Gewerbsmäßige und damit erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung bei türkischem Tochterunternehmen
Gericht
BVerwG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
13. 09. 2007
Aktenzeichen
3 C 49/06
Setzt ein im Inland ansässiges Verkehrsunternehmen die bei einem türkischen Tochterunternehmen angestellten türkischen Fahrer dauerhaft im gewerblichen Güterverkehr zwischen der Türkei und Deutschland ein, handelt es sich auch dann um eine gewerbsmäßige und damit erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Art. 1 § 1 Satz 1 AÜG, wenn der türkischen Tochterfirma kein Entgelt für die Arbeitnehmerüberlassung gewährt, sondern nur die Personalkosten erstattet werden.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe:
I
Der Kläger beansprucht eine Fahrerbescheinigung gemäß Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten (ABl Nr. L 95 S. 1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 vom 1. März 2002 (ABl Nr. L 76 S. 1) im Folgenden: EG VO.
Der Kläger betreibt ein Speditionsunternehmen mit Sitz in B.-O. (Landkreis L.), das im gewerblichen Güterverkehr zwischen der Türkei und Deutschland sowie den Beneluxstaaten tätig ist. Er verfügt über eine Gemeinschaftslizenz nach Art. 3 Abs. 2 EG-VO. Die sämtlich in Deutschland zugelassenen Lastkraftwagen des Unternehmens werden von türkischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in der Türkei gefahren. Die Fahrer sind bei einer Spedition mit Sitz in Istanbul angestellt, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist. Die Sozialversicherungsabgaben und Steuern für diese Fahrer werden nach türkischem Recht an den türkischen Staat abgeführt; der Kläger erstattet nach eigenen Angaben der türkischen Firma sämtliche Personalkosten.
Unter dem 20. März 2003 beantragte der Kläger die Erteilung einer Fahrerbescheinigung nach Art. 3 EG-VO für einen dieser Fahrer, den türkischen Staatsangehörigen E. A. Er fügte dem Antrag einen in einem Eilverfahren ergangenen sogenannten Hängebeschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 1. August 2002 bei, in dem u.a. für diesen Arbeitnehmer festgestellt wird, dass er für seine Tätigkeit als Kraftfahrer im grenzüberschreitenden Verkehr auf in Deutschland zugelassenen Lastkraftwagen der Firma des Klägers vorübergehend bis zur eigentlichen Eilentscheidung im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 20. Juni 2001 B 11 AL 89/00 R keiner Arbeitserlaubnis bedürfe. Mit diesem Beschluss hatte das Bundessozialgericht den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung u.a. darüber ersucht, ob die Stillhalteklauseln des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch dieses Abkommen geschaffenen Assoziationsrates ARB Nr. 1/80 auch auf in der Türkei beschäftigte Arbeitnehmer anzuwenden sind, die als Fernfahrer im grenzüberschreitenden Güterverkehr regelmäßig einen Mitgliedstaat der Gemeinschaft durchfahren, ohne dem regulären Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates anzugehören.
Das Regierungspräsidium Gießen lehnte die Erteilung der Fahrerbescheinigung ab. Die Bescheinigung setze voraus, dass der Inhaber der Gemeinschaftslizenz den Arbeitnehmer entweder rechtmäßig beschäftige oder dieser ihm rechtmäßig zur Verfügung gestellt werde. Keine dieser Voraussetzungen erfülle der Kläger, weil der Arbeitnehmer nicht bei ihm, sondern bei einer türkischen Kapitalgesellschaft beschäftigt sei und dem Einsatz des Arbeitnehmers im Betrieb des Klägers eine nach deutschem Recht unzulässige Arbeitnehmerüberlassung zugrunde liege.
Die dagegen erhobene Klage, mit der der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der Fahrerbescheinigung begehrt, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, nachdem zwischenzeitlich der Europäische Gerichtshof über die Vorlagefrage des Bundessozialgerichts entschieden hatte (Urteil vom 21. Ok¬tober 2003 Rs. C-317/01 und C-369/01 Slg. I-12301, 12348).
Die vom Kläger eingelegte Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls zurückgewiesen und dazu unter Wiederholung und Vertiefung der erstinstanzlichen Ausführungen im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger beschäftige Herrn A. nicht rechtmäßig im Sinne des Art. 3 Abs. 3 EG-VO. Es fehle bereits an einem entsprechenden Beschäftigungsverhältnis, weil der Fahrer bei der türkischen Firma angestellt sei. Der Kläger setze Herrn A. aber auch nicht wie es alternativ in Art. 3 Abs. 3 EG-VO verlangt werde rechtmäßig als Fahrer ein; denn Voraussetzung dafür sei, dass er nach den Vorschriften beschäftigt werde, die für Leiharbeitnehmer in Deutschland gälten. Die assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln stünden dem nicht entgegen, weil die Arbeitnehmer-Überlassung auch bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei genehmigungspflichtig gewesen sei. Die türkische Arbeitgeberin des Fahrers verfüge weder über die nach Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, noch könne eine solche Erlaubnis erteilt werden, weil der Betrieb der Verleiherin nicht in einem Mitgliedstaat der EWG oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liege (Art. 1 § 3 Abs. 2 AÜG). Ob eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliege, bestimme sich nach der Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen. Zu unterscheiden sei die Arbeitnehmerüberlassung von der Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. Maßgebend für die Abgrenzung sei der tatsächliche Geschäftsinhalt. Ausgehend davon stehe zur Überzeugung des Senats fest, dass eine Arbeitnehmerüberlassung vorliege. Die Fahrer, die zur Durchführung von Transportaufträgen im Rahmen der dem Kläger erteilten Gemeinschaftslizenz auf der Strecke Türkei-Deutschland und zurück eingesetzt würden, unterlägen hierbei nicht den Weisungen ihres türkischen Arbeitgebers, sondern denen des Klägers, der die notwendigen Fahrzeuge zur Verfügung stelle. Die türkische Firma sei überdies weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage, die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen zu organisieren. Die sich auf den Fahrereinsatz beziehende Vertragspflicht der türkischen Firma ende, wenn sie den Fahrer für einen Transport des Klägers ausgewählt und ihn zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt habe. Die Arbeitnehmerüberlassung werde auch gewerbsmäßig im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 AÜG betrieben. Sie sei auf die Erzielung zumindest mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile ausgerichtet. Diese bestünden darin, dass der Kläger als Inhaber der Lizenz durch die Aktivitäten seiner türkischen Tochterfirma in die Lage versetzt werde, deren Fahrer zu für ihn weitaus günstigeren arbeits- und sozialrechtlichen Bedingungen einzusetzen, als sie bei der Beschäftigung von Fahrern aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gegeben wären. Diese Vorteile flössen der türkischen Firma jedenfalls in der Weise zu, dass die bei ihr angestellten Fahrer sonst nicht oder nicht in einem die Erzielung von Gewinn ermöglichenden Umfang eingesetzt werden könnten. Der Kläger könne auch nicht das „Konzernprivileg“ des Art. 1 § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG für sich in Anspruch nehmen, wonach die vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen genehmigungsfrei sei; denn die Fahrer würden auf Dauer und überwiegend in der deutschen Firma eingesetzt; eine dauerhafte Rückkehr zu ihrem Arbeitgeber, der sie ohne die Fahraufträge im Rahmen der Gemeinschaftslizenz gar nicht hinreichend auslasten könne, sei nach der zugrunde liegenden Aufgabenverteilung weder geplant noch möglich.
