Zwischenstopp bei gebuchtem Non-Stop-Flug
Gericht
AG Rostock
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
18. 03. 2011
Aktenzeichen
47 C 241/10
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kläger macht Minderungsansprüche nach einer Kreuzfahrtreise geltend.
Im Zeitraum vom 15.02.2010 bis 01.03.2010 unternahm der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau auf dem Kreuzfahrtschiff ... eine bei der Beklagten am 02.04.2009 gebuchten Südostasienkreuzfahrt. Zum vereinbarten Leistungsumfang der Beklagten gehörte auch ein An- und Abreisepaket. Der Gesamtpreis betrug 6.712,00 €.
Der Hinflug erfolgte am 14.02.2010. Im Katalog waren die Flüge von F. nach B. und zurück als Direktflüge ausgewiesen. Der Hin- und Rückflug erfolgte jeweils mit einem Zwischenstop in D. Hiervon erhielt der Kläger zwei Wochen vor Abreise Kenntnis und monierte dies gegenüber der Beklagten. Die Anreise verlängerte sich durch den Zwischenstop gegenüber einem Non-Stop-Flug um 4 Stunden 40 Minuten.
Die vom Kläger und seiner Ehefrau gebuchte und genutzte Kabine befand sich auf Deck 4. Unmittelbar darunter auf Deck 3 befand sich eine Ladeluke, die zum Be- und Endladen des Schiffes sowie zum An- und Abschiffen der Lotsen genutzt wurde. Durch das Öffnen und Schließen der Ladeluke, welches nicht vor 07.00 Uhr erfolgte, entstehen Geräusche, die in der Kabine des Klägers wahrnehmbar waren. Die Intensität ist strittig. Ebenfalls auf Deck 3 beginnt hinter der Ladeluke ein Transportband. Deren Betätigung führt zu einer erheblichen Lärmbelästigung. Zur Darstellung der Zeitpunkte bzw. Zeiträume, zu der der Kläger und seine Ehefrau die vom Öffnen und Schließen der Ladeluke und der Benutzung des Transportbandes ausgehenden Geräusche wahrgenommen haben, wird auf den Schriftsatz vom 26.11.2010 (Bl. 41 f. d. A.) Bezug genommen.
Im Katalog der Beklagten heißt es unter „Bordinfos von A - Z“ zum Stichwort „Kabinen“:
„Wir möchten darauf hinweisen, dass die Wahrnehmung von Motorengeräuschen an einigen Stellen auf dem Schiff unvermeidbar ist. In der Nähe von Service-Einrichtungen wie z.B. Pooldeck, Restaurants und Bars, kann es ebenfalls zu einer gewissen Geräuschentwicklung kommen.“
Der Kläger macht eine Reisepreisminderung in Höhe von 1.140,00 €/Person, mithin einen Minderungsanspruch in Höhe von insgesamt 2.280,00 € geltend.
Der Kläger behauptet, das Öffnen und Schließen der Ladeluke habe eine erhebliche, unzumutbare Lärmbelästigung erzeugt. Weiter trägt der Kläger vor, er habe die Lärmbelästigungen unverzüglich vor Ort gegenüber dem Klubchef und dem Steward angezeigt. Ein Kabinenwechsel sei - unstrittig - nicht möglich gewesen.
Der Kläger ist der Meinung, die Beklagte hätte Flüge von F. nach B. ohne Zwischenlandung geschuldet. Weiterhin ist er der Auffassung, die Beklagte hätte auf die von der Ladeluke und dem Transportband ausgehenden Geräusche insbesondere hinsichtlich der von ihm und seiner Ehefrau genutzten Kabine gesondert hinweisen müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.280,00 € nebst 5% Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.04.2010 zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, weitere Kosten des Klägers in Höhe von 274,65 € an nicht streitwerterhöhenden Nebenkosten aus dem vorgerichtlichen Tätigwerden der klägerischen Prozessbevollmächtigten nach RVG Nr. 2300, VV Teil 3, Vorbemerkung 3, Abs. 4 nebst 5% Zinsen p. a. über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.04.2010 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erklärt, bei den gerügten Geräuschen handele es sich um schiffstypische Geräusche. Zudem werde im Katalog unter der Rubrik „Bordinfos“ auf die Geräusche hingewiesen.
Gründen:
Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 812 Abs. 1 BGB i. V. m. § 651 d Abs. 1 BGB einen Minderungsanspruch in Höhe von 89,50 € aufgrund der erfolgten Zwischenlandungen bei der An- und Abreise zur bzw. von der bei der Beklagten gebuchten Südostasienkreuzfahrt.
Unstrittig schuldete die Beklagte die Durchführung eines Direktfluges. Die beim Hin- und Rückflug jeweils erfolgte Zwischenlandung in Dubai stellt eine Abweichung von der gemäß § 651 a Abs. 1 BGB geschuldeten Leistung dar. Die Abweichung geht über eine Unannehmlichkeit hinaus und erfüllt die Voraussetzungen eines Mangels gem. § 651 d BGB.
Nach herrschender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung stellt eine Zwischenlandung bei einem Direktflug keinen Reisemangel dar, weil der Direktflug kein Non-Stop-Flug ist (Führich, Reiserecht 6. Aufl., Rn. 314g m. Rechtsprechungnachweisen; a. A. Schmid, Die Rechtsprechung zur Flugverspätung und zur Änderung von Flugrouten: Zeit zum Umdenken?!, RRa 2005 151; AG Würzburg RRa 1998, 81; AG Essen RRa 1995, 130).
Der herrschenden Auffassung ist nicht zu folgen.
Bereits der Wortlaut der vereinbarten Reiseleistung spricht gegen die Feststellung, dass eine Zwischenlandung noch Bestandteil eines geschuldeten Direktfluges ist. Kaum ein Reisender ohne Kenntnisse der Rechtsprechung und Kommentierung zum Reiserecht bzw. der Katalogsprache von Reiseveranstaltern wird auf die Idee kommen, dass bei einem Direktflug ohne weiteres eine Zwischenlandung stattfinden kann. Vielmehr wird eine Reisender das Wort „direkt“ mit den Worten „unmittelbar“, „geradewegs“, „schnurstracks“ bzw. „ohne Umschweife“ verbinden.
Selbst bei Kenntnis der Begriffe Direktflug und Non-Stop-Flug erschließt sich einem Nichtjuristen der Unterschied nicht sofort. Neben der unmittelbaren Wortbedeutung sowie dem Empfängerhorizont sprechen auch die historischen Hintergründe für die Entstehung der Bezeichnungen Direktflug und Non-Stop-Flug gegen die herrschende Auffassung.
Zur weiteren Begründung wird ausdrücklich Bezug genommen auf die o. g. Veröffentlichung von Schmid, a. a. O.
Die Feststellung, dass es sich bei - unerwarteten - Zwischenlandungen um eine reine Unannehmlichkeit handelt, wird nicht geteilt. Abgesehen von den zwingend hiermit verbundenen zeitlichen Verzögerungen der An- oder Heimreise, sind zusätzliche Starts und Landungen für viele Reisende mit einem zusätzlichen erhöhten Stressfaktor verbunden.
Der Höhe nach bewertet das Gericht den berechtigten Minderungsanspruch mit 10% eines Tagesreisepreises. Hierbei findet Berücksichtigung, dass sich durch den Zwischenstop die An- und Heimreise jeweils verlängerten. Hinsichtlich des Hinfluges ist bekannt, dass sich die Anreisezeit um 4 Stunden und 40 Minuten verlängerte. Dies würde nach der herrschenden Rechtsprechung eine Reisepreisminderung von 5% des Tagereisepreises rechtfertigen. Hinzu kommen die mit dem Start und der Landung verbundenen Unannehmlichkeiten, so dass insgesamt ein Minderungsanspruch von 10% als ausreichend und angemessen zu bewerten ist. Der Gesamtpreis der Reise betrug 6.712,00 €. Ausgehend von einer Reisedauer von 15 Tagen betrug der Tagesreisepreis 447,47 €. Ein Minderungsanspruch von 10% führte daher zu einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 44,75 €. Da hier sowohl der Hin- als auch der Rückflug betroffen waren, sind zwei Tagesreispreise für die Minderung im Umfang von jeweils 10% zu berücksichtigen. Der gesamte Minderungsanspruch beträgt daher 89,50 €.
