Anwaltsvergütung: Nichtberechtigte Kündigung führt zum Wegfall des Honoraranspruchs

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

27. 06. 2011


Aktenzeichen

I-24 U 193/10


Tenor


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Oktober 2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal – Einzelrichter - wird auf seine Kos-ten zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Gründe

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat die weitergehende Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung.


I.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom11. April 2011. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Das Rechtsmittel des Klägers (Rechtsanwalt/Zessionar), mit welchem er den abgewiesenen Teil (5.367,49 € nebst Zinsen) des vom Zedenten (Rechtsanwalt/Auftragnehmer) berechneten anwaltlichen Honorars (5.653,45 €) weiterverfolgt, hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Zedent hat, was auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts festgestellt werden kann, das seit Ende September 2007 außergerichtlich geführte Verkehrsunfallmandat am 31. März 2009 entgegen der rechtlichen Wertung des Klägers objektiv grundlos fristlos gekündigt. Der Zedent hat damit seinen hier umstrittenen Vergütungsanspruch verloren, so dass die Abtretung mangels existenter Forderung substanzlos ist. Die gegen die Klageabweisung vorgebrachten Berufungsgründe, die sich entsprechend den hauptsächlichen Erwägungen des Landgerichts nur mit Fragen nach der Vergütungshöhe (Satzrahmen, außergerichtliche Terminsgebühr) befassen, rechtfertigen deshalb im Ergebnis keine dem Kläger günstigere Entscheidung, ohne dass es auf den im ersten Rechtszug vornehmlich geführten Streit um die Vergütungshöhe überhaupt ankommt

1.

Wird gemäß § 627 BGB die für beide Vertragsparteien jederzeit mögliche Kündigung des Anwaltsvertrages erklärt, behält der Rechtsanwalt gemäß § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB allerdings grundsätzlich den Vergütungsanspruch, und zwar in dem Umfange, in dem er Leistungen erbracht hat und dadurch gesetzliche Gebührentatbestände ausgelöst worden sind, § 15 Abs. 4 RVG. Im Streitfall hatte der Zedent im Zeitpunkt der Kündigung des Mandats (31. März 2009) das in der von ihm unterzeichneten Kostennote vom 08. Oktober 2010 abgerechnete Honorar auch nach Grund und Höhe durch das Betreiben des Geschäfts verdient. Das stellt auch die Beklagte nicht grundsätzlich in Abrede.

2.

Gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB verliert der Rechtsanwalt seinen Honoraranspruch u. a. aber dann, wenn er durch ein erheblich schuldhaft vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Mandanten veranlasst hat oder wenn er, ohne einen wichtigen Grund dafür zu haben, das Mandatsverhältnis selbst kündigt (so genanntes Auflösungsverschulden) und wenn seine bisherigen Leistungen für den Mandanten ohne Interesse sind, etwa weil der Mandant wegen der Beendigung des Erstmandats einen anderen Rechtsanwalt beauftragen musste und im Zweitmandat dieselben Gebühren noch einmal angefallen sind (BGH NJW 1995, 1954; Senat OLGR Düsseldorf 2001, 233; OLGR Düsseldorf 2007, 325; OLGR Düsseldorf 2009, 710 = FamRZ 2009, 2027 und OLGR Düsseldorf 2009, 853 = FamRZ 2009, 2029 jew. m.w.Nachw.). Sind die zur Kündigung angeführten Gründe streitig, trägt der Mandant für deren Vorliegen die Darlegungs- und Beweislast (BGH NJW 1982, 437, 438 und 1997, 188; Senat OLGR Düsseldorf 2007, 325).

3.

Unter Anlegung dieses Maßstabs trifft nicht die Beklagte, sondern den Zedenten ein primäres Auflösungsverschulden.

a) Allerdings ist nicht zweifelhaft, dass die den Zedenten betreffende Bemerkung der Beklagten vom 30. März 2009 über eine berechtigte sachliche Kritik an der bisherigen Arbeitsweise des Zedenten hinausgegangen und als vertragswidrig zu qualifizieren ist. Unbestritten hat sie gegenüber dessen Angestellter Frau Surrey (künftig: Angestellte) anlässlich des fernmündlich geführten Gesprächs am 30. März 2009 geäußert: Sie halte den Zedenten "für inkompetent und hasse ihn". Diese Tatsache genügt indes nicht zu der Feststellung, der Zedent habe das Mandat honorarunschädlich seinerseits aus wichtigem Grunde fristlos kündigen können.

aa) Ob ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung eines langfristig geführten Mandatsverhältnisses vorliegt, kann in der Regel nicht an einem einzigen Ereignis festgemacht werden. Vielmehr ist die Mandatsbeziehung insgesamt in den Blick zu nehmen. So ist ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nur dann gegeben, wenn aufgrund feststehender Tatsachen dem kündigenden Teil die Fortsetzung des Vertrages bis zu dessen vereinbarter Beendigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH NJW 1981, 1264; 1993, 463). Übertragen auf das an sich jederzeit gemäß § 627 BGB kündbare Mandatsverhältnis bedeutet das, dass der Rechtsanwalt es honorarunschädlich dann sofort niederlegen kann, wenn Tatsachen vorliegen, die es ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, es bis zu dessen sachlicher Erledigung (Auftragserfüllung) fortzuführen (Senat OLGR Düsseldorf 2007, 325; MünchKomm/Henssler, BGB, 5. Aufl. [2009], § 628 Rn. 18 m.w.Nachw.).

bb) Ob eine solche Lage eingetreten ist, lässt sich demgemäß nicht unter isolierter Betrachtung des Anlasses der Kündigung zutreffend beurteilen, wie es der Kläger für richtig hält, sondern nur dann, wenn die zu dem auslösenden Ereignis führende Mandatsentwicklung mit in den Blick genommen wird (vgl. Senat aaO und OLGR Düsseldorf 2009, 853 = FamRZ 2009, 2029). Eine solche umfassende Abwägung führt im Streitfall zu dem Ergebnis, dass der Beklagten vor ihrer inkriminierten Bemerkung vom 30. März 2009 wichtige Gründe zur Seite gestanden hatten, die sie berechtigt hatten, das Mandat fristlos zu kündigen. Unter dieser Voraussetzung ist es dem Zedenten versagt, sich seinerseits auf die Vertragsverletzung der Beklagten zur fristlosen Mandatsniederlegung zu berufen (vgl. BGHZ 44, 271, 275 f. = NJW 1966, 347 348 sub II.2b und 3 m.w.Nachw.; Senat OLGR Düsseldorf 2007, 325; MünchKomm/Henssler, aaO). Erst recht ist es ihm versagt, darauf auch noch Schadensersatzansprüche gemäß § 628 Abs. 2 BGB zu stützen (BGH aaO), wie es der Kläger für richtig hält.

b) Aufgabe des Zedenten in dem am 24. September 2007 übernommenen Mandat war es gewesen, der damals 21-jährigen studierenden Beklagten zum Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens zu verhelfen, den sie durch den folgenschweren, mit lebensgefährlichen Hirnverletzungen verbundenen Verkehrsunfall vom 21. September 2007 erlitten hatte, für das der Unfallgegner dem Grunde nach uneingeschränkt einzustehen hatte. Diese uneingeschränkte Haftung war jedenfalls am 6. Februar 2008 unstreitig geworden, nachdem die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners (künftig: Haftpflichtversicherung) eine entsprechende Erklärung zum Haftungsgrund abgegeben hatte.

aa) Von Anfang an stand fest, dass es im Wesentlichen um die folgenden Schadenspositionen ging:

  • Schmerzensgeld unter besonderer Berücksichtigung der erlittenen schweren Hirnverletzung und des daraus folgenden hochgradigen Verlustes an Lebensfreude (Verlust bzw. Einschränkung des Fremdsprachenvermögens, der Singstimme, des Tanzvermögens)

  • Erwerbsschäden, insbesondere wegen verzögerten Berufseinstiegs infolge der unfallbedingt längerfristig unterbrochenen Berufsausbildung

  • Haushaltsführungsschaden

  • Sachschäden, insbesondere wegen des zerstörten Kraftfahrzeugs

bb) Die letztgenannte Schadensposition, deren Bezifferung der Zedent selbst als "leicht" qualifiziert hat (Klageschrift S. 5, 2. Abs.), war in wesentlichen Teilen bereits am 26. November 2007 mit antragsgemäßer Regulierung durch die Haftpflichtversicherung erledigt.

cc) Wegen der übrigen drei Positionen hatte der Zedent trotz unstreitiger Haftung des Unfallgegners dem Grunde nach bis zur Mandatsbeendigung mit Ausnahme einer à-conto-Zahlung auf das Schmerzensgeld (5.000,00 €) nichts Wesentliches gegenüber der durchaus kooperativen Haftpflichtversicherung erreicht. Die Beklagte hatte den Zedenten wiederholt, vor dem beanstandeten Anruf vom 30. März 2009 zuletzt am 26. Februar 2009 fernmündlich in einem mit der Angestellten geführten Gespräch dringend darum gebeten, den Schmerzensgeldanspruch, dessen Höhe bereits Gegenstand von Mandantengesprächen am 2. Dezember 2008 und Anfang Januar 2009 gewesen war, gegenüber der Haftpflichtversicherung geltend zu machen, und zwar in deutlicher Höhe. Es ist im ersten Rechtszug unstreitig geworden, dass in dem Mandantengespräch Anfang Januar 2009 festgelegt worden war, dass das Schmerzensgeld, das der Zedent in einem an die Haftpflichtversicherung gerichteten Entwurfsschreiben vom 20. Dezember 2008 nur mit lediglich 70.000,00 EUR angesetzt hatte, auf 100.000,00 EUR zu erhöhen sei. Anlass für das vom Kläger inkriminierte fernmündliche Gespräch mit der Angestellten am 30. März 2009 war der Umstand, dass der Zedent bis dahin das Ergebnis des Mandantengesprächs von Anfang Januar 2009 immer noch nicht umgesetzt hatte.

dd) Mit Blick auf die schleppende Behandlung des Falles, insbesondere hinsichtlich der Durchsetzung des Schmerzensgeldanspruchs, die unterbliebene Geltendmachung einer (hier evident möglichen) namhaften Abschlagszahlung auf das Schmerzensgeld und schließlich die nach vorheriger Abmahnung am 26. Februar 2009 offensichtlich erneut schuldhaft unterbliebene unverzügliche Umsetzung des im Mandantengespräch von Anfang Januar 2009 erzielten Einvernehmens über die Höhe des geltend zu machenden Schmerzensgeldes, wäre die Beklagte (spätestens) am 30. März 2009 berechtigt gewesen, das Mandat aus wichtigem Grunde zu kündigen. Dass sie davon - offensichtlichen wegen eines Rechtsirrtums – Abstand genommen hatte und sich darauf beschränkte, die Fachkompetenz des Zedenten in Zweifel zu ziehen und ihren Gefühlen in zugegebenermaßen heftiger Weise Ausdruck zu verleihen, war vor dem Hintergrund des Geschehens zumindest verständlich (vgl. Senat OLGR 2009, 253). Der Zedent hatte deshalb keine hinreichende Veranlassung, das Mandat nun seinerseits fristlos zu kündigen. Vielmehr wäre es angebracht gewesen, nun das lange versprochene Anspruchsschreiben zu fertigen und an die Haftpflichtversicherung zu versenden. Dass dem sachliche Gründe aus der Risikosphäre der Beklagten entgegengestanden hätten, behauptet der Kläger selbst nicht und kann auch sonst nicht festgestellt werden. Alternativ hätte der Zedent unter ausdrücklichem Verzicht auf das bis dahin verdiente Honorar das Mandat niederlegen müssen.

4. Die Beklagte hat aus objektiver Sicht auch kein Interesse mehr an der vom Zedenten bis zur Mandatsbeendigung erbrachten Leistung, nachdem er sie infolge seiner unberechtigten Kündigung gezwungen hatte, mit der Fortführung des Mandats Zweitanwälte zu beauftragen (vgl. Senat OLGR 2009, 672 = MDR 2009, 1002).


II.

An dieser Beurteilung hält der Senat fest. Die Ausführungen des Klägers in den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten vom 17. Mai, 6. und 17. Juni 2011 rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

1.

Der Verzicht auf Abschlagszahlungen ist nicht zu rechtfertigen. Der Zedent hätte durchaus ein sehr hohes angemessenes Schmerzensgeld fordern können, ohne dass diese Forderung durch das Begehren nach einer höheren à-conto-Zahlung beeinträchtigt worden wäre. Gerade eine hohe Schmerzensgeldforderung, deren Angemessenheit im Hinblick auf die schweren Unfallverletzungen nicht zweifelhaft sein konnte, hätte die Haftpflichtversicherung von einer deutlich höheren Abschlagszahlung überzeugen können. Die Beklagte verweist zu Recht auf die dazu ergangene Rechtsprechung und Literatur (OLG Frankfurt NJOZ 2011, 28; NJW 1999, 2447; OLG Düsseldorf NVersZ 2000, 40; Geigel/Pardey, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. Rn 51 m.w.N.).

2.

Im Übrigen bleibt es bei der Bewertung des Senats, dass der Zedent die Angelegenheit der Beklagten nur sehr schleppend bearbeitet hat. Die Ausführungen des Klägers finden sich im Wesentlichen schon in seinem Schriftsatz vom 15. Dezember 2009, den der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss berücksichtigt hat. Zwar ist es richtig, dass der Mandant dem Rechtsanwalt die Informationen und die dazu gehörigen Fakten "liefern" muss. Der Rechtsanwalt ist aber gehalten, dem Mandanten im Einzelnen zu erklären, welche Belege er noch benötigt und wie er Mandant diese beschaffen kann. Dass der Zedent in dem seit 24. September 2007 laufenden Mandat die Beklagte erst mit Schreiben vom 8. Januar 2009, das schon mit der Klageerwiderung vorgelegt und vom Senat bereits berücksichtigt worden ist, in der Besprechung vom 16. Januar 2009 und danach um die nach seiner Ansicht noch fehlenden Belege gebeten hat, zeigt deutlich die zögerliche Bearbeitung des Mandats. Schon in einem Telefonat vom 1. Oktober 2007 hatte der Zedent nach eigenem Vorbringen den Klageauftrag erhalten. Unverständlich ist auch, weshalb der Zedent mit Schreiben vom 19. März 2008 über sein weiteres Vorgehen Ausführungen macht, anstatt sogleich mit der Haftpflichtversicherung wegen aktueller Arztberichte zu korrespondieren.


III.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).


IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.367,49 EUR

Vorinstanzen

LG Wuppertal, 3 O 266/09

Rechtsgebiete

Anwalts-, Notar-, Steuerberater- und anderes Berufsrecht