ankündigung der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ein entsprechendes Angebot zur Reduzierung des Reisepreises unterbreitet hat, damit die Klägerin auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche verzichtet. Auch im Schreiben vom 8.11. 2010 wird diese Auslegung noch einmal bestätigt, indem die Beklagte hier ankündigt, dass die Auszahlung des Differenzbetrages durch das Reisebüro erfolge.

Unerheblich ist dabei, ob die Angestellten der Beklagten S. und R. zur Abgabe eines solchen Angebots berechtigt waren. Die Angestellten haben das Vergleichsangebot im Namen der Beklagten abgegeben, so dass es sich um ein Angebot der Beklagten und nicht ihrer Angestellten handelt. Dabei haben sie die Beklagte nach außen wirksam vertreten. Sollten sie außerhalb ihrer innerbetrieblichen Befugnisse gehandelt haben, ändert dies daher nichts an der Abgabe einer wirksamen Willenserklärung für die Beklagte.

Dieses Vergleichsangebot ist nicht durch eine Anfechtung der Beklagten gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend erloschen. Die Beklagte hat mit ihrer Erklärung im Schreiben vom 1.2.2011 eine wirksame Anfechtungserklärung gemäß § 143 Abs. 1 BGB abgegeben. Darin hat sie ausgeführt, dass es sich um einen Irrtum gehandelt habe und zu erkennen gegeben, dass sie an dieser Erklärung nicht festhalten wolle.

Ein Anfechtungsgrund liegt jedoch nicht vor, insbesondere handelt es sich nicht um einen Erklärungsirrtum, § 119 Abs. 1 BGB. Ein solcher liegt regelmäßig dann vor, wenn der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht. Im vorliegenden Fall entsprach die Erklärung der Angestellten, der Reisepreis sei reduziert worden, genau dem, was sie auch erklären wollten. Vielmehr liegt hier ein unbeachtlicher Motivirrtum in Form eines internen Kalkulationsirrtums vor. Ein solcher ist dann gegeben, wenn während einer Kalkulation Berechnungsfehler entstehen, dem Geschäftsgegner jedoch nur das Ergebnis der Berechnung und nicht die zu Grunde liegende Kalkulation mitgeteilt wird. Die Beklagte teilte der Klägerin lediglich mit, dass der Reisepreis auf 2.364,33 EUR reduziert werde, ohne im Einzelnen darzulegen, wie sie auf diese Summe kam. Dass sie hierbei eigentlich die entstandenen Mehrkosten für den Transfer und die Unterbringung ausgleichen wollte, stellt eine interne Berechnung dar, die der Klägerin jedoch nicht offen gelegt wurde.

Selbst wenn man von einem beachtlichen Irrtum gemäß § 119 Abs. 1 BGB ausgehen sollte, wäre die Anfechtung nicht fristgerecht erfolgt. Die Anfechtungserklärung der Beklagten wurde nicht unverzüglich abgegeben, nachdem sie von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat, § 121 Abs.1 BGB. Bereits mit Schreiben vom 2.11.2010 hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie ihr Angebot annehme und um Überweisung des Differenzbetrages gebeten. Damit hatte die Beklagte Kenntnis davon erlangt, dass die Klägerin von einem Vergleichsangebot ausging. Sie hätte daraufhin unverzüglich reagieren und ihren Irrtum klarstellen müssen. Stattdessen bestätigte sie mit Schreiben vom 8.11.2010, dass die Rückzahlung der Differenz durch das Reisebüro erfolge (insofern kommt auch ein Erlöschen des Anfechtungsrechts gemäß § 144 BGB in Betracht). Die Erklärung über die Berechnung erfolgte jedoch erstmalig mit Schreiben vom 20.12. 2010 und die Anfechtung sogar erst mit Schreiben vom 1.2.2011 und damit nicht mehr unverzüglich.

Das wirksame Vergleichsangebot der Beklagten hat die Klägerin mit Schreiben vom 2.11.2010 angenommen.

Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280 Abs.1, 2, 286 BGB. Die Klägerin durfte sich zur Durchsetzung ihrer Ansprüche eines Rechtsanwalts bedienen. …

Rechtsgebiete

Reiserecht