Betriebsübergang oder Funktionsnachfolge?

Gericht

EuGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 01. 2011


Aktenzeichen

C-463/09


Entscheidungsgründe

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens‑ oder Betriebsteilen (ABl. L 82, S. 16).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der CLECE SA (im Folgenden: CLECE) einerseits und Frau Martín Valor und dem Ayuntamiento de Cobisa (Gemeinde Cobisa) andererseits wegen der Entlassung von Frau Martín Valor.


Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Richtlinie 2001/23 kodifiziert die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens‑ oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) in der durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) geänderten Fassung.

Dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/23 zufolge „sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten“.

Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„a) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens‑ bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

b) Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt‑ oder Nebentätigkeit.

c) Diese Richtlinie gilt für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es sich nicht um einen Übergang im Sinne dieser Richtlinie.“

Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 der genannten Richtlinie lautet:

„Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.“

Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2001/23 lautet wie folgt:

„Der Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils stellt als solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung steht etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.“

Nationales Recht

Die Richtlinie 2001/23 wurde durch Art. 44 des Real Decreto Legislativo 1/1995 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über das Arbeitnehmerstatut (Real Decreto Legislativo 1/1995, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores) vom 24. März 1995 (BOE Nr. 75 vom 29. März 1995, S. 9654, im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) umgesetzt.

Art. 44 Abs. 1 und 2 des Arbeitnehmerstatuts bestimmt:

„1. Wechselt der Inhaber eines Unternehmens, einer Beschäftigungsstelle oder einer selbständigen Produktionseinheit, so führt dies nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern der neue Unternehmer tritt in die arbeits- und sozialrechtlichen Rechte und Pflichten des früheren Unternehmers ein, einschließlich der Rentenverbindlichkeiten nach Maßgabe der insoweit geltenden besonderen Vorschriften sowie allgemein aller Verpflichtungen im Bereich des zusätzlichen sozialen Schutzes, die der Veräußerer eingegangen ist.

2. Für die Zwecke der vorliegenden Bestimmung gilt als Übergang des Unternehmens die Übertragung einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt‑ oder Nebentätigkeit.“

Art. 14 des Tarifvertrags für den Reinigungsdienst in den Gebäuden und Räumlichkeiten der Provinz Toledo sieht vor:

„Wenn ein Unternehmen, in dem der Reinigungsdienst durch ein beauftragtes Unternehmen verrichtet wurde, diesen Dienst selbst übernimmt, ist es nicht zur Übernahme des Personals verpflichtet, das vom beauftragten Unternehmen für die Leistungserbringung eingesetzt wurde, wenn der Reinigungsdienst nunmehr durch eigene Arbeitnehmer/innen des Unternehmens verrichtet wird; hingegen sind die betreffenden Arbeitnehmer/innen zu übernehmen, wenn für diesen Reinigungsdienst neues Personal eingestellt werden müsste.“


Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

CLECE, ein Reinigungsunternehmen, schloss am 27. Mai 2003 einen Vertrag mit dem Ayuntamiento de Cobisa über die Reinigung der städtischen Schulen und Gebäude, ohne dass dabei festgestellt worden wäre, dass die betroffenen Dienstleistungen den Einsatz „besonderer Arbeitsgeräte“ erforderten.

Auf der Grundlage dieses Vertrags arbeitet Frau Martín Valor seit dem 25. März 2004 als Reinigungskraft für CLECE.

Am 9. November 2007 teilte das Ayuntamiento de Cobisa CLECE seine Entscheidung mit, den zwischen ihm und diesem Unternehmen bestehenden Vertrag mit Wirkung zum 31. Dezember 2007 aufzulösen.

Am 2. Januar 2008 teilte CLECE Frau Martín Valor mit, dass sie ab dem 1. Januar 2008 zur Belegschaft des Ayuntamiento de Cobisa gehöre, da dieses nunmehr die Reinigung der betreffenden Räumlichkeiten besorge. CLECE war nämlich der Ansicht, dass das Ayuntamiento de Cobisa gemäß Art. 14 des Tarifvertrags für den Reinigungsdienst in den Gebäuden und Räumlichkeiten der Provinz Toledo in Bezug auf sämtliche Rechte und Pflichten aus dem im Ausgangsverfahren fraglichen Arbeitsverhältnis an ihre Stelle getreten sei.

Frau Martín Valor erschien am selben Tag in den Räumlichkeiten des Ayuntamiento de Cobisa; es wurde ihr jedoch nicht gestattet, dort ihre Arbeit aufzunehmen. CLECE stellte sie an keinem anderen Arbeitsplatz wieder ein.

Das Ayuntamiento de Cobisa stellte am 10. Januar 2008 über eine Arbeitskräftevermittlung fünf Arbeitnehmerinnen für die Reinigung seiner Räumlichkeiten ein.

Frau Martín Valor erhob daraufhin beim Juzgado de lo Social n° 2 de Toledo gegen CLECE und das Ayuntamiento de Cobisa Klage auf Feststellung, dass ihre Entlassung ungerechtfertigt gewesen sei.

Der Juzgado de lo Social n° 2 de Toledo stellte mit Urteil vom 13. Mai 2008 fest, dass Art. 14 des Tarifvertrags für den Reinigungsdienst in den Gebäuden und Räumlichkeiten der Provinz Toledo nicht anwendbar und das Ayuntamiento de Cobisa folglich nicht passivlegitimiert sei. Das genannte Gericht erklärte ferner die Entlassung von Frau Martín Valor durch CLECE für ungerechtfertigt und verurteilte CLECE, Frau Martín Valor entweder zu den vor ihrer Entlassung geltenden Bedingungen wieder einzustellen oder ihr eine Entschädigung in Höhe von 6 507,10 Euro zu zahlen. In beiden Fällen war außerdem der Frau Martín Valor entgangene Lohn zu ersetzen.

Gegen dieses Urteil legte CLECE am 26. Dezember 2008 Rechtsmittel beim Tribunal Superior de Justicia de Castilla-La Mancha ein. Mit diesem Rechtsmittel machte CLECE u. a. geltend, das Ayuntamiento de Cobisa sei gemäß Art. 14 des Tarifvertrags für den Reinigungsdienst in den Gebäuden und Räumlichkeiten der Provinz Toledo in Verbindung mit Art. 44 des Arbeitnehmerstatuts und der von ihr zitierten Rechtsprechung in das mit Frau Martín Valor geschlossene Arbeitsverhältnis eingetreten.

Das vorlegende Gericht führt aus, dass aus einer durch ein Urteil des Tribunal Supremo vom 10. Dezember 2008 vereinheitlichten Rechtsprechung im Wesentlichen hervorgehe, dass die Bestimmungen eines Tarifvertrags für Reinigungsdienste in Gebäuden und Räumlichkeiten nicht auf das auftraggebende Unternehmen, das eine andere Tätigkeit ausübe, anzuwenden seien, wenn es nach Beendigung des Dienstleistungsvertrags mit einem Reinigungsunternehmen beschließe, die Reinigung in den eigenen Betrieben nunmehr selbst zu besorgen, da das auftraggebende Unternehmen vom Anwendungsbereich dieses Tarifvertrags nicht erfasst sei.

Vor diesem Hintergrund fragt das vorlegende Gericht, ob der Fall, dass eine Gemeinde beschließt, den zuvor durch einen inzwischen aufgelösten Vertrag an ein Reinigungsunternehmen vergebenen Reinigungsdienst in seinen verschiedenen Räumlichkeiten mittels seines eigenen Personals selbst zu übernehmen, und deshalb für diese Tätigkeit neues Personal einstellt, wobei sie nicht dem Tarifvertrag für Reinigungsdienste in Gebäuden und Räumlichkeiten, der für solche Fälle eine Übernahmeverpflichtung vorsieht, unterliegt, vom Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23 erfasst wird.

Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob im Ausgangsverfahren die mit der Anwendung des Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23 verbundenen Rechtsfolgen eintreten, obwohl das Ayuntamiento de Cobisa nicht dem Tarifvertrag für den Reinigungsdienst in den Gebäuden und Räumlichkeiten der Provinz Toledo unterliegt und die Besonderheiten bei öffentlichen Arbeitgebern zum Tragen kommen, weshalb die Arbeitsverhältnisse nach Art. 103 Abs. 3 der spanischen Verfassung spezifische Eigenheiten aufweisen.

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Castilla‑La Mancha beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Wird der Fall, dass der Reinigungsdienst in den verschiedenen Räumlichkeiten einer Gemeindeverwaltung, der zuvor von einem beauftragten Unternehmen verrichtet wurde, von der Gemeinde wieder selbst durchgeführt oder von ihr übernommen wird und sie hierfür neues Personal einstellt, von dem in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b geregelten Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23 erfasst?


Zur Vorlagefrage

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23 in dem Sinne auszulegen ist, dass diese Richtlinie auf den Fall anwendbar ist, dass eine Gemeinde, die ein privates Unternehmen mit der Reinigung ihrer Räumlichkeiten betraut hatte, beschließt, den zwischen ihr und diesem Unternehmen bestehenden Vertrag aufzulösen und selbst diese Reinigungstätigkeiten durchzuführen sowie dafür neues Personal einzustellen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2001/23 gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. c für öffentliche Unternehmen gilt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht.

So hat der Gerichtshof entschieden, dass der Umstand allein, dass der Erwerber eine juristische Person des öffentlichen Rechts, im vorliegenden Fall eine Gemeinde, ist, es nicht ausschließt, dass ein in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23 fallender Übergang vorliegt (vgl. Urteile vom 26. September 2000, Mayeur, C‑175/99, Slg. 2000, I‑7755, Randnrn. 29, 33 und 34, und vom 29. Juli 2010, UGT‑FSP, C‑151/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 23).

Der Umstand, dass wie im Ausgangsverfahren einer der Betroffenen eine Gemeinde ist, steht der Anwendbarkeit der Richtlinie 2001/23 daher an sich nicht entgegen.

Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. a ist die Richtlinie 2001/23 ferner auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens‑ bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

Hierzu ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass sich die Tragweite der genannten Bestimmung nicht allein aufgrund einer wörtlichen Auslegung bestimmen lässt. Wegen der Unterschiede zwischen den sprachlichen Fassungen der Richtlinie und des unterschiedlichen Inhalts des Begriffs der vertraglichen Übertragung im Recht der Mitgliedstaaten hat der Gerichtshof diesen Begriff so weit ausgelegt, dass er dem Zweck der Richtlinie – nämlich, wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt, dem Schutz der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens – gerecht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2007, Jouini u. a., C‑458/05, Slg. 2007, I‑7301, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

So hat der Gerichtshof entschieden, dass die durch die Richtlinie 2001/23 kodifizierte Richtlinie 77/187 in allen Fällen anwendbar ist, in denen die für den Betrieb des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt (vgl. Urteile vom 7. März 1996, Merckx und Neuhuys, C‑171/94 und C‑172/94, Slg. 1996, I‑1253, Randnr. 28, und vom 10. Dezember 1998, Hernández Vidal u. a., C‑127/96, C‑229/96 und C‑74/97, Slg. 1998, I‑8179, Randnr. 23).

Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass der Fall, dass ein Unternehmen ein anderes Unternehmen mit der Reinigung seiner Räumlichkeiten oder eines Teils derselben beauftragt hat und beschließt, den Vertrag mit diesem Unternehmen zu kündigen und fortan selbst für die Durchführung dieser Arbeiten zu sorgen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187 fallen kann (vgl. Urteil Hernández Vidal u. a., Randnr. 25).

Demnach lässt sich nicht ohne Weiteres ausschließen, dass die Richtlinie 2001/23 in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem eine Gemeinde einseitig beschließt, den mit einem privaten Unternehmen geschlossenen Vertrag aufzulösen und selbst die diesem übertragenen Reinigungstätigkeiten durchzuführen, anwendbar ist.

Damit die Richtlinie 2001/23 anwendbar ist, muss der Übergang jedoch gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie eine wirtschaftliche Einheit betreffen, die nach dem Inhaberwechsel ihre Identität bewahrt.

Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. u. a. Urteile vom 18. März 1986, Spijkers, 24/85, Slg. 1986, 1119, Randnr. 13, vom 19. Mai 1992, Redmond Stichting, C‑29/91, Slg. 1992, I‑3189, Randnr. 24, vom 11. März 1997, Süzen, C‑13/95, Slg. 1997, I‑1259, Randnr. 14, sowie vom 20. November 2003, Abler u. a., C‑340/01, Slg. 2003, I‑14023, Randnr. 33).

Der Gerichtshof hat zuvor darauf hingewiesen, dass eine wirtschaftliche Einheit in bestimmten Branchen ohne nennenswerte materielle oder immaterielle Betriebsmittel tätig sein kann, so dass die Wahrung der Identität einer solchen Einheit über die sie betreffende Transaktion hinaus nicht von der Übertragung derartiger Betriebsmittel abhängen kann (vgl. Urteile Süzen, Randnr. 18, Hernández Vidal u. a., Randnr. 31, und UGT‑FSP, Randnr. 28).

So hat der Gerichtshof entschieden, dass in bestimmten Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen kann und dass in diesem Fall eine solche Einheit ihre Identität über ihren Übergang hinaus bewahren kann, wenn der neue Unternehmensinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft übernimmt, die sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hatte. Denn dann erwirbt der neue Unternehmensinhaber eine organisierte Gesamtheit von Faktoren, die ihm die Fortsetzung der Tätigkeiten oder bestimmter Tätigkeiten des übertragenden Unternehmens auf Dauer erlaubt (vgl. Urteile Süzen, Randnr. 21, Hernández Vidal u. a., Randnr. 32, vom 10. Dezember 1998, Hidalgo u. a., C‑173/96 und C‑247/96, Slg. 1998, I‑8237, Randnr. 32, vom 24. Januar 2002, Temco, C‑51/00, Slg. 2002, I‑969, Randnr. 33, und UGT‑FSP, Randnr. 29).

Wie sich aus Randnr. 31 des vorliegenden Urteils ergibt, spielt es insoweit keine Rolle, ob die Übernahme eines wesentlichen Teils des Personals im Rahmen der zwischen Veräußerer und Erwerber vereinbarten vertraglichen Übertragung erfolgt oder ob sie auf einer einseitigen Entscheidung des früheren Inhabers, die Arbeitsverträge des übergegangenen Personals zu kündigen, gefolgt von einer einseitigen Entscheidung des neuen Inhabers, im Wesentlichen dasselbe Personal zur Erfüllung derselben Aufgaben einzustellen, beruht.

Läge nämlich im Fall einer Übernahme eines wesentlichen Teils des Personals nur dann ein Übergang im Sinne der Richtlinie 2001/23 vor, wenn diese Übernahme vertraglich vereinbart wurde, würde der mit dieser Richtlinie angestrebte Schutz der Arbeitnehmer ins Belieben der Unternehmensinhaber gestellt und diese könnten, indem sie den Abschluss entsprechender Verträge unterließen, die Anwendung der genannten Richtlinie auf Kosten der Wahrung der Ansprüche der übernommenen Arbeitnehmer, die doch durch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 gewährleistet werden, umgehen.

Zwar ist bei einer Reinigungstätigkeit wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs anzunehmen, dass es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt (vgl. in diesem Sinne Urteile Hernández Vidal u. a., Randnr. 27, Hidalgo u. a., Randnr. 26, sowie Jouini u. a., Randnr. 32), und folglich kann eine Gesamtheit von Arbeiternehmern, der auf Dauer eine gemeinsame Reinigungstätigkeit zugewiesen ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen, ohne dass weitere Betriebsmittel vorhanden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Hernández Vidal u. a., Randnr. 27). Diese wirtschaftliche Einheit muss ihre Identität jedoch über die betreffende Transaktion hinaus gewahrt haben.

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt sich insoweit, dass das Ayuntamiento de Cobisa für die Besorgung des zuvor CLECE übertragenen Reinigungsdienstes in seinen Schulen und Räumlichkeiten neues Personal eingestellt und nicht die zuvor durch CLECE mit diesem Dienst betrauten Arbeitnehmer – wie im Übrigen auch keine materiellen oder immateriellen Betriebsmittel dieses Unternehmens – übernommen hat. Unter diesen Umständen ist das Einzige, was eine Verbindung zwischen den von CLECE ausgeübten Tätigkeiten und den vom Ayuntamiento de Cobisa übernommenen Tätigkeiten herstellt, der Gegenstand dieser Tätigkeiten, nämlich die Reinigung von Räumlichkeiten.

Der bloße Umstand, dass die von CLECE und die vom Ayuntamiento de Cobisa durchgeführten Tätigkeiten einander ähnlich oder sogar identisch sind, lässt jedoch nicht auf die Wahrung der Identität einer wirtschaftlichen Einheit schließen. Eine Einheit darf nämlich nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich aus mehreren untrennbar zusammenhängenden Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (vgl. in diesem Sinne Urteile Süzen, Randnr. 15, Hernández Vidal u. a., Randnr. 30, sowie Hidalgo u. a., Randnr. 30). Insbesondere kann eine wirtschaftliche Einheit wie die im Ausgangsverfahren fragliche, bei der es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, ihre Identität nicht gewahrt haben, wenn ihre Hauptbelegschaft vom angeblichen Erwerber nicht übernommen wird.

Unbeschadet einer eventuellen Anwendbarkeit der nationalen Schutzvorschriften führt daher im Ausgangsverfahren die bloße Übernahme des zuvor CLECE übertragenen Reinigungsdienstes durch das Ayuntamiento de Cobisa als solche nicht zum Vorliegen eines Übergangs im Sinne der Richtlinie 2001/23.

Auf die vorgelegte Frage ist daher zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23 in dem Sinne auszulegen ist, dass diese Richtlinie nicht auf den Fall anwendbar ist, dass eine Gemeinde, die ein privates Unternehmen mit der Reinigung ihrer Räumlichkeiten betraut hatte, beschließt, den zwischen ihr und diesem Unternehmen bestehenden Vertrag aufzulösen und selbst diese Reinigungstätigkeiten durchzuführen sowie dafür neues Personal einzustellen.


Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens‑ oder Betriebsteilen ist in dem Sinne auszulegen, dass diese Richtlinie nicht auf den Fall anwendbar ist, dass eine Gemeinde, die ein privates Unternehmen mit der Reinigung ihrer Räumlichkeiten betraut hatte, beschließt, den zwischen ihr und diesem Unternehmen bestehenden Vertrag aufzulösen und selbst diese Reinigungstätigkeiten durchzuführen sowie dafür neues Personal einzustellen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Spanisch.

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht