Erneut: Günther Jauch muss Fotomontage auf Titelseite dulden

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

28. 07. 2011


Aktenzeichen

324 O 230/11


Tenor

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Verfahrens fallen den Antragstellern nach einem Streitwert von 30.000,-- € zur Last.

Entscheidungsgründe


Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unterliegt der Zurückweisung, denn den Antragstellern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.


I.

Das Unterlassungsbegehren der Antragsteller findet keine tragfähige Anspruchsgrundlage, insbesondere nicht in den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S.2 BGB analog in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG.

Das angegriffene, auf dem Titel von "neue woche" Nr. 14/2011 veröffentlichte, Titelbild ist eine Fotomontage und - wenn auch in einer nur gerade noch ausreichenden Schriftgröße - am rechten Bildrand als solche bezeichnet, was der Durchschnittsrezipient auch erkennt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist insoweit auf einen durchschnittlich sorgfältigen Titelseitenbetrachter abzustellen und nicht auf einen nur flüchtigen Betrachter. Ein durchschnittlich sorgfältiger Betrachter der streitgegenständlichen Titelseite erkennt vorliegend den am rechten Bildrand in weißer Schrift auf dunklem Hintergrund gedruckten Schriftzug "Fotomontage". Dieser ist zwar in einer kleineren Schriftgröße gehalten und befindet sich unmittelbar neben dem Strichcode, ist jedoch immerhin genauso groß abgedruckt wie die Bildunterschrift der Fotomontage und befindet sich in einer gut sichtbaren Position im unteren Drittel der Titelseite.

Die Verbreitung des Bildnisses der Antragsteller erfolgte zwar ohne Einwilligung im Sinne von § 22 KUG. Die fehlende Einwilligung der Antragsteller in die Veröffentlichung des konkret veröffentlichten Bildnisses ergibt sich - obgleich das Originalfoto ersichtlich zunächst mit Einwilligung zu Veröffentlichungszwecken aufgenommen wurde - aus der nachträglichen Bildbearbeitung durch die Antragsgegnerin. Davon, dass eine Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildnisses zugleich auch die Veröffentlichung im Rahmen einer Fotomontage oder mit Bildveränderungen wie im vorliegenden Fall umfasst, kann nicht ausgegangen werden.

Die Veröffentlichung des Titelbildes war jedoch dennoch zulässig, denn es handelt es sich jedenfalls um ein kontextneutrales Bildnis, das einen Bericht aus dem Bereich der Zeitgeschichte gemäß § 23 Abs. 1 KUG illustriert, und dessen Veröffentlichung berechtigte Interessen des Antragstellers nicht verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG). Der maßgebliche Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse, wobei auch unterhaltende Beiträge, etwa über das Privat- oder Alltagsleben prominenter Personen grundsätzlich am Schutz der Pressefreiheit teilnehmen (vgl. BVerfGE 35, 202, 222). Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, wobei die zugehörige Textberichterstattung zu berücksichtigen ist (vgl. BGH Urteil vom 13.04.2010, VI ZR 125/08, zitiert nach Juris, Juris Abs. 14). Vorliegend enthält die Titelseite den Aufmacher: "Günther Jauch Enthüllt! Seine ganz private Sensation" und die Bildunterschrift: "Verstehen sich prächtig: TV-Moderator Günther Jauch und Ehefrau Thea".

Das Originalfoto, das der Fotomontage zugrunde liegt, stammt zudem von einem offiziellen Ereignis, bei dem beide Antragsteller gemeinsam aufgetreten sind (vgl. Anlage AG 5). Es kann vorliegend offen bleiben, ob bereits dieser Umstand dazu führt, dass das auf der Titelseite von "neue woche" Nr. 14/2011 abgedruckte Bild als "Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte" anzusehen ist. Die Kammer hegt hieran insoweit Zweifel, als es sich unstreitig bei dem abgedruckten Bild um eine Fotomontage handelt, also um eine aus verschiedenen Fotografiekomponenten zu einer neuen Komposition zusammengefügten Collage. Bei einer Fotomontage entsteht durch das Zusammenfügen verschiedener fotografischer Elemente eine neue Komposition und somit eine neue Aussage; die ursprünglich dem oder den der Collage zugrunde gelegten Bildnissen innewohnenden Aussagen bleiben grundsätzlich nicht bestehen, wenn das jeweilige Einzelbildnis als Teil einer Collage durch das Zusammenstellen zu einem neuen Bild mit einer neuen Aussage zusammengefügt wird. So verhält es sich auch hier. Der Betrachter nimmt die Bildnebenschrift "Fotomontage" wahr und betrachtet das Titelbild mit dem Wissen, dass hier nichts Tatsächliches wiedergegeben wird, sondern es sich um ein fiktives Bild handelt, das durch das Zusammenfügen verschiedener fotografischer Elemente entstanden ist. Der Betrachter weiß daher, dass das in diesem Sinne künstlich geschaffene Bild nicht über einen tatsächlichen Aussagegehalt verfügt. Dies zugrunde gelegt macht sich der Betrachter keine Vorstellung darüber, ob die Fotomontage aus zwei verschiedenen Fotografien zusammengestellt wurde oder ob ihr ein und dasselbe Bild zugrunde liegt, das durch Ausschneiden und neues Anordnen verändert wurde. Der Betrachter weiß insoweit nur, dass das Bild so, wie es auf der Titelseite abgedruckt ist, nicht dem Tatsächlichen entspricht. Daher ist ihm auch bewusst, dass kein Geschehen aus dem Bereich der Zeitgeschichte abgebildet sein kann.

Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem auf der Titelseite von "neue woche" Nr. 14/2011 abgedruckten Bild jedoch jedenfalls um ein kontextneutrales Foto der Antragsteller, das ursprünglich bei einem offiziellen Ereignis aufgenommen worden ist und dessen Veröffentlichung im Zusammenhang mit der Berichterstattung der Antragsgegnerin keine zusätzliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Antragsteller bewirkt.

Darüber erkennt die Kammer in der streitgegenständlichen Veröffentlichung weder in dem Umstand, dass der von vorne betrachtet rechte Arm des Antragstellers im Rahmen der Fotomontage nicht abgebildet ist, noch durch das behauptete "Abschneiden" des von vorne betrachtet linken Ohres des Antragstellers eine das Aussehen verändernde Bildmanipulation, die ein berechtigtes Interesse der Antragsteller zu verletzen geeignet wäre. Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der Veränderung von Bildnissen in der Entscheidung vom 14. 2. 2005 1 BvR 240/04 (NJW 2005, 3271 ff. - Ron Sommer, zitiert nach Juris, Juris Abs. 25) ausgeführt:

bb) Das fotografische Abbild übermittelt ohne Verwendung von Worten Informationen über die abgelichtete Person. Fotos suggerieren Authentizität und die Betrachter gehen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussieht. Diese Annahme aber trifft bei einer das Aussehen verändernden Bildmanipulation, wie sie heute relativ einfach mit technischen Mitteln herbeigeführt werden kann, nicht zu. Der Träger des Persönlichkeitsrechts hat zwar kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte (vgl. BVerfGE 97, 125 [148 f.]; 97, 391 [403]; stRspr), wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht manipulativ entstellt ist, wenn es Dritten ohne Einwilligung des Abgebildeten zugänglich gemacht wird. Die Bildaussage wird jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert wird. Solche Manipulationen berühren das Persönlichkeitsrecht, einerlei ob sie in guter oder in verletzender Absicht vorgenommen werden oder ob Betrachter die Veränderung als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerten. Stets wird die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt sich vorliegend bereits die Frage, ob das Bild überhaupt Authentizität vermittelt. Dies könnte bereits wegen des vom Durchschnittsbetrachter wahrgenommenen Wortes "Fotomontage" aus den oben genannten Gründen nicht der Fall sein. Denn vorliegend handelt es sich bei den vorgenommenen technischen Veränderungen - so sie denn überhaupt vorliegen sollten - nicht um bedeutende Veränderungen, die das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller verletzen, da es sich bei den von den Antragstellern reklamierten Veränderungen um rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen handelt.

Dies gilt zunächst für das von dem Antragsteller behauptete "Abschneiden" seines von vorne betrachteten linken Ohres, wobei hier offen bleiben kann, ob eine solche Manipulation vorliegend überhaupt erfolgt ist. Denn selbst unter Zugrundelegung des Vortrags der Antragstellerseite, dass das von vorne betrachtet linke Ohr des Antragstellers etwa auf Augenhöhe im mittleren Bereich des Ohres an der Ohrmuschel abgeschnitten worden ist, wäre von einer nur marginalen, mit bloßem Auge in der Originalgröße des auf der Titelseite abgedruckten Fotos kaum erkennbaren und damit unbedeutenden Veränderung auszugehen (vergl. Anlagen AG 5 und AST 8), durch die die Bildaussage jedenfalls nicht unzutreffend oder weniger authentisch würde.

Gleiches hat für die Nichtabbildung der von vorne betrachtet rechten Schulter und des rechten Armes des Antragstellers zu gelten. Hierin liegt weder eine das Aussehen des Antragstellers, noch eine den Aussagegehalt eines Bildnisses verändernde Manipulation, denn das Bildnis des Antragstellers wurde nicht künstlich verändert oder abgeschnitten; vielmehr sind auf dem Originalfoto die entsprechenden Körperteile des Antragstellers ebenfalls nicht zu sehen (vgl. Anlagen AG 5 und AST 8). Darüber hinaus hat eine Fotomontage für den Durchschnittsleser nach dem oben Ausgeführten keinen tatsächlichen Aussagegehalt. Selbst, wenn auf dem Ursprungsbild die entsprechenden Körperteile abgebildet gewesen wären, so weiß dies der Betrachter der Fotomontage nicht. Er nimmt nur wahr, dass je ein kontextneutrales Foto der beiden Antragsteller im Wege einer Fotomontage zu einem künstlichen, nicht der Realität entsprechenden neuen Bild zusammengefügt wurden, wobei möglicherweise nur Ausschnitte des jeweiligen Originalfotos zur Erstellung der Fotomontage verwendet sein könnten. Das äußere Erscheinungsbild des so Abgebildeten ist hierdurch nicht beeinträchtigt, denn der Betrachter erkennt, dass die nicht sichtbaren Körperteile des Antragstellers dem Zusammenschnitt zweier Fotos - nämlich dem des Antragstellers und dem der Antragstellerin - geschuldet sind, und nimmt nicht an, dass der Antragsteller in Wirklichkeit keinen von vorne betrachtet rechten Arm, eine deformierte Schulter und nur einen Torso hat.


II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.


Buske
Link
Wiese

Rechtsgebiete

Presserecht