Verspätung durch Beschädigung am Flugzeug

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

14. 04. 2011


Aktenzeichen

29 C 2034/10 (21)


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kläger machen gegen die Beklagte, zum Teil aus abgetretenem Recht, Ausgleichsansprüche nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen geltend.

Die Ehefrau des Klägers trat diesem ihre Ansprüche betreffend den hier gegenständlichen Flug mit Erklärung vom 15.7.2010 ab; die Kläger zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Kinder des Klägers zu und seiner Ehefrau.

Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder folgende Flüge:

Hinflug:
- am 3.7.2010 von Frankfurt a.M. nach Abu Dhabi, Abflug 22:50 Uhr, Ankunft 7:10 Uhr am 4.7.2010
- am 4.7.2010 von Abu Dhabi nach Bangkok, Abflug 8:45 Uhr, Ankunft 18:15 Uhr

Rückflug:
- am 15.7.2010 von Bangkok nach Abu Dhabi, Abflug 8:35 Uhr, Ankunft 11:50 Uhr
- am 15.7.2010 von Abu Dhabi nach Frankfurt a. M., Abflug 13:05 Uhr, Ankunft 17:50 Uhr

Die Kläger und die Ehefrau des Klägers sowie die Kläger zu 2) und 3) begaben sich am 3.7.2010 rechtzeitig zum Flughafen Frankfurt a. M., checkten dort ein, erhielten ihre Boarding-Cards und gaben ihr Gepäck auf.

Tatsächlich startete der Flug jedoch erst um 3:22 Uhr am Morgen des 4.7.2010 (anstatt 22:50 Uhr am 3.7.2010) und erreichte Abu Dhabi erst gegen 11:24 Uhr (anstatt 7:10 Uhr).

Die Großkreisentfernung von Frankfurt a. M. nach Abu Dhabi beträgt 4.868 km.

Nachdem die Beklagte mit Email vom 28.7.2010 Ansprüche der Kläger abgelehnt hatte, ließen die Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 4.8.2010 nochmals die hier gegenständlichen Ansprüche bei der Beklagten anmelden. Die Beklagte lehnte eine Regulierung erneut ab. ...

Die Beklagte behauptet, das Flugzeug für den streitgegenständlichen Flug sei flugplangemäß für den Abflug vorbereitet worden. Erst etwa 40 Minuten vor geplanter Abflugzeit habe der für den Flug zuständige Ramp Agent um 22:30 Uhr eine bedeutsame Delle auf der Außenseite der Frachttür 5 entdeckt.

Der Flug habe daher aus Sicherheitsgründen nicht begonnen werden können, da zunächst der Schaden untersucht werden musste. Die Beklagte habe ihren Wartungs- und Reparaturdienstleister L. Technik informiert, welcher umgehend mit der Untersuchung des Schadens begonnen hat. Um 3:07 Uhr morgens sei die Maschine erst schriftlich freigegeben worden.

Ein Verursacher für die Delle sei bis heute nicht identifiziert worden; es liege jedoch nahe, dass eines der zahlreichen Ladefahrzeuge auf dem Vorfeld mit dem Flugzeug beim Rangieren kollidiert sei. Der Schaden sei jedenfalls nicht vor Ankunft des Flugzeugs in Frankfurt aufgetreten. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.3.2011, per Telefax bei Gericht eingegangen am 25.3.2011 sowie im Original am 28.3.2011, der jedoch in der mündlichen Verhandlung noch nicht vorlag, weiterhin behauptet, sie habe alles Notwendige getan, um den Schaden an der Frachttür abzuwenden. Das Fluggerät sei entsprechend den Vorschriften des LBA und des Flughafenbetreibers abgestellt gewesen und es habe sich nur qualifiziertes Personal LBA-zertifizierter Unternehmen der Maschine nähern können. Sie hat zudem angeboten, den Techniker der L., der die Delle am 3.7.2010 gesehen und ausbessert habe, als Zeugen zu benennen. ...

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die Klage ist zulässig.

Das Amtsgericht Frankfurt a. M. ist wegen des Abflugortes des gegenständlichen Fluges als Gericht des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) örtlich zuständig (vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2011- X ZR 71/10, …).

II. Die Klage ist auch in der Hauptsache begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte Ansprüche auf Zahlung von Ausgleichsleistungen in Höhe von insgesamt 2.400,- EUR gemäß Art. 7 Abs. 1, S. l, lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in entsprechender Anwendung, zum Teil in Verbindung mit § 398 BGB.

