Kündigung einer Kundenberaterin nach Einstellung des Vertriebes eines Produktes

Gericht

ArbG Schwerin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

30. 06. 2011


Aktenzeichen

6 Ca 476/11


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.

  3. Der Streitwert wird auf 6.812,00 € festgesetzt.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gemäß § 64 Arbeitsgerichtsgesetz gegeben. Dieses Rechtsmittel steht der unterlegenen Partei zu, hier also der Klägerin. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel. Falls Berufung eingelegt werden soll, ist Folgendes zu beachten:

Eine Berufung wird eingelegt durch Einreichung einer Berufungsschrift beim

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
August-Bebel-Straße 15
18055 Rostock
Telefax-Nummer: 0381/ 241- 124.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Urteils schriftlich beim Landesarbeitsgericht eingegangen sein und binnen zwei Monaten schriftlich begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit dem Tag der Zustellung des vollständig abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach Urteilsverkündung.

Die Berufungsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das die Berufung gerichtet wird (üblicherweise geschieht dies durch Bezeichnung des Gerichtes, des gerichtlichen Geschäftszeichens und des Tages der Verkündung oder des Erlasses des Urteils), und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

Der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden.

Berufungsschrift und Berufungsbegründungsschrift müssen unterzeichnet sein. Dabei müssen sich die Parteien gemäß § 11 Absatz 4 Arbeitsgerichtsgesetz durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen.
Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen

- Rechtsanwälte,

- Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände, jedoch nur für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

- juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der vorgenannten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

Abschließender Hinweis:

Das Landesarbeitsgericht bittet, die Berufungsschrift sowie alle weiteren Schriftsätze jeweils in fünffacher Ausfertigung beim Landesarbeitsgericht einzureichen.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung.

Die Klägerin war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 5ff. d.A.) bei der Beklagten ab dem 15.04.2002 als Kundenberaterin in der Abteilung … in Schwerin, zuletzt zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt von 1.703,00 Euro beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Call-Center und beschäftigte dort 48 Mitarbeiter (= 39,4 Vollzeitkapazitäten bzw. FTE), darunter zwei Call-Center-Manager in Vollzeit, zwei stellvertretende Call-Center-Manager bzw. Supervisoren in Vollzeit sowie 44 Call-Center-Agenten bzw. Kundenberater, davon 35 in Teil- und 9 in Vollzeit, insgesamt 35,4 FTE. Von diesen 44 Call-Center-Agenten bzw. Kundenberatern mit einer FTE von insgesamt 10,52 waren 12 mit dem aktuellen Telefonverkauf des Produktes "..." ("Pay-TV"-Verträge) betraut. Die restlichen Mitarbeiter verkaufen Zeitschriftenabonnements. Weil sich der Verkauf von ... aufgrund sich ungünstig gestaltender Rahmenbedingungen zunehmend schwieriger und unwirtschaftlicher gestaltete und um den vorhandenen Abstimmungsbedarf innerhalb des Betriebes zu verringern, entschloss sich die Geschäftsführung der Beklagten am 28.12.2010, den Verkauf des Produktes "..." in Schwerin einzustellen und den Standort als reinen Abonnement-Standort weiterzuführen. Aufgrund dieser Entscheidung entfielen die bisher für das Produkt "..." vorhandenen 12 Arbeitsplätze bzw. 10,52 FTE.

Für die zu treffende Sozialauswahl sah die Beklagte die von ihr auf anderer Hierarchieebene eingeordneten Call-Center-Manager und stellvertretenden Call-Center-Manager als nicht vergleichbar mit den Kundenberatern an. Dagegen hielt sie alle Call-Center-Agenten bzw. Kundenberater - gleichgültig, ob sie bisher für das Produkt "..." eingesetzt waren oder im Abonnementbereich - aufgrund der durchzuführenden Tätigkeit als miteinander vergleichbar an. Sie geht davon aus, dass die Mitarbeiter innerhalb kurzer Einarbeitungszeit in die jeweiligen Bereiche eingearbeitet werden können und daher miteinander austauschbar sind. Die Beklagte führte deshalb eine Sozialauswahl nach einer Auswahlrichtlinie zwischen allen Call-Center-Agenten bzw. Kundenberatern durch. Wegen der Sozialdaten und erreichten Punktezahl dieser 44 Mitarbeiter wird auf den Beklagtenschriftsatz vom 18.04.2011, die Seiten 3 - 9, Bl. 44 - 50 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte hat die Mitarbeiterin M… von dieser Auswahl ausgenommen mit der Begründung, Frau M… sei aufgrund ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen als Leistungsträgerin zu qualifizieren. Sie sei die beste Verkäuferin am Standort Schwerin, ihre Verkaufsleistung liege im Verhältnis zu anderen Mitarbeitern regelmäßig deutlich über dem Teamschnitt. Sie verfüge über außergewöhnliches Einfühlungsvermögen gegenüber Kunden, treffe stets den richtigen Ton und schaffe es dadurch in erhöhtem Maße Kunden für Vertragsabschlüsse zu gewinnen. Auch aufgrund ihrer hervorragenden Gesprächsführung habe sie absolute Vorbildfunktion innerhalb des Teams. Aus wirtschaftlichen Gründen sei Frau M… daher unverzichtbar.

Mit Schreiben vom 18.02.2011, wegen dessen Inhalt ausdrücklich auf Bl. 23ff. d.A. verwiesen wird, hat die Beklagte den für ihren Betrieb gewählten Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung der Klägerin angehört. Sie hat mit dem Betriebsrat wegen der Kündigungen von Mitarbeitern infolge Aufgabe des Produktes "..." einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 26.02.2011 (Bl. 9 d.A.) sprach die Beklagte die Kündigung für das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 31.05.2011 aus und stellte die Klägerin unwiderruflich unter Fortzahlung ihrer Bezüge und unter Anrechnung des ihr noch zustehenden Urlaubsanspruches von ihrer Arbeitsleistung frei.

Mit ihrer am 09.03.2011 vorab beim Arbeitsgericht eingegangen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung. Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Kündigung stützende betriebsbedingte Gründe lägen nicht vor, die getroffene Sozialauswahl sei ebenso wenig ordnungsgemäß, wie die erfolgte Betriebsratsanhörung. Die Klägerin meint, die Begründung, zur Sicherung des Standortes Schwerin sei der Verkauf des Produktes "..." ersatzlos einzustellen gewesen und damit sämtliche 12 Arbeitsplätze, die bisher mit dem Produkt "..." ausgelastet gewesen seien, entfallen, sei nicht geeignet, die erforderliche unternehmerische Entscheidung hinreichend zu tragen, da sie - die Klägerin - nicht mit dem Produkt "..." befasst gewesen sei. Deshalb erscheine der Abbau der Arbeitsplätze für den Abonnementbereich willkürlich. Es sei nicht erkennbar, wie sich die von der Beklagten als Gründe der unternehmerischen Entscheidung dargestellten Umstände konkret auf den Zeitschriftenabonnementverkauf auswirkten. Zudem sei die Dringlichkeit für eine betriebsbedingte Kündigung nicht ersichtlich. Es sei nicht festzustellen, dass die Kündigung als ultima ratio qualifiziert werden könne. Da der Vortrag der gebotenen unternehmerischen Entscheidung auch Gegenstand der Betriebsratsanhörung war, liege zudem eine ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates nicht vor. Es fehle schon schlichtweg an der umfassenden und richtigen Grundlage der Anhörung.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Sozialauswahl sei vor allem in Bezug auf Frau M… ungerechtfertigt, da Frau M… nicht als Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausgenommen werden könne. Zudem sei die Vergleichbarkeit der Mitarbeiter des "..." und des Abonnentenservice infrage zu stellen.

