Rückzahlungsklausel für Fortbildungskosten

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

14. 01. 2009


Aktenzeichen

3 AZR 900/07


Leitsatz des Gerichts

  1. Es ist grundsätzlich zulässig, in vom Arbeitgeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rückzahlung von Fortbildungskosten zu vereinbaren und die Höhe des Rückzahlungsbetrages davon abhängig zu machen, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Bindungsdauer beendet.

  2. Die Bindungsdauer darf den Arbeitnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligen. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach Regelwerten, die jedoch einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind.

  3. Gibt der Arbeitgeber eine zu lange Bindungsdauer vor , ist die daran geknüpfte Rückzahlungsklausel grundsätzlich insgesamt unwirksam. Ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht. Jedoch kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die unzulässige Bindungsdauer auf eine zulässige zurückgeführt werden, wenn es wegen der einzelfallbezogenen Betrachtung für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer im Einzelfall zu bestimmen. Verwirklicht sich dieses Prognoserisiko, ist die Bindungsdauer durch ergänzende Vertragsauslegung zu bestimmen.

Tenor


Tenor

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 6. September 2007 - 10 Sa 142/07 - wird zurückgewiesen.

  2. Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand


Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Widerklage noch über die Verpflichtung der Klägerin, Ausbildungskosten zu erstatten.

Die Klägerin war bei der Beklagten, einem mittelständischen Unternehmen, seit dem 18. Januar 2002 als Bürokauffrau tätig gewesen. Sie wurde zuletzt als Assistentin der Geschäftsleitung eingesetzt. Ihr Arbeitsentgelt betrug 1.329,36 Euro.

Am 26. September 2003 kam zwischen den Parteien ein „Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel für gewerbliche Arbeitnehmer der U GmbH“ zustande. Diese Vereinbarung wurde von der Beklagten einseitig vorformuliert, ohne dass die Klägerin die Möglichkeit hatte, auf den Inhalt Einfluss zu nehmen. Sie lautet auszugsweise wie folgt:

„Zwischen …

wird folgender Fortbildungsvertrag mit Rückzahlungsklausel als Zusatz zum bestehenden Arbeitsvertrag angenommen.

§ 1

1.

Die Arbeitnehmerin nimmt in der Zeit vom 26.09.2003 - 30.10.2004 an einem Lehrgang mit dem Ausbildungsziel Betriebswirtin (HWK) 28 - WE teil.

2.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Teilnahme auf eigenen Wunsch der Arbeitnehmerin im Interesse ihrer beruflichen Fort- und Weiterbildung erfolgt und den Interessen der Firma entspricht.

§ 2

1.

Die Firma stellt der Arbeitnehmerin die Lehrgangskosten, bestehend aus 3.100,00 EUR Lehrgangsgebühr und 260,00 EUR Prüfungsgebühr zur Verfügung.

2.

Die Firma wird die Arbeitnehmerin für die Zeit der Ausbildung freistellen.

Der Ausbildungsplan ist Anlage des Vertrages.

Die Firma wird die Arbeitnehmerin 50 % der Werktage unter Fortzahlung der Bezüge freistellen. Die anderen 50 % der Ausbildungstage nimmt die Arbeitnehmerin Urlaub.

3.

Die Kosten zur Verpflegung, Unterbringung und Fahrtkosten werden von der Arbeitnehmerin getragen.

§ 3

Hat die Firma die Bezahlung obiger Kosten übernommen, so ist die Arbeitnehmerin zur Rückzahlung der Bezüge und Lehrgangskosten verpflichtet, wenn sie das Arbeitsverhältnis kündigt oder wenn sie seitens der Firma aus einem von der Arbeitnehmerin zu vertretenden Grund gekündigt wird.

Für je einen Monat der Beschäftigung nach Ende des Lehrganges werden 1/60 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.

…“

Gegenstand der Ausbildung waren Volkswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Personalmanagement sowie Recht. Die Gesamtausbildungsdauer betrug 500 Stunden zuzüglich der Prüfungsstunden. Die Beklagte stellte die Klägerin für insgesamt 32 Tage von der Arbeitsleistung frei und zahlte das vereinbarte Arbeitsentgelt fort. Dabei rechnete sie 16 Tage auf den Jahresurlaub an.

