Kriegsausbruch als Kündigungsgrund für Kreuzfahrt
Gericht
LG Leipzig
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
27. 04. 2005
Aktenzeichen
1 S 4/05
Gründe:
I.
Die Kl. begehrt Stornokosten für eine vom Bekl. gebuchte Mittelmeerkreuzfahrt.
A.
Die Kl. ist Veranstalterin von Kreuzfahrten. Sie bot in ihrem Katalog „1001 Nacht auf der Mona Lisa Ostern 13.-26. 4. 2003“ eine „Grosse Oster-Kreuzfahrt: Ägypten und Istanbul“ an. Der Bekl. buchte die Reise nebst Anreise per Bus für sich und seine Ehefrau am 01.11.2002. Der Preis betrug pro Person 2249 Euro zzgl. 238 Euro An-/Rückreise und 63 Euro Reiserücktrittsversicherung, insgesamt 2550 Euro und für beide Reiseteilnehmer zusammen 5100 Euro. Zugleich erkannte der Bekl. die „umseitigen Reisebedingungen“ des Veranstalters an. Die Buchung erfolgte über die Zeugin T…….
Aus dem Angebot an Landausflügen, Stadtrundgängen und Inselrundfahrten buchte der Bekl. für sich und seine Ehefrau den Stadtrundgang in Korcula (für insgesamt 46 Euro), die Rundfahrt Olympia (88 Euro), die Fahrt nach Kairo und zu den Pyramiden (198 Euro), je eine Tour auf Limassol, Rhodos, Mykonos und Athen mit Akropolis (jeweils 78 Euro), den Stadtrundgang Dubrovnik (58 Euro) und die „Höhepunkte Istanbuls“ (158 Euro).
Die Allgemeinen Reisebedingungen enthalten u.a. folgende Regelungen:
4. Leistungs- und Preisänderungen
Änderungen oder Abweichungen einzelner Reiseleistungen von dem vereinbarten Inhalt des Reisevertrages, die nach Vertragsschluss notwendig werden und die vom Reiseveranstalter nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind nur gestattet, soweit die Änderungen oder Abweichungen nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der gebuchten Reise nicht beeinträchtigen.
Bei Preiserhöhungen um mehr als 5% oder im Fall einer erheblichen Änderung einer wesentlichen Reiseleistung ist der Reisende berechtigt, ohne Gebühren vom Reisevertrag zurückzutreten oder die Teilnahme an einer mindestens gleichwertigen Reise zu verlangen, wenn der Reiseveranstalter in der Lage ist, eine solche Reise ohne Mehrpreis für den Reisenden aus seinem Angebot anzubieten.
5. Rücktritt durch den Kunden
... Maßgeblich ist der Zugang der Rücktrittserklärung beim Reiseveranstalter. (...) Tritt der Kunde vom Reisevertrag zurück oder tritt er die Reise nicht an, so kann der Reiseveranstalter eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Hohe der Entschädigung bestimmt sich nach dem Reisepreis unter Abzug des Wertes der vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen ... Der Reiseveranstalter kann... pauschal pro Person wie folgt berechnen: ... ab dem 19.-10. Tag vor Reiseantritt 60%, ab dem 9. - 5. Tag vor Reiseantritt 85%.
10. Aufhebung des Vertrages wegen außergewöhnlicher Umstände
Wird die Reise infolge bei Vertragsschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag kündigen.
18. Sonstige Bestimmungen
(...) Routenänderungen durch die Schiffsleitung infolge schlechter Wetterbedingungen, höherer Gewalt oder weltpolitischer Ereignisse o.a. bleiben jederzeit vorbehalten. Dadurch können ggf. Landgänge verkürzt werden oder ganz ausfallen.
Nach dem Prospekt der Kl. sollte die Reise wie folgt verlaufen:
12.04.2003
Busanreise
An
Ab
13.04.2003
Venedig / Italien - Einschiffung
16.00
14.04.2003
Korcula / Kroatien
07.30
12.00
15.04.2003
Katakolon (Olympia)
11.30
16.00
16.04.2003
Erholung auf See
17.04.2003
Alexandria (Kairo)
07.00
08.00
Port Said am Suezkanal
19.30
21.30
18.04.2003
Limassol / Zypern
13.00
19.00
19.04.2003
Rhodos / Griechenland
13.00
19.00
20.04.2003
Istanbul / Türkei
23.00
21.04.2003
Istanbul / Türkei
17.00
22.04.2003
Mykonos / Griechenland
13.00
23.00
23.04.2003
Piräus (Athen)
07.00
13.00
24.04.2003
Erholung auf See
25.04.2003
Dubrovnik / Kroatien
07.00
12.00
26.04.2003
Venedig / Ausschiffung
09.00
Busrückreise
B.
Mit Schreiben vom 05.03.2003 (Bl. 43 d.A.) fragte der Bekl. wegen der Lage im Nahen Osten und der sich zuspitzenden Irakkrise bei der Kl. nach, ob es Reiseänderungen geben werde. Insbesondere die Landaufenthalte Alexandria, Kairo, Port Said, Istanbul und in Athen seien für die Buchung entscheidend gewesen. Die Bekl. baten um Mitteilung eventueller Ausweichmöglichkeiten.
Die Kl. teilte am 10.03.2003 (Bl. 45 d.A.) mit, es seien keine Reiseänderungen geplant, bei entsprechenden Warnungen werde man aber auch kurzfristig reagieren. Sie informierte dann aber mit Schreiben vom 13.03.2003, sie habe sich „auf Grund der politischen Situation im Nahen Osten“ entschieden, Ägypten nicht mehr anzufahren und übersandte eine geänderte Reiseroute (Bl. 47 d.A.). Danach sollte am 16.04.2003 statt „Erholung auf See“ Kreta angefahren werden und dafür am 17.04.2003 statt des Ägyptenaufenthaltes die „Erholung auf See“ nachgeholt werden. Zugleich verlängerte sich der Aufenthalt in Limassol (08.00 bis 16.00 Uhr statt 13.00 bis 19.00 Uhr) und der in Rhodos (10.00 bis 19.00 Uhr statt 13.00 bis 19.00 Uhr). Das übrige Programm sollte unverändert bleiben.
Der Bekl. verwies mit Schreiben vom 15.03.2003 (Bl. 48 d.A.) darauf, dass sich vom 10.03. bis zum 13.03.2003 die Situation im Nahen Osten nicht so entscheidend geändert habe, dass sie nunmehr eine Routenänderung nötig mache, die noch am 10.03. verneint worden war.
Eine Reisewarnung „von höherer Stelle“ liege auch nicht vor. Es sei vielmehr zu befürchten, dass die Kl. noch weitere „geringfügige Routenänderungen“ vornehmen werde, da sich die politische Lage bis zum Reiseantritt noch gravierend ändern könne. Einer „scheibchenweisen Änderung“ der geplanten Reise wolle er nicht folgen. Der Bekl. erklärte, „bevor wir uns hier also weiter festlegen“, benötige er eine verbindliche Auskunft zur Reiseroute bis 25.03.2003 und regte an, Umbuchungsangebote zu unterbreiten.
Die Kl. übersandte nochmals das geänderte Reiseprogramm als „zum heutigen Zeitpunkt aktuelle Route“ (Bl. 51 d.A.).
C.
Das Auswärtige Amt erteilte am 20.03.2003 (Bl. 53 d.A.) folgenden Hinweis:
Mit dem Beginn der militärischen Auseinandersetzung im Irak seit der Nacht vom 19. auf den 20. 3. erhöht sich insbesondere im Nahen und Mittleren Osten ... das Risiko - auch gewaltsamer –anti-westlicher Proteste und die Gefahr terroristischer Anschläge.... Anschlagsziele können touristische Anlagen oder Sehenswürdigkeiten, öffentliche Gebäude, Flugzeuge und Flughäfen oder andere Verkehrsanlagen sowie große Menschenansammlungen sein.
Mit Stand 24.03.2003 gab das Auswärtige Amt bekannt: „Die Lage in Ägypten ist unverändert ruhig.“ (Bl. 55 f. d.A.). Und am 25.03.2003 warnte das Auswärtige Amt:
In der gesamten Türkei ist erhöhte Vorsicht wegen der Gefahr von Terroranschlägen geboten. Diese können nicht ausgeschlossen werden, auch wenn derzeit keine konkreten Hinweise vorliegen.
Mit Schreiben vom 03.04.2003 (Bl. 60 d.A.) kündigte der Bekl. die Reise unter Berufung auf Ziff. 10, hilfsweise Ziff. 4 und 11 der Allgemeinen Reisebedingungen. Grund seien die unsichere Lage im Reisegebiet wegen der aktuellen Kriegsereignisse in und um den Irak, die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes für die Türkei und Ägypten und die Einstufung Ägyptens als Krisenregion durch die Versicherung der Kl.. Das gesamte südöstliche Mittelmeer sei Krisenregion. Dem Bekl. sei nicht zuzumuten, eine Reise anzutreten, die dann mit gewisser Wahrscheinlichkeit im Laufe der Reise wegen der weiteren Entwicklung im Krisengebiet nochmals geändert werden müsse. Außerdem sei die Reise mit „Ägypten und Istanbul“ beworben. Heraklion sei dem Bekl. bekannt und keine attraktive Alternative zum Ägyptenausflug. Schließlich trat der Bekl. nach Ziff.5 der Allgemeinen Reisebedingungen vom Vertrag zurück.
Die Kl. erklärte, sie storniere die Reise zu den Stornokosten nach ihren AGB und stellte dem Bekl. bei vorgesehenem Reisebeginn am 12.04.2003 entsprechend ihrer Allgemeinen Reisebedingungen 85% von (2249 Euro + 238 Euro = 2487 Euro x 2 =) 4974 Euro = 4228 Euro zzgl. 126 Euro Reiserücktrittsversicherung = 4354 Euro in Rechnung. Abzüglich bereits gezahlter 1121 Euro verbleibt die Klageforderung von 3233 Euro.
Dem widersprach der Bekl.. Im Übrigen beginne die Reise erst am 13.04.2003, so dass der Rücktritt jedenfalls am 10.Tag vor Reiseantritt erfolgt sei.
D.