Der gebuchte Hinflug von Frankfurt a. M. startete unstreitig mehr als vier Stunden nach der geplanten Abflugszeit und erreichte auch Abu Dhabi entsprechend später.

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19.11.2009 (in NJW 2010, 43) festgestellt, dass Art. 5, 6 und 7 VO dahingehend auszulegen sind, dass die Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind und somit den in Art. 7 VO vorgesehen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie einen Zeitverlust von mehr als drei Stunden erleiden.

Dem schließt sich das Gericht an.

Die Ausgleichsansprüche sind auch nicht aufgrund des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände, gemäß Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände liegt bei dem Luftfahrtunternehmen.

Die Beklagte stützt sich insoweit auf das Vorliegen eines technischen Defektes am Flugzeug, nämlich einer sicherheitsrelevanten Delle in einer Frachttür, deren Vorliegen die Kläger bestreiten.

Doch selbst das gesamte Vorbringen der Beklagten einschließlich des nach der mündlichen Verhandlung erst vorliegenden Vorbringens - als wahr unterstellt, konnte die Beklagte nicht gemäß Art. 5 Abs. 3 VO entlasten.

Ein technisches Problem, das bei einem Flugzeug auftritt und zur Annullierung (oder Verspätung) des Fluges führt, fällt nicht unter den Begriff außergewöhnliche Umstände, es sei denn, es ginge auf Vorkommnisse zurück, die aufgrund ihrer Natur und Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und vom ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (vgl. EuGH, Urt. v. 22.12.2008, …; BGH, Urt. v. 18.2.2010 - Xa ZR 95/06, …; Führich, Reiserecht, Rn. 1035 m.w.N.). Dabei ist das Auftauchen technischer Probleme außerhalb der Wartungsintervalle nicht außergewöhnlich. Mängel der sogenannten "Lufttüchtigkeit" wie Schäden an Reifen, Fahrwerk oder Triebwerk entlasten daher nicht grundsätzlich, da solche Defekte meistens ihre Ursache in unzureichender Wartung oder Bedienfehlern und nicht in unbeherrschbaren Einflüssen von außen wie Vogelschlag, Hagel oder Blitzschlag haben (Führich, a. a. O., Rn.1035 m.w.N.).

Genau das ist jedoch vorliegend der Fall. Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, es könne nicht geklärt werden, wie die Delle an der Frachttür entstanden sei und sie habe alles ihr Mögliche getan, um diesen Defekt schnellstmöglich zu beheben. Es liege jedoch nahe anzunehmen, eines der zahlreichen Ladefahrzeuge auf dem Vorfeld sei mit der Maschine bei Rangieren kollidiert.

Gerade die Be- und Entladevorgänge eines Flugzeugs sind jedoch Umstände, die Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens und von ihm zu beherrschen sind, so dass bereits aus diesem Grund der aufgetretene Defekt nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs.3 VO anzusehen ist.

Zudem hat die Beklagte - was weitere Voraussetzung für eine Entlastung nach Art. 5 Abs. 3 VO ist - nicht hinreichend dargelegt, dass sich die Verspätung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Beklagte hat in keiner Weise dargelegt, warum es ihr nicht möglich war, etwa ein Ersatzflugzeug einzusetzen oder die Passagiere auf einen anderen Flug umzubuchen.

Dem Kläger steht daher aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner ebenfalls mitreisenden Ehefrau gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.200,- EUR zu, den Klägern zu 2) und 3) in Höhe von jeweils 600,- EUR.

III. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2, Nr. 3 BGB in Verbindung mit dem RVG, nachdem die Beklagte einen Forderungsausgleich mit E-Mail vom 28.7.2010 endgültig abgelehnt hatte.

Er besteht jedoch nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe aus einem Gegenstandswert von 2.400,- EUR und nicht von 2.547,- EUR. Soweit über den Klageanspruch hinausgehend noch Schadensersatzansprüche aufgrund der Flugverspätung in Höhe von 147,- EUR im Raum standen und vorgerichtlich geltend gemacht wurden, wären diese jedenfalls nach Art. 12 Abs. 1, S. 2 VO auf die Ausgleichsleistungen anzurechnen gewesen. Nur diese Gebühr hatte der Klägervertreter im Übrigen auch mit Schreiben vom 4.8.2011 gegenüber der Beklagten geltend gemacht. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht