Wieder bestätigt ein Gericht: Ein Marktforschungsinterviewer übt keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aus

Gericht

SG Wiesbaden


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

06. 07. 2011


Aktenzeichen

S 1 KR 200/09


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der Zeit vom 23.10.2000 bis zum 30.6.2007 bei der Beigeladenen, bzw. deren Rechtsvorgängerin, dem … im Rahmen des Reisenden Erfassungssystems (RES) der … als Interviewer versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung beschäftigt war.

Der Kläger besitzt eine Zulassung als Rechtsanwalt. Er war bei der Beklagten als hauptberuflich selbstständig Tätiger freiwillig versichert. Ausweislich der im Rahmen eines Antrags auf einkommensabhängige Einstufung für Selbstständige vorgelegten Einkommenssteuerbescheide aus den Jahren 2003 und 2004 ergaben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus selbstständiger Tätigkeit.

Mit Antrag vom 29.12.2008 beantragte der Kläger eine Überprüfung seines Status. Er machte geltend, dass die Interviewertätigkeit für das Marktforschungsunternehmen im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolgt sei. Daher sei er als abhängig Beschäftigter einzustufen. Die bislang entrichteten Krankenkassenbeiträge seien zu erstatten.

Ausweislich des Interviewervertrages mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der am 23.10.2000 abgeschlossen worden war, war u.a. Folgendes vereinbart:

"1.

Der Interviewer erklärt sich bereit, für das Institut auf Honorarbasis im Rahmen des RES-Projektes Zählungen und Befragungen von …fahrgästen in Zügen der … durchzuführen. Er ist als freier Mitarbeiter tätig, ein arbeitsrechtliches Abhängigkeitsverhältnis wird nicht begründet. Der Interviewer ist in seiner Arbeitsgestaltung frei. Er hat alle ihm zufließenden Einnahmen selbst zu versteuern. Einen Anspruch auf Auftragserteilung hat der Interviewer nicht.

2.

Das Institut für den Interviewer einen Auftrag durch übersendender notwendigen Unterlagen anbieten und ihn zugleich auffordern, binnen einer bestimmten Frist die Annahme zu erklären. Dabei wird das Institut Angaben machen über (soweit dies möglich ist) die Art des Auftrages und die Honorierung.

3.

Das Institut behält sich vor, insbesondere bei den nachfolgend aufgeführten Vertragsverletzungen, unbeschadet der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, das Honorar ganz oder teilweise zu kürzen: …
- …
- …
- unvollständige Durchführung des Auftrages
- …
.
.

8.

Dem Interviewer ist bekannt, dass das Institut ihn hinsichtlich der Einhaltung dieser Vereinbarung kontrollieren wird. Solche Kontrollen werden regelmäßig durchgeführt.

11.

Dieser Vertrag tritt mit der Unterzeichnung durch beide Partner in Kraft und ist jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündbar."

Gegenstand der Interviewertätigkeit war die Erhebung über die Art der Fahrkarte, den Reiseverlauf der Fahrgäste, um Informationen über das Nutzungs-und Umsteigeverhalten der Fahrgäste zu erhalten.

Desweiteren waren dem Kläger umfassende Unterlagen in Form eines "Leitfadens für Interviewer" ausgehändigt worden. Diese enthalten genaue Vorgabe in hinsichtlich der Durchführung der Erhebung, den auszufüllenden Erhebungsunterlagen, der Aufgaben am Abgangsbahnhof sowie dem Versand der erstellten Erhebungsunterlagen, Besonderheiten bei Erhebungen in S-Bahnen, Zügen des Fernverkehrs oder Bussen des Schienenersatzverkehrs.

Der Kläger vertrat die Auffassung, dass er als abhängig Beschäftigter tätig geworden sei. Er verwies auf ein Urteil des Landessozialgerichts Baden- Württemberg vom 18.11.2005 ( L 4 KR 2142/02) in einem parallel gelagerten Fall. Das LSG habe entschieden, dass die Interviewertätigkeit im Rahmen des Reisenden- Erfassungssystems der … versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung gewesen sei. Dies müsse auch für ihn gelten. Diese Entscheidung sei zutreffend, da ihm eine Honorarkürzung bei Verhinderung gedroht habe, er an die strikte Einhaltung des Leitfadens gebunden gewesen sei, keine Delegationsmöglichkeit bestanden habe, Kontrollen durch Betreuer erfolgt seien, das Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt worden sei und auch die Abrechnung durch das Marktforschungsinstitut erfolgt sei. Der Kläger gab an, seit 1.2.2007 ein Gewerbe angemeldet zu haben, um auch für andere Marktforschungsinstitute tätig zu sein. Ungeachtet dieser Anmeldung war er auch bis Juni 2004 sowie gegen Ende der Tätigkeit für die Beigeladene auch für andere Marktforschungsunternehmen tätig.

Die von ihm vor dem Arbeitsgericht gegen die Beigeladene angestrengte Kündigungsschutzklage endete mit einem Vergleich.

Die Beklagte holte eine Auskunft bei der Beigeladenen ein. Diese teilte mit, dass der Kläger als Rechtsanwalt zugelassen sei und keine Genehmigung der Rechtsanwaltskammer für eine abhängige Beschäftigung habe. Für die Vergütung sei Mehrwertsteuer entrichtet worden. Der Kläger sei hinsichtlich der Arbeitszeit insoweit frei gewesen, als er die von der Beigeladenen unterbereiteten Vorschläge habe akzeptieren oder ablehnen können. Ein arbeitsrechtliches Direktionsrecht habe nicht bestanden. Laut Urteil des Bundessozialgerichtes vom 14.11.1974 (8 RU 266/73) zur sozialversicherungsrechtlichen Einschätzung von Interviewern sei das unternehmerische Risiko so zu beschreiben, dass eine Freiheit bestehe, auch andere Aufträge anzunehmen. Es habe zudem ein Vergütungsrisiko bei Ausfallzeitenbestanden, da keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit erfolgte und auch kein Urlaubsanspruch gegeben sei.

Die Beklagte holte zudem eine Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung Bund ein, die unter dem 30.7.2007 mitteilte, der Kläger habe eine nichtselbständige Tätigkeit verrichtet, da er mehrere Auftraggeber gehabt habe.

Mit Bescheid vom 14.9.2007 stellte die Beklagte fest, dass es sich bei der Interviewertätigkeit für die Beigeladene um eine selbstständige Tätigkeit gehandelt habe. Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sei nicht eingetreten. Aufgrund dessen komme auch keine Erstattung der gezahlten freiwilligen Beiträge in Betracht.

Der Kläger widersprach dem am 14.9.2008. Er führte aus, dass der Hinweis auf den Rentenversicherungsträger fehlerhaft sei, weil dort nicht geprüft worden sei, ob bei der Beigeladenen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe.

Der Kläger hat am 18.5.2009 bei dem Sozialgericht Wiesbaden zum einen Untätigkeitsklage erhoben (Az. S 17 KR 107/09) und zum anderen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt mit der Begründung, er sei auf die Auszahlung der entrichteten Beiträge finanziell dringend angewiesen (Az. S 17 KR 106/09 ER). Mit Beschluss vom 3.7.2009 hat das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt mit der Begründung, dass für die Feststellung eines Rechtsverhältnisses aus der Vergangenheit das Hauptsacheverfahren abgewartet werden könne. Die dagegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wurde durch Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 10.11.2009 (Az. L 8 KR 227/09 B ER) zurückgewiesen mit der Begründung, dass kein Anordnungsgrund gegeben sei und keine Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Statusfeststellung offensichtlich seien.

Im Verfahren betreffend die Untätigkeitsklage brachte der Kläger vor, dass Kriterien für eine abhängige Beschäftigung seien: Vorbehalt der Honorarkürzung bei Nichterfüllung des Auftrages, Pflicht zur Einhaltung des Leitfadens, keine Möglichkeit für eigene Werbung, Kontrolle durch Betreuer des Instituts, Auftragszuteilung in Wochenblöcken mit der Konsequenz einer zeitlichen Einschränkung der Verfügbarkeit, vollständige Abrechnung der erledigten Aufträge durch die Beigeladene, komplettes Stellen des Arbeitsmaterials, Vorschriften über Kleidung. Dies habe auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg so gesehen und darüber hinaus darauf abgehoben, dass die Entlohnung nicht erfolgsabhängig, sondern nach Stundensatz für die Einsatzzeiten im vorgegebenen Zug erfolgt sei. Im Übrigen habe keinerlei Dispositionsmöglichkeit bezüglich der Auswahl der Interviewpartner bestanden und keinerlei Spielraum hinsichtlich Ort, Zeit und Art der Tätigkeit bestanden.

Der Kläger legte zudem verbindliche Ergänzungen zum Projekt RES- Erhebungsmethodik vor sowie die herausgegebenen Richtlinien zum Honorar. Nach diesen Richtlinien war Abrechnungsbasis die Einsatzzeit im Erhebungszug. Wartezeiten, An- und Abreise wurden nach den Richtlinien nicht vergütet. Für alle zugesagten Einsätze gab es eine Prämie.

Mit Bescheid vom 30.7.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass nach Würdigung aller Gesichtspunkte festzustellen sei, dass die Merkmale einer selbstständigen bzw. freiberuflichen Tätigkeit überwiegen würden. Zum einen sei der Kläger während der Tätigkeit keinem Weisungsrecht unterworfen worden, denn er habe im Fragebogen angegeben, für die Auftragsannahme oder Ablehnung in eigener Verantwortung entschieden zu haben. Ebenso wenig habe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder eine Urlaubsanspruch bestanden. Im Übrigen sei auf das Urteil des BSG vom 14.11.1974 zu verweisen, in dem hervorgehoben werde, dass von Marktforschungsinstituten beauftragte Interviewer nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden, sofern deren Vergütung für die Tätigkeit sich jeweils auf einen Einzelauftrag beziehe, nicht die Existenzgrundlage bilde und mit einem Unternehmer eigentümlichen finanziellen Risiko verbunden sei. Die Interviewer dürften nur sachlich insoweit gebunden sein, als es nach der Natur des Auftrages unerlässlich sei. Dies sei vorliegend der Fall.

Mit Schriftsatz vom 6.8.2009 erklärte der Kläger die Annahme des Kostengrundanerkenntnisses, erklärte den Rechtsstreit indes nur hinsichtlich der Feststellung über die Frage der abhängigen Beschäftigung für erledigt, nicht hingegen hinsichtlich des geltend gemachten Beitragserstattungsanspruches. Hierüber habe die Beklagte im Widerspruchsbescheid nicht entschieden. Das Gericht wies den Kläger daraufhin, dass es nunmehr das Verfahren als Klage gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.7.2009 unter dem neuen Az. KR 200/09 fortführe.

Der Kläger verweist in diesem Verfahren auf sein bisheriges Vorbringen und legt einen Schriftsatz vom 29.08.2009 vor, mit dem er die Erledigung der Untätigkeitsklage und Fortsetzung als Feststellungs- und Leistungsklage erklärt habe. Diesen Schriftsatz habe er in den Briefkasten des Gerichts eingeworfen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 14.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.7.2009

  1. festzustellen, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als Interviewer bei der Firma … für den Zeitraum vom 23.10.2000 bis zum 30.6.2007 in allen Zweigen der Sozialversicherung pflichtversichert war und

  2. die Beklagte zu verpflichten, die vom Kläger im unter Ziffer 1 genannten Zeitraum zu Unrecht an die Beklagte geleisteten Krankenkassenbeiträge in Höhe von 18.827,18 € an ihn zu erstatten, zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 29.1.2007.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid.

Die durch Beschluss vom 19.3.2010 Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene führt aus, dass sie allein deswegen kein Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit hätte ausüben können, da der Kläger als selbstständiger Rechtsanwalt dies mit seiner Tätigkeit nicht in Einklang hätte bringen können. Im Übrigen seien die Tätigkeitszeiten frei vereinbart worden. Sie, die Beigeladene, habe Aufträge angeboten, die der Kläger habe ablehnen können. Ein Vertrag sei erst bei Angebotsannahme zustandegekommen. Der Grund für die Kündigung des Interviewervertrages sei gewesen, dass der Kläger vereinbarte Fahrgastbefragungen nicht durchgeführt habe. Es sei nicht zutreffend, dass man ihm gekündigt habe, weil er einzelne Erhebungen der Wochenblöcke - aufgrund Kollision mit der Rechtsanwaltstätigkeit - im Vorfeld nicht angenommen habe. Im Übrigen habe kein Direktionsrecht bestanden. Vielmehr sei der Interviewer- Leitfaden nur als methodisches Grundkonzept anzusehen. Ein Honoraranspruch habe darüber hinaus nur bei einwandfreier Erledigung der Aufträge bestanden. Es habe keinen garantierten Mindestlohn gegeben. Schließlich sei das vom Kläger vorgebrachte Recht der Beigeladenen, beim Herausstreichen einzelner Fahrten aus dem Wochenblock diesen insgesamt zu streichen tatsächlich nie ausgeübt worden. Man sei nur davon darauf angewiesen gewesen, dass die im Block angebotenen Aufträge vollständig abgearbeitet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Gerichtsakten S 17 KR 106/09 ER und S 17 KR 107/09 Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Soweit die Erledigungserklärung der Untätigkeitsklage im Schriftsatz des Klägers vom 29.08.2009 zum damaligen Zeitpunkt nicht zu den Akten gelangt ist, wäre die Feststellungs- und Leistungsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2009 zwar nunmehr verfristet. Die Kammer ist jedoch in Übereinstimmung mit allen Beteiligten der Auffassung, dass hier Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG zu gewähren ist. Denn das Gericht hatte mit Schreiben vom 21.08.2009 darauf hingewiesen, dass die Klage als gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides gerichtet unter neuem Aktenzeichenweitergeführt werde.

Die Klage ist hingegen nicht begründet. Die Kammer hat die für und gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis streitenden Aspekte ausführlich abgewogen und ist zum Ergebnis gelangt, dass trotz der von dem Kläger für eine Sozialversicherungspflicht vorgebrachten Argumente das tatsächliche Gewicht der Tätigkeit eigenständig, weisungsfrei und von einem unternehmerischen Risiko bestimmt war.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 28.5.2008 - B12 KR 13/07 R, Rd-Nr. 15; BSG, Urteil vom 30.1.2007 - B 2 U 6/06 R; Rd-Nr. 15; BSG, Urteil vom 22.6.2005 - B 12 KR 28/03 R, Rd-Nr. 12). Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spricht vorliegend, dass der Kläger die Abrechnungen nicht selbst getätigt hat, sondern dieses von der Beigeladenen übernommen worden ist. Ebenso bleibt festzustellen, dass dem Kläger seitens der Beigeladenen sämtliche Arbeitsmittel und zwar in Form von umfangreichen Leitfäden für Interviewer zur Verfügung gestellt worden sind. Hierbei bleibt allerdings festzustellen, dass der Leitfaden von der … - jedenfalls teilweise - und nicht etwa ausschließlich von der Beigeladenen herausgegeben wurde. Der Kläger war hinsichtlich der Erbringung der Leistung darüber hinaus gerade nicht hinsichtlich Ort, Zeit, Art und Weise der Durchführung frei. Ebenso wenig gab es Abzüge bei der Vergütung im Falle einer Schlechtleistung. Die Vergütung selbst war nicht individuell ausgehandelt. Darüber hinaus wurde dem Kläger die gesamte Hardware und Software von Seiten der Beigeladenen gestellt. Bei diesen Elementen handelt es sich nach Auffassung der Kammer um Aspekte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Dem stehen hingegen die Aspekte gegenüber, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen. Hierbei handelt es sich zum einen um die vertragliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen bzw. deren Rechtsvorgängerin. Danach war der Interviewervertrag so ausgestaltet, dass kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestand. Es war weder die Zahlung von Urlaubs- noch Weihnachtsgeld vereinbart. Darüber hinaus war der Kläger zur Abführung von Steuern und Abgaben verpflichtet. Zudem war das Vertragsverhältnis von beiden Seiten ohne Einhaltung von Fristen kündbar. Dem Kläger oblag auch die freie Entscheidung, den Auftrag, der in ganzen Wochenblöcken vergeben wurde, anzunehmen oder abzusagen. Darüber hinaus hatte der Kläger das Recht, aus den Wochenblöcken einzelne Erhebungen heraus zu streichen. Dies war zwar von der Beigeladenen nicht gewünscht, jedoch möglich und wurde vom Kläger auch genutzt.

Unstreitig ist in diesem Zusammenhang, dass sich dies auf die Prämienzahlung auswirkte. Insoweit war nach Auffassung der Kammer die Tätigkeit des Klägers gerade nicht mit der eines Arbeitnehmers vergleichbar, weil sich dort der Entgeltanspruch zunächst auch dann realisiert, wenn schlecht oder gar nicht geleistet wird. Vorliegend war es jedoch so, dass sich die nicht vollständige Erledigung eines Wochenblock- Auftrages in der Bezahlung durchaus auswirkte.

Bei Gewichtung dieser sich gegenüberstehenden Argumente ist die Kammer vorliegend der Auffassung, dass die Elemente, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, zurücktreten. Insbesondere die Einbindung in Ort, Zeit, Art und Weise der Durchführung des Auftrages sind angesichts der Eigenart der Tätigkeit kein geeignetes Kriterium für eine Abgrenzung. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf das Urteil des BSG vom 14.11.1974 (a.a.O.), in dem dieses ausdrücklich ausführt, dass auch ins einzelne ausgearbeitete Fragen und Unterlagen nicht gegen eine selbstständige Tätigkeit sprechen, wenn "die Natur der Sache" dies erfordert: Dass die Aufträge zur Erhebung von der … kamen und über die Beigeladene lediglich weitergeleitet wurden, ändert an der Einschätzung als selbstständige Tätigkeit ebenso wenig etwas. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) kann sich jeder Unternehmer Anderer bedienen, ohne dass diese dadurch in einem Arbeitsverhältnis tätig werden, auch wenn der Unternehmenszweck nicht anders erreicht werden kann. Ebenso wenig ist nach Auffassung des BSG eine Kontrollbefugnis ein Argument dafür, eine abhängige Beschäftigung anzunehmen.

Die Kammer vermochte auch nicht der Argumentation des Landessozialgerichts Baden-Württemberg zu folgen, das den RES- Leitfaden als Argument dafür hernimmt, die Ausführung der Tätigkeit als eng begrenzt vorgegeben anzusehen. Denn genau dies hatte das BSG zur Interviewertätigkeit gerechtfertigt. Da Sinn der Erhebungen war, Informationen über die Art der Fahrkarte, den Reiseverlauf und somit das Nutzungsverhalten der …kunden zu erhalten, ist es nach Auffassung der Kammer gar nicht anders möglich gewesen, als dass die … konkret vorgibt, welche Informationen sie benötigt.

Ebenso wenig vermag die Kammer der Argumentation des LSG Baden-Württemberg zu folgen, wonach die Entlohnung nach Stundensatz gegen eine ständige Tätigkeit spreche. Abrechnungsbasis für die Interviewertätigkeit war die Einsatzzeit im Erhebungszug. Insoweit ist es zutreffend, dass eine Entlohnung nicht etwa nach der Anzahl der durchgeführten Interviews erfolgte. Dies ist indes nach Überzeugung des Gerichtes völlig unschädlich. Denn nicht jede selbstständige Tätigkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass nach Erfolg bezahlt wird. Gerade im Dienstleistungssektor wird - und zwar gerade auch im anwaltlichen Bereich - nach der aufgewandten Zeit abgerechnet. Im Übrigen wirkte sich die Nichtausführung einzelner Aufträge sehr wohl auf die Prämienzahlung aus, so dass im Hinblick auf die gefährdete Einsatzprämie doch ein gewisses Erfolgsmoment bei der Entlohnung zu erkennen ist.

Darüber hinaus erhielt der Kläger auch nicht etwa automatisch entsprechende Aufträge. Vielmehr wurde ihm seitens der Beigeladenen ein Angebot unterbreitet, mit der Konsequenz, dass ein Vertragsverhältnis erst zu Stande kam, wenn er dieses Angebot annahm. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass das Recht, Arbeitsangebote abzulehnen, unschädlich sei für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung (LSG NRW L 8 R 191/10). Dies trifft indes nach Überzeugung des Gerichts insbesondere auf die Fallkonstellationen zu, in denen lediglich für einen Arbeitgeber gearbeitet wird und sich die Frage der Scheinselbständigkeit stellt. Hier war es jedoch so, dass der Kläger nicht allein auf die Interviewertätigkeit bei der Beigeladenen angewiesen war. Er war als Rechtsanwalt niedergelassen und erzielte hieraus ebenso Einkünfte. Darüber hinaus war er für weitere Marktforschungsunternehmen tätig, so dass sich die Situation vorliegend komplett anders darstellt. Schlussendlich bleibt festzustellen dass der Kläger, und das als Rechtsanwalt, selbst jahrelang von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen ist und diese sowohl sozialversicherungsrechtlich als auch steuerrechtlich über die Jahre so bewertet hat.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zwar gehört der Kläger nicht zum kostenprivilegierten Personenkreis nach § 183 S. 1 SGG. Denn er ist gerade nicht als Versicherter am Verfahren beteiligt. Hier gilt jedoch § 183 S. 3 SGG. Danach steht den in S. 1 genannten Personen gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde.

gez. Ruppel
Richterin am Sozialgericht

Rechtsgebiete

Markt- und Sozialforschung; Sozialrecht