Am 26. November 2004 legte die Klägerin vor der Handwerkskammer H die Fortbildungsprüfung mit Erfolg ab. Dadurch erlangte die Klägerin den bundesweit anerkannten Abschluss Betriebswirtin (HWK). Er vermittelt den Nachweis von Führungskompetenz und betriebswirtschaftlicher Handlungsweise. Außerdem besteht die Möglichkeit, unter Anrechnung bisheriger Leistungen ein fünfsemestriges kaufmännisches Fachhochschulstudium mit dem Abschluss „Bachelor of Arts (Unternehmensführung)“ an der Fachhochschule Z zu absolvieren, das in Kooperation mit dem Europäischen Institut für postgraduale Bildung an der Technischen Universität D stattfindet. Die Qualifikation der Klägerin war für ihre Tätigkeit als Assistentin der Geschäftsleitung erforderlich.

Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14. Juli 2006 zum 14. August 2006.

Mit ihrer Widerklage hat die Beklagte die Rückzahlung anteiliger Fortbildungskosten geltend gemacht. Dabei ist sie von einer Erstattung in Höhe von 39/60 der entstandenen Kosten ausgegangen und hat behauptet, diese hätten insgesamt 4.427,76 Euro betragen, nämlich 3.360,00 Euro Lehrgangs- und Prüfungskosten sowie 1.067,76 Euro Entgeltfortzahlungskosten für 16 Tage. Auf dieser Basis hat die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch von 2.878,20 Euro errechnet, den sie in den Vorinstanzen zuzüglich Zinsen geltend gemacht hat. Das Arbeitsgericht hat die Widerklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte noch die Verurteilung der Klägerin auf Rückzahlung von 553,47 Euro nebst Zinsen. Zwar sei die Vereinbarung einer fünfjährigen Bindungsdauer unwirksam, der Vertrag sei aber mit einer Bindungsdauer von 24 Monaten weiter anzuwenden. Damit ergebe sich ein Rückzahlungsanspruch von 3/24 der Gesamtaufwendungen für die Fortbildung. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet, da der Beklagten kein Rückzahlungsanspruch zusteht, auch nicht in dem noch geltenden gemachten geringeren Umfang. Die streitbefangene Vereinbarung unterliegt der Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie benachteiligt die Klägerin unangemessen. Die Regelung kann auch nicht teilweise aufrechterhalten oder ergänzend ausgelegt werden und dadurch zu Ansprüchen der Beklagten führen.

1. Die Rückzahlungsklausel, auf die sich die Beklagte beruft, ist anhand des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überprüfen.

Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterliegen Verbraucherverträge auch dann der AGB-Kontrolle, wenn sie nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Arbeitnehmer - und damit auch die Klägerin - sind Verbraucher iSv. § 13 BGB (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu V 1 b der Gründe und ständig, BAGE 115, 19). Die Klägerin konnte auf den Inhalt der Vereinbarung keinen Einfluss nehmen.

Die Inhaltskontrolle ist auch nicht nach § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Danach unterliegen der Inhaltskontrolle nur Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit denen von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 - zu B I 5 a der Gründe mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13) . Um eine derartige Regelung handelt es sich hier: Die Beklagte hat festgelegt, unter welchen Umständen die von ihr erbrachte Leistung, nämlich die Finanzierung der Fortbildung, der Klägerin verbleiben sollte.

2. Die Rückzahlungsklausel benachteiligt die Klägerin als Vertragspartner der Verwenderin von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nämlich der Beklagten, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 BGB) .

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei sind grundrechtlich geschützte Positionen zu beachten. Grundsätzlich ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenarten des jeweiligen Geschäfts sind in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. BAG 18. März 2008 - 9 AZR 186/07 - zu A III 2 der Gründe, AP BGB § 310 Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36) . Allerdings sind bei Verbraucherverträgen, wie hier einer vorliegt, im Rahmen der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) . Dazu gehören insbesondere persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation und typische Sonderinteressen der Vertragspartner (vgl. BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 115, 372) .

b) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass die von der Beklagten verwendete Rückzahlungsklausel die Klägerin unangemessen benachteiligt.

Bereits bevor mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (vom 26. November 2001, BGBl. I S. 3138) mit Wirkung zum 1. Januar 2002 das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts erstreckt wurde (§ 310 Abs. 4 BGB; früher: Bereichsausnahme nach § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz) , nahm die Rechtsprechung eine Inhaltskontrolle von Rückzahlungsklauseln anhand der §§ 138, 242, 315 BGB vor. Die auf dieser Grundlage entwickelten Kriterien sind auch im Rahmen der Prüfung nach § 307 Abs. 1 BGB heranzuziehen (vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 482/06 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19; 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 3 a der Gründe, BAGE 118, 36) .

Danach sind einzelvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich zulässig, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Jedoch können derartige Zahlungsverpflichtungen, die an eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen, gegen Treu und Glauben verstoßen. Das ist anhand einer Güterabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist das Interesse des Arbeitgebers, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig zu nutzen, einerseits, mit dem Interesse des Arbeitnehmers, durch die Ausbildung die eigenen Arbeitsmarktchancen zu verbessern und sich gegenüber dem Arbeitgeber nur in einem solchen Umfange zu binden, wie das im Verhältnis zu dessen Aufwendungen angemessen ist, andererseits ins Verhältnis zu setzen (vgl. zum Ganzen: BAG 24. Juni 2004 - 6 AZR 383/03 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 111, 157; 19. Februar 2004 - 6 AZR 552/02 - zu 2 a aa der Gründe, BAGE 109, 345; 5. Dezember 2002 - 6 AZR 539/01 - zu 2 der Gründe, BAGE 104, 125).

Eine Rückzahlungsklausel war und ist danach nur möglich, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, sei es, dass bei seinem bisherigen Arbeitgeber die Voraussetzungen einer höheren Vergütung erfüllt sind oder dass sich die erworbenen Kenntnisse auch anderweitig nutzbar machen lassen. Außerdem müssen die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das ist in erster Linie nach der Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme, aber auch anhand der Qualität der erworbenen Qualifikationen zu beurteilen. Grundsätzlich gilt dabei Folgendes: Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu einem Monat ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge ist eine Bindungsdauer bis zu sechs Monaten zulässig, bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten eine einjährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von drei bis vier Monaten eine zweijährige Bindung, bei einer Fortbildungsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr keine längere Bindung als drei Jahre und bei einer mehr als zweijährigen Dauer eine Bindung von fünf Jahren. Abweichungen davon sind jedoch möglich. Eine verhältnismäßig lange Bindung kann auch bei kürzerer Ausbildung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt. Es geht nicht um rechnerische Gesetzmäßigkeiten, sondern um richterrechtlich entwickelte Regelwerte, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind (vgl. insgesamt dazu: BAG 19. Juni 1974 - 5 AZR 299/73 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 1; 12. Dezember 1979 - 5 AZR 1056/77 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 4 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 1; 23. Februar 1983 - 5 AZR 531/80 - zu II und III der Gründe, BAGE 42, 49; 11. April 1984 - 5 AZR 430/82 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 8 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 4; 23. April 1986 - 5 AZR 159/85 - AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 10 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 5; 15. Dezember 1993 - 5 AZR 279/93 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 75, 215; 6. September 1995 - 5 AZR 241/94 - AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = EzA BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 14; 21. November 2001 - 5 AZR 158/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 100, 13; 21. Juli 2005 - 6 AZR 452/04 - zu 2 und 3 b der Gründe, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 8) .

c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die von der Beklagten verwendete fünfjährige Bindungsklausel danach unangemessen ist.

Allerdings hat die Klägerin einen formalisierten Abschluss erworben, der ihr erhebliche zusätzliche Kenntnisse bescheinigt und dadurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht. Grundsätzlich bestehen deshalb keine Bedenken dagegen, dass die Beklagte berechtigt war, die Klägerin an den Kosten der Ausbildung dann, wenn sie von sich aus aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, zu beteiligen. Unangemessen lang war jedoch die von der Beklagten in die vertragliche Vereinbarung aufgenommene Bindungsdauer. Die von der Klägerin durchlaufene Ausbildung umfasste 500 Stunden, also ungefähr die Arbeitszeit von drei Monaten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 16 Urlaubstage angerechnet wurden. Unter Berücksichtigung der übernommenen Lehrgangs- und Prüfungskosten entsprachen die geleisteten Zahlungen etwa drei Bruttomonatsentgelten der Klägerin. Die Gesamtkosten von 4.427,76 Euro stellten auch dann keinen besonders erheblichen Aufwand dar, wenn entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts in die Beurteilung einzubeziehen war, dass es sich bei der Beklagten um ein mittelständisches Unternehmen handelt. Auch für mittelständische Unternehmen stellt ein Betrag von deutlich weniger als 5.000,00 Euro keine außergewöhnliche Belastung dar. Angesichts dessen kommt im vorliegenden Fall allenfalls eine zulässige Bindung von zwei, nicht jedoch von fünf Jahren in Betracht.

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die von ihr verwendete Klausel auch nicht mit der - möglicherweise - zulässigen Bindungsdauer von zwei Jahren aufrechtzuerhalten.

a) Nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksame Klauseln grundsätzlich nicht auf einen damit zu vereinbarenden Regelungsgehalt zurückzuführen. § 306 BGB gibt eine solche Rechtsfolge nicht vor. Eine Aufrechterhaltung mit eingeschränktem Inhalt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB vereinbar. Es ist Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Vertragspartner des Verwenders soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ist jedoch nicht zu erreichen, wenn jeder Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze dessen überschreiten könnte, was er zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise vereinbaren dürfte. Würde dies als zulässig angesehen, hätte das zur Folge, dass die Vertragspartner des Verwenders in der Vertragspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert würden. Erst in einem Prozess könnten sie dann den Umfang ihrer Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liefe weitgehend leer (vgl. BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 f der Gründe mwN, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17) .

Eine Teilung von Vertragsklauseln in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil kommt deshalb nur in Betracht, wenn Teile einer Klausel sprachlich und inhaltlich eindeutig abtrennbar sind. In einem solchen Fall wird nicht eine zu weitgehende Klausel neu gefasst, vielmehr wird eine teilbare Klausel ohne ihren unwirksamen Bestandteil in ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann jeweils verschiedene, jedoch formal verbundene AGB-Bestimmungen. Die Zerlegung einer ihrem Wortlaut nach eindeutig einheitlichen Regelung in mehrere selbständige Regelungen ist dagegen nicht zulässig (vgl. BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 g der Gründe, aaO) .

Im vorliegenden Falle ist danach die von der Beklagten verwendete Rückzahlungsklausel als Ganzes zu bewerten, da sie eine inhaltliche und sprachliche Einheit darstellt: Es soll eine Bindung von fünf Jahren herbeigeführt werden, wobei eine teilweise Anrechnung von tatsächlicher Beschäftigungszeit erfolgen soll. Die unangemessen lange Bindung führt deshalb zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt.

b) Ebenso scheidet eine an die Unwirksamkeit anknüpfende ergänzende Vertragsauslegung aus.

Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht schon deshalb geboten, weil es keine gesetzlichen Vorschriften gibt, auf die hier hinsichtlich des unwirksamen Bestandteils der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 306 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden kann. Würde in derartigen Fällen immer eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen, wäre das Risiko der Verwendung unwirksamer Klauseln entgegen dem Zweck der gesetzlichen Regelung vom Verwender weg verlagert. Daran ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil das Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung idR nicht die Aufrechterhaltung einer Vereinbarung mit einer Regelung gerade noch wirksamen Inhalts, sondern die insgesamt nach den Umständen angemessene Regelung wäre (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 7 der Gründe, BAGE 118, 36) .

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt allerdings unter den Umständen in Betracht, in denen das Gesetz ohnehin vorsieht, dass ein Verstoß gegen die Schutzvorschriften des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausnahmsweise Auswirkungen auf den Bestand des Vertrages hat, also dann, wenn das Festhalten an ihm für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde (§ 306 Abs. 3 BGB; BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 i der Gründe, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17; Annuß BB 2006, 1333, 1338) . In diesen Fällen ergibt sich aus der gesetzlichen Wertung, dass es nicht bei der bloßen Unwirksamkeit einer Klausel verbleiben kann.

Auch unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt jedoch nicht jede Verschiebung der Gewichte zu Lasten des Verwenders die Annahme einer unzumutbaren Härte und damit einer ergänzungsbedürftigen Lücke. Entscheidend ist, ob die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel eine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu II 7 der Gründe, BAGE 118, 36) . Ebenso wie auch sonst bei der Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf arbeitsvertragliche Vereinbarungen sind dabei die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) . Maßgeblich sind insoweit nicht nur rechtliche, sondern auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens; denn es geht um die Beachtung der dem Arbeitsrecht innewohnenden Besonderheiten (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 5 der Gründe, BAGE 115, 19) .

Zumindest unter Berücksichtigung dieser Besonderheiten kommt bei einer mit einer Rückzahlungsverpflichtung für Fortbildungskosten verbundenen zu langen Bindungsdauer eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Zu Recht verweist die Revision insofern auf die für den Arbeitgeber in diesem Zusammenhang bestehenden Schwierigkeiten. Zwar sind die Kriterien, nach denen die Zulässigkeit von Bindungsklauseln beurteilt wird, in ihren Grundstrukturen festgelegt. In Einzelfällen sind jedoch Abweichungen möglich, etwa wenn die Fortbildung dem Arbeitnehmer ungewöhnlich große Vorteile bringt oder der Arbeitgeber gar erhebliche Mittel aufwendet. Es ist also für den Arbeitgeber nicht immer voraussehbar, welche Bindungsdauer angemessen ist. Er trägt damit ein Prognoserisiko. Dieses Prognoserisiko verringert sich auch nicht dadurch, dass grundsätzlich eine typisierte Betrachtungsweise bei der Beurteilung der Angemessenheit von Rückzahlungsklauseln angebracht ist. Denn jedenfalls ist immer im Einzelfall zu überprüfen, ob ein derartiger Ausnahmefall vorliegt. Genau darin liegt die Besonderheit der vorliegenden Fallgestaltung gegenüber sonstigen Fällen der Inhaltskontrolle von Verträgen. Es wäre unangemessen und würde den Interessen beider Parteien nicht gerecht, das sich daraus ergebende Prognoserisiko dem Arbeitgeber aufzuerlegen, wenn es für ihn objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer zu bestimmen.

Wenn und soweit sich dieses Prognoserisiko im Einzelfall verwirklicht, ist es für den Arbeitgeber eine unzumutbare Härte, an seiner Verpflichtung zur Tragung der Ausbildungskosten festgehalten zu werden, ohne den Arbeitnehmer angemessen binden zu können. Deshalb ist in diesem Fall durch ergänzende Vertragsauslegung festzustellen, was die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die sich aus § 306 Abs. 1 BGB ergebende Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 7 der Gründe, BAGE 118, 36) . Dabei kommt es zwar nicht auf das gerade noch Zulässige an, sondern auf einen beiden Seiten soweit wie möglich gerecht werdenden Ausgleich (vgl. BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 i der Gründe, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17) . Im Hinblick auf die zulässige Bindungsdauer wird aber mangels besonderer Anhaltspunkte das einen angemessenen Ausgleich darstellen, was nach der Rechtsprechung zulässig ist.

Die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung liegen hier auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung nicht vor. Nicht das Prognoserisiko des Arbeitgebers im Hinblick auf die Schwierigkeiten, einzelne Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu bewerten, hat sich verwirklicht, sondern die Beklagte hat eine extrem lange Bindungsdauer vereinbart, hinsichtlich derer eine Wirksamkeit ersichtlich nicht in Betracht kam.


Reinecke
Kremhelmer
Zwanziger
Oberhofer
Stemmer

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht