Fehlende Mittagsverpflegung bei All-inclusive-Reise
Gericht
AG Leipzig
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
24. 11. 2010
Aktenzeichen
109 C 5850/09
Auszüge aus den Gründen:
... Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Minderung und Schadensersatz aus dem Reisevertrag der Parteien vom 17.3.2008.
Die Beklagte hat den Reisevertrag nicht - auch nicht auf unstreitige Mängelanzeige und rechtzeitige Rüge des Klägers vor Ort hin - vereinbarungsgemäß erfüllt.
Die Parteien hatten hinsichtlich der Verpflegung "all-inclusive" miteinander vereinbart.
Die Beklagte verstand hierunter eine Beköstigung unter Ausschluss des Mittagessens, welches der Kläger für sich und seine Ehefrau, die beiden Reiseteilnehmer, jedoch beanspruchte.
Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass eine Legaldefinition des Begriffes "all-inclusive" nicht existiert. Hieraus ergibt sich - entgegen den irrigen Rechtsvorstellungen der Beklagten - jedoch kein einseitiges und nachgerade beliebiges Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der nach einem solchen Reisevertrag zu erbringenden Verpflegung. Eine unmittelbar am Wortlaut der Parteivereinbarung ansetzende Auslegung führt dazu, dass die Beklagte den Reiseteilnehmern eine Mittagsverpflegung hätte anbieten müssen.
Die wörtliche deutsche Übersetzung der geschlossenen Vereinbarung "Verpflegung: All-inclusive" bedeutet nämlich "alle Verpflegungen eingeschlossen". Daher bleibt es unverständlich, wie die Beklagte auf die Idee kommen konnte, ihr sei es einseitig möglich, bestimmte, ganz üblicherweise zum Tageskreis ihrer Kunden gehörende Mahlzeiten - hier das Mittagessen - ohne jeden vorherigen Hinweis an die Vertragspartner für vertraglich nicht eingeschlossen zu erklären.
Der Umstand, dass für "all-inclusive" eine Legaldefinition fehlt, erfordert nach Auffassung des erkennenden Gerichtes - wie regelmäßig von namhaften Reiseveranstaltern auch so gehandhabt - eine sorgfältige Auflistung dessen, was der jeweilige Veranstalter genau unter den Leistungen seines "all-inclusive"-Paketes verstehen möchte.
Das Vorgehen der Beklagten hingegen, die eigenen Kunden über den Umfang des gebuchten "all-inclusive"-Paketes bis zur konkreten Nachfrage nach einer bestimmten Mahlzeit vor Ort hierüber vollständig im Dunkeln zu lassen, findet im Lichte von § 242 BGB keine Stütze im geltenden Recht.
Mit dem Einwand, die Kunden hätten schließlich nachfragen können, was die Beklagte denn unter "all-inclusive" konkret verstehen möchte, deckt die Beklagte zudem auf, dass es ihr letztlich bei der gewählten Leistungsbeschreibung um eine vorsätzliche und arglistige Täuschung ihrer (vorher nicht nachfragenden) Vertragspartner ging, von der sie jeweils nur im Fall einer ausdrücklichen vorherigen Nachfrage Abstand zu nehmen bereit ist.
Nach dem Vorstehenden schuldete die Beklagte aus dem geschlossenen Reisevertrag auch die Mittagsversorgung der Reiseteilnehmer, die sie jedoch vor Ort zu erbringen verweigert hat. Die vor Ort angebotene "Abhilfe" durch Wechsel in ein anderes Hotel mit einer "all-inclusive"-Verpflegung, musste von den Reiseteilnehmern nicht akzeptiert werden, weil die Beklagte dabei versucht hat, sich eine bereits vom Kläger bezahlte Leistung durch einen Aufpreis in Höhe von 175,- EUR rechtswidrigerweise doppelt vergüten zu lassen.