Mit seiner durch den Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Erteilung einer Fahrerbescheinigung weiter. Dazu macht er im Wesentlichen geltend: Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof hätten verkannt, dass bei der Auslegung des in Art. 3 EG VO verwendeten Begriffs der rechtmäßigen Beschäftigung sämtliche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Regelungen des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei und dessen Ausführungsbestimmungen zu berücksichtigen seien. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Art. 6 ARB Nr. 1/80 sei der Begriff der ordnungsgemäßen Beschäftigung im Sinne von „legaler Beschäftigung“ zu verstehen. Allgemein gesprochen sei eine Beschäftigung nur dann ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen und arbeitserlaubnisrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates stehe. Mit der hier maßgeblichen EG-Verordnung hätten keine neuen Zugangsbeschränkungen geschaffen werden sollen. Die Einführung der Fahrerbescheinigung habe nur der Kontrolle dienen, aber keine neue Prüfungskompetenz schaffen sollen. Eine Auslegung der Verordnung unter Berücksichtigung des Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei und des Art. 13 ARB Nr. 1/80 ergebe, dass türkische Staatsangehörige nicht schlechter gestellt werden dürften als die Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates. Aus diesen Bestimmungen in Verbindung mit dem aus Art. 10 EG hergeleiteten Grundsatz der Gemeinschaftstreue sowie dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit folge daher ein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung der begehrten Fahrerbescheinigung. Die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes stünden aber auch unabhängig davon der Erteilung der begehrten Bescheinigung nicht entgegen, weil die Erlaubnispflicht nach diesem Gesetz aufgrund des „Konzernprivilegs“ entfalle. Die jeweiligen Transporte würden in der Form einzelner Aufträge abgewickelt. Das Fahrzeug werde von seiner des Klägers Firma zur Verfügung gestellt, und die türkische Firma organisiere den Transport mit diesem Fahrzeug selbstständig. Allein diese disponiere auf der Grundlage des in den Akten befindlichen Rahmenvertrages den Einsatz der Fahrer. Dies geschehe in der Weise, dass die einzelnen Fahrer einem Fahrzeug zugeteilt würden, wenn es den Umlauf in der Türkei beginne. Der Umlauf ende, wenn das Fahrzeug wieder in die Türkei zurückgekommen sei. Deshalb sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht anwendbar. Schließlich fehle es darüber hinaus an der für die Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung notwendigen Gewerbsmäßigkeit, also an der mit der Verleihtätigkeit der türkischen Firma verbundenen Gewinnerzielungsabsicht.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, und verteidigt die Ausführungen der angegriffenen Entscheidung. Er bekräftigt, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Bescheinigung habe, weil dem Einsatz des Fahrers eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung zugrunde liege.
Der Vertreter des Bundesinteresses hält das angegriffene Urteil ebenfalls für zutreffend. Er verweist darauf, dass folgte man der Darstellung des Klägers in der Revisionsbegründung die türkische Tochterfirma Frachtführerin wäre und für die Fahrten die dem Kläger erteilten Genehmigungen nicht einsetzen dürfte.
II
Die Revision ist nicht begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht im Einklang mit Bundesrecht; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Fahrerbescheinigung.
Die Erteilung der Bescheinigung setzt nach Art. 3 Abs. 3 EG-VO voraus, dass der Fahrer entweder bei dem Kläger rechtmäßig beschäftigt ist oder von ihm rechtmäßig eingesetzt wird. Da ein Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Fahrer unstreitig nicht besteht, kommt allein die zweite Alternative in Betracht, dass der Kläger ihn rechtmäßig einsetzt, also Herr A. ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt wird, die in Deutschland für die Beschäftigung solcher Fahrer durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt wurden. Diesen Anforderungen genügt der Einsatz des Fahrers durch den Kläger jedoch nicht. Der Verwaltungsgerichtshof ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen zutreffend von einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen, welche die Erteilung der begehrten Fahrerbescheinigung ausschließt.
Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG) in der Fassung vom 3. Februar 1995 (BGBl I S. 158), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. März 2005 (BGBl I S. 721), bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wollen, der Erlaubnis. Eine solche Erlaubnis besitzt die türkische Arbeitgeberin des Fahrers A. nicht; sie könnte ihr auch nicht erteilt werden, weil nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes die Erlaubnis zu versagen ist, wenn für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 Betriebe vorgesehen sind, die nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum liegen.
Entgegen der Auffassung des Klägers entfällt die Erlaubnispflicht für die Überlassung des türkischen Fahrers durch die türkische Tochterfirma nicht wegen der besonderen Stellung, die türkische Arbeitnehmer im Hinblick auf das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei genießen (1.). Ebenso wenig scheidet eine Erlaubnispflicht deswegen aus, weil das dem Einsatz des Fahrers zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren wäre (2.). Zu Unrecht vertritt der Kläger schließlich die Ansicht, dass die Arbeitnehmerüberlassung durch seine türkische Tochterfirma nicht gewerbsmäßig betrieben werde (3.), sie sich aber zumindest auf das sogenannte „Konzernprivileg“ nach Art. 1 § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG berufen könne (4.).
1. Nach Art. 41 Abs. 1 des zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei abgeschlossenen und am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Zusatzprotokolls (BGBl II 1972 S. 387) verpflichten sich die Vertragsparteien, keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen. Darüber hinaus ist in Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (anwendbar ab 1. Dezember 1980 vgl. Art. 16) ARB Nr. 1/80 geregelt, dass die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürfen. Auf Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts hin hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 21. Oktober 2003 Rs. C 317/01 und C-369/01 (Slg. I-12301, 12348) entschieden, dass diese Stillhalteklauseln in den Mitgliedstaaten unmittelbar gelten, so dass sich türkische Arbeitnehmer vor innerstaatlichen Gerichten auf sie berufen können. Auf Art. 13 ARB Nr. 1/80 kann sich allerdings nur ein Arbeitnehmer berufen, wenn er die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaates auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und ggf. der Beschäftigung beachtet hat und sich dementsprechend rechtmäßig im Hoheitsgebiet dieses Staates befindet. Darüber hinaus muss sich der türkische Staatsangehörige während eines hinreichend langen Zeitraums im Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, um sich dort schrittweise integrieren zu können. Das trifft auf die hier in Rede stehenden türkischen Fahrer nicht zu, die nach jeder Fahrt in die Türkei zurückkehren, wo sie mit ihrer Familie wohnen und wo das Unternehmen, bei dem sie beschäftigt sind, seinen Sitz hat; denn ihnen fehlt die Absicht, sich in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates zu integrieren (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 89 und im Anschluss da¬ran BSG, Urteil vom 29. April 2004 B 11 AL 3/04 R BSGE 92, 294).
Demgegenüber können sich auf Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls jedes Unternehmen mit Sitz in der Türkei und deren Beschäftigte berufen, die Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat erbringen. Dennoch steht auch diese Stillhalteklausel der Erlaubnispflicht für die hier vorliegende Arbeitnehmerüberlassung nicht entgegen. Insoweit hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 29. April 2004 (a.a.O.) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erlaubnispflicht für die Arbeitnehmerüberlassung bereits mit Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vom 7. August 1972 eingeführt worden ist, das nach seinem Art. 2 § 4 am 1. Oktober 1972, also vor der Stillhalteklausel des Zusatzprotokolls in Kraft getreten ist.
Soweit der Kläger geltend macht, türkische Arbeitnehmer dürften aufgrund der Assoziierungsbestimmungen nicht schlechter als Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten behandelt werden, woraus sich ein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung der begehrten Fahrerbescheinigung ergebe, geht sein Vorbringen am Inhalt der Stillhalteklauseln vorbei. Diese enthalten das Verbot zusätzlicher Beschränkungen für die dort genannten Freiheiten, begründen aber keineswegs einen allgemeinen Anspruch auf Gleichbehandlung.
2. Ebenfalls zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, dass dem Einsatz des Fahrers keine Arbeitnehmerüberlassung zugrunde liege, weil dieser seine Arbeitsleistung in Erfüllung eines Dienst- oder Werkvertrages zwischen seiner türkischen Arbeitgeberin und dem Kläger erbringe.
Die Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ist durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie dem Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher kennzeichnet (BAG, Urteile vom 6. August 2003 7 AZR 180/03 BB 2004, 669 m.w.N. und vom 3. Dezember 1997 7 AZR 764/96 BAGE 87, 186). Gegenstand der Arbeitnehmerüberlassung ist die Zur-Verfügung-Stellung der Arbeitskraft. Diese wird in den Betrieb des Entleihers eingegliedert und arbeitet nach seinen Weisungen. Die Pflichten des Verleihers gegenüber dem Entleiher beschränken sich auf die Auswahl und die Überlassung des Arbeitnehmers. Mit der Überlassung ist die Pflicht des Verleihers erfüllt (vgl. BAG, Urteil vom 22. Juni 1994 7 AZR 286/93 BAGE 77, 102 <110>). Arbeitet der Arbeitnehmer demgegenüber im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages, den sein Arbeitgeber mit einem Dritten abgeschlossen hat, organisiert der Arbeitgeber eigenverantwortlich die Erfüllung des Vertrages bis zur vereinbarten Herstellung des Werks oder der Ausführung der geschuldeten Dienste. Der Arbeitnehmer ist sein Erfüllungsgehilfe und unterliegt seinen Weisungen. Der Umstand allein, dass der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag auch Weisungen des Dritten zu befolgen hat, ändert grundsätzlich nichts an seiner Einordnung als Erfüllungsgehilfe seines Arbeitgebers, solange dieser das Werk oder die Dienste schuldet, zumal das Gesetz in § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB selbst von einer Weisungsbefugnis des Bestellers gegenüber dem Werkunternehmer ausgeht (BAG, Urteile vom 6. August 2003 a.a.O. S. 671, vom 6. August 1997 7 AZR 663/96 juris und vom 22. Juni 1994 a.a.O.). Über die rechtliche Einordnung des Vertrages entscheidet allein der Inhalt, den das Geschäft nach dem wirklichen Willen der Vertragsparteien haben soll, nicht die Bezeichnung des Rechtsgeschäfts oder eine damit gewünschte Rechtsfolge. Zur Ermittlung des wirklichen Willens kann auch auf die tatsächliche Durchführung des Vertrages zurückgegriffen werden. Eine vom Vertragswortlaut abweichende und den Vertragspartnern bekannte Vertragspraxis ist jedenfalls dann maßgebend, wenn sie durchgehend geübt wird (BAG, Urteile vom 6. August 2003 a.a.O. S. 671 und vom 6. August 1997 a.a.O.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich gegen die Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen der Firma des Klägers und der türkischen Gesellschaft, deren Geschäftsführer er ist, als Arbeitnehmerüberlassung nichts erinnern. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt (UA S. 15 f.), dass das türkische Unternehmen nach den Bestimmungen des im Berufungsverfahren vorgelegten „Agenturvertrages“ die Transportaufträge zwar jeweils selbstständig mit eigenen Mitarbeitern ausführe, während die Firma des Klägers danach nur die Fahrzeuge zur Verfügung stelle, dass die praktische Handhabung der Vertragsbeziehung aber einen vom Wortlaut des Vertrages abweichenden, wirklich gewollten Geschäftsinhalt ergebe. Die eingesetzten Fahrer unterlägen bei der Durchführung von Transporten im Rahmen der dem Kläger erteilten Gemeinschaftslizenz nämlich nicht den Weisungen ihres türkischen Arbeitgebers, sondern denjenigen des Klägers. Die türkische Firma sei überdies weder tatsächlich noch rechtlich in der Lage, die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen zu organisieren, weil sie weder über die erforderlichen Fahrzeuge noch über die erforderlichen Lizenzen verfüge. Die Fahrer seien für die jeweilige Dauer ihrer Tätigkeit im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr vollständig in den Betrieb des Klägers eingegliedert und würden wie eigene Arbeitnehmer des Klägers zur Förderung des Betriebszwecks eingesetzt. Allein der Kläger als der verantwortliche Verkehrsunternehmer bestimme die Fahrtroute, während die Vertragspflicht der türkischen Firma ende, wenn sie den Fahrer für den Transport ausgewählt und der Firma des Klägers zur Verfügung gestellt habe.
Unter Zugrundelegung dieser Feststellungen ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger die Fahrer und somit auch der hier betroffene Fahrer A. von dem türkischen Unternehmen im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zur Verfügung gestellt werden. Soweit der Kläger gegen diese Feststellungen des Berufungsgerichts tatsächliche Einwände erhebt und insbesondere darauf hinweist, dass die türkische Firma den Transport mit den Fahrzeugen des Klägers selbst organisiere und ihr allein die Disposition über den Einsatz der Fahrer obliege, verkennt er, dass der Senat mangels einer Verfahrensrüge nach § 137 Abs. 2 VwGO an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist. Abgesehen davon weist der Vertreter des Bundesinteresses zu Recht darauf hin, dass der Kläger mit diesem Vortrag seine Situation keineswegs verbessert. Träfe es zu, dass seine türkische Tochterfirma entgegen den bindenden Feststellungen der Vorinstanz Frachtführerin ist, hätte er erst recht keinen Anspruch auf die Fahrerbescheinigung, weil es sich dann um einen Verkehr handeln würde, für den seine Gemeinschaftslizenz gar nicht eingesetzt werden dürfte.
3. Der Verwaltungsgerichtshof ist auch zu Recht von einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ausgegangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Arbeitnehmerüberlassung gewerbsmäßig, wenn sie nicht nur gelegentlich betrieben wird, sondern auf Dauer angelegt und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtet ist (BAG, Urteil vom 21. März 1990 7 AZR 198/89 BAGE 65, 43 <51 f.> m.w.N.; Pawlak, in: Handbuch zum Sozialrecht, Gruppe 7a, AÜG Rn. 74 f.). Der Kläger stellt die Gewinnerzielungsabsicht in Abrede, weil er der Verleiherin kein Entgelt für die Arbeitnehmerüberlassung gewährt, sondern sich auf eine Erstattung der Personalkosten beschränkt, die der türkischen Firma durch den Einsatz der Fahrer im Rahmen des grenzüberschreitenden Verkehrs entstehen. Dennoch ist ausgehend von den Feststellungen des Berufungsgerichts die Verleihtätigkeit der türkischen Firma zumindest auf einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil gerichtet. Diese kann ihre Fahrer ohne die Fahraufträge des Klägers im Rahmen der Gemeinschaftslizenz nicht hinreichend auslasten; vielmehr ist deren Einsatz für das Unternehmen des Klägers geradezu Voraussetzung für die Begründung der Arbeitsverhältnisse zwischen dem türkischen Unternehmen und seinen Fahrern (UA S. 18). Insofern profitiert die türkische Firma von der Verleihtätigkeit, selbst wenn sie sich diese nicht vergüten lässt (vgl. Feuerborn, WiVerw 2001, 190, 203 m.w.N.); denn was unter Gewerbsmäßigkeit und damit Gewinnerzielungsabsicht zu verstehen ist, wird besonders deutlich, wenn man sich worauf Wank (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2007, AÜG, Rn. 48 ff. zu § 1) zu Recht hinweist den Gegenbegriff vergegenwärtigt, nämlich gemeinnützige, karitative oder sonstige ideelle Zwecke. Davon ist die Verleihtätigkeit der türkischen Firma weit entfernt. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger die Transporte im Rahmen der Gemeinschaftslizenz bewusst unter Einschaltung seiner beider Firmen bewerkstelligt, um Wettbewerbsvorteile durch die nach türkischem Standard entlohnten und sozialversicherten Fahrer zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund würde eine Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit der Verleihtätigkeit zu kurz greifen, die unter Ignorierung des arbeitsteiligen Vorgehens der Firmen allein die der türkischen Firma zufließenden Vorteile in den Blick nähme. Dies entspräche auch nicht dem eigenen Vortrag des Klägers, der sich für die Verleihtätigkeit auf das „Konzernprivileg“ des Art. 1 § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG beruft, wonach die meisten Vorschriften des Gesetzes und vor allem die Erlaubnispflicht nicht für eine Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes AktG gelten, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei seinem Arbeitgeber leistet.
4. Der Kläger nimmt jedoch auch dieses „Konzernprivileg“ zu Unrecht für sich in Anspruch. Ob die Feststellungen des Berufungsgerichts ausreichen, um die maßgebliche Voraussetzung einer solchen Unternehmenszusammenfassung, die einheitliche Leitung, mit Blick auf die in Rede stehenden Unternehmen zu bejahen, mag zweifelhaft sein. Das durch den Kläger bestimmte arbeitsteilige Vorgehen beider Firmen ist zumindest ein gewichtiges Indiz. Eine abschließende Stellungnahme hierzu ist jedoch nicht erforderlich, weil es sich bei der Arbeitnehmerüberlassung jedenfalls nicht um eine vorübergehende handelt, so dass das „Konzernprivileg“ selbst bei Bejahung einer solchen Unternehmenszusammenfassung nicht greift. Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Verwendung der Fahrer in der Firma des Klägers geradezu Voraussetzung für ihre Einstellung in dem türkischen Unternehmen ist, es anders ausgedrückt wesentlicher Inhalt der Arbeitsverhältnisse ist, dauerhaft für die deutsche Firma zu arbeiten, hat das Berufungsgericht zu Recht eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung verneint. Zwar ist der Begriff „vorübergehend“ nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur (grundlegend BAG, Urteil vom 5. Mai 1988 2 AZR 795/87 AP § 1 AÜG Nr. 8, mit Anmerkung Wiedemann ebenda; Feuerborn, a.a.O. S. 198 ff.; Wank, a.a.O. Rn. 89; Pawlak, a.a.O. Rn. 169) weit auszulegen, so dass es sich durchaus um eine langfristige, nur nicht um eine als endgültig geplante Maßnahme handeln darf. Wie in diesem Sinne vorübergehende von endgültigen Maßnahmen im Einzelnen abzugrenzen sind (vgl. dazu Feuerborn, a.a.O.), mag dahingestellt bleiben. Wird ein Arbeitnehmer wie hier schon unter der Prämisse eingestellt, dass er überwiegend und auf Dauer nur in einem anderen Unternehmen verwendet werden kann, liegt jedenfalls auf der Hand, dass die arbeitgeberfremde Verwendung eine endgültige ist; denn die Rückkehr auf einen Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers ist wie hier auch das Berufungsgericht festgestellt hat mangels vorhandener Einsatzmöglichkeiten nicht denkbar. Eine solche Praxis ist aber weder mit der Zielsetzung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes noch den europäischen Bestimmungen über die Erteilung der Fahrererlaubnis vereinbar. Die Verleihtätigkeit von einem Ort außerhalb der EG-Mitgliedstaaten und der Staaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist nach Art. 1 § 3 Abs. 2 AÜG nicht erlaubnisfähig, weil dort eine effektive Kontrolle durch die Arbeitsbehörden nicht möglich und dadurch dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet wäre (Wank, a.a.O. Rn. 36 zu § 3 AÜG m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann nur dann vernachlässigt werden, wenn es sich gemäß Art. 1 § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG um einen vorübergehenden Personalaustausch innerhalb eines Konzerns handelt, bei dem der Arbeitnehmer seinen eigentlichen Arbeitsplatz nach wie vor bei seinem Arbeitgeber, dem verleihenden Unternehmen hat. Leistet er seine Arbeit demgegenüber nicht nur vorübergehend nicht bei seinem in einem Drittstaat ansässigen Arbeitgeber, sondern dauerhaft in einem in Deutschland ansässigen Unternehmen, liegt es nahe, dass mit dieser Gestaltung die inländischen arbeits- und sozialrechtlichen Standards unterlaufen werden sollen, die im Falle einer Anstellung im Inland gelten würden. Gerade dies soll durch die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verhindert werden. Die vom Kläger gewählte Gestaltung läuft auch dem Zweck der EG-Bestimmungen zur Fahrerbescheinigung zuwider, die erklärtermaßen ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen und zu niedrigen Löhnen und daraus resultierenden Gefährdungen der Verkehrssicherheit und Wettbewerbsverzerrungen entgegenwirken sollen (vgl. Erwägungsgründe 6 und 7 zu der Verordnung (EG) Nr. 484/2002).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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