Verkehrssicherungspflicht im Eingangsbereich eines Lebensmittelgeschäfts

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Hinweisbeschluss


Datum

19. 01. 2011


Aktenzeichen

2 U 468/10


Leitsatz des Gerichts

Das Auslegen einer Fußmatte vor einem Lebensmittelladen ohne Anbringung eines Klebebandes zur Befestigung stellt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar. Diese dient gerade dazu, zu verhindern, dass infolge Nässe und Glätte Kunden oder Personal infolge Ausrutschens zu Fall kommen. Wer nach bemerken eines Widerstandes vergeblich ersucht, mit einem Einkaufswagen über eine Fußmatte zu fahren, dabei ins Schlingern gerät und zu Fall kommt, trägt jedenfalls ein die Haftung ausschließendes Mitverschulden.

Tenor

Der Senat erwägt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Trier - Einzelrichterin - vom 19. März 2010 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


Gründe:

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Der Klägerin wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 15.02.2011. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Einzelnen:

I.

Die Beklagten betreiben einen Lebensmittelladen in O. Nach ihrem Einkauf wollte die Klägerin am Morgen des 16. Januar 2009 den Einkaufswagen wieder in das Geschäft bringen. Dabei stürzte sie im Eingangsbereich einer dort ausliegenden Fußmatte, die eine Größe von ca. 1,50 m x 2,00 m hatte. Die Klägerin erlitt infolge des Sturzes erhebliche Verletzungen (Frakturen, Rupturen, Schulterluxation, Prellungen) und wurde zur stationären Aufnahme in das Krankenhaus Wittlich verbracht. Die Verletzungen machten eine Operation erforderlich.

Die Klägerin hat zunächst vorgetragen, sie sei beim Wiederbetreten des Ladenlokals an der Fußmatte hängen geblieben, gestolpert und anschließend zu Fall gekommen. Die Klägerin hat in einem Ortstermin den Unfallhergang demonstriert und ihr Vorbringen dahingehend berichtigt, dass sie nicht mit dem Fuß, sondern vielmehr mit dem von ihr geschobenen Einkaufswagen an der Matte hängen geblieben sei. Der Einkaufswagen sei an einem Rad eingeknickt, instabil geworden und ins Schlingern geraten. Sie habe vergeblich versucht, den Wagen wieder zu stabilisieren und sei infolge dessen gestürzt. Das Auslegen der Fußmatte habe eine Gefahrenquelle und eine Stolperfalle dargestellt. Die Fußmatte sei nicht genügend gesichert gewesen, so dass diese sich am Rand durch mechanische Einwirkung habe anheben können. Das Sichern der Fußmatte wäre durch ein Klebeband möglich gewesen. Die Gefahrenlage sei für die Beklagten erkennbar gewesen.

Die Klägerin hat die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen. Des Weiteren hat sie die Feststellung begehrt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch für sämtliche zukünftigen materiellen Schäden einzustehen haben, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.

Die Beklagten haben die Unfalldarstellung der Klägerin bestritten und vorgetragen, dass die Klägerin nach dem Sturz nicht unmittelbar in der Nähe der Fußmatte gelegen habe. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege nicht vor. Bei der Fußmatte habe es sich um eine handelsübliche, den DIN-Normen entsprechende Schmutzfangmatte gehandelt. Diese habe fest und plan auf dem Boden gelegen und müsse nicht verklebt werden. Durch mechanische Wirkung könne sich die Fußmatte nicht anheben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Verurteilung der Beklagten unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlichen Anträge.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

1) Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe weder nachgewiesen, dass die Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hätten noch, dass der Sturz Folge einer behaupteten Pflichtverletzung sei. Bei der Fußmatte habe es sich um eine handelsübliche Schmutzfangmatte gehandelt, welche an der Oberseite aus Textilmaterial und an der Unterseite mit einer Gummischicht bezogen sei, um ein Wegrutschen der Matte zu verhindern. Diese Matten würden standardmäßig im Eingangsbereich vieler Geschäfte verlegt und gerade durch die Gummischicht gegen ein Wegrutschen gesichert. Dem vernünftigen Besucher sei dabei bewusst, dass solche Matten gerade nicht fest mit dem Erdbodens verklebt seien, da sonst eine Reinigung unmöglich wäre. Da die Matte am Rand (Gummischicht) nur einige Millimeter dick sei, sei das Risiko zu stolpern bei normalem Anheben der Füße praktisch nicht vorhanden. Gerade deshalb seien diese rutschfesten Fußmatten als Schmutzfänger in öffentlichen Gebäuden nicht nur usus, sondern würden sogar von Gerichten als Beispiel für ordnungsgemäße Schmutzfänger angeführt (unter Bezug auf OLG Koblenz Urt. v. 25.2.1992 - 3 U 1208/91 - NJW-RR 1992, 797). Es sei schwer nachvollziehbar, dass der Einkaufswagen an der Matte hängen bleibe. Jedenfalls könne von einem Besucher erwartet werden, dass bei Bemerken des Widerstandes nicht weiter geschoben werde, sondern nach der Ursache gesehen werde. Ohne ein solches Drücken trotz Widerstandes sei es aber ausgeschlossen, dass das Rad eingeknickt, sodann instabil und der Wagen somit ins Schlingern geraten sei. Es sei auch nicht davon überzeugt, dass die Fußmatte bzw. das Hängenbleiben des Wagens an dieser kausal für den Sturz der Klägerin gewesen sei. Die Schilderung der Klägerin anlässlich der Ortsbesichtigung sei nicht plausibel gewesen.

2) Die Ausführungen des Landgerichts werden ohne Erfolg von der Berufung der Klägerin angegriffen.

Die Klägerin ist als Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegt. Beweiserleichterungen kommen ihr nur zugute, wenn die Höhe des Schadens streitig ist oder bestimmte Schäden auf der Rechtsguts- oder Gesetzesverletzung beruhen (MünchKommBGB/Wagner, 5. Aufl. § 823 Rn. 323; Senatsentscheidungen vom 16.12.2009 und 22.01.2010, MDR 2010, 630).

Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet grundsätzlich denjenigen, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH NJW 1990, 1236; NJW 1996, 2035; VersR 1997, 250; NJW-RR 2002, 525; VersR 2003, 1319, NJW 2006, 610; NJW 2007, 1684; OLG Celle Urteil vom 25.01.2007 - 8 U 161/06 - Juris Rn. 5; Senatsentscheidungen vom 16.12.2009 und 22.01.2010, MDR 2010, 630). Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber nicht gehalten, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren (BGH NJW 2003, 1352; NJW 2006, 2326; VersR 2006, 665), d. h. nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (BGH NJW 1978, 1629). Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (OLG Hamm, VersR 2003, 605; NJW-RR 2006, 1100).

Die Beklagten sind ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen, in dem sie im Eingangsbereich des Lebensmittelladens eine Fußmatte gelegt haben. Diese diente gerade dazu, zu verhindern, dass infolge Nässe und Glätte Kunden oder Personal infolge Ausrutschens zu Fall kommen. Das Anbringen einer Fußmatte kann jedenfalls dann zweckmäßig sein, wenn der Boden sich als besonders rutschanfällig erweist (OLG Koblenz, Urteil vom 25.02.1992 - 3 U 1208/01 - NJW-RR 1992, 797). Das Anbringen eines Klebebandes am Rande des Fußbodenbelags war nicht geboten. Dem Personal muss es möglich sein, regelmäßig die Matte selbst sowie den unter der Fußmatte und in deren Umkreis befindlichen Schmutz zu beseitigen. Dies gilt insbesondere in einem Lebensmittelladen, der zum Schutz des Verbrauchers besondere hygienische Anforderungen stellt. Bei der Schmutzfangmatte handelte es sich um eine den DIN-Normen entsprechende Matte, die keine Stolperfalle darstellt, sondern gerade ein Ausrutschen auf Glätte verhindern soll. Dabei ist hier besonders zu berücksichtigen, dass sich das Unfallereignis im Januar 2009, also in einem Wintermonat, zugetragen hat. In den Wintermonaten ist aber verstärkt damit zu rechnen, dass Kunden mit wasser- und schneebehafteten Schuhen den Einkaufsbereich betreten und ohne Anbringung einer Fußmatte eine besondere Rutschgefahr besteht. Die Beklagten haben mit dem Anbringen der Fußmatte nicht eine Gefahrenquelle geschaffen, sondern vielmehr dazu beigetragen, einer Gefahrenquelle, nämlich einer Rutschgefahr, zu begegnen.

Die Klägerin ist für das Unfallgeschehen selbst verantwortlich. Sie hat selbst eine Ursache für den Unfall gesetzt, indem sie nach Bemerken des Widerstandes gleichwohl versucht hat, den Einkaufswagen weiter über die Fußmatte zu schieben, wodurch dieser ins Schlingern und sie selbst aus dem Gleichgewicht geraten ist. Sie hätte beim Bemerken des Widerstandes mit dem Wagen zunächst ein Stück zurückfahren müssen, um nach Beseitigung der Querstellung des Rades erneut mit dem Einkaufswagen gefahrlos über die Fußmatte fahren zu können. Selbst wenn man von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausginge, läge ein die Haftung ausschließendes Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 BGB vor.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, dass die Klägerin bei dem Verhalten des Einkaufswagens und dem hochgewölbten Teppich keine Chance gehabt habe , der Stolperfalle zu entgehen, ist nicht geboten, da die Klägerin, wie ausgeführt, den Wagen nach Bemerken des Widerstandes nicht hätte weiter schieben und sich am Wagen hätte festhalten dürfen, sondern den Einkaufswagen zunächst wieder hätte zurückziehen müssen, um das Querstellen des Rades bzw. die Blockade wieder aufzulösen.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 10.446,42 € festzusetzen.

Rechtsgebiete

Haftungsrecht

Normen

BGB §§ 254, 280, 823