Die Kl. meint, sie habe infolge der Einstufung Ägyptens als Krisengebiet und dem damit verbundenen Ausschluss dieses Gebiets aus dem Schiffs-Versicherungsschutz diesen Teil der Reise herausnehmen müssen. Die Einstufung bzw. die Ablehnung des Versicherungsschutzes sei ihr am 11.03.2003 mitgeteilt worden (Bl. 29 f. d.A.).
Die durch die Irak-Krise notwendigerweise vorgenommene Routenänderung rechtfertige den kostenlosen Rücktritt des Bekl. vom Vertrag nicht. Dies ergebe sich schon aus Ziff. 18 ihrer Allgemeinen Reisebedingungen. Es sei lediglich einer von 16 Reisetagen betroffen gewesen, außerdem nur einer von neun vom Bekl. gebuchten Landgängen. Die Routenänderung sei daher weder erheblich gewesen noch habe sie den Gesamtzuschnitt der Reise verändert. Dass es dem Bekl. gerade auf den einen Tag Ägypten angekommen sei, habe dieser jedenfalls bei der Buchung nicht zum Ausdruck gebracht. Die Änderung der Reiseroute ermögliche dem Bekl. keinen kostenfreien Rücktritt nach § 651 a Abs. 5 BGB, sondern nur die entschädigungspflichtige Stornierung nach § 651 i II BGB. So habe für einen nahezu parallel liegenden Fall das AG Erkelenz entschieden.
Der Bekl. trägt vor, wesentlicher Grund für die Reise als Geschenk an seine Ehefrau sei der Zielort Ägypten gewesen. Dies habe er bei der Buchung auch zum Ausdruck gebracht. Er legt diverse Zeitungsausschnitte von Ende März 2003 vor, in denen darüber berichtet wird, dass die deutschen Reiseveranstalter mit kostenlosen Umbuchungsmöglichkeiten auf den Beginn des Irak-Krieges reagiert hätten. Betroffen seien insbesondere Reisen, die bis zum 30.04.2003 in die Länder Ägypten, Marokko, Jordanien, Tunesien und die Türkei stattfanden.
Der Bekl. macht ferner unter Hinweis auf die Chronologie zur Entwicklung der Lage im Irak geltend, erst am 24.02.2003 sei der Resolutionsentwurf der USA, Großbritanniens und Spaniens im UN-Sicherheitsrat eingebracht worden, der den Krieg gegen den Irak legitimieren sollte. Dann habe die USA am 05.03.2003 erklärt, sie werde an der Spitze einer „Koalition der Willigen“ den Irak auch ohne Unterstützung der UNO gewaltsam entwaffnen. Am 07.03.2003 forderte die USA den UN-Sicherheitsrat auf, bis 11.03.2003 über eine erneute Resolution zu entscheiden. Bis Mitte März 2003 wurden über 250000 Soldaten im östlichen Mittelmeerbereich und in den Irak-Anrainerstaaten, auch in der Türkei stationiert. Die Türkei habe ihrerseits ab Ende Januar 2003 ihre Truppen an der Grenze zum Irak verstärkt. Diese Entwicklung und der Ausbruch des Krieges am 20.03.2003 hätten die Kündigung des Vertrages gerechtfertigt. Es sei dem Bekl. nicht zuzumuten, einen Urlaub dort zu verbringen und zu genießen, wo wenige Kilometer weiter Menschen im Krieg sterben.
Der Bekl. verwies darauf, dass das AG Stuttgart-Bad Cannstatt (NJW-RR 1992, 312) im Zusammenhang mit dem ersten Golfkrieg die Kündigung eines Vertrages über eine Ägypten-Rundreise wegen dort zu erwartender Unruhen, Demonstrationen und Terrorakten für zulässig erachtet habe. Zwar habe das AG München (NJW-RR 2004, 1355) die Kündigung eines Reisevertrages über eine Kreuzfahrt mit Zielorten in Italien für nicht gerechtfertigt erachtet, weil diese durch den Irakkrieg nicht wesentlich beeinträchtigt sei und Italien auch nicht zu den kriegführenden Nationen gehört habe; hingegen habe das AG Bielefeld (NJW-RR 2004, 703) die Kündigung einer im Dezember 2003 nach Istanbul geplanten Reise wegen der Anschläge im November 2003 für gerechtfertigt erachtet.
E.
Das AG verurteilte den Bekl. antragsgemäß zur Zahlung. Die Kl. habe einen in zulässiger Weise pauschalierten Anspruch nach § 651 i BGB. Die Reise beginne mit der Busreise am 12.04.2003, die Kündigung sei daher am 9. Tag vor Reiseantritt erfolgt. Die Kl. könne die Änderung der Route zwar nicht auf Ziff. 18 ihrer Allgemeinen Reisebedingungen stützen, wohl aber auf Ziff.4. Die Änderungen seien unwesentlich gewesen.
F.
Mit der Berufung macht der Bekl. unter Beweisantritt geltend, er habe im Reisebüro eine Kreuzfahrt gewünscht, die Ägypten umfasse. Darüber müsse Beweis erhoben werden. Einen Hinweis auf eventuelle Routenänderungen habe es bei der Buchung nicht gegeben. Die spätere Entwicklung im östlichen Mittelmeerraum sei damals nicht absehbar gewesen.
Der Bekl. habe die Reise nicht storniert, sondern gekündigt. Eine Stornierung sei durch die Kl. erfolgt. Stornokosten könnten aber maximal in Höhe von 60% verlangt werden, da Reiseantritt nicht der Bustransfer, sondern der Beginn der Schifffahrt sei. Der Begriff sei zumindest unklar und daher im dem Kunden günstigeren Sinne auszulegen.
Der Bekl. sei wegen höherer Gewalt zur Kündigung nach Ziff. 10 der Allgemeinen Reisebedingungen berechtigt gewesen. Die Kreuzfahrt sei als Erholungsfahrt konzipiert und verfehle diesen Zweck, wenn sie zwischen Kriegsschiffen hindurch und unter Jagdgeschwadern hinweg führe.
Die Streichung des Zielortes Ägypten aus der „Großen Osterkreuzfahrt Ägypten und Istanbul“ bedeute eine wesentliche Änderung des Reisezuschnitts. Die Kl. habe selbst Gewicht auf das Reiseziel Ägypten gelegt. Deshalb könne der Bekl. den Vertrag nach Ziff.4 der Allgemeinen Reisebedingungen kündigen, zumal die Kl. keine Umbuchung angeboten habe, ohne dass sie dargelegt hätte, dass ihr das nicht möglich sei.
Zuletzt bedeute die Änderung der Reiseroute, bei der nach den von der Kl. vorgelegten Tagesprogrammen auch die Landausflüge in Katakolon, Istanbul und Mykonos ausgefallen und die Aufenthaltszeiten im Übrigen teilweise verändert worden seien, bei Änderungen von insgesamt 33% einen Verlust der vertraglich vereinbarten und zugesicherten Eigenschaften der Reise und führe zur Aufhebung des Wertes und des Nutzens dieser Fahrt.
Die Kl. macht geltend, Ägypten sei als Reiseziel weder Bedingung des Vertrages gewesen noch Gegenstand einer dahingehenden Zusicherung. Im Übrigen sei nur ein Tagesprogramm ersetzt worden; die Reise sei im Übrigen aber wie geplant und allenfalls mit zeitlichen Verschiebungen durchgeführt worden. Dies sei nach Ziff.4 der Allgemeinen Reisebedingungen zulässig. Für die im Übrigen unveränderte Route beruft sich die Kl. auf die Zeugin Tunze (Bl. 67,175). Der Irakkrieg habe die Änderung der Route erforderlich gemacht.
Die Kl. hat im Termin die vollständigen Tagesprogramme der Reise vorgelegt. Danach fanden am 15.04.2003 der Ausflug Katakolon / Olympia statt, am 21.04.2003 ab 07.45 bis 16.30 Uhr die Tagesausflüge in Istanbul, und am 22.04.2003 von 13.30 bis 22.30 Uhr der Ausflug in Mykonos. Der Tagesausflug Limassol fand statt von 13.00 bis 19.00 Uhr von 08.00 bis 15.30 Uhr statt. Der Aufenthalt in Rhodos dauerte statt von 13.00 bis 19.00 Uhr von 08.00 bis 18.30 Uhr. Im Übrigen blieben die An- und Abfahrtszeiten unverändert.
Der Bekl. hat zu den vorgelegten Tagesprogrammen nicht mehr Stellung genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kl. steht kein Anspruch auf Zahlung des anteiligen Reisepreises als angemessene Entschädigung nach Ziff. 5 ihrer Allgemeinen Reisebedingungen zu, denn der Bekl. hat den Vertrag berechtigterweise nach Ziff. 10 der Allgemeinen Reisebedingungen gekündigt.
1.) Dass die Kündigungserklärung des Bekl. unter bestimmten Umständen auch als Rücktritt nach Ziff. 5 der Allgemeinen Reisebedingungen ausgelegt werden kann, ist hier irrelevant. Dies wäre sicher dann der Fall, wenn es an einem Kündigungsgrund i.S.d. Ziff. 10 bzw. einem Rücktrittsrecht nach Ziff. 4 der Allgemeinen Reisebedingungen fehlen würde, so dass es dem mutmaßlichen Willen des Bekl., der später die Reise auch tatsächlich nicht angetreten hat, entsprechen würde, wenn er statt des vollen Reisepreises nur die geringere Entschädigung nach Maßgabe der Ziff. 5 zu zahlen haben würde.
Eine Kündigungserklärung ist aber dann nicht in eine Rücktrittserklärung umdeutbar, wenn sich die jeweiligen Rechtsfolgen gravierend unterscheiden. Denn während der Bekl. nach Ziff. 10 und im Einklang mit §§ 651 j, 651 e Abs.3 BGB nur die vom Reiseveranstalter bereits erbrachten Leistungen bezahlen müsste, der Reiseveranstalter aber den Anspruch auf den Reisepreis und damit auch auf eine am Reisepreis orientierte pauschalisierte Entschädigung verlieren würde, und während der Bekl. nach Ziff. 4 ohne Gebühren vom Reisevertrag zurücktreten könnte, müsste er beim Rücktritt nach Ziff. 5 den vollen Reisepreis abzüglich ersparter Aufwendungen zahlen, der hier - einen Rücktritt am neunten Tag vor Reisebeginn angenommen - 85% des Reisepreises betragen würde. Eine Erklärung, die darauf abzielt, sich ohne Kosten vom Reisevertrag zu lösen, kann (wenn der Reisende sich kostenfrei vom Vertrag lösen kann) nicht umgedeutet werden in eine Erklärung, bei der 85% des Reisepreises zu zahlen wären.
2.) Die Frage des Kündigungsrechtes nach Ziff. 10 bzw. des Rücktrittsrechts nach Ziff. 4 der Allgemeinen Reisebedingungen kann entgegen der Auffassung des Bekl. auch nicht schon deshalb dahingestellt bleiben, weil die Kl. ihrerseits die Reise storniert habe. Wenn die Kl. im Schreiben vom 07.04.2003 (Bl. 62 d.A.) an die Bevollmächtigten des Bekl. ausführte, „mit Bedauern haben wir die oben angeführte Kreuzfahrt für Ihre Mandanten storniert“, besagt das nach objektivem Empfängerhorizont nicht, dass die Kl. den Bekl. aus eigenem Entschluss von der Liste der Reiseteilnehmer streichen, d.h. den Vertrag mit ihm beenden wollte, sondern nur, dass sie auf Grund der Erklärung des Bekl. eine Stornierung vornehme unter Hinweis auf die Stornokosten von 85%. Der Bekl. musste daher das Schreiben der Kl. zwingend dahingehend verstehen, dass diese die Erklärung des Bekl. zwar nicht als die eigentlich gewollte Kündigung akzeptiere, aber als Rücktritt nach Ziff. 5 der Allgemeinen Reisebedingungen werte.
3.) Die Voraussetzungen für ein Rücktrittsrecht des Bekl. nach Ziff. 4 der Allgemeinen Reisebedingungen liegen nicht vor.
a.) Nach dem Schreiben der SKULD vom 11.03.2003 ist Ägypten als Krisengebiet eingestuft worden, so dass Reisen dorthin vom Versicherungsschutz ausgeschlossen wurden. Dass dies mit den Ereignissen im Irak zusammenhängt, ist nach dem Inhalt des Schreibens auszuschließen. Zum einen nimmt das Schreiben Bezug auf den 15.10.2002; zum anderen sind z.B. mit Angola, Eritrea, Kongo, Sri Lanka und Sierra Leone zahlreiche Staaten genannt, deren Gebiet von einem sich am 11.03.2003 möglicherweise abzeichnenden Krieg im Irak gar nicht betroffen gewesen wären. Es ist daher anzunehmen, dass Ägypten nicht erst am 11.03.2003 wegen der sich zuspitzenden Lage im Irak aus dem Schiffs-Versicherungsschutz herausgenommen worden ist. Zutreffend hat der Bekl. in seinem Schreiben vom 15.03.2003 darauf hingewiesen, dass sich die politische Lage im Nahen Osten (erst recht nicht vom 10.03. auf den 13.03.2003) so dramatisch verändert habe, dass eine Routenänderung nötig werde. Und zu Recht verweist der Bekl. im Prozess darauf, dass das Auswärtige Amt noch am 24.03.2003, also nach Beginn des Irakkrieges, mitgeteilt habe, die Lage in Ägypten sei unverändert ruhig. Der Kl. mag daher für die Fahrt nach Ägypten kein Schiffs-Versicherungsschutz gewährt worden sein, was sie dann zum Anlass nahm, die Reiseroute zu ändern. Mit dem erst danach ausgebrochenen Irakkrieg hat dies aber nichts zu tun. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob Ägypten schon beim Abschluss des Reisevertrages als Krisengebiet eingestuft worden war, so dass schon damals (objektiv) festgestanden hätte, dass kein Schiffs-Versicherungsschutz gewährt werden würde, oder ob diese Einstufung erst später wegen der politischen Lage im Nahen Osten erfolgte, denn in beiden Fällen würden Umstände, die außerhalb des Einwirkungsbereichs der Vertragsparteien liegen, dazu führen, dass kein Schiffs-Versicherungsschutz gewährt wird.
b.) Ob der Umstand, dass Schiffs-Versicherungsschutz für den Abstecher nach Ägypten nicht gewährt werden würde, schon bei Vertragsschluss festgestanden hat, oder ob dieser Umstand erst nachträglich eintrat, kann letztlich dahingestellt bleiben. Der Reisende kann nach Ziff. 4 der Allgemeinen Reisebedingungen jedenfalls dann ohne Gebühren vom Reisevertrag zurücktreten, wenn nach Vertragsschluss einzelne Reiseleistungen geändert werden, auch wenn die Notwendigkeit der Änderung schon bei Vertragsschluss bestanden haben sollte.
Voraussetzung für einen nach Ziff. 4 der Allgemeinen Reisebedingungen kostenfreien Rücktritt ist ferner, dass die Änderung der Reiseleistung vom Reiseveranstalter nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt worden ist. Ein treuwidriges Verhalten der Kl. ist nicht dargelegt; es ist dafür auch nichts ersichtlich. Schließlich muss die Änderung oder Abweichung der einzelnen Reiseleistung erheblich sein und den Gesamtzuschnitt der Reise beeinträchtigen.
aa.) Die Änderung der Reiseleistung liegt im Wesentlichen darin, dass Ägypten nicht mehr Reiseziel war und dass stattdessen Heraklion (Kreta) neues Reiseziel wurde. Soweit der Bekl. darüber hinaus bestritten hatte, dass die Reise im übrigen wie geplant durchgeführt worden sei und konkret geltend machte, die Tagesausflüge Mykonos, Katakolon und Istanbul seien auch entfallen, beruhte dieser Sachvortrag ersichtlich auf den in 1. Instanz eingereichten, aber unvollständigen Tagesprogrammen. Bei diesen Tagesprogrammen, die nach den in 2. Instanz vorgelegten Unterlagen jeweils mehrere Seiten umfassten, war immer nur die erste Seite pro Tag vorgelegt worden. Auf Vorlage der vollständigen Tagesprogramme hat der Bekl. nicht nochmals Stellung genommen, obwohl ihm Schriftsatzrecht eingeräumt worden war. Stützte aber der Bekl. seine Behauptung ausdrücklich auf die Tagesprogramme der Kl., und vervollständigt diese dann die vorgelegten Tagesprogramme, so dass aus den Ergänzungen ersichtlich ist, dass die Tagesausflüge wie geplant erfolgt sind, bedarf es keiner Beweiserhebung.
Eine weitere Änderung besteht darin, dass die Zeiten für die Landausflüge teilweise geändert wurden. Während der Aufenthalt in Rhodos und in Piräus zeitlich ausgedehnt wurde, wurde der Aufenthalt in Limassol Von 13.00 bis 19.00 Uhr verlängert und verändert auf 08.00 bis 15.30 Uhr.
bb.) Zutreffend hat das AG ausgeführt, dass die Routenänderungen nicht schon nach Ziff. 18 der Allgemeinen Reisebedingungen hinzunehmen seien, wonach die Schiffsleitung infolge schlechter Wetterbedingungen, höherer Gewalt oder weltpolitischer Ereignisse die Route andern könne. Diese Regelung ermächtigt die Schiffsleitung (nicht den Reiseveranstalter) zu Routenänderungen und betrifft daher ersichtlich nur solche Änderungen, die nötig werden, nachdem die Reise begonnen hat.
cc.) Ob die Änderung der Reiseroute und der Wegfall des Abstechers nach Ägypten eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung ist, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Zwar macht der Bekl. geltend, er habe seiner Ehefrau eine Reise schenken wollen, bei der Ägypten ein Reiseziel gewesen sei. Darüber sei auch im Reisebüro gesprochen worden. Die gebuchte Reise umfasste auch zunächst Ägypten, ohne dass dieses Reiseziel zur Bedingung für den Reisevertrag gemacht worden wäre oder die Parteien sich individuell darüber geeinigt hätten, dass der Bekl. vom Reisevertrag zurücktreten könnte, wenn Ägypten als Reiseziel entfalle. Diese Möglichkeit haben die Parteien bei Vertragsschluss ersichtlich nicht bedacht; jedenfalls sind zugunsten des Bekl. keine weitergehenden Rechte begründet worden für den Fall, dass Ägypten als Reiseziel entfallen sollte. Ob daher im Reisebüro darüber gesprochen wurde, dass der Abstecher nach Ägypten ein wesentlicher Grund für den Bekl. war, die konkrete Reise zu buchen, ist irrelevant: Solange die Möglichkeit, dass der Abstecher nach Ägypten nicht stattfindet, weder als auflösende Bedingung für den Vertrag ausgestaltet wurde noch dem Bekl. für diesen Fall ein Rücktrittsrecht eingeräumt wurde, ist der vorgesehene Aufenthalt in Ägypten nur ein (möglicherweise wesentliches, rechtlich aber nicht erhebliches) Motiv für den Vertragsabschluss durch den Bekl..
Zwar hat die Kl. selbst den Zielort Ägypten herausgestellt, indem sie die Reise als „Große Oster-Kreuzfahrt: Ägypten & Istanbul“ bezeichnete. Aus dem Reiseverlauf war aber jederzeit ersichtlich, dass der Aufenthalt in Ägypten zwar ca. 12 Stunden dauern sollte, so dass es sich um den längsten Landaufenthalt während der Reise handeln würde, dass aber mehr als einer von 14 Tagen für Ägypten nicht vorgesehen war. Der Landausflug in Ägypten war auch nur einer von zehn Ausflügen, wenn auch sicher einer der attraktivsten. Gleichwohl handelte es sich nicht um eine Reise, deren Schwerpunkt Ägypten war. Dies hat offensichtlich auch der Bekl. so gesehen, denn auf die Mitteilung, dass die geänderte Route Ägypten nicht mehr umfasse, hat der Bekl. nicht sofort den Rücktritt vom Reisevertrag erklärt, sondern seine Entscheidung davon abhängig gemacht, ob noch weitere Änderungen der Reiseroute geplant seien. Aus der Sicht eines objektiven Empfängers kann diese Reaktion nur so verstanden werden, dass der Bekl. die Reise antreten werde, wenn es nur bei dieser einen Reiseänderung bleibe.
Fällt bei einer Schiffsreise, die schon als solche ein Erlebnis ist und nach den Tagesprogrammen mit abendlichen Tanz- und Bühnenveranstaltungen auch nicht nur auf den Transport von Hafen zu Hafen beschränkt war, und in deren Verlauf zahlreiche Landausflüge stattfanden, ein sicher attraktiver Landausflug aus, stellt dies weder allein noch mit den geringfügigen Änderungen des zeitlichen Aufenthaltes an anderen Orten eine erhebliche Änderung einer wesentlichen Reiseleistung dar, da zu berücksichtigen ist, dass an die Stelle Ägypten ein sonst nicht vorgesehener Aufenthalt in Kreta trat und dass die Landaufenthalte in Limassol, Rhodos und Pi-räus verlängert wurden.
4.) Der Bekl. war aber berechtigt, den Reisevertrag nach Ziff. 10 der Allgemeinen Reisebedingungen zu kündigen, da durch bei Vertragsschluss nicht vorhersehbare höhere Gewalt die Reise erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wurde.
a.) Während im Rahmen des Rücktritts nach Ziff. 4 der Allgemeinen Reisebedingungen nur die vertraglich zunächst geschuldete Reiseleistung und die dann erbrachte geänderte Reiseleistung zu vergleichen sind, stellt Ziff. 10 darauf ab, ob „die Reise“ als solche beeinträchtigt wird. Diese Regelung stimmt überein mit der in § 651 j BGB. Zu § 651 j BGB ist anerkannt, dass die Kündigung wegen höherer Gewalt dann möglich ist, wenn „bei objektiver Betrachtung im Zeitpunkt der Kündigung der vertraglich vorgesehene Nutzen der Reise als ganzes in Frage gestellt ist“ (Palandt-Sprau, BGB § 651 j Rdnr. 2) und dass eine „Gefährdung“ der Reise auch dann vorliegt, wenn die persönliche Sicherheit des Reisenden bedroht ist (MK-Tonner, BGB § 651 j Rdnr. 13), so dass der Reisende im Zeitpunkt der Kündigung eine Prognose aufstellen müsse, wann, mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welchen (Nachbar-) Ländern eine Gefährdung eintreten könnte (MK-Tonner, a.a.O.).
b.) Die 14tägige Kreuzfahrt im Mittelmeer hatte schon nach dem Angebot der Kl. nicht nur den Zweck, die Reisenden per Schiff und überwiegend über Nacht von einem Ort zum nächsten zu bringen, um dort im Rahmen von Tagesausflügen die Sehenswürdigkeiten betrachten zu können. Die Schifffahrt war daher nicht bloße Beförderung; vielmehr diente die Reise durch das weitere Programm und das Ambiente auch der Erholung. Dies ergibt sich zwanglos schon daraus, dass die Reise als solche - also ohne die zusätzlich zu buchenden Landausflüge - pro Person 2249 Euro kostete, dass also auch dem Leben an Bord mit Verpflegung, mit zahlreichen Unterhaltungsangeboten, mit diversen Bars etc. ein erheblicher Wert beigemessen wurde. Dass dies auch der Bekl. so gesehen hat und dass es ihm keineswegs nur darauf ankam, einmal die Pyramiden gesehen zu haben, ergibt sich schon aus der Buchung dieser nicht ganz billigen Reise, denn sonst hätte der Bekl. schneller und billiger eine Flugreise nach Ägypten unternehmen können.
Dieser vertraglich vorgesehene Zweck der Reise ist in seiner Gesamtheit aber infolge äußerer Einflüsse in erheblichem Maße beeinträchtigt worden. Dazu gehört als ein Aspekt, dass die Reise nicht — wie geplant - auch nach Ägypten geführt hat, so dass schon ein herausgestelltes Reiseziel mit einem umfangreichen Tagesausflug zu einer besonderen Sehenswürdigkeit entfallen ist, ohne dass dies durch den neuen Programmpunkt Heraklion adäquat aufgewogen worden wäre. Gewichtiger ist aber, dass die Reise auch in das östliche Mittelmeer führte und damit in eine Region, in der seit 20. 3. 2003 Krieg herrschte. Auch wenn von diesem Krieg das westliche Mittelmeer nicht berührt wurde (so dass nach AG München, NJW-RR 2004, 1355 eine Mittelmeerreise mit Landausflügen in Italien nicht wegen höherer Gewalt gekündigt werden konnte), so gehörten Limassol (Zypern) und insbesondere Istanbul zu Ländern, die entweder nur nahe am Irak liegen oder die zudem in den Krieg hätten verwickelt werden können. Letzteres gilt für die Türkei, die den alliierten Streitkräften Überflugrechte gewährten und von deren Truppen nach dpa-Meldungen vom 21.03.2003 etwa 1.000 Soldaten in den Norden des Irak einrückten. Noch am 30.03.2003 erklärte der türkische Ministerpräsident, die Türkei werde notfalls mit eigenen Truppen im Nordirak eingreifen, wenn die Situation in den Kurden-Gebieten außer Kontrolle gerate.
Die Prognose, wie sich die Situation entwickeln würde, musste der Bekl. nach den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen notwendigerweise vor Antritt der Reise treffen. Daher kann die Kündigung wegen einer Gefährdung der Reise nach § 651 j BGB auch dann zulässig sein, wenn eine Gefährdung später nicht oder jedenfalls nicht zum Zeitpunkt der Reise eintritt (MK-Tonner, a.a.O., Rdnr. 13; LG Frankfurt, NJW-RR 1991, 364). Dass die Reise - von dem Abstecher nach Ägypten abgesehen - tatsächlich wie geplant stattgefunden hat und dass dabei niemand zu Schaden gekommen ist, besagt daher nicht, dass mangels Gefährdung eine Kündigung ausgeschlossen gewesen ist. Bis zur Kündigung durch den Bekl. hatte das Auswärtige Amt darauf hingewiesen, in der gesamten Türkei sei erhöhte Vorsicht geboten wegen der Gefahr von Terroranschlägen, auch dazu derzeit konkrete Hinweise fehlten. Nach Zeitungsberichten bereiteten die Alliierten ab Ende März den Aufbau einer Nordfront vor. Am 27.03.2003 landeten 1000 Fallschirmjäger im Kurdengebiet. Am 30.03.2003 kam es zu schweren Luftangriffen im Nordirak. Ab Ende März reagierte der Irak mit Selbstmordanschlägen. Schon am 13.03.2003 berichtete die „Leipziger Volkszeitung“, dass wegen der Irakkrise Flugreisen in Länder in der Nähe des Irak nicht mehr nachgefragt würden. Auch Kreuzfahrten im Mittelmeer seien obsolet. Der Bekl. legte einen Zeitungsbericht vor (Anlage Bl 1), wonach seit Kriegsbeginn mehrere tausend Reisen der Anbieter TUI und Thomas Cook in die Türkei, Ägypten und Tunesien umgebucht worden seien.
Wie sich der Krieg im Irak entwickeln würde und welche Auswirkungen er auch auf die Türkei würde haben können, war im Zeitpunkt der Kündigung nicht absehbar. Ebenso wenig bestand Klarheit darüber, über welche Waffen der Irak verfügte. Ob sich die Situation bis zum Aufenthalt in Limassol (18.04.2003) und Istanbul (20./21.04.2003) entspannt oder weiter verschärft haben würde, war nicht vorhersehbar. Der Präsident der USA hatte am 30.03.2003 erklärt: „Gegen diesen Feind werden wir kein anderes Ergebnis akzeptieren als einen vollständigen und endgültigen Sieg.“
Bei der Kündigung am 03.04.2003 stand daher weder fest, dass die Abstecher nach Limassol und Istanbul entweder ausfallen müssten oder mit einer Gefährdung der Reiseteilnehmer verbunden sein würden, noch konnte sicher angenommen werden, dass die Abstecher wie geplant und ohne jedes Risiko würden stattfinden können. Der Bekl. durfte daher entweder weitere Änderungen der Reiseroute befürchten oder bei gleichbleibender Reiseroute wegen der großen Nähe zum Kriegs- und Krisengebiet Sorge haben um seine eigene Sicherheit gerade auch beim Besuch touristischer Attraktionen.
c.) Bei der Beurteilung, ob der Bekl. zur Kündigung berechtigt ist, kommt zu der Änderung der Reiseroute und der nicht sicheren Prognose über den weiteren Kriegsverlauf mit möglichen Auswirkungen auf Zypern und die Türkei auch noch hinzu, dass der mit der Reise angestrebte Erholungszweck nicht unerheblich beeinträchtigt werden kann, wenn man an Bord ist und sich der Krieg täglich ausweiten kann oder der Reisende zumindest mit der Vorstellung leben muss, dass in einer Entfernung von vielleicht 1000 km (von Limassol und Istanbul) Menschen in den Bombenangriffen sterben. Auch wenn der Irakkrieg per Fernsehen in die Wohnzimmer gebracht wurde, ist es doch ein erheblicher Unterschied, ob man nur die Bilder fernen Leids betrachtet oder ob man ungewollt, aber doch sehenden Auges diesem Krieg und dem Leid unter der Zivilbevölkerung auf 1000 km entgegen fährt, um dort „Urlaub“ zu machen.
Durch die Änderung der Reiseroute und die Beeinträchtigung des Erholungswertes der Reise durch die Sorge um die eigene Sicherheit, aber auch durch das Gefühl, Urlaub zu verbringen in unmittelbarer Nähe eines Krieges mit Bombenangriffen und zahlreichen Toten in der Zivilbevölkerung, war die Reise objektiv und subjektiv in einem Maße beeinträchtigt, dass der vertraglich vorgesehene Nutzen der Reise als ganzes in Frage gestellt war. Ursache war der Krieg im Irak, mithin ein Fall höherer Gewalt, der bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar gewesen ist. Dies rechtfertigt die Kündigung durch den Bekl. nach Ziff. 10 der Allgemeinen Reisebedingungen.
5.) Auf die Berufung des Bekl. war das Urteil des AG Grimma / Würzen aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Kl. trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Zwar mag die Frage, was höhere Gewalt ist, von grundsätzlicher Bedeutung sein. Dass ein Krieg darunter fällt, ist indes in Rechtsprechung und Literatur unstreitig. Inwieweit die jeweilige Reise davon betroffen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Ob der Reisende, der die Kündigung des Vertrages nach § 651 j BGB erklärt, dazu berechtigt ist, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalls, namentlich vom Informationsstand des Reisenden im Zeitpunkt der Buchung und im Zeitpunkt der Kündigung ab (so auch MK-Tonner, BGB § 651 j Rdnr. 22 a). Dies ist einer Grundsatzentscheidung nicht zugänglich.
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