Zudem wären die Reiseteilnehmer im neuen Hotel nicht sicher gewesen, von der Beklagten nicht erneut über den Inhalt der "all-inclusive"-Vereinbarung getäuscht zu werden. Angesichts der Argumentation der Beklagten vor Ort und im Verfahren wäre nicht auszuschließen gewesen, dass im neuen Hotel trotz Aufpreis plötzlich das Frühstück oder das Abendbrot nicht zum "all-inclusive"-Verpflegungspaket gehört hätte. Schließlich gibt es nach der ernsthaft vertretenen Rechtsauffassung der Beklagten keine Vorschrift, wonach ausgerechnet solche Mahlzeiten integraler Bestandteil eines "all-inclusive" - Verpflegungspaketes seien.
Der Umstand, dass dem Kläger und seiner Ehefrau von der Beklagten während der gesamten Reisedauer die gebuchte und bezahlte Mittagsverpflegung vorenthalten worden ist, stellt im Hinblick auf den geschlossenen Vertrag der Parteien einen Reisemangel gemäß § 651c BGB dar.
Der sich hieraus ergebende Minderungsanspruch ist billigerweise auf 20 % der Reiseleistung zu bemessen.
Hinzu tritt hier ein Schadensersatzanspruch des Klägers und seiner Ehefrau gemäß § 651f Abs.1 und 2 BGB wegen der nachhaltigen und fortgesetzten Beeinträchtigung der Urlaubsfreude beider Reiseteilnehmer, der nach billigem Ermessen gemäß § 287 ZPO auf insgesamt 250,- EUR zu bemessen war.
Die Reiseteilnehmer konnten sich nicht - wie beabsichtigt - während der gesamten Urlaubsdauer verpflegt im gebuchten Hotel aufhalten, sondern mussten sich insgesamt zehn Mal selbst mit entsprechendem Zeit- und Kostenaufwand außerhalb ihrer Hotelanlage um eine ausweislich ihrer Reiseunterlagen bereits gebuchte und bezahlte Mittagsmahlzeit nebst entsprechender Getränke bemühen. Zudem waren sie über mehrere Tage hinweg wenn letztlich auch erfolglos - wiederholt damit befasst, auf die Reiseleitung der Beklagten vor Ort zu warten, um diese für eine vertragsgemäße Erfüllung des Reisevertrages zu gewinnen. Der Kläger und seine Ehefrau waren daher an einer Gestaltung dieser Urlaubstage nach ihren ganz eigenen Wünschen gehindert. In alldem liegt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes durchaus eine "erhebliche Beeinträchtigung" der Reise i.S.d. § 651f Abs. 2 BGB.
Soweit die Beklagte einwenden möchte, Voraussetzung eines Schadensersatzes wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit (um einen solchen geht es allerdings vorliegend nicht ausschließlich) sei eine Minderung der Reiseleistung um mindestens 50 %, handelt es sich ausweislich des eindeutigen Gesetzestextes von § 651f BGB gerade nicht um eine bindende Vorgabe des Gesetzgebers.
Mit der erhobenen Einwendung, das AG Leipzig habe hier dem Kläger auch den Schadensersatzanspruch der Ehefrau des Klägers zugesprochen, kann die Beklagte schlussendlich nicht durchdringen.
Im Rahmen der wiedereröffneten Verhandlung hat der Kläger eine Abtretungserklärung der Ehefrau des Klägers hinsichtlich ihrer Ansprüche gegen die Beklagte vorgelegt.
Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist nicht ersichtlich, weshalb die Ehefrau des Klägers ihre höchstpersönlichen Ansprüche gegen die Beklagte nicht zur prozessstandschaftlichen Geltendmachung im Verfahren an den Kläger hat abtreten dürfen. Ein solches - von der Beklagten offenbar unterstelltes Abtretungsverbot kennt unsere Rechtsordnung nicht. ...
Die Berufung war nicht zuzulassen ...
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