Verspätung und Verlust von Reisegepäck

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

03. 02. 2011


Aktenzeichen

32 C 2427/10-84


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit Verspätung und Verlust von Reisegepäck.

Der Kläger flog mit der Beklagten von Frankfurt a.M. nach Tanger (Marokko) und zurück. Bereits auf dem Hinflug am 22.4.2009 ging ein Koffer des Klägers verloren. ...

Am 5.5.2009 erhielt der Kläger den Koffer zurück. Dieser war aufgebrochen. Die Beklagte ersetzte dem Kläger den beschädigten Koffer. Es fehlten: Ein indischer Sari, cremefarben, Neupreis: 160,- EUR; ein indischer Sari, rosa mit Muster, Neupreis: 60,- EUR; 3 Packungen Kaffee à 500 g, Preis: 23,07 EUR; 1 Parfüm Giorgio Armani "Code", 75 ml, Preis: 88,- EUR; 1 Parfüm Giorgio Armani Emporio Diamonds, 100 ml, Preis: 86,- EUR; 1 Parfüm Lacoste Inspiration, 50 ml, Preis: 53,50 EUR.

Bei allen Sachen handelte es sich um neuwertige Gegenstände, die für eine Hochzeit, zum Teil als Garderobe, zum Teil als Geschenke vorgesehen waren.

Hierfür begehrt der Kläger Schadensersatz in Höhe von 470,57 EUR.

Im Koffer befanden sich Kleidungsstücke und Hygieneartikel des Klägers. Hierfür musste er in Tanger Ersatzbeschaffungen vornehmen, wofür er 123,90 EUR aufwendete. Hierauf hat die Beklagte vorgerichtlich 104,- EUR entrichtet, so dass der Kläger den Rest in Höhe von 19,90 EUR weiterverfolgt.

Am 24.4. und 25.4.2009 hat der Kläger weitere Ersatzbeschaffungen in Larache im Wert von insgesamt 100,- EUR getätigt.

Wegen des Kofferverlustes musste der Kläger 3mal von seinem Haus in Larache zum Flughafen fahren, um dort aufgefundene Koffer zu identifizieren. Bei einfacher Wegstrecke von 70 km wendete er Taxikosten auf.

Der Kläger schrieb die Beklagte mehrfach an. ... Zuletzt kontaktierte er die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 14.12.2009.

Er begehrt auch Ersatz der vorgerichtlich aufgewendeten Anwaltskosten.

Der Kläger ist der Auffassung, das Montrealer Übereinkommen (folgend: MÜ) sei anwendbar, da es auch für Hin- und Rückflüge aus Vertragsstaaten gelte und überdies die Beklagte als Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft den Flug durchgeführt habe. ...

Die Beklagte ist der Ansicht, das MÜ finde vorliegend keine Anwendung, da es erst nach dem streitgegenständlichen Flug in Marokko ratifiziert worden sei.

Der Kläger habe überdies die Voraussetzungen einer rechtzeitigen Schadensanzeige nicht dargelegt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch in geltend gemachter Höhe aus dem Gepäckverlust nach Art. 17 Abs. 2, 19 MÜ vom 28.5.1999 zu.

1. Das MÜ findet vorliegend Anwendung. Denn das Schadensersatzrecht des MÜ gilt auch für Hin- und Rückflüge aus einem Vertragsstaat und damit auch bei einem Hin- und Rückflug aus Deutschland in einen Nichtvertragsstaat, wie hier Marokko zum Zeitpunkt des Fluges. Überdies ist das MÜ - wie die Klägerseite zu Recht einwendet - bereits deswegen anwendbar, weil durch EGV 2027/97 vom 9.10.1997 in der Fassung der EGV 889/2002 vom 13.5.2002 der Haftungsstandard des MÜ für alle inländischen oder internationalen Luftbeförderungen durch ein "Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft" übernommen wird, unabhängig davon, ob die betroffene Luftbeförderung zwischen zwei Vertragsstaaten des MÜ durchgeführt wird. (vgl. hierzu Führich, Reiserecht [6. Aufl.], Rn. 952).

2. Der Gepäckverlust ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der entstandene Schaden ist in dem Verlust von klägerseits im Einzelnen unter Beweisantritt dargelegten Teilen des Kofferinhaltes zu sehen. Ebenso hat der Kläger die notwendigen Ersatzbeschaffungen in Tanger hinreichend dargelegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Koffer erst 3 Wochen nach Ankunft in Tanger aufgefunden wurde. Die Angemessenheit der im Einzelnen dargelegten Ersatzbeschaffungen hat auch die Beklagte nicht in Zweifel gezogen. Auch die durch die Verspätung verursachten Fahrtkosten sind nachvollziehbar und angemessen.

3. Der Kläger hat den Verlust auch fristgerecht im Sinne des Art. 31 Abs. 2, 3 MÜ angezeigt. Auf das Bestreiten der Beklagtenseite hin hat der Kläger sowohl die Verlustmeldung vom 22.4.2009 als auch sein Schreiben vom 5.5.2009 vorgelegt und erklärt, dieses per Fax und per Einschreiben übersendet zu haben. Gegenüber diesem substantiierten Vortrag war ein einfaches Bestreiten der Beklagtenseite aber nicht ausreichend.

4. Die in Art. 22 Abs. 2 MÜ festgeschrieben Haftungshöchstgrenze von einem Betrag von 1000,- SZR je Reisendem wird durch die beantragte Summe nicht überschritten. Gemäß Art. 23 Abs. 1, S. 3 MÜ betrug die Haftungshöchstgrenze am Tag der Entscheidung 876,60 EUR.

5. Die Hauptforderung ist auch zu verzinsen. Spätestens mit Zugang des Schreibens vom 25.5.2009 per Fax am 29.5.2009 - den Zugang hat die Beklagte nicht bestritten - ist die Beklagte in Verzug geraten. Dass bis dahin die Fahrtkosten noch nicht geltend gemacht wurden, hindert die verzugsbegründende Wirkung nicht. Hinsichtlich des Zinsbeginns durfte das Gericht wegen § 308 ZPO nicht hinausgehen.

6. Aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB steht dem Kläger überdies ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Teil des Verzugsschadens in Höhe von 120,67 EUR zu. …

Rechtsgebiete

Reiserecht