Die Klägerin beantragt,

  1. festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2011, der Klägerin zugestellt am nämlichen Tage, unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis durch dieselbe nicht aufgelöst wird.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 26.04.2002 in der Version vom 14.04.2004 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte hält die ausgesprochene Kündigung aus betriebsbedingten Gründen für sozial gerechtfertigt und wegen ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrates für wirksam.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Klageschrift vom 09.03.2011, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze vom 10.03.2011, 25.03.2011, 18.04.2011, 26.05.2011, 17.06.2011, 22.06.2011, die eingereichten Anlagen, die Sitzungsniederschriften vom 04.04.2011 und 30.06.2011, den gesamten Akteninhalt, verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 26.02.2011 hat das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2011 beendet, denn diese Kündigung ist wirksam und sozial gerechtfertigt. Infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht der Klägerin ein Weiterbeschäftigungsanspruch nicht zu.


I.

Die streitbefangene Kündigung ist wirksam.

1.

Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt.

Die Klägerin kann sich auf das KSchG berufen, denn ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten dauert länger als sechs Monate an (§ 1 KSchG), die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer (§ 23 KSchG) und die Klägerin hat die Kündigungsschutzklage innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist (§ 4 KSchG) erhoben.

Gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Liegen dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung vor, ist diese dennoch sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG).

Vorliegend ist die streitbefangene Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin in dem Betrieb der Beklagten entgegenstehen, bedingt und die Beklagte hat eine ordnungsgemäße soziale Auswahl getroffen.

Voraussetzung für die Betriebsbedingtheit einer Kündigung ist nicht der Wegfall eines konkreten Arbeitsplatzes, sondern die Verringerung des Beschäftigungsbedarfes für bestimmte Tätigkeiten. Eine Beschäftigungsmöglichkeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Umstände nicht mehr vertragsgerecht eingesetzt werden kann und der Arbeitgeber diese Tatsache umsetzt. Was unternehmerisch erforderlich ist, bestimmt subjektiv der Unternehmer. Unter der Arbeitsmenge sind die zur Verfügung stehenden Beschäftigungsmöglichkeiten in Bezug zu den Arbeitnehmern zu sehen, die arbeitsvertraglich zu deren Verrichtung eingestellt sind. Betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung liegen vor, wenn aufgrund des Organisationskonzeptes des Arbeitgebers hinsichtlich der zu verrichtenden Tätigkeit mehr Arbeitnehmer vertraglich angebunden sind, als die zur Verfügung stehende Arbeitsmenge ausmacht. Die Feststellung betrieblicher Erfordernisse setzt deshalb stets die Feststellung der Arbeitsmenge voraus. Eine unternehmerische Entscheidung kann jedoch nur kündigungsrelevant sein, wenn sie auch in die Realität umgesetzt wird und deshalb eine Verringerung der Arbeitsmenge entsteht. Will der Arbeitgeber eine Kündigung auf eine gestaltende unternehmerische Entscheidung stützen, hat er darzulegen, dass und welchen unternehmerischen Entschluss er gefasst hat, dass er diesen Entschluss umgesetzt hat und wie sich die Umsetzung auf welche Beschäftigungsmöglichkeiten in welchem Umfang ausgewirkt hat. Da der Unternehmer das wirtschaftliche Risiko trägt, kann er sich unternehmenspolitisch frei entscheiden und deshalb wird von den Arbeitsgerichten nicht geprüft, ob der Entschluss des Unternehmers, der betrieblich umgesetzt wurde, wirtschaftlich sinnvoll war, die durch die Kündigung zu erwartenden Vorteile in einem vernünftigen Verhältnis zu den Nachteilen stehen, die bei den betreffenden Arbeitnehmern eintreten oder sich insgesamt als Fehldispositionen darstellen. Eine Überprüfungsmöglichkeit des Gerichtes würde die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit des Unternehmers unverhältnismäßig einschränken. Das Gericht kann jedoch überprüfen, ob die unternehmerische Entscheidung gesetzeskonform ist und einer Missbrauchskontrolle Stand hält. Will der Arbeitnehmer geltend machen, dass die unternehmerische Entscheidung gegen ein Gesetz verstößt oder rechtsmissbräuchlich ist, hat er diejenigen Tatsachen vorzutragen, die eine derartige Bewertung zulassen.

Unter Anwendung vorgenannter Grundsätze ist für den vorliegenden Fall festzustellen, dass nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien die Voraussetzung der dringenden betrieblichen Erfordernisse zu bejahen ist.

Die Beklagte hat am 28.12.2010 die unternehmerische Entscheidung getroffen, das Produkt "..." nicht mehr zu vertreiben. Damit liegt eine gestaltende Unternehmerentscheidung vor, welche sich auf die Arbeitsmenge auswirkt, denn aufgrund dieser Entscheidung werden die Arbeitskapazitäten, die auf die Vertreibung des Produktes "..." gerichtet waren, frei. Unerheblich ist, aus welchen Gründen die Beklagte ihre unternehmerische Entscheidung getroffen hat. Es ist deshalb nicht entscheidend, ob und wie sich diese Gründe tatsächlich auf die Arbeitsmenge auswirken, denn die Verringerung der Arbeitsmenge ergibt sich aufgrund der unternehmerischen Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass diese rechtsmissbräuchlich bzw. gesetzwidrig ist, sind nicht erkennbar. Die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung ist damit zu akzeptieren.

Mit der Tätigkeit für das Produkt "..." waren unstreitig 12 Arbeitsplätze bzw. 10,52 FTE ausgelastet. Durch den Wegfall des Produktes "..." sind diese Arbeitsplätze nicht mehr erforderlich, weil die auf ihnen verrichtete Arbeitsmenge nicht mehr anfällt. Die Beklagte hat die von ihr getroffene unternehmerische Entscheidung auch umgesetzt. Sie hat - von der Klägerin unbestritten - angegeben, dass sie das Produkt "..." nicht mehr vertreibt. Dass sie statt dessen irgendein anderes Produkt in ihre Palette aufgenommen hat, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat zudem einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen, um den Wegfall der mit Aufgabe des Produktes "..." verbundenen Arbeitsmenge im Personalbedarf umzusetzen. Danach bestehen keine Zweifel - und solche sind von der Klägerin auch nicht dargetan - an der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung.

Es müssen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG nicht nur betriebliche Erfordernisse vorliegen, sondern diese müssen zusätzlich "dringend" sein. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass diese Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt ist. Es sind allerdings auch durch die Klägerin keine Umstände vorgetragen, welche auf eine Unverhältnismäßigkeit der Kündigung schließen lassen könnten. So ist dem klägerischen Vortrag nicht zu entnehmen, dass Überstunden in dem Umfang anfallen, dass deren Abbau dazu geeignet sein könnte, der durch den Wegfall des Produktes "..." freiwerdenden Arbeitsmenge zu begegnen. Dass die Einführung von Kurzarbeit aufgrund des Wegfalls des Produktes "..." sinnvoll sein könnte, ist nicht nachvollziehbar, denn Kurzarbeit ist nur dann geeignet, einem Rückgang der Arbeitsmenge zu entsprechen, wenn diese absehbar vorübergehend ist. Dass dies vorliegend der Fall sein könnte, ist nicht feststellbar. Die Entscheidung, ob der Arbeitgeber Beendigungskündigung oder Änderungskündigungen ausspricht, ist insoweit frei, als es seinem Organisationsermessen unterliegt, zu entscheiden, ob und wie viele Vollzeit- bzw. Teilzeitarbeitsplätze er mit welchem Teilzeitumfang vorhalten möchte. Da die vorhandenen 44 Call-Center-Agenten bzw. Kundenberater insgesamt mit 35,4 FTE beschäftigt waren, der Abbau von 10,52 FTE erforderlich wurde, ist es angesichts des Umfanges der FTE-Reduzierung nachvollziehbar, wenn sich die Beklagte entschließt, keine Änderungskündigungen, sondern Beendigungskündigungen auszusprechen.