Die weitergehende Klage ist unbegründet.
Bei den vom Kläger gerügten Geräuschen, die von der Ladeluke und den dahinter befindlichen Transportband ausgingen, handelt es sich um schiffstypische Geräusche, die vom Kläger hinzunehmen sind.
Richtig ist zwar, dass der Hinweis der Beklagten in ihrem Katalog diese Geräusche nicht erfasst. Gleichwohl musste der Kläger davon ausgehen, dass über die dort genannten Geräusche hinaus an Bord eines Kreuzfahrtschiffes Arbeiten verrichtet werden, die zwangsläufig mit einer Geräuschentwicklung verbunden und deshalb wahrnehmbar sind. Zuzustimmen ist dem Kläger, dass es sich bei einem Kreuzfahrtschiff um ein „schwimmendes Hotel“ handelt. Hierbei kommt allerdings dem Wort „schwimmendes“ eine besondere Bedeutung zu. Denn gerade ein schwimmendes Hotel verursacht Geräusche, die von ihrer Art und Herkunft von einem normalen Hotelbetrieb abweichen sowie unvermeidbar und zu erwarten sind. Hierzu gehören auch Transportbänder und Öffnungsvorrichtungen in der Bordwand.
Auch wenn nicht allein auf die Einordnung von Geräuschen als schiffstypisch abzustellen wäre, könnten im vorliegenden Fall die Voraussetzungen eines weitergehenden Minderungsanspruches wegen der gerügten Geräusche nicht festgestellt werden. Denn der insbesondere zeitliche Umfang der Geräusche stellt sich in der Bewertung als hinzunehmende Unannehmlichkeit dar. Der Kläger hat im Schriftsatz vom 26.11.2010 detailliert zum Auftreten der Geräusche vorgetragen. Für die Tage 17.02.2010, 27.02.2010 und 01.03.2010 rügt er demnach offenbar lediglich das einmalige Öffnen und Schließen der Ladeluke. Am 18. und 19.02.2010 lief das Transportband in kurzen Phasen zwischen 7.30 Uhr und 9.00 Uhr und am 20.02.2010 und 21.02.2010 jeweils ab 8.00 Uhr. Dem Vortrag ist nicht zu entnehmen, dass das Band den ganzen Tag in Betrieb war. Zu beachten ist hierbei auch, dass der Kläger und seine Frau am 21.02.2010 das Schiff bereits um 8.49 Uhr verließen. Für den Zeitraum 22.02. bis 24.02.2010 werden keine Geräuschbelästigungen angeführt. Am 25.02.2010 erfolgte eine Verpflegungsaufnahme nach 7.00 Uhr (ein genauer Zeitpunkt wird hierzu nicht genannt) während am 26.02.2010 unregelmäßige Bewegungen des Transportbandes in der Zeit vom 15.00 Uhr bis 16.00 Uhr erfolgten.
Diese mit den notwendigen Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff verbundenen Geräuschbeeinträchtigungen, stellen, auch wenn sie aus Sicht des Klägers unerträglich gewesen seien, bereits auf Grund der zeitlichen Betrachtung lediglich Unannehmlichkeiten dar.
Aus den vorgenannten Gründen kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger wirksam die gerügten Geräusche bei der Beklagten angezeigt habe bzw. ob dies angesichts der Tatsache, dass keine Ausweichkabine zur Verfügung stand, entbehrlich gewesen wäre.
Die Nebenforderungen sind gem. §§ 280 ff. BGB begründet.
Der Umfang der zu ersetzenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten errechnet sich aufgrund des Wertes, mit dem der Kläger vorliegend obsiegt. Dahingestellt bleiben kann, dass der Kläger nicht vorträgt, diese Kosten bereits seinem Anwalt bezahlt zu haben. Der nach dem Vortrag des Klägers lediglich festzustellende Freistellungsanspruch wandelte sich durch die Zahlungsverweigerung in einen Zahlungsanspruch.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Aufgrund der Abweichung der Entscheidung von der herrschenden Rechtsprechung zur Problematik des Direktfluges wird gem. § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung zugelassen.
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