Leitbild- und Kontrastfunktion einer bekannten Schauspielerin

Gericht

LG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

28. 10. 2011


Aktenzeichen

28 O 747/11


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand

Die Antragsgegnerin gibt die Zeitschrift "…" heraus. Im Heft Nr. … erschien auf S. 7 ein Artikel unter der Überschrift "… Rosenkrieg Schmeißt ihr Mann sie jetzt aus dem Haus?". Der Artikel thematisiert das "neue(..) Leben" der Schauspielerin …, nachdem diese sich von ihrem Ehemann getrennt und eine Beziehung zu dem Antragsteller begonnen habe, wobei u.a. die Frage angesprochen wird, ob ihr Ehemann sie aus dem noch gemeinsam bewohnten Haus "rausschmeiße" und es dann zu einem "Rosenkrieg" kommen werde. Bebildert ist der Artikel mit insgesamt fünf Fotografien, wobei das größte Bild Frau … in einer aktuellen Aufnahme zeigt ("WANDLUNG"), zwei weitere Aufnahmen Frau … mit Ehemann bzw. dem gemeinsamen Sohn darstellen ("GLÜCKLICHE ZEITEN") und ein weiteres Bild das gemeinsame Haus darstellt. Die streitgegenständliche Abbildung schließlich, die unmittelbar unter der Überschrift platziert ist, zeigt Frau … im Gespräch mit dem Antragsteller. Im Hintergrund ist ein Passant erkennbar, seitlich ein parkendes Auto. Die Bildunterschrift des streitgegenständlichen Fotos lautete "LIEBE Bereits 2010 traf sich … mit dem rassigen … in Berlin".

Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 02.09.2011 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab, was diese ablehnte.

Der Antragsteller sieht in der Bildveröffentlichung einen Verstoß gegen §§ 1004 Abs. 1 analog, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG. Er behauptet, dass das Foto während einer Drehpause von Frau … im abgesperrten Bereich eines Filmsets in Berlin entstanden sei. Zur Glaubhaftmachung legt er eine entsprechende eidesstattliche Versicherung von Frau … vom 30.09.2011 vor. Der Antragsteller behauptet, er habe sich aus rein privaten Gründen an den Ort des Geschehens begeben, um Frau … etwas vorbeizubringen. Er habe nicht wahrgenommen, dass er fotografiert wurde; das Foto müsse mittels Teleobjektiv entstanden sein. Der Antragsteller ist darüber hinaus der Meinung, dass kein öffentliches Berichterstattungsinteresse bestehe. Die abgebildete Situation gebe einen privaten Moment der Entspannung wieder. Die begleitende Wortberichterstattung betreffe ausschließlich seine Privatsphäre. Er habe sich auch in der Vergangenheit nicht seiner Privatsphäre begeben. So habe er sich nicht in der Öffentlichkeit mit Frau … gezeigt. Weder er noch Frau … hätten sich öffentlich dazu geäußert, dass die beiden ein Liebesverhältnis verbinden solle. Nicht anders seien die Äußerungen von Frau … in der …-Zeitung vom 01.07.2011 sowie die dortigen Abbildungen des Antragstellers, teils gemeinsam mit Frau …, zu bewerten. Die Fotografien seien ohne Wissen und Wollen des Antragstellers und von Frau … entstanden. In der Äußerung, die dem Antragsteller ohnehin nicht zuzurechnen sei, habe Frau … die Beziehung auch nicht ausdrücklich bestätigt. Zu der Äußerung habe sie sich zudem nur deshalb entschieden, weil die …-Zeitung sie mit der Ankündigung unter Druck gesetzt habe, die Fotos ohnehin abzudrucken, ihr für den Fall einer Äußerung jedoch zugesagt habe, zu versuchen, die Bilder "vom Markt zu kaufen". Zur Glaubhaftmachung legt der Antragsteller u.a. eine eidesstattliche Versicherung von Frau … vor.

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin zu verbieten, das nachfolgend wiedergegebene Foto erneut zu veröffentlichen und / oder zu verbreiten und / oder veröffentlichen und / oder verbreiten zu lassen, wie in … auf S. 7 geschehen:

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie hält die Veröffentlichung für zulässig. Der Antragsteller sei ausweislieh der Veröffentlichung aus der …-Zeitung vom 01.07.2011 der offizielle Begleiter und neue Lebensgefährte der bekannten Filmschauspielerin … . An der angegriffenen Veröffentlichung bestehe nicht zuletzt deshalb ein öffentliches Informationsinteresse, weil es zeige, dass Frau … bereits im Jahr 2010 - noch vor der Trennung von ihrem Ehemann - mit dem Antragsteller verbunden gewesen sei. Ein gemeinsames öffentliches Auftreten sei nicht Voraussetzung für das öffentliche Interesse an einer Partnerbeziehung und das daraus folgende Recht der Presse, identifizierend über den neuen Lebensgefährten einer bekannten Person des Öffentlichen Lebens wie Frau … zu berichten. Die Veröffentlichung verletzte auch kein berechtigtes Interesse des Antragstellers nach § 23 Abs. 2 KUG. Das Foto sei an einem öffentlichen Ort entstanden, auch und gerade wenn man den Vortrag des Antragstellers zugrunde lege, wonach es ihn und Frau … am Set eines Filmdrehs zeige. Schon aus der abgebildeten Situation ergebe sich, dass es sich nicht um einen Ort mit Rückzugsfunktion gehandelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823, 1004 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG nicht zu. Die angegriffene Bildveröffentlichung ist nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zulässig.

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen. Da unstreitig keine Einwilligung des Antragstellers in die Veröffentlichung der angegriffenen Fotografie nach § 22 KUG vorliegt, kommt es für die Zulässigkeit der Veröffentlichung entscheidend darauf an, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorliegt und die Veröffentlichung nicht ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG verletzt.

Der Begriff der Zeitgeschichte ist vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her zu bestimmen (BVerfG, NJW 2000, 1021). Bereits die Frage, ob das Bild eine Frage von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse betrifft, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1,2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK (BGH, NJW 2010, 3025 (3026)). Der Begriff des Zeitgeschehens ist zu Gunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Freilich bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen (BVerfG, NJW 2008, 3138) mit dem Ziel eines möglichst schonenden Ausgleichs zum Persönlichkeitsschutz des Betroffenen. Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (BGH, NJW 2010, 3025 (3027)).

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der angegriffenen Veröffentlichung um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte. Für ein öffentliches Informationsinteresse an den mit dem Foto und der sie begleitenden Wortberichterstattung thematisierten Umständen der Trennung von Frau … nach langjähriger Ehe und der Eingehung einer neuen Beziehung mit dem Antragsteller spricht unter dem Gesichtspunkt der Leitbild- oder Kontrastfunktion Prominenter (vgl. allgemein BVerfG, NJW 2008, 1793 (1796)), dass die einem breiten Publikum bekannte Schauspielerin erst ein halbes Jahr vor der Veröffentlichung die Trennung von ihrem langjährigen Ehemann, einem ebenfalls bekannten Sportreporter, öffentlich bekannt gegeben hatte. Die angegriffene Bildberichterstattung und die sie begleitende Wortberichterstattung behandeln - ungeachtet der gefühlsbetonten und auf den Einzelfall fokussierten Darstellung - das Spannungsfeld der zwischenmenschlichen Probleme, die sich mit einem solchen Umbruch in der familiären Biografie verbinden können. Hiermit sind Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse angesprochen; die angegriffene Bildveröffentlichung ist somit geeignet, zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Für ein öffentliches Informationsinteresse spricht daneben, dass die neue Partnerin des Antragstellers in der Vergangenheit die Öffentlichkeit jedenfalls punktuell an ihrem Privatleben hat teilhaben lassen.

Die angegriffene Bildberichterstattung verletzt nach Abwägung der widerstreitenden Interessen unter besonderer Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Antragstellers gem. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nicht dessen berechtigte Interessen i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG.

Bei der Gewichtung des öffentlichen Informationsinteresses im Verhältnis zu dem kollidierenden Persönlichkeitsschutz kommt dem Gegenstand der Berichterstattung entscheidende Bedeutung zu. Die Aussage der Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Bildnis gestellt ist, unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung zu ermitteln (BGH, NJW 2011, 746 (747)). Nach diesen Grundsätzen ist der angegriffenen Fotografie die Aussage zu entnehmen, dass sich die bekannte Schauspielerin … wenige Monate nach der Trennung von ihrem langjährigen Ehemann, mit dem sie noch in einem gemeinsamen Haus wohne, auf ein "neues Leben" mit dem abgebildeten Antragsteller eingelassen habe.

Für ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Unterlassung spricht grundsätzlich, dass er sich zum Aufnahmezeitpunkt der streitgegenständlichen Fotografie im Jahr 2010 nicht öffentlich zu einer etwaigen Beziehung mit Frau … geäußert hatte. Zeitlich nachfolgende Veröffentlichungen, insbesondere der Bericht in der …-Zeitung vom 01.07.2011, haben hierbei außer Betracht zu bleiben (vgl. allgemein BGH, ZUM 2005, 155 - Uschi Glas). Auch spricht grundsätzlich für ein schutzwürdiges Interesse des Abgebildeten, dass die angegriffenen Bildveröffentlichung wegen der Konnotation, die sie durch die begleitende Wortberichterstattung erhält, die Privatsphäre des Antragstellers berührt - auch wenn umgekehrt zu berücksichtigen ist, dass der Bildinhalt den Antragsteller in einer neutralen Situation zeigt, sein allgemeines Persönlichkeitsrecht also nicht schon für sich genommen verletzt.

Gegen ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers an der Unterlassung der streitgegenständlichen Bildberichterstattung spricht dagegen das erhebliche öffentliche Informationsinteresse am Gegenstand der Bildberichterstattung vor dem Hintergrund des Bekanntheitsgrades seiner neuen Partnerin einerseits und des großen Identifikations- bzw. Abgrenzungspotentials des thematisierten Beziehungskonflikts andererseits, das sich auch nicht auf ein reines Unterhaltungsinteresse beschränkt. Darüber hinaus spricht entscheidend gegen ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers i.S.v. § 23 Abs. 2 KUG, dass die angegriffene Abbildung ihn nach eigenem Vortrag an einem Filmset zeigt, mithin an einem Ort, an dem sich typischerweise - auch innerhalb der möglicherweise vorhandenen Absperrungen des Drehgeländes - zahlreiche Menschen aufhalten. Dass dies hier ausnahmsweise anders gewesen sein sollte, legt der Antragsteller nicht dar. Eine berechtigte Privatheitserwartung, wie sie mit Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und Alltags verbunden ist (vgl. hierzu allgemein BVerfG, NJW 2008, 1793 (1797)), bestand unter den gegebenen Umständen - am Schauplatz eines innerstädtischen Filmdrehs unter prominenter Beteiligung, der für die Presseöffentlichkeit schon für sich genommen von gesteigertem Interesse ist - nicht. Vielmehr zeigt die angegriffene Fotografie, auf der der Antragsteller nach eigener Darstellung dabei zu sehen ist, wie er Frau … etwas auf dem Filmset vorbeibringt, ihn bei einer schlicht-alltäglichen Verrichtung im öffentlichen Raum.

Die Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 14.10.2011 und des Antragstellers vom 24.10.2011 lagen bei der Entscheidung vor, gaben jedoch keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Streitwert: 20.000 EUR


Reske
Dr. Robertz
Dr. Gampp

Rechtsgebiete

Presserecht