Insgesamt lässt sich keine Unverhältnismäßigkeit bezüglich des Ausspruches der hier streitbefangenen Kündigung feststellen, so dass auch die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

Wenn sich die Arbeitsmenge verringert hat und der Arbeitgeber sich entschlossen hat, hierauf mit der Aufhebung von Arbeitsverhältnissen zu reagieren, hat er zu entscheiden, welche Arbeitnehmer freigesetzt werden sollen. Diese Auswahl hat er unter Berücksichtigung der sozialen Schutzbedürftigkeit der betroffenen Arbeitnehmer zu treffen. Hierzu hat er zunächst den Kreis der Arbeitnehmer zu bestimmen, welche in diese soziale Auswahl einzubeziehen sind.

Die soziale Auswahl dient der personellen Konkretisierung der zur Kündigung führenden dringenden betrieblichen Erfordernisse, wenn die Anzahl der Arbeitnehmer die der vorhandenen Arbeitsplätze übersteigt. Im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander soll von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern die Kündigung denjenigen treffen, der aufgrund seiner Sozialdaten am wenigsten auf den Arbeitplatz angewiesen ist. Wie die Auswahl stattzufinden hat, ist in § 1 Abs. 3 - 5 KSchG geregelt. Es handelt sich hierbei um zwingendes Gesetzesrecht. Dieses kann zu Lasten des Arbeitnehmers weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Die soziale Auswahl bezieht sich auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebes. Eine Beschränkung der Auswahl auf Mitarbeiter eines Betriebsteiles oder einer Betriebsabteilung ist unzulässig. Soweit eine Austauschbarkeit der Arbeitnehmer vorliegt, sind sie in die Sozialauswahl einzubeziehen. Fällt z.B. in einem Reinigungsbetrieb mit zahlreichen Beschäftigten in verschiedenen Objekten ein Reinigungsauftrag weg, hat sich die Sozialauswahl auch auf die Arbeitnehmer in den anderen Reinigungsobjekten zu erstrecken (BAG, Urteil vom 17.01.2002 , - 2 AZR 15/01 - ; recherchiert über juris). Es ist deshalb unerheblich, ob bzw. in welchem Umfang die Klägerin bisher allein im Abonnementbereich tätig war. Mit dem Wegfall des Produktes "..." ist zwar keine Tätigkeitsverringerung im Abonnentenbereich verbunden, dass die Klägerin jedoch dennoch von der Verringerung der Arbeitmenge durch Aufgabe des Produktes "..." betroffen ist, ergibt sich infolge der Bestimmung des für die Sozialauswahl relevanten Arbeitnehmerkreises. Die in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer müssen nach ihrem Arbeitsvertragsinhalt vergleichbar, d.h. austauschbar sein (sogenannte horizontale Vergleichbarkeit). Die Abgrenzung wird danach vorgenommen, ob dem Arbeitnehmer, der für die Sozialauswahl infrage kommt, im Weg des Weisungsrechtes und nicht nur im Wege der Änderungskündigung eine andere Beschäftigung zugewiesen werden kann. Vergleichbar sind diejenigen Arbeitnehmer, die kraft Weisungsrecht mit den anderen Aufgaben beschäftigt werden können. Die Arbeitsplätze müssen nicht identisch sein. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausüben kann bzw. zu deren Verrichtung nach einer kurzen Einarbeitungszeit in der Lage ist.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten durchgeführte Sozialauswahl nicht zu beanstanden. Die Klägerin war zutreffenderweise in den auswahlrelevanten Personenkreis einzubeziehen. Infolge des Grundsatzes der horizontalen Vergleichbarkeit waren die zwei Call-Genter-Manager und die zwei stellvertretenden Call-Genter-Manager bzw. Supervisoren von der Sozialauswahl auszunehmen. Nach ihrem Arbeitsvertrag ist die Klägerin als Kundenberaterin in der Abteilung … beschäftigt worden. Eine Zuordnung zu einem bestimmten Produkt ist damit nicht vorgenommen, so dass es nach der arbeitsvertraglichen Gestaltung möglich wäre, die Klägerin aus dem Bereich des Abonnentenservice ohne Änderung des Arbeitsvertrages in den Bereich "..." umzusetzen. Sie ist damit vergleichbar mit den für das Produkt "..." tätigen Mitarbeitern. Da nicht ersichtlich ist, dass die Arbeitsverträge der übrigen Call-Genter-Agenten bzw. Kundenberater anderweitig ausgestaltet sind, gravierende Unterschiede zwischen den in beiden Abteilungen zu verrichtenden Tätigkeiten nicht erkennbar sind, ebenso keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die jeweils im anderen Bereich zu verrichtende Tätigkeit nicht nach einer kurzen Einarbeitungszeit erledigt werden könnte, hat die Beklagte den auswahlrelevanten Personenkreis zutreffend auf alle tätigen Call-Genter-Agenten bzw. Kundenberater bezogen. Dass die Beklagte die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten oder die Schwerbehinderung der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hätte, ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Die Klägerin fällt nach der Bewertung ihrer sozialen Daten in der Rangfolge unter die 12 am wenigsten schutzbedürftigen Arbeitnehmer. Sie ist danach von der Beklagten unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zur Kündigung ausgewählt worden.

Soweit sich die Klägerin darauf bezieht, die Herausnahme der Mitarbeiterin M… als Leistungsträgerin aus er sozialen Auswahl sei fehlerhaft, kann dahinstehen, ob dies zutreffend ist. Wenn Frau M… in die Sozialauswahl hätte einbezogen werden müssen und aufgrund ihrer sozialen Daten unter die zu kündigenden Arbeitnehmer fallen würde, würde dies der Klägerin nicht verhelfen, von einer Kündigung verschont zu bleiben. Sie befindet sich nach dem nicht infrage gestellten Punkte-Ranking auf Platz 8 der zu kündigenden 12 bzw. 13 Mitarbeiter. Frau M… nimmt Rang 3 ein. Die Einbeziehung von Frau M… hätte damit zur Folge, dass die Klägerin auf Rang 9 rutschen würde, also in dem Kreis der 12 bzw. 13 zu kündigenden Mitarbeiter verbleibt. Sollte die Beklagte also bezüglich Frau M… einen Fehler in der Sozialauswahl begangen haben, ist dies unschädlich. Unbeachtlich ist ein Fehler bei der sozialen Auswahl nämlich stets dann, wenn sich der Personenkreis der zu entlassenden Arbeitnehmer auch bei ordnungsgemäßer Auswahl nicht verändert. Dies ist vorliegend der Fall. Ein etwaiger Auswahlfehler bezüglich Frau M… wirkt sich auf die Ursächlichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin nicht aus. Die Kündigung trifft die Klägerin vielmehr auch ohne den etwaigen Auswahlfehler. Es ist der Klägerin damit versagt, sich auf eine etwaige fehlerhafte Sozialauswahl zu berufen.

Insgesamt liegt danach die soziale Rechtfertigung der streitbefangenen Kündigung vom 26.02.2011 vor.

2.

Die Wirksamkeit der Kündigung ergibt sich auch unter Prüfung der Beteiligung des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates, denn die erfolgte Anhörung ist ordnungsgemäß.

Gemäß § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Ebenfalls unwirksam ist eine ausgesprochene Kündigung, wenn die Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Mit dem Anhörungsschreiben vom 18.02.2011 ist die Beklagte in der ihr bezüglich der Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 BetrVG obliegenden Verpflichtung nachgekommen. Die Anhörungspflicht besteht dahingehend, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung über die Kündigungsgründe zu unterrichten ist. Dies bedeutet, dass ihm zunächst die Personalien des betreffenden Arbeitnehmers, die Art der Kündigung und die Kündigungsfrist sowie die ausgeübte Tätigkeit mitzuteilen sind. Der Betriebsrat ist über die sozialen Daten des von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmers und der anderen im Betrieb verbleibenden Arbeitnehmer zu unterrichten. Es sind ihm die Gründe der Auswahl zur Kündigung mitzuteilen. Es gilt der Grundsatz der subjektiven Determinierung. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat diejenigen Kündigungsgründe mitteilen, auf die er die Kündigung stützen will. Dabei muss er den Betriebsrat derart ausführlich über die Kündigungsgründe informieren, dass sich der Betriebsrat ohne eigene Anforschungen nachstellen zu müssen ein Bild von der Rechtmäßigkeit der Kündigung machen kann.

Die erfolgte Anhörung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin ist entsprechend diesen Grundsätzen erfolgt. Die Beklagte hat den bei ihr gebildeten Betriebsrat vollständig und zutreffend über die von ihr zur Begründung der Kündigung herangezogenen Umstände informiert. Die Beklagte hat alle erforderlichen sozialen Daten der Klägerin mitgeteilt. Sie hat in der Anlage zur Anhörung des Betriebsrates dargestellt, dass aufgrund der unternehmerischen Entscheidung, das Produkt "..." einzustellen, die bisher für das Produkt eingerichteten 12 Arbeitsplätze bzw. 10,52 FTE als Call-Center-Agenten / Kundenberater entfallen und damit Kündigungen in diesem Umfang erforderlich werden. Die Beklagte hat über die Sozialauswahl informiert, insbesondere auch mit der Auflistung aller betroffenen Arbeitnehmer, ihrer Sozialdaten und ihrer Punkteeinstufung, alle erforderlichen Informationen erteilt, welche erforderlich sind, den Kündigungsgrund und die ausgeführte Sozialauswahl zu überprüfen. Der Betriebsrat war damit in die Lage versetzt, sich ein Bild von der Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe und ihrer Rechtmäßigkeit zu verschaffen.

Soweit die Klägerin einwendet, dem Betriebsrat sei der Grund der Kündigung nicht hinreichend mitgeteilt worden, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat dargestellt, dass aufgrund der Einstellung des Produktes "..." die bisher für diese Arbeitsaufgabe aufgewandte Arbeitsmenge entfällt. Sie hat dem Betriebsrat erklärt, dass bisher 10,52 FTE durch das Produkt "..." ausgelastet waren, es sich eine Kongruenz zwischen unternehmerischer Entscheidung und Verringerung der Arbeitsmenge ergibt. Hierin sieht die Beklagte den Kündigungsgrund und nach dem Grundsatz der subjektiven Determination ist sie damit ihrer Anhörungsverpflichtung nachgekommen. Da die Beklagte keine milderen Mittel als die Beendigungskündigung als möglich betrachtete, war es nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung auch nicht erforderlich, auf einzelne Möglichkeiten zur Vermeidung einer Kündigung einzugehen.

Insgesamt ist die erfolgte Beteiligung des Betriebsrates somit als ordnungsgemäß zu qualifizieren, so dass sich die Wirksamkeit der Kündigung auch gem. § 102 BetrVG ergibt.


II.

Der Antrag auf Weiterbeschäftigung war zurückzuweisen, weil er nicht begründet ist. Infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2011 steht der Klägerin kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung gegen die Beklagte zu.


III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO. Danach hat die Klägerin als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.


IV.

Bei der Streitwertbemessung wurde wegen des Streits um die Wirksamkeit der Kündigung der dreifache durchschnittliche Bruttomonatsverdienst der Klägerin zugrunde gelegt. Wegen des Weiterbeschäftigungsanspruches wurde ein Bruttomonatsentgelt addiert.


gez. Zwolski
Direktorin des Arbeitsgerichts

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht