Kein Anscheinsbeweis bei Erkrankung von weniger als 10% der Hotelgäste

Gericht

LG Leipzig


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 10. 2010


Aktenzeichen

5 O 1659/10


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

... Am 9.2.2009 buchte die Klägerin aufgrund einer Internetausschreibung bei der Beklagten eine 15-tägige Flugpauschalreise für sich, ihren Ehemann und ihre drei Kinder in die Türkei, Konakli. Die Unterbringung sollte all-inclusive im 4,5 Sternehotel K., welches über 190 Zimmer verfügte, in der Zeit vom 15.10.-30.10.2009 erfolgen. Der Reisepreis betrug 2.310,- EUR. ...

Die Klägerin wurde vor Ort nicht in das gebuchte Hotel, sondern in das Ersatzquartier V. in Alanya, welches 442 Zimmer hat, einquartiert.

Am Morgen des 17.10.2009 erwachte das Kind der Klägerin mit 39,6 Grad Fieber und Brechdurchfall mit Bauchschmerzen und Magenkrämpfen. Nachdem Mittel gegen Magen- und Darmerkrankungen nicht halfen, wurde es nach 4 Tagen Bettlägerigkeit ins Krankenhaus gebracht, wo der Ehemann der Klägerin bei ihm blieb. Zur gleichen Zeit erkrankte auch ein weiteres Kind der Klägerin, welches gleich die Medikamente erhielt, welche das erste Kind in der Klinik bekam. Der Krankheitsverlauf verlief bei diesem Kind milder. In der zweiten Urlaubswoche erkrankte auch das Baby der Klägerin mit denselben Symptomen wie seine Brüder. Mitte der zweiten Ferienwoche kam das erste Kind aus dem Krankenhaus zurück. Eine Untersuchung nach Beendigung der Urlaubsreise ergab den Befund Salmonellen Enterititis. ...

Die Klägerin beschwerte sich bei der Beklagten mit E-Mail vom 2. und 15.11.2009 über Mängel der Urlaubsreise.

Mit Schreiben vom 4.11.2009 bot die Beklagte eine Minderung in Höhe von 231,- EUR an. Die Klägerin schrieb darauf eine E-Mail an die Beklagte mit folgenden Inhalt: "Die Entschädigung für das falsche Hotel nehme ich an, jedoch dass es keine Salmonellen im Hotel gab, werde ich gerichtlich klären lassen. ...". Die Beklagte zahlte die 231,- EUR am 8.2.2010 an die Klägerin.

Die Klägerin behauptet, das Ersatzhotel habe an einer stark befahrenen Schnellstraße 30 km entfernt von Antalya gelegen. Es sei von dreckigen und lärmenden Großbaustellen umgeben gewesen. Es habe keinen Strand gegeben, keine Ortschaft mit der Infrastruktur, das Haus sei überfüllt gewesen, so dass die Klägerin keine Liegen am Pool bekommen habe, der Kinderclub sei geschlossen gewesen bzw. man habe sich dort um die Kinder nicht gekümmert. Es habe Hygienemängel in Küche, Restaurant und Pool gegeben. Die Zimmer seien so gut wie nie gereinigt worden. Mängelanzeigen hätten zu keinem Erfolg geführt. Die drei Kinder der Klägerin hätten sich während der Urlaubsreise aufgrund der mangelnden Hygiene in Küche, Restaurant, Pool und Schwimmbad, unzureichender Kühlung der Lebensmittel sowie Auftischung alter, abgelaufener und verdorbener Lebensmittel, vermutlich des Speiseeis', Salmonellen geholt. Auch das Wasser im Kinderpool sei mit Salmonellen verseucht gewesen. Es hätten sich mindestens 50 weitere Familien im Hotel, insbesondere die Kinder, diese Erkrankung zugezogen. ...

Sie ist der Auffassung, dass ihr eine Minderung des Reisepreises in Höhe von 100 % zusteht. ... Darüber hinaus stände ihr Schadensersatz für nutzlos verwendete Urlaubszeit für sich, ihren Ehemann und die Kinder in Höhe von je 72,- EUR pro Tag und Person, insgesamt 4.320,- EUR, zu. Der Ehemann habe seine Ansprüche und die der Kinder an die Klägerin abgetreten. Zudem habe die Beklagte ihr auch die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 580,13 EUR zu ersetzen. ...

Die Beklagte behauptet, das Ersatzhotel sei vertragsgemäß und nur 3,6 km entfernt vom ursprünglichen Hotel gewesen. Für die während des Aufenthalts eingebuchten 1.250 Urlauber hätten 1.400 Strandliegen am 8-12 m breiten Strand zur Verfügung gestanden. ...

Die Klägerin habe die Ersatzzuweisung am 16.10.2009 akzeptiert. Spätestens mit Zahlung der 231,- EUR seien die Ansprüche mit Ausnahme des Komplexes Salmonellen abgegolten. Abhilfeverlangen der Klägerin lägen nicht vor. Salmonellenerkrankungen habe es im Hotel nicht gegeben. In der streitgegenständlichen Zeit seien nur ca. 10 Personen an Gastroventritis erkrankt gewesen. Es hätten sich auch nur 2 weitere Gäste des Hotels im gleichen Krankenhaus wie die klägerische Familie befunden, der eine wegen Bandscheibenbeschwerden, der andere wegen eines verstauchten Fußes. ...

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Minderung nach § 651d BGB.

a) Hinsichtlich sämtlicher von der Klägerin gerügter Mängel, mit Ausnahme der Salmonellenvergiftung, wurde zwischen den Parteien ein Vergleich nach § 779 BGB geschlossen. Diese Mängel sind durch Zahlung der 231,- EUR abgegolten worden. Die Klägerin hatte der Beklagten mit E-Mails vom November 2009 sämtliche Mängel, welche mit dem Ersatzhotel zusammenhingen, mitgeteilt und Minderung- und Schadensersatzansprüche angemeldet.

Die Beklagte hat daraufhin eine Minderung des Reisepreises in Höhe von 10% (231,- EUR) angeboten. Die Klägerin hat dies mit E-Mail vom 4.2.2010 angenommen. Ihre in der E-Mail enthaltene Aussage "Die Entschädigung für das falsche Hotel nehme ich an, jedoch dass es keine Salmonellen im Hotel gab, werde ich gerichtlich klären", kann nur so ausgelegt werden, dass mit der Zahlung sämtliche von der Klägerin geltend gemachten Mängel, mit Ausnahme der Salmonellen, abgegolten werden sollten.

b) Auch hinsichtlich des Vorwurfs der Salmonellenerkrankungen der Kinder steht der Klägerin gegen die Beklagte kein Anspruch auf Minderung zu, da sie nicht beweisen kann, dass die von ihr behaupteten Salmonellenerkrankungen ihre Ursache im Verantwortungsbereich der Beklagten haben.

aa) Untersuchungsergebnisse von Speisen und Wasser bei der Beklagten zum Zeitpunkt der Erkrankung sind von der Klägerseite nicht vorgelegt worden. Ein unmittelbarer Beweis, dass diese die Erkrankungen der Kinder verursacht haben, ist damit nicht möglich.

bb) Der Klägerin kommen auch nicht die Regeln des Anscheinsbeweises zu Gute. Das Gericht schließt sich der Auffassung an, dass von einem Anscheinsbeweis hinsichtlich der Verursachung von Krankheitserscheinungen aus der Sphäre des Hotels auszugehen ist, wenn zur selben Zeit im selben Hotel eine Vielzahl von Gästen an denselben Krankheitssymptomen leidet. Von einer Vielzahl von Gästen, welche an denselben Krankheitssymptomen leiden, kann nicht mehr gesprochen werden, wenn weniger als 10 % der Hotelgäste erkrankt sind. In diesem Fall scheidet ein Anscheinsbeweis für eine Krankheitsverursachung aus der Sphäre des Hotels aus (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.9.2000 - 18 U 52/00).

(1) Die Klägerin kann bereits nicht substantiiert darlegen, wie viel Personen überhaupt an den identischen Krankheitssymptomen erkrankt sind. In ihrer Klageschrift erklärt sie, 50 Familien seien betroffen. Auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, um wie viel Personen es sich handele, konnte die Klägervertreterin zunächst nur sagen, dass seitens der Klägerin immer von 50 Familien geredet wurde. Die genaue Anzahl der Personen konnte nicht genannt werden. Nach Unterbrechung und Telefonat mit der Mandantin konnte die Klägervertreterin erklären, dass nach Aussage der Mandantin mit ihrem Sohn 10 weitere Kinder aus dem Krankenhaus entlassen worden seien, welche dieselben Symptome gehabt hätten. Außerdem sei vor der Entlassung eine Frau mit ihrem kranken Kind ausgeflogen worden. Mit dieser Frau seien auch weitere 10 Kinder aus dem Hotel im Krankenhaus mit denselben Symptomen gewesen. Schließlich hätten zwei Kinder des Zimmernachbars am Tropf gehangen und ein Kind sei bewusstlos auf der Toilette aufgefunden worden. Bei Familien, die eine Woche vor der Klägerin ihren Urlaub beendet hätten, seien auch zwei Familien mit mehreren Kindern, welche von der Krankheit betroffen gewesen seien, dabei gewesen.

Dieser Vortrag der Klägerin ergibt nicht 50 erkrankte Personen, sondern lediglich 29 erkrankte Personen, wobei das Gericht mangels konkreter Angaben der Klägerseite bei den zwei Familien, welche eine Woche vorher abgereist sind, und bei denen je mehrere Kinder erkrankt gewesen sein sollen, jeweils zwei kranke Kinder pro Familie angesetzt hat. Bei dem bewusstlosen Kind, welches der Mann der Klägerin auf der Toilette gefunden haben soll, bleibt völlig unklar, ob dies überhaupt die streitgegenständlichen Symptome hatte, da Bewusstlosigkeit völlig unterschiedliche Ursachen haben kann, sodass letztendlich lediglich von 28 betroffenen Kindern ausgegangen werden kann.

(2) Dem steht gegenüber die Anzahl von 1.250 Gästen, welche im Hotel der Beklagten untergebracht waren. Sofern die Klägerin erstmals im Schriftsatz vom 28.9.2010 bestreitet, dass im Hotel diese Anzahl von Gästen untergebracht waren, ist dies unerheblich. Zum einen ist sie darlegungs- und beweispflichtig für die Tatsachen des Anscheinsbeweises und damit auch für die Anzahl der vorhandenen Gäste. Zum anderen hat sie die von der Beklagten bereits in der Klageerwiderung vom 19.8.2010 erstmals genannte Zahl bis zur mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Der nachgelassene Schriftsatz galt nur für neuen Tatsachenvortrag, welche die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.9. 2010 vorgetragen hat. Die Anzahl der Gäste war, wie oben dargelegt, keine im Schriftsatz vom 7.9.2010 neu vorgetragene Tatsache. Das Bestreiten ist insofern unbeachtlich.

Setzt man die Anzahl der Gäste ins Verhältnis zu den erkrankten Kindern ergibt sich eine Prozentzahl von 2,24 %. Diese liegt erheblich unter den 10 % und ist nicht ausreichend, einen Anscheinsbeweis zu begründen. Entgegen der Auffassung der Klägerin können die erkrankten Kinder als Gruppe nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind ins Verhältnis der Gesamtgästezahl zu setzen. Tatsächliche Gründe dafür, die Kinder als Gruppe isoliert zu betrachten, liegen nicht vor. Sofern die Klägerin vermutet, dass die Ursache der Erkrankungen im Speiseeis lag, ist festzustellen, dass solches, insbesondere in warmen Ländern, sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern gegessen wird. Ebenso wenig begründet die Vermutung der Klägerin, dass Ursache der Erkrankungen eine Wasserverschmutzung im Kinderpool war, einen ausreichenden Grund dafür, die Kinder isoliert als Gruppe zu betrachten. Auch insofern ist festzustellen, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Kinderpool auch von Erwachsenen, insbesondere von Eltern im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht mitbenutzt wird. Lediglich am Rande ist festzustellen, dass, selbst wenn man aber der Argumentation der Klägerin folgt und die Kinder isoliert als Gruppe betrachtet, die Zahl der von der Klägerin dargelegten Erkrankungen zu gering wäre, um einen Anscheinsbeweis zu begründen. Selbst wenn man von der von der darlegungspflichtigen Klägerseite genannten Zahl von 626 Kindern ausgehen würde, läge die Prozentzahl der Erkrankten bei 4,6 % und damit erheblich unter 10